Die UFO-AKTEN 70 (eBook)

Wunderland

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6790-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die UFO-AKTEN 70 - Rafael Marques
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Nadine DuBois besucht ihre fast hundert Jahre alte Großmutter die in Cypress Tree, Mississippi, lebt und unter Demenz leidet. Deren Pflegerin hat sie kurz zuvor angerufen, weil Geraldine in letzter Zeit mit Fantasiewesen zu reden scheint, die für sie sehr real wirken. Die Enkelin ist aufgrund dieser Nachricht besorgt und ihre Angst verstärkt sich noch mehr, als sie von der Seniorin persönlich erfährt, dass sie auch mit ihrem Sohn - Nadines Vater - gesprochen habe, obwohl der bereits vor zwanzig Jahren gestorben ist. Auf diese merkwürdigen Geschehnisse werden bald auch Cliff und Judy aufmerksam, als sie ein Informant per Gedankenübertragung bittet, sich nach Cypress Tree zu begeben ...

Rafael Marques

Wunderland

Vor dem Haus von Geraldine DuBois

Cypress Tree, Mississippi, 11. Mai 2024, 11:23 Uhr

Es war ein heißer Frühlingstag, an dem Nadine DuBois ihren Wagen vor dem einsam gelegenen Holzhaus abstellte und sich abschnallte. Sie stammte zwar aus dieser Gegend und hätte die Schwüle, die nahe der Sümpfe herrschte, eigentlich gewohnt sein müssen, dennoch lief ihre Klimaanlage auf Hochtouren. Vielleicht war sie einfach nur schon sehr lange nicht mehr hier gewesen. Jeder Besuch bei ihrer Großmutter war für sie nämlich zugleich eine Begegnung mit ihrer eigenen Vergangenheit. Erinnerungen, die sie stets erfolgreich verdrängte, kamen dann wieder an die Oberfläche. Aber über manche Dinge kam eben niemand hinweg, besonders, wenn es um Geschehnisse ging, die unabänderbar in die eigene Psyche gebrannt waren. In ihrem Fall betrafen diese ihren Vater, ihre Cousine und das Wunderland ...

Nadine zögerte lange, bis sie den Wagen verließ. Es waren nun schon einige Monate seit ihrem letzten Besuch verstrichen, was sie persönlich sehr schmerzte, da sie ihre Großmutter Geraldine über alles liebte. Außerdem war es ein Geschenk, sie noch immer am Leben zu wissen, immerhin näherte sie sich rasant ihrem hundertsten Geburtstag. Ein geradezu biblisches Alter, und allein deshalb hätte sie schon so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen sollen. Leider lief ihre Lebenslinie nicht so einfach wie bei den meisten Menschen. Es gab Gründe, warum sie Cypress Tree, ihren Heimatort, nicht häufig besuchte.

Giselle, die Pflegerin, die sich tagsüber um Geraldine kümmerte, ahnte nichts von Nadines Geheimnis. Für sie war sie lediglich eine weit entfernt wohnende Enkelin, die ihre Großmutter zwar sehr liebte, aber nur selten die Zeit für einen Besuch fand.

In diesem Fall erhielt sie einen Anruf von der Pflegerin über eine Handynummer, die nur Giselle kannte. Der Grund dafür war, dass Geraldine in letzter Zeit ein eigenartiges Verhalten an den Tag legte, über das sie gerne persönlich mit ihr sprechen wollte.

An sich gab es bei Geraldine eigentlich keine »merkwürdigen Verhaltensweisen«, immerhin litt sie an Demenz. Glücklicherweise befand sich die Krankheit noch im Anfangsstadium, und da sie ansonsten noch bei bester Gesundheit war, gelang es ihr auch, ihren Alltag halbwegs zu bewältigen, so lange sie nicht das Haus verlassen musste. Trotzdem fühlte Nadine sich besser, wenn jemand in ihrer Nähe war, der sie im Notfall unterstützen konnte.

Angesichts der sich in dem um das Haus ausbreitenden Wald haltenden Schwüle klebte Nadine schon nach wenigen Schritten die dunkelblaue Bluse am Oberkörper. Auch die ausgefranste, kurze Jeanshose war wohl nicht die beste Idee gewesen, wenngleich jeder Stoff bei diesen Temperaturen auf der Haut störte.

Schon lange, bevor sie die Tür erreichte, wurde sie von innen geöffnet. Giselle, die in den letzten Jahren deutlich gealtert war und ihr graues Lockenhaar nicht mehr durch Färbungen zu verschleiern versuchte, lächelte sie an und gab ihr freundlich die Hand. »Schön, dass Sie es so schnell geschafft haben«, sagte sie, nachdem sie sich richtig begrüßt hatten. »Ich will nicht sagen, dass ich langsam in Panik gerate, nur, ein wenig Sorgen mache ich mir schon.«

»Das kann ich verstehen.«

»Kommen Sie herein«, bat die Pflegerin. »Ich habe einen Eistee vorbereitet.«

»Danke.«

Nadine folgte der Schwarzen durch einen schmalen, kurzen Flur ins Wohnzimmer, in dem ein Deckenventilator für etwas Abkühlung sorgte. Angesichts der zahlreichen Bücher, die auf dem Couchtisch lagen, ahnte sie, bei welcher Beschäftigung sie die Pflegerin gestört hatte. Um diese Uhrzeit hielt Geraldine normalerweise ein kurzes Schläfchen, und so würde es wahrscheinlich auch heute sein.

Der übliche Duft nach Räucherkerzen und Holz lag in der Luft, so wie sie es schon seit ihrer Kindheit kannte. Es lag lange zurück, dass sie mit ihren Freundinnen und ihrer Cousine Emmy mindestens einmal die Woche zu Besuch gewesen war, um einen von Geraldines leckeren Kuchen zu naschen, den Geschichten von all ihren Reisen in ferne Länder zu lauschen oder einfach nur im Garten herumzutollen. Umso schmerzhafter, dass diese unbeschwerte Zeit irgendwann ein jähes Ende gefunden hatte.

»Hier, bitte«, riss Giselle sie aus den Erinnerungen, als sie ihr ein Glas Eistee reichte.

»Danke.«

Die Kälte des Getränks ließ Nadine innerlich aufatmen. Lange würde der Tee die vorherrschende Hitze nicht vertreiben, andererseits war er schon ein Genuss, zumal Giselle ihr Handwerk wahrlich verstand.

Gemeinsam ließen sie sich auf der Couch nieder, wo die Pflegerin zunächst einen langen Seufzer ausstieß. »Ich weiß gar nicht so genau, wo ich eigentlich anfangen soll«, ergriff sie das Wort. »Es begann vor ungefähr zwei Wochen, dass sie mir eines Morgens plötzlich sagte, wie sehr sie sich freute, nach all den Jahren wieder mit Carl gesprochen zu haben. Sie meinte, er sei gar nicht tot, sondern nur lange verreist gewesen.«

»Hm«, blieb Nadine einsilbig, während sie innerlich zu kochen begann.

Giselle nahm ihre Reaktion zum Anlass, ihren Bericht fortzusetzen: »Anschließend wollte sie unbedingt ihre Großnichte Emmy besuchen, die sich, wie Sie sicher wissen, immer noch in häuslicher Pflege befindet. Was mich daran vor allem wundert, ist, dass Ihre Großmutter Emmy normalerweise nie erwähnt und mich auch nie darum bittet, sie zu ihrem Haus zu fahren. An diesem Tag wollte sie unbedingt zu ihr – ebenso wie zu Ihrem Elternhaus. Ich habe sie sogar in den Keller führen müssen, obwohl ich mir geschworen habe, ihn nie wieder zu betreten.«

Ich auch nicht, schoss es Nadine durch den Kopf, ohne dass sie es aussprach. »Hat sie gesagt, warum sie dorthin wollte?«, fragte sie stattdessen.

»Nein, das wollte sie nicht verraten. Allerdings machte sie auf mich einen entrückten Eindruck, während sie da im Keller stand und ihren Blick schweifen ließ. Bis zu dem Moment, als sie plötzlich zu lächeln begann, einer unsichtbaren Person zuwinkte und etwas sagte wie ›Was bist du denn für einer?‹ oder ›So einen wie dich hab ich ja noch nie gesehen!‹. Zunächst dachte ich an einen vorübergehenden Aussetzer oder dass sie mal wieder heimlich Alkohol getrunken hat, aber diese Kontakte mit imaginären Menschen oder Wesen setzten sich seitdem von Tag zu Tag fort. Außerdem erzählt sie mir immer wieder mal, dass es Carl gutgeht und er sich bei ihr sehr wohlfühlt.«

»Bei ihr?«, entfuhr es Nadine überrascht.

Die Pflegerin nickte und stellte ihr leeres Glas auf den Tisch. »So ist es«, bestätigte sie. »Sie ist der festen Überzeugung, ihr Sohn würde mit ihr in ihrem Haus wohnen.«

Nadine erbleichte und griff sich an die Brust, genauer gesagt ans Herz. Sie war mehr als glücklich, dass dieser Mann nicht mehr lebte, und allein die Vorstellung, sein Geist – oder vielmehr das Produkt der Fantasie ihrer Großmutter – könnte sich in ihrer Nähe aufhalten, sorgte dafür, dass sich ihr der Magen umdrehte. Sie stellte sich vor, wie Geraldine ihr beschrieb, dass er vor ihr stand, sie anlächelte oder sogar über ihr Haar oder die Schultern streichelte. Dies brachte sie beinahe dazu, aufzuschreien. Nur mit Mühe gelang es ihr, sich zusammenzureißen.

»Ms. DuBois?«, wunderte sich Giselle über ihre emotionale Reaktion.

Nervös fuhr sich Nadine durch die blonden Haare. »Entschuldigung«, beschwichtigte sie die Pflegerin. »Mir sind gerade ein paar unschöne Erinnerungen in den Sinn gekommen.«

»Dann bin ich es, die sich entschuldigen muss. Es wäre wohl besser gewesen, Ihrer Großmutter diese Wünsche abzuschlagen und sie intensiver darüber aufzuklären, dass ihr Sohn nicht mehr lebt und auch nicht mehr zurückkehren kann. Allein, ich hatte Angst, sie dadurch zu sehr aufzuregen. In ihrem Alter ist es gefährlich, sich auf ein Streitgespräch einzulassen.«

»Das verstehe ich«, zeigte sich Nadine einsichtig. »Deshalb bin ich ja hier.«

»Ja, genau. Geraldine schläft gerade noch, doch bis Sie oben sind, wird sie bestimmt aufgewacht sein.«

Daraufhin richtete sich Nadine wieder auf. »Das denke ich auch«, erklärte sie und ließ die Pflegerin zunächst allein im Wohnzimmer zurück.

Ihre Beine fühlten sich unheimlich schwer und steif an, während sie sich in Richtung der Treppe begab, deren rissige Stufen in den ersten Stock führten. Es war fast so, als würde sie den ausdruckslosen Blick ihres Vaters auf sich lasten fühlen, so sehr wühlte sie Giselles Bericht auf. Wenn ihre Großmutter tatsächlich versuchte, mit ihr über Carl zu sprechen und so tat, als stünde er neben ihr, wusste sie nicht, wie sie reagieren oder ob sie sofort die Fassung verlieren würde.

Auch ihre Verhaltensweise im Keller ihres Elternhauses gab Nadine zu denken. Sie beschlich zwar bereits eine Ahnung, wen...

Erscheint lt. Verlag 25.5.2024
Reihe/Serie Die UFO-AKTEN
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Akte X, Mulder, Scully, Aliens, Unbekannte Flug Objekte, Mystery, Timothy Stahl, Wolfgang Hohlbein • Science Fiction Romane
ISBN-10 3-7517-6790-8 / 3751767908
ISBN-13 978-3-7517-6790-3 / 9783751767903
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