Auf nach Missouri und zurück -  Ute Koke

Auf nach Missouri und zurück (eBook)

Ein Generationenroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
272 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-2632-2 (ISBN)
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Vor dem Hintergrund der Wirren des Zwanzigsten Jahrhunderts und ihren Folgen entwickelt sich eine mitreißende Familiengeschichte über vier Generationen. Nach dem Einzug der Stiefmutter findet Maria ihren Platz in der Familie nicht mehr und wandert mit ihrer Liebe Konrad nach Missouri/USA aus. Sie kehrt allein mit inzwischen vier Kindern in ihr Heimatdorf im Münsterland zurück. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges lässt Konrad jahrelang nicht wieder zu seiner Familie kommen. Wie gelingt es Tochter Lara, sich gegenüber ihrer Schwiegermutter und ihrer Schwägerin zu behaupten, die mit im Haus leben? Warum wird ihr Mann verdächtigt, ein Regimegegner der Nazis zu sein? Warum wird er dann von den Amerikanern verdächtigt, ein Nazi gewesen zu sein? Nach Kriegsende findet Laras Sohn keine Zukunft mehr in der veränderten dörflichen Welt.

Ute Koke wurde 1950 in Oldenburg/Holstein geboren und wuchs in Düsseldorf auf. Sie heiratete einen Witwer aus dem Münsterland und zog zwei Stiefkinder groß. Während dieser Zeit holte sie auf dem Zweiten Bildungsweg die Abschlüsse Mittlere Reife und Abitur nach und studierte anschließend Jura. Seit vielen Jahren arbeitet sie ehrenamtlich als Lesecoach an Grundschulen, um mit spannenden Geschichten die Leselust der Kinder zu fördern.

1


Heute, an einem sonnigen Herbstmorgen, sitzen die Jüngsten auf dem Boden der Scheune, die gefüllt ist mit frischem Stroh, und streicheln die kleinen Kaninchen. Die Sonne scheint durch das Scheunentor und die letzten Sonnenstrahlen des Herbstes wärmen die Gemüter.

Das Kleinste, noch ein Baby, liegt im Arm der Mutter und lacht bei jeder Drehbewegung.

Die Mutter singt ein Kinderlied und fordert die Kleinen auf, mitzusingen.

»Fuchs du hast die Gans gestohlen, gib sie …«

Plötzlich dreht sich die Mutter zur Seite und fällt der Länge nach auf den Boden. Sie liegt auf dem Rücken, mit dem Kopf zur Seite gedreht. Die Brille ist runtergefallen und liegt ein wenig abseits. Das Baby weint vor Schreck, denn es liegt ohne Schutz auf dem Boden. Die mittlere Tochter Mechthild hebt es auf und wiegt es in ihren Armen.

Alle Kinder stehen um die am Boden liegende Mutter herum.

»Aua, aua«, stammelt eins der Kleinen.

»Bitte Mutter, steh auf!«, rufen die größeren Kinder.

Doch alles Ziehen und Zerren ist vergeblich. Die Mutter liegt reglos auf dem Boden, mit geöffneten Augen.

Maria, die älteste Tochter, rennt tränenüberströmt zum Vater aufs Feld, der gerade mit seinem Sohn Anton und den Knechten Kartoffeln erntet.

Der Vater sieht schon von weitem, dass Maria wie gehetzt zu ihm läuft, als ob etwas passiert sei. Er eilt ihr entgegen und da stammelt sie schon, völlig außer Atem:

»Bitte Vater, komm schnell, Mutter ist hingefallen und rührt sich nicht mehr«

»Anton, komm mit«, ruft er seinem ältesten Sohn zu, lässt Pferde und Knechte stehen und hastet mit seinen beiden Kindern zur Tenne. Dort liegt seine Katharina auf dem Boden und er sieht sofort, dass sie tot ist. Durch Rütteln und Schütteln versucht er trotzdem instinktiv, sie dem Tod zu entreißen.

»Komm Anton, wir bringen Mutter ins Haus.«

Maria begleitet sie, bis sie merkt, dass keines der Kinder ihnen folgt. Sie dreht sich um und sieht, dass die Kinder starr an der Stelle stehen, an der die Mutter lag. Sie sind still. Auch das Baby bringt keinen Ton hervor.

»Kommt Kinder, ich weiß auch nicht, was passiert ist.

Bitte Mechthild, bring die Kinder ins Haus. Ich reite zu Pfarrer Hüser und Dr. Kranich, um ihnen zu sagen, was passiert ist, damit sie schnell kommen. Sag Vater Bescheid, dass ich dorthin unterwegs bin.«

Im Haus legen der Vater und Anton die reglose Mutter ins Ehebett und warten auf Doktor und Pfarrer.

Der Vater streichelt das Gesicht seiner Frau.

»Katharina, was machst du denn für Sachen!«

Der Arzt kann nur noch den Tod feststellen und der Pfarrer kommt zu spät, um der Mutter die letzte Ölung zu geben.

»Wir müssen Mutter in der Guten Stube aufbahren.

Anton, lauf zu Opa Becker!«

Opa Becker, der mit seinem Sohn im Dorf eine Schreinerei betreibt, ist gleichzeitig Bestatter.

Anton rennt los, als ob der Teufel hinter ihm her wäre.

Er steht vor Opa Becker und bringt keinen Ton heraus.

»Anton, Junge, du bist ja kreideweiß. Setz dich erstmal auf den Stuhl und hol tief Luft.«

Dann schreit Anton: »Mutter ist tot!!«

Opa Becker fragt nicht, was passiert ist. Alle Dorfbewohner, die Angehörige verloren hatten, haben auf diesem Stuhl gesessen. Alle haben mit Fassungslosigkeit, mal laut, mal leise, mal demütig, mal zornig, ihm kundgetan, dass er seiner Aufgabe als Bestatter nachkommen soll.

«Das tut mir leid, Anton. Geh nach Hause. Ich komme nachher mit meinem Sohn und werde alles für die Aufbahrung Notwendige tun.«

In der Zwischenzeit haben die Knechte des Hofes den schweren Eichentisch und die zwölf Stühle aus der Guten Stube in die Scheune gebracht. Der Vater und die Kinder sitzen still am Bett der Mutter, bis Opa Becker und sein Sohn eintreffen. Dann verlassen sie den Raum und lassen die beiden ihre Arbeit verrichten. Mechthild kümmert sich um das Baby und die anderen jüngeren Geschwister, während der Vater, Maria und Anton in der Küche besprechen, was für die Beerdigung noch alles veranlasst werden muss und wer was davon übernimmt. Sie haben im Dorf schon viele Beerdigungen miterlebt, sodass sie wissen, was zu tun ist. Nachdem Katharina in der Guten Stube im weißen Totenhemd im Sarg liegt, versammeln sich alle Hofmitglieder an ihrer Seite. Neben ihnen steht auf einem Beistelltisch eine brennende Kerze und ein vergoldetes Kreuz mit Korpus, das aus dem ehemaligen Kloster stammt.

Der Vater betet laut: »Gottes Pläne sind unfassbar. Dies wird uns schmerzlich bewusst, da wir um Katharina, die uns so plötzlich durch den Tod genommen wurde, trauern. Doch gibt uns der Glaube die Zuversicht, dass Gott, der Quell allen Lebens, ihr die Vollendung in seinem Reich schenkt. In dieser Hoffnung suchen wir Trost.«

Während die anderen stumm im Gebet versunken sind, kommen auch schon die ersten Nachbarn, um von der Mutter Abschied zu nehmen. Einige bringen Blumen mit, die sie neben den Sarg legen. Die Familie zieht sich in die Nebenräume zurück. Die Haustür bleibt die ganze Zeit offen. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Katharina wird mit Toten- und Rosenkranzgebeten auf dem Weg zum Ewigen Leben begleitet. Sobald der Vater, Maria, Anton und die Knechte ihre Arbeit im Haus und Hof verrichtet haben, mischen sie sich unter die Betenden.

Am Abend liegt der Vater das erste Mal seit neunzehn Jahren allein im Ehebett. Er greift mehrmals nach der Hand auf der anderen Seite, aber das Bett ist kalt und leer. Katharina und er haben abends immer noch viel über den vergangenen Tag diskutiert und den Kommenden mit seinen Aufgaben besprochen, bis sie manchmal mitten im Reden, müde von der Arbeit, wohlig eingeschlafen waren. Er möchte jetzt mit ihr über das reden, was an diesem Tag geschehen ist, damit er es versteht. Aber es geht nicht.

Neben seiner Nachtkonsole steht ein kleines Fass mit selbst gebranntem Korn aus der eigenen Kornbrennerei. Er hat jeden Abend vor dem Nachtgebet ein Pinneken mit Schnaps getrunken. Das hat sie immer geärgert und oft darüber gelästert: »Weißt du eigentlich, was du unserem Herrgott mit dem Alkohol im Kopf erzählst?«

Er hat sie dann immer nur schmunzelnd angelächelt.

Heute trinkt er aus Achtung vor ihr keinen Schnaps. Und reden will er auch nicht mit IHM, denn er ist so zornig auf IHN. Aber sein Zorn muss raus, deshalb will er IHM doch sagen, was er über IHN denkt.

Eine ehrerbietige Anrede kommt ihm jetzt aber nicht über die Lippen.

»Du magst deine unergründlichen Gründe dafür haben, dass du Katharina heute zu dir gerufen hast. Aber warum durfte sie sich nicht mal von uns verabschieden? Warum durfte sie uns nicht sagen, dass sie uns immer liebt, damit wir diesen Satz für den Rest unseres Lebens in uns hätten tragen können? WARUM? Ich habe bis heute nie an deiner Güte und Gerechtigkeit gezweifelt. Wofür strafst du mich? Amen!!!«

Jetzt ist es raus und sein Herzschlag wird sofort ruhiger. Schlafen kann er aber nicht. Die Gedanken wechseln ungezügelt ständig die Richtung. Mal sieht er Katharina als junge Ehefrau vor sich. Wie glücklich waren sie, dass sie sich gefunden hatten. Dann, als die Kinder eintrudelten. Jedes bedeutete ein Stück gemeinsames Glück mehr. Und wer umsorgt jetzt die Kinder? Wer wird weiter auf sie aufpassen? Und wer umsorgt jetzt Katharina? Nur unser Schöpfer kann das! Sein Zorn ist verflogen und er bereut, dass er sich zu solch einem Ausbruch hat hinreißen lassen.

»Herr, ich bitte dich um Vergebung für meine Zweifel an dir. Du hast mir meine Frau genommen, aber dafür habe ich neun wunderbare Kinder. Mit deiner Hilfe werde ich ihnen auf ihren Lebenswegen behilflich sein. Bitte, bitte stehe uns bei.«

Die Mutter wird drei Tage in der Guten Stube aufgebahrt. Nachbarn, Freunde und Verwandte versammeln sich jeden Abend an ihrem Sarg, um für sie zu beten.

Opa Becker hat einen Sargdeckel entsprechend dem Stand der Familie geschreinert. Der wird von den Knechten des Hofes auf den Lafetten-Wagen geschoben und von vier Pferden zur Kirche gezogen.

Der Vater geht mit Maria direkt hinter dem Wagen.

»Maria, ich begreife es nicht«, gibt der Vater tonlos von sich. »Ich auch nicht, Vater.«

»Das Lied von der Glocke«

Friederich v. Schiller

Ach! Die Gattin ist‘s die teure,

Ach! es ist die treue Mutter,

Die der schwarze Fürst der Schatten

Wegführt aus dem Arm des Gatten,

Aus der zarten Kinderschar,

Die sie blühend ihm gebar,

Die sie an der treuen Brust

Wachsen sah mit Mutterlust.

Ach! des Hauses zarte Bande

Sind gelöst auf immerdar,

Denn sie wohnt im Schattenlande,

Die des Hauses Mutter war,

Denn es fehlt ihr treues Walten,

Ihre Sorge wacht nicht mehr

An verwaister Stätte schalten

Wird die Fremde, liebeleer.

Nachdem die jüngeren Kinder abends von Mechthild...

Erscheint lt. Verlag 22.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7597-2632-1 / 3759726321
ISBN-13 978-3-7597-2632-2 / 9783759726322
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