Raymond, der Gecko -  Werner Althoff

Raymond, der Gecko (eBook)

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2024 | 1. Auflage
282 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-8908-2 (ISBN)
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Raymond, der Gecko Ein packender Thriller über die Grenzen der KI, die Rolle der Kultur und eine gefährdete Liebe.

Jemand, der hofft, dass einige Leserinnen und Leser sich mit der Geschichte über Raymond, den Gecko, gut unterhalten.

EINE FORMIDABLE ERFINDUNG

Auf der Lichtung vor Uses Haus ist kein einsamer Bär mehr unterwegs, sondern ein Schwarm Glühwürmchen. Use gibt Makeda einen schnellen Kuss auf die Stirn und geht über die hölzerne Brücke zu seinem Velo, auf das er als Mitglied des GREMIUMS einen Anspruch hat. Use lässt sich in den Sitz fallen, seine Iris wird gescannt, dann hebt das kleine Fluggerät leise ab und nimmt Kurs auf Berlin. Unter Use gleitet die Wildnis vorbei, Wälder, Moore, Pfade, die nur von Wanderern oder Reitern benutzt werden dürfen. Bis Berlin geht der Flug durch die Nacht, erst Sanssouci zeigt die ersten Lichter. Das Schloss ist Kulturerbe, eines von weltweit rund 2.000. Wie alles Kulturerbe aus der Zeit des Großen Schwurs wird es von GAS perfekt erhalten. Und dann ist Berlin erreicht, ein großer, heller Fleck in der Wildnis. Use sieht ein Rudel Wölfe direkt vor den Hecken an der Doppelzone, in der Stadt und Land ineinanderfließen. Berlin hat von GAS sogar die Lizenz für einen Fern-Flughafen bekommen, doch dann hatte dieses KI System, das sonst fast alles kann, aus irgendwelchen Gründen längere Zeit Schwierigkeiten, die Anlage in Gang zu setzen. Use braucht heute aber keinen Flughafen, denn sein Velo bringt ihn direkt zum Pergamon-Museum. Als Mitglied des GREMIUMS hat er das Privileg, auf den Veloplattformen zu landen, wie sie neben allen Welterbestätten installiert sind. Use hat sich oft gefragt, wie die Liste des Kulturerbes damals zustande gekommen ist, aber die Quellen sind unvollständig.

GAS pflegt in Berlin neben dem Pergamon Museum auch eine Siedlung mit nichtssagenden Häusern, das Brandenburger Tor jedoch, über das er gerade geflogen ist und von dem Use weiß, wie ikonisch es vor Urzeiten einmal war, ist eine zugemüllte Ruine. Warum hat man es nicht in die Obhut von GAS gegeben, sondern der VHS, der vollen humanen Selbstverwaltung überlassen? Es ist nicht zu verstehen. Aber er will nicht klagen, denn er verdankt das Haus, das er und Makeda bewohnen, oder besser gesagt, in Besitz genommen haben, ebenfalls einem Welterbe. In der Gegend dort gibt es ein Bergwerk und eine Wasserwirtschaft, die als Kulturerbe gelten. Darum hat GAS für die Mitglieder des GREMIUMS, die das Erbe inspizieren, eine Unterkunft eingerichtet.

Use ist schon ewig für diese Inspektionen zuständig, niemand sonst scheint das Haus je besucht zu haben, und so haben er und Makeda sich dort nach und nach eingenistet. GAS hat das zu ihrer Überraschung nicht moniert, das muss eine der seltenen Lücken in seinem Regelwerk sein, das Wohnen grundsätzlich nur in Refus vorsieht. Doch Use schüttelt es, wenn er an das Refu denkt, zu dem er angeblich gehören soll. Nein, dort kann man allenfalls hausen, aber unmöglich wohnen.

Das Velo landet und öffnet sich, die Direktorin des Museums erwartet ihn neben der Plattform, sie begrüßen sich mit der Namaste. Beide kennen sich von den Sitzungen der Freunde der Hochkultur, wechseln nur wenige Worte und gehen ins Innere des mächtigen Gebäudes. So gepflegt das äußere Gebäude dank GAS ist, so desolat ist im Inneren des Museums: Mülleimer quellen über, die Beleuchtung ist funzelig, die Läufer sind nur noch Fetzen, ein muffiger Geruch schlägt Use aus dem Keller entgegen, in den er nun hinabsteigt.

Unter wuchtigen steinernen Rundbögen gelangen sie an eine unscheinbare Seitentür. Die Direktorin verabschiedet sich mit einer erneuten Verbeugung:

„Rufen Sie mich, wenn Sie mich brauchen. Ich wünsche Ihnen Erfolg.“

Use bedankt und verbeugt sich, dann klopft er an die Tür. Man hört Schritte. Eine leise Stimme fragt: „Ja?“

„Vivat summa Cultura!“ antwortet Use.

Ein dünner, blonder Mann im weißen Kittel und mit einem perfekten Pagenschnitt öffnet Use die Tür.

„Sind Sie allein?“ fragt Use.

„Selbstverständlich, Professor. Das Team ist längst weg.“

„Sind wir wirklich so weit, Gunther?“

„Es funktioniert!“ Gunther hat die großen Augen noch weiter aufgerissen als üblich und zappelt vor Begeisterung. Er führt Use ins Innere des Labors bis zu einer Wand mit Monitoren. Die beiden setzen sich vor ein Gerät, das in den Raum hineinragt. Gunther stottert fast, so aufgekratzt ist er: “GAS re re registriert weiterhin nichts, wir haben seinen blinden Fleck erwischt. Sonst wären seine Robos längst hier. Probieren Sie es aus, Professor. Schauen Sie! Schauen Sie in den Eye-Scanner.“

Use legt seinen quadratischen Kopf vorsichtig an das Gerät während Gunther an einem Rechner hantiert. Auf einem Bildschirm werden die Daten von Prof. Use angezeigt: sein Bild, sein Name, eine Fülle weiterer Angaben, dann in einem Feld, das er vorher nie gesehen hat, sein Status „basic human“.

„Unglaublich, das ist unglaublich“, murmelt Use.

Gunther reicht ihm mit seinen dünnen Fingern, an denen die Nägel schmerzhaft tief abgekaut sind, ein Fläschchen:

„Nehmen Sie reichlich, die Linsen wachsen sonst schnell an. Sie müssen beide einsetzen, sonst geht es nicht.“

Use füllt eine Pipette und lässt die Tropfen in seine Augen fallen.

„Jetzt die Linsen!“ sagt Gunther und angelt mit einer Art Pinzette zwei Exemplare aus einem Becken, in dem hunderte dieser glibberigen Gebilde schwimmen.

Use setzt sich die Linsen in die Augen und schaut erneut in den Scanner. Wieder erscheinen sein Name und sein Bild. Aber jetzt sieht er das Profil, das er kennt, und dazu gehören seine besonderen Befugnisse und Rechte als Mitglied des GREMIUMS. Im Feld Status steht nun „human“.

„Professor, nehmen Sie die Linsen lieber wieder heraus, später wird es schmerzhaft. Noch ist es ja nicht so weit.“

Use drückt sich die Linsen aus den Augen und gibt sie Gunther zurück.

„Danke, beeindruckend, ganz formidabel. Ohne die Linsen ist der Mensch eben mehr basic, nicht wahr, Gunther?“

Gunther zappelt und grinst: „Ja, das wird wohl künftig so sein, Professor, jetzt, wo wir so weit sind, muss ich Sie fragen: Wie sollen wir den Status ‚basic human‘ programmieren? Es gibt sehr viele Parameter.“

„Ach, wissen Sie mein Lieber, diese technischen Details, die regeln Sie und Ihr Team schon. Machen Sie uns einen Vorschlag, den wir im Kreis der Kulturfreunde ventilieren und entscheiden können. So viel vielleicht vorab: Uns kommt es darauf an, dass die Mittel für die Kultur stimmen, dass dieses Verpulvern für Unsinn aufhört, diese Leute da nicht mehr die Hand draufhaben oder auch sonst irgendwie gefährlich werden können. Aber natürlich sind wir keine Unmenschen, lassen wir also den Zauseln ihr Land der Behaglichkeit, nur ein wenig, nun, ich möchte sagen, ein wenig billiger.“

„Ja, das setzt uns einen Rahmen für die Programmierung, wir finden definitiv eine Lösung.“

„Und wie stehen die Dinge in Brasilia, Gunther? Ist die Leitung präpariert?“

„Die Kabeltechnik, die wir dort gefunden haben, ist absolut historisch. Welterbe. Man kann kaum glauben, dass so etwas noch immer in Betrieb ist. Aber wir sind gut rangekommen, jetzt fehlt nur noch ein wenig Programmierung.“

„Sehr gut Gunther, dann ist alles besprochen, oder?“

„Da ist noch was, Professor. Wir haben etwas sehr Interessantes herausgefunden: GAS gibt rund 30 Prozent seiner Aufwendungen allein für Gesundheit aus.“

Use zieht die Augenbrauen hoch: „Nur für Gesundheit? Das ist in der Tat erstaunlich. Wie ist das zu erklären?“

„Allein die Millionen von Pflegerobos, die GAS im Einsatz hat, dann die Medikamente, die immer noch weiterentwickelt werden, auch wegen der Viren, die Zahnpflege für alle, die Checks und Analysen bei jedem Gang auf die Toilette, dann die …“

Use unterbricht ihn: „Schon gut, schon gut. Das ist wirklich ein wenig übertrieben, finden Sie nicht auch. Das muss günstiger werden. Die Leute müssen sich auch selbst wieder mehr um ihre Gesundheit kümmern, Eigenverantwortung, Gunther, das ist entscheidend! Wir wollen doch schließlich nicht, dass eine Welt von passiven Banausen entsteht, oder?“

„Nein, nein“, Gunther nickt heftig, „aber ich meine, wenn wir das jetzt neu programmieren, dann müssen da überall genaue Werte rein, darum dachte ich, Sie sagen mir vielleicht …“

Use unterbricht ihn wieder: „Ich bitte Sie, mein Lieber, Sie machen das gewiss ganz im Sinne der Ideale unserer Bewegung. Sie und Ihre Leute erwerben sich große Verdienste um die Rettung der Kultur. Die Nebel der Vergangenheit lichten sich, der allmächtige GAS ist eine ganz banale Maschine, die ihrer Programmierung folgen muss, viel sklavischer als je ein Sklave, ein Gott, der an Kabeln hängt. Und darum noch etwas, Gunther, sorgen Sie doch dafür, wenn sich das machen lässt, dass GAS uns nicht bei jeder Kleinigkeit wie Kriminelle behandelt. „Ius respicit aequitatem“, richtig, richtig, aber wir sind eben nicht gleich mit diesem Pöbel.

„Professor, ich habe sehr fähige...

Erscheint lt. Verlag 13.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
ISBN-10 3-7597-8908-0 / 3759789080
ISBN-13 978-3-7597-8908-2 / 9783759789082
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