Die Maske der Spiegel (eBook)

Rabe und Rose, Band 1

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
480 Seiten
Panini (Verlag)
978-3-7569-9966-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Maske der Spiegel -  MA Carrick
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Was ist echt in einer Stadt der Masken? Ren ist eine Betrügerin und Hochstaplerin, die nach Nade?ra gekommen ist, um sich den Weg in eine Adelsfamilie zu erschleichen und sich deren Vermögen zu sichern. Doch als sie das Haus Traementis erreicht, muss sie schnell feststellen, dass die Familie nicht das ist, was sie vorgibt zu sein. Eine dunkle Magie der Albträume beginnt sich durch die Stadt zu winden, und Ren ist schnell darin gefangen. Sie muss sich mit den Intrigen der Aristokraten und den Machenschaften der Unterwelt auseinandersetzen, um zu überleben. Doch auch Ren hat ein Geheimnis, das sie vor der Welt verborgen hält. Kann sie die Stadt vor dem Untergang retten und ihr eigenes Herz vor den Dämonen der Vergangenheit bewahren?

M. A. CARRICK ist das gemeinsame Pseudonym von Marie Brennan (Lady Trents Memoiren) und Alyc Helms (Missy Masters). Sie trafen sich bei einer archäologischen Ausgrabung in Wales und Irland, die auch eine Auszeit in Carrickmacross umfasste. Seit zwei Jahrzenten pflegen sie ihre Freundschaft mit Gesprächen über Anthropologie, Schreiben und Gaming. Beide leben in San Francisco, USA.

M. A. CARRICK ist das gemeinsame Pseudonym von Marie Brennan (Lady Trents Memoiren) und Alyc Helms (Missy Masters). Sie trafen sich bei einer archäologischen Ausgrabung in Wales und Irland, die auch eine Auszeit in Carrickmacross umfasste. Seit zwei Jahrzenten pflegen sie ihre Freundschaft mit Gesprächen über Anthropologie, Schreiben und Gaming. Beide leben in San Francisco, USA.

PROLOG

In der Herberge gab es verschiedene Arten von Stille. Da gab es die Stille des Schlafes, wenn die Kinder Schulter an Schulter auf den fadenscheinigen Teppichen der diversen Räume schliefen und nur hin und wieder ein Schnarchen oder Rascheln ertönte. Dann gab es die Stille des Tages, wenn das Haus so gut wie verlassen war, denn dann waren sie keine Kinder, sondern Finger, die losgeschickt wurden, um so viele Vögel wie nur irgend möglich zu rupfen und erst nach Hause zu kommen, wenn sie Geldbörsen, Fächer, Taschentücher und mehr vorweisen konnten.

Dann gab es da noch die Stille der Angst.

Jeder wusste, was passiert war. Dafür hatte Ondrakja gesorgt: Falls irgendjemandem die Schreie entgangen sein sollten, hatte sie Sedges blutige, entstellte Leiche an ihnen allen vorbeigeschleift, während Simlin Ren zwang, mit leerem Blick hinter Ondrakja herzustaksen. Als sie einige Zeit später zurückkehrten, waren Ondrakjas fleckige Hände leer, und sie stellte sich mitten in den schimmeligen Flur der Herberge, während die restlichen Finger aus den Türöffnungen und durch das zersplitterte Treppengeländer zusahen.

»Das nächste Mal«, sagte Ondrakja mit leiser und freundlicher Stimme, von der sie alle wussten, dass sie Gefahr bedeutete, zu Ren, »schlage ich an einer weicheren Stelle zu.« Danach ließ sie den Blick mit zielsicherer Bosheit zu Tess wandern.

Simlin gab Ren frei, Ondrakja ging nach oben und danach breitete sich Stille in der Herberge aus. Nicht einmal die Bodendielen knarrten, weil die Finger sich Ecken suchten, in die sie sich kauern konnten, und dort blieben.

Sedge war nicht der Erste. Es hieß, Ondrakja würde sich hin und wieder rein zufällig jemanden herauspicken, damit die anderen nicht aus der Reihe tanzten. Sie war die Anführerin ihres Knotens, daher war es auch ihr Recht, jemanden rauszuwerfen.

Allerdings wussten diesmal alle, dass es nicht zufällig geschehen war. Ren hatte Mist gebaut und Sedge den Preis dafür bezahlt.

Weil Ren zu kostbar war, um vergeudet zu werden.

Drei Tage lang blieb es so. Drei Tage der Schreckensruhe, in denen sich keiner sicher war, ob sich Ondrakja wieder beruhigt hatte, und Ren und Tess sich aneinanderklammerten, während die anderen Abstand hielten.

Am dritten Tag wurde Ren aufgefordert, Ondrakja ihren Tee zu bringen.

Sie trug ihn vorsichtig die Treppe hinauf, und das mit einer Anmut, die für den Großteil der Finger unmöglich war. Ihre Schritte waren derart geschmeidig, dass die Innenseite der Tasse noch unbefleckt aussah und die Oberfläche des Tees so ruhig und glatt wie ein Spiegel war, als sie Ondrakja die Tasse reichte.

Ondrakja nahm die Tasse nicht sofort entgegen. Sie fuhr mit der Hand über den Talisman in Form einer verknoteten Kordel an Rens Handgelenk und dann über ihren Kopf, und ihre lackierten Fingernägel strichen über das dichte dunkle Haar, als würde sie eine Katze streicheln. »Kleine Renyi«, murmelte sie. »Du bist clever … aber nicht clever genug. Aus diesem Grund brauchst du mich.«

»Ja, Ondrakja«, flüsterte Ren.

Der Raum war leer, nur sie beide hielten sich hier auf. Keine Finger hockten auf dem Teppich, um Ondrakjas Auftritt zu bestaunen. Hier gab es nur Ren und die fleckigen Bodendielen in der Ecke, in der Sedge gestorben war.

»Habe ich nicht versucht, es dir beizubringen?«, fragte Ondrakja. »Ich sehe Vielversprechendes in dir und deinem hübschen Gesicht. Du bist besser als die anderen; eines Tages könntest du so gut sein wie ich. Aber nur, wenn du zuhörst und gehorchst – und nicht länger Dinge vor mir versteckst.«

Ihre Fingernägel bohrten sich in Rens Haut. Ren hob den Blick und sah Ondrakja mit trockenen Augen an. »Verstehe. Ich werde nie wieder versuchen, etwas vor dir zu verstecken.«

»Braves Mädchen.« Ondrakja nahm den Tee entgegen und trank einen Schluck.

* * *

Die Stunden vergingen quälend langsam. Zweite Erde. Dritte Erde. Vierte. Die meisten Finger schliefen, bis auf jene, die Nachtdienst hatten.

Ren und Tess waren weder draußen noch schliefen sie. Sie hockten unter der Treppe und lauschten. Ren umklammerte den Talisman an ihrem Handgelenk. »Bitte«, flehte Tess, »wir können doch einfach …«

»Nein. Noch nicht.«

Rens Stimme blieb ganz ruhig, wenngleich ihr Innerstes zitterte wie ein kleiner Finger beim ersten Taschendiebstahl. Was machen wir, wenn es nicht klappt?

Sie wusste, dass sie weglaufen sollten. Wenn sie es nicht taten, würden sie ihre Chance verpassen. Sobald herauskam, was sie getan hatte, gäbe es in ganz Nadežra keine Straße mehr, die ihr Zuflucht gewähren würde.

Aber sie war Sedge zuliebe geblieben.

Ein Knarzen auf dem Flur über ihnen ließ Tess aufquietschen. Die Schritte auf der Treppe wurden zu Simlin, der um die Ecke kam. Er verharrte, als er sie im Alkoven bemerkte. »Da seid ihr ja«, sagte er, als hätte er sie schon seit einer Stunde gesucht. »Rauf mit euch. Ondrakja will euch sehen.«

Ren stand auf, ohne den Blick von Simlin abzuwenden. Mit seinen dreizehn Jahren war er nicht so groß wie Sedge, aber sehr viel gemeiner. »Wieso?«

»Keine Ahnung. Hat sie nicht gesagt.« Bevor Ren die Stufen hinaufstieg, fügte er hinzu: »Sie will euch beide sehen.«

Das nächste Mal schlage ich an einer weicheren Stelle zu.

Sie hätten weglaufen sollen. Aber da Simlin jetzt ganz in ihrer Nähe stand, konnten sie das vergessen. Er zerrte Tess aus dem Alkoven, ignorierte ihr Wimmern und schob sie beide die Treppe hinauf.

Das Feuer im Salon war runtergebrannt und die Schatten rückten von der Decke und den Wänden immer näher. Ondrakja hatte ihren großen Sessel mit der Rückseite zur Tür aufgestellt, sodass sie um ihn herumlaufen mussten, um ihr ins Gesicht zu sehen. Tess umklammerte Rens Hand so fest, dass es wehtat.

Ondrakja war der Inbegriff an Spitzenwasser-Eleganz. Trotz der späten Stunde hatte sie sich ein feines Kleid angezogen, einen Surcot im Liganti-Stil über einem feinen Leinenunterkleid – das Ren eigenhändig von einer Wäscheleine gestohlen hatte. Ihr Haar war hochgesteckt, und mit der hohen Lehne hinter sich sah sie aus wie einer der Cinquerat auf ihren Thronen.

Einige Stunden zuvor hatte sie Ren noch gestreichelt und für ihre Fähigkeiten gelobt. Nun sah Ren jedoch das mörderische Glitzern in Ondrakjas Augen und wusste, dass so etwas nie wieder passieren würde.

»Verräterische kleine Schlampe«, zischte Ondrakja. »Ist das deine Rache für dieses Stück Scheiße, das ich rausgeworfen habe? Tust mir etwas in den Tee. Es hätte ein Messer in den Rücken sein müssen – aber dafür hast du nicht den Mumm. Das Einzige, was schlimmer ist als ein Verräter, ist einer ohne Rückgrat.«

Ren stand wie gelähmt da. Tess kauerte hinter ihr. Sie hatte exakt die Menge an Herbstzeitlose hineingegeben, die sie sich leisten konnte, und den Apotheker mit den Münzen bezahlt, die ihr, Tess und Sedge eigentlich dabei helfen sollten, Ondrakja für immer zu entkommen. Es hätte wirken müssen.

»Dafür wirst du büßen«, drohte Ondrakja ihr mit vor Gift sprühender Stimme. »Aber diesmal wird es nicht ganz so schnell gehen. Jeder wird wissen, dass du deinen Knoten verraten hast. Sie werden dich festhalten, während ich deine kleine Schwester hier bearbeite. Ich werde sie tagelang am Leben lassen und du wirst jedes noch so kleine …«

Sie erhob sich beim Reden und überragte Ren wie eine urtümliche Dämonin, doch dann taumelte sie plötzlich. Kurz legte sie sich eine Hand an den Bauch und erbrach sich ohne Vorwarnung auf den Teppich.

Als sie den Kopf wieder hob, erkannte Ren, was ihr im Schatten des Sessels verborgen geblieben war: Das Glitzern in Ondrakjas Augen beruhte nicht auf Zorn, sondern kam vom Fieber. Ihr Gesicht sah krank und fahl aus, ihre Haut war mit kaltem Schweiß bedeckt.

Das Gift hatte doch gewirkt. Und es war noch lange nicht fertig mit ihr.

Ren tänzelte nach hinten, als Ondrakja nach ihr griff. Ondrakja ballte die Finger zur Faust, schwankte und sackte auf ein Knie. Schnell wie eine Schlange trat Ren ihr ins Gesicht und Ondrakja fiel nach hinten.

»Das ist für Sedge«, spie Ren ihr ins Gesicht und sauste vor, um Ondrakja in den geplagten Magen zu treten. Die Frau übergab sich erneut, war jedoch noch weit genug bei Sinnen, um Rens Bein zu packen. Ren entwand sich ihr und Ondrakja umklammerte keuchend ihre Kehle.

Mit einem Zerren am Talisman an Rens Handgelenk war die Kordel zerrissen und sie ließ sie ins Erbrochene fallen. Tess tat es ihr sogleich nach. Mit einem Mal waren sie keine Finger mehr.

Ondrakja streckte abermals die Hand aus, und Ren trat auf ihr Handgelenk, wobei der Knochen brach. Sie hätte noch weitergemacht, doch Tess zerrte Ren am Arm zur Tür. »Sie ist doch schon tot. Komm jetzt, sonst …«

»Komm wieder her!«, fauchte Ondrakja, deren Stimme jedoch nur noch ein heiseres Röcheln war. »Das wirst du mir verdammt noch mal büßen …«

Ihre Worte gingen in erneutes Würgen über. Endlich riss sich Ren los, öffnete die Tür und rannte gegen Simlin, der auf der anderen Seite stand und hinfiel, bevor er reagieren konnte. Schon ging es die Treppe hinunter zum Alkoven, wo sich unter den lockeren Bodendielen zwei Taschen verbargen, die ihren gesamten Besitz enthielten. Ren nahm eine heraus und warf Tess die andere zu, und im nächsten Moment preschten sie aus der Tür der Herberge auf die schmalen, stinkenden Straßen von Spitzenwasser und ließen die sterbende Ondrakja, die Finger und ihre Vergangenheit hinter...

Erscheint lt. Verlag 3.5.2024
Reihe/Serie Rabe und Rose
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Astounding-Award • Crawford Award • Dunkle Magie • episch • Fantasy • Locus-Award • magisch • Unterwelt • World Fantasy Award
ISBN-10 3-7569-9966-1 / 3756999661
ISBN-13 978-3-7569-9966-8 / 9783756999668
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