Kurz und gut -  Detlef Brettschneider

Kurz und gut (eBook)

Neuntes Buch Kurzgeschichten
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
264 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-6350-1 (ISBN)
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Wie auch in den acht Büchern zuvor reiht der Autor Kurzgeschichte an Kurzgeschichte, wobei er unverfroren zwischen allen Genres hin und her springt. Auch der tollpatschige Privatdetektiv Levin Baer und der adipöse Kommissar Werner Riemer sind neben vielen anderen auch diesmal wieder mit von der Partie.

Es gibt Dinge, die der Autor dieses Machwerkes abgrundtief hasst, beispielsweise das eingespielte Lachen bei Fernsehserien. Sind Menschen wirklich so dumm, dass man ihnen sagen muss, wann etwas lustig ist? Was er ebenfalls nicht mag, das ist der Umstand, dass die Fernsehwerbung in Filmen teilweise mehr Zeit in Anspruch nimmt, als der Film selbst. Er mag aber auch viele Dinge sehr, sehr gern. Zum Beispiel bei schönem Wetter auf einer Waldwiese zu liegen, aber auch, wenn Menschen seine Bücher lesen.

Mein neues Shirt


Nach dem Duschen bleibt auch ein Privatdetektiv wie ich gelegentlich noch ein paar Minuten still stehen, um zu beobachten, wie die Wassertropfen von der Haut abperlen, um sich todesmutig nach unten zu stürzen. Dieses Vorgehen ist nicht etwa, wie man denken könnte, eine Zwangshandlung meinerseits, sondern der Tatsache geschuldet, dass ich meine altersschwachen Badetücher nicht überfordern möchte, da diese einfach nicht mehr so richtig saugfähig sind. Gut, ich hätte da noch so ein großes Frottiertuch, das ist verhältnismäßig neu und flauschig. Aber ich benutze es nicht. Das Ding hat damals Andrea mitgebracht. Wenn ich geahnt hätte, dass sie verheiratet war, hätte ich sie nie in meine Wohnung gelassen. Aber das ist eine völlig andere Geschichte.

Normalerweise gehöre ich nicht zu den Männern, die bei einem Schnupfen sterben wollen. Dieses Mal meinte aber der mir zugeteilte Körper, zwecks wirksamer Bekämpfung der akuten Rhinitis, seine Temperatur kräftig erhöhen zu müssen. Ein Privatdetektiv mit Gliederschmerzen und einer massiven Abgeschlagenheit ist in der Regel nur die Hälfte wert. Die einzig zulässige Reaktion darauf ist der Besuch bei einem Arzt, respektive bei einer Ärztin. Bevor man aber in die heiligen Hallen dieser Weißkittel gerufen wird, muss man durch die Hölle des Wartezimmers. Hustende, niesende oder jammernde Patienten kann ich ja noch wegstecken, aber diesmal saß eine ältere Dame neben mir, die reden konnte ohne Luft zu holen. Ich bin zwar mit keiner Silbe auf sie eingegangen, trotzdem erkor sie mich als ihr Zuhöropfer. Spätestens nach einer Viertelstunde kannte ich ihre Lebensgeschichte, und noch eine weitere Viertelstunde später ihre kompletten Familienangelegenheiten, bis ganz hinunter zum kleinsten Urenkel. Sie und ihre Familie stammten allesamt von der Küste, waren aber vor genau vierzehn Jahren in meine Stadt gezogen, damit sie nicht immer im Urlaub dermaßen weit zu ihren geliebten Bergen fahren mussten. Spätestens an diesem Punkt gelang es mir endlich, meine Ohren auf Durchzug zu stellen. Deshalb musste mich die Sprechstundenhilfe auch ein zweites Mal aufrufen, bevor ich begriffen hatte, dass meine unmaßgebliche Person endlich an der Reihe war. Mit einem rosafarbenen Rezept machte ich mich anschließend auf meinen schwachen Beinen zur Apotheke. Der Begriff "Apotheke" stammt übrigens aus dem Griechischen, und bedeutet wörtlich "Abstellraum". Aber das nur nebenbei. Bewaffnet mit einem Nasenspray und fiebersenkenden Tabletten wankte ich nach Hause, um jenen Menschen aus der Vergangenheit zu lobpreisen, der damals das Bett erfunden hat. Und siehe da, nach drei Tagen war ich wieder auf dem Damm.

Bei vielen Dingen richte ich mein Kaufverhalten so ein, dass sie doppelt vorhanden sind. Zweimal Mundspülung, zwei Zahnbürsten, zweimal Deo, zwei Nussknacker, zwei Korkenzieher, zweimal Spülmittel, zweimal Instantbrühe, zwei Dosenöffner, usw. usw. Geht ein Ding kaputt oder ist leer, dann kaufe ich es eben einmal nach. So habe ich sichergestellt, dass immer wenigstens eine der wichtigen Sachen in meinem Haushalt vorhanden ist. Nur mein Handy habe ich nicht doppelt. Es war also nur allzu logisch, dass es mir eines Tages aus der Hand fallen würde, als ich vom Einkaufen zurück kam. Man konnte zwar noch damit telefonieren, aber das Display zeigte rein gar nichts mehr an. Da der Vorgänger meines geliebten Smartphons vor einiger Zeit in einem Toilettenhäuschen durch einen Sturz in den Trichter einer Bio-Toilette Selbstmord begangen hatte, war das neue Gerät nicht besonders alt. Dementsprechend spielte ich mit dem Gedanken, es reparieren zu lassen, anstatt ein neues zu erwerben. Aber zunächst klingelte es wie wild, und ich musste ein Gespräch annehmen. Eine Frauenstimme teilte mir mit, dass mich eine Freundin von ihr empfohlen hätte, und ob ich auch Hausbesuche machen würde, da sie nicht gut zu Fuß wäre. Sie würde mir ihre Adresse gleich per E-Mail zukommen lassen. Nach meinem zwangsläufigen Protest wegen der Kaputtheit meiner elektronischen Telefonierhilfe gab sie die Adresse dann mündlich an. Das genannte Haus lag etwa fünfzehn Kilometer von meinem Heimatort entfernt. Das ging noch. Also war ich einverstanden und wollte gleich losfahren. Sie bat aber darum, dass ich erst am nächsten Vormittag zu ihr kommen sollte. Wir verabredeten uns für zehn Uhr.

Es war wieder einmal ein höllisch heißer Tag. Bereits acht Uhr morgens zeigte das Thermometer 29° C. Da ich bereits in der Woche zuvor alle meine kurzärmeligen Oberhemden durchgeschwitzt hatte, wollte ich vor dem vereinbarten Termin noch schnell ein Hemd oder Poloshirt kaufen. In einer Ecke des Supermarktes hatte ich vor kurzem eine große Auswahl gesehen. Natürlich war an diesem Tag so gut wie alles ausverkauft. Trotzdem konnte ich noch ein Shirt eines bekannten Sportartikelherstellers ergattern, dessen Markenaufdruck sich deutlich im Preis niederschlug. Im Kassenbereich angekommen, stellte ich mich an die kürzeste Schlange. Es erklärt sich bei meinem Glück von selbst, dass dies ein folgenschwerer Fehler war. Genau vor mir diskutierte ein älterer Herr raumgreifend mit der Kassiererin, ob seine Mango 1 € oder 1,99 € kostete. Angeblich lag sie in dem Fach, dass mit 1 € ausgepreist war. Das aufgeklebte Etikett wies aber 1,99 € aus. Der Streit gipfelte in dem Verlangen des Kunden, mit dem Filialleiter zu sprechen. Er einigte sich dann aber nach geraumer Zeit mit der Kassiererin auf den Kompromiss, dass es die diensthabende Abteilungsleiterin auch tun würde. Dieselbige kam auch schon nach fünfzehn Minuten an die Kasse. Sie bestand erwartungsgemäß auf dem höheren Preis, da jemand die Mango absichtlich oder aus Spaß in das falsche Fach gelegt hätte. Daraufhin gab der Mann die Mango zurück, die Kassiererin stornierte den Betrag, die Abteilungsleiterin nahm die Mango wieder mit, und ich kam zwanzig Minuten zu spät.

Als sich die Tür öffnete, war ich ein kleines bisschen überrascht: „Oh, Sie sagten am Telefon, dass Sie nicht gut zu Fuß sein würden. Jetzt sehe ich, dass Sie im Rollstuhl sitzen“. Sie lächelte mich an: „Und? Dadurch bin ich doch nicht gerade gut zu Fuß, oder?“ Ich lächelte zurück: „Zumindest haben Sie Ihren Humor nicht verloren“. Sie wendete ihren Rollstuhl und fuhr vor mir her in die Stube: „Nehmen Sie doch Platz!“ Nachdem ich mich gesetzt hatte, leierte ich meinen Standardsatz herunter: „Was kann ich für Sie tun?“ Sie kam direkt zum Punkt: „Ich glaube, mein Mann betrügt mich. Bisher hat er immer zu mir gehalten. Er war auch nach meinem Unfall eine große Hilfe für mich. Aber in den letzten Tagen ist er irgendwie anders. Er geht häufig außer Haus, ohne mir zu sagen, was sein Ziel ist. Und als ich vorgestern zu meiner Freundin wollte, hat er gesagt, dass er keine Zeit hätte, mich dahin zu fahren. Ich selbst besitze zwar ein eigenes Auto mit behindertengerecht umgebauter Handbedienung, aber das ist zurzeit in der Werkstatt. Da habe ich halt meine Freundin Erna zu mir kommen lassen, und die hat gesagt, ich solle mich an Sie wenden, um hinter das seltsame Verhalten meines Mannes zu kommen. Und da mein Mann zurzeit auf seiner Arbeitsstelle ist, dachte ich, wir könnten hier bei mir alles in Ruhe besprechen“. Ich ließ meinen zweiten Standardsatz los: „Das kostet Sie zweihundert pro Tag plus Spesen. Außerdem brauche ich ein Foto Ihres Mannes und die genaue Uhrzeit, wann er morgens und abends das Haus verlässt!“ Sie nickte, rollte zu einem Schränkchen, öffnete eine Tür und holte eine Fotografie heraus. Die übergab sie mir mit den Worten: „Er geht um sechs. Um sieben fängt seine Arbeit an. Dann kommt er gegen siebzehn Uhr zurück, geht aber um achtzehn Uhr wieder aus dem Haus“.

Ich glaube es schon einmal erwähnt zu haben. Ich hasse frühes Aufstehen. Aber Honorar ist Honorar. Also stand ich bereits eine Viertelstunde vor sechs vor dem Haus meiner Klientin. Der Mann trat pünktlich ins Freie, und ich heftete mich so unauffällig wie möglich an seine Fersen. Es ging ein paar Straßen weiter zu einer Bushaltestelle. Ich stieg kurz hinter ihm ein, und vermachte dem Fahrer mein letztes Kleingeld, weil dieser sture Buslenker die Fünfzig Euro nicht wechseln konnte oder wollte. Dann ging es mit dem Bus in den Nachbarort, und dort in ein Werk, welches optische Geräte herstellte. Ich blieb natürlich vor dem Tor zurück. Also tagsüber ging der Mensch brav zur Arbeit. Mal sehen, was er am Abend für Igel zu bürsten hatte. Inzwischen hatte ich jede Menge Zeit, meinen Fuffi zu wechseln.

Genau 17:45 Uhr stand ich wieder etwas abseits des Hauses und lauerte auf mein Zielobjekt. Und wieder kam der Mann pünktlich aus dem Haus, und nahm erneut den Weg zur Bushaltestelle. Diesmal war die Fahrt aber recht kurz und endete vor einem Gebäude mit grauem Rauputz. Nachdem meine Zielperson das Gebäude betreten hatte, begutachtete ich das blaue Schild neben der Eingangstür. Schlagartig ging mir ein Licht auf, warum sich der Kerl geweigert hatte, seine Frau zu ihrer Freundin zu fahren, warum er sich in...

Erscheint lt. Verlag 17.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
ISBN-10 3-7597-6350-2 / 3759763502
ISBN-13 978-3-7597-6350-1 / 9783759763501
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