Der Gesetzlose -  David Goliath

Der Gesetzlose (eBook)

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2024 | 1. Auflage
555 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-7823-8 (ISBN)
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Skrupellose Menschen treffen in einer unwirtlichen Gegend, rund um das fiktive Paradise City im Norden Nevadas, im kochenden Hochsommer 1888 aufeinander. Überleben heißt Töten oder Schatten finden. Das Gesetz wird von 6-Schüssern und Doppelläufigen bestimmt. Mittendrin: John, ein Bisonrancher, der die brutalen White Horses erzürnt und damit eine tödliche Kettenreaktion auslöst. Im Patronenrauch verblassen Gesetze, Liebe und Menschlichkeit.

David Goliath, Jahrgang 1986, hat den Einstellungstest bei der Polizei vergeigt, ein nebenberufliches Fernstudium abgebrochen und eine Scheidung hinter sich. Der Schlagzeuger a.D. ist Brandbekämpfer und lebt mit neuer Königin sowie 2 Thronfolgern zwischen Offenbach und Hanau.

Das Kartenhaus



John kam auf seinem großen, schwarzen Hengst, einem Percheron, gemächlich aus der flimmernden Prärie, gerahmt von kargen, kantigen Bergen, angetrabt. Seine Hutkrempe schützte seine Augen vor den umherwirbelnden Sandkörnern und dem gleißenden Licht der Sonne. Die Hitze stach, und Staub hatte sich auf Pferd und Reiter gelegt. Neben dem schwarzen Tier trabte ein weißes Exemplar, ebenso majestätisch, verbunden durch ein Seil am führenden Rappen.

Auf dem weißen Pferd saß William Emerald, dessen Kopf sich in eine schwarze Haube ohne Sehschlitze hüllte. Getrocknetes Blut haftete am Hals unterhalb der Haube und musste seinen Ursprung weiter oben, am Schädel, haben. Seine aufgeschürften Handknöchel rieben aneinander und ergaben sich einem festverzurrten, unnachgiebigen, rauen Seil, das an Johns Sattel vertäut war. William Emerald taumelte im Sattel, als habe man ihn stundenlang durch die endlose Einsamkeit getrieben, ohne Rast oder Proviant, der sengenden Hitze schutzlos ausgeliefert.

Das Gespann passierte die Eisenbahngleise und enterte die sterbende Steppenstadt Paradise City. Vorbei am tropfenden Wassersilo, das sich wie ein riesiges Ei, neben dem verwitterten Bahnhofsgebäude, mit dem Kirchturm um die Höhe duellierte. Vorbei an verlassenen Häusern, an Ruinen, an Gerippen aus Holzbalken und Skeletten aus Holzlatten. Vorbei an aufgegebenen Geschäften und heruntergekommenen Fassaden. Vorbei an löchrigen Zäunen und schiefen Planken. Immer neben dem ausgetrockneten Dead Creek, der sich wie eine gehäutete, blutleere, verdorrte Schlange um die Stadt windete, und von kleinen Holzbrücken überwunden wurde.

Verdutzte Augenpaare hielten inne, um die Ankunft zu beobachten. Das Hufgetrappel übertünchte das Raunen der Bewohner, die sich gegen Austrocknung und Armut stemmten. Sie trugen abgewetzte, teils zerfetzte Kleidung; hatten verfilztes Haar und schmutzige Haut. Dreck, Sonne und Alltag zerrten an den Fasern und zerrieben sie unaufhaltsam. Die Mienen wirkten eingefallen, müde, zerfurcht, zerklüftet. Traurige, tote Augen starrten zu den Reitern, die Staub hinter sich aufwirbelten. Über der Stadt kreisten die Geier und in den Erdhöhlen um die Stadt herum warteten die Kojoten auf die abgemagerten Menschenleiber, die bald auf der First Street liegen würden.

Vorm letzten Saloon, Heaven Hell, brachte John die Pferde zum Stehen. Er stieg ab, band seinen Hengst an, schritt die knarzenden Holzstufen hinauf aufs Podest, riss das angeschlagene Fahndungsblatt vom Stützbalken, entfernte die lederne Schutzhülle von seinem Revolver, den er vor der Brust im Brustholster trug, und ging durch die doppelflügelige Pendeltür.

Im Heaven Hell empfingen ihn atonale Klaviermusik, Männergelächter, Sägespäne, die Alkoholpfützen und Kotze kaschierten, und vollbusige Animiermädchen in langen, dunklen, hochgeschlossenen Kleidern, die über engverschnürten Korsetts hingen. John marschierte auf den Tresen zu. Niemand im Saloon interessierte sich für den staubigen Neuankömmling, der seinen Colt Thunderer im Lederholster vor der Brust trug, statt wie üblich an der Hüfte, wo John stattdessen sein 1886er-Winchester-Gewehr wie ein drittes Bein mit sich führte – noch zum Schutz in Leder gewickelt und mit Beinbändern befestigt.

Er legte das Fahndungsblatt, das nach William Emerald verlangte und 100 Bucks Belohnung versprach, auf den Tresen und salutierte heimlich der US-Flagge darüber, mit ihren 38 Sternen und den 13 Streifen. Als der Saloonbesitzer, Friedensrichter und Schankwirt Allan Sin zu ihm kam, nickte John nach draußen. Er positionierte sich so, dass er die Tür im Blick hatte, genauso wie den restlichen Saloon. Dadurch zeigte er Allan Sin die staubige Schulter. Aber der Tür dreht man schließlich niemals den Rücken zu.

Allan Sin schluckte. Seine Augen pendelten von John, zum Fahndungsblatt und zur Tür, wohinter der Gesuchte sein sollte – im erbarmungslosen Sonnenlicht. Er gönnte sich schnell einen Schluck Whiskey und schüttelte danach mit dem Kopf.

»Nein«, nuschelte Allan Sin ablehnend. »Das ist ein Whiteman. Kann mich nicht erinnern, ihn zum Abschuss freigegeben zu haben. Verschwinde!«

Aber John pochte mit dem Finger auf das Fahndungsblatt, auf das retuschierte, selbstgefällige Schwarz-Weiß-Lächeln von William Emerald auf krisselig, beigem Papier. »100 Bucks«, sagte er mit trockener Kehle.

Allan Sin musterte Johns Brustrevolver. Dann gab er seiner Frau, Joy Sin - einer an der Treppe nach oben in den wirklich verruchten Bereich stehenden, beleibten Chinesin mittleren Alters - zu verstehen, dass sie jemanden holen solle. Joy Sin nahm widerwillig die Stufen nach oben. Sie schimpfte mit den Armen.

John signalisierte Allan Sin, er möge ihm auch einen Whiskey geben. Als dieser sich weigerte, nickte John an ein Holzbrett mit vielen kleinen Holztafeln und Namen darauf, denen wiederum unzählige Kerben innewohnten.

»100 Bucks«, raunte er, mit zusammengekniffenen Augen zu den Holztafeln, und erhielt den gewünschten Whiskey, mit dem eine weitere Kerbe in einer der heftiger geschundenen Holztafeln einherging.

Aus seiner Tasche holte er seine letzte schwarze Kaubohne. Er drehte sie verträumt, nachdenklich, kritisch. Da, wo sie war, gab es keine mehr. Er nahm die Kaubohne in den Mund, kaute darauf herum, schloss die Augen, schluckte und spülte mit Whiskey nach. Sofort trübte sich sein Geist; Schmerzen wurden betäubt; Nebel legte sich auf seine müden Pupillen.

Bisonbaron und Bürgermeister Sherman Mayor setzte sich neben ihn, noch am Zuknöpfen von weißem Hemd und grauer Weste über den dicken Bauch im Baumwollunterhemd und mit Röte im Gesicht, wegen vergangener Anstrengung und Lippenstift, und mit dem Geruch des Aktes an ihm.

»Das ist ein Whiteman!«, wiederholte Allan Sin nervös, »Einer der White Horses!«, und wies Sherman Mayor auf das Fahndungsblatt hin. »Wer hat diesen Unsinn verzapft?«

Der winkte ab, »Schon gut«, und orderte Whiskey für sich und seinen Gast. Dann wendete er sich dem Gast zu: »John, schön, dich zu sehen. Wie geht es dir?«

»Mit den 100 Bucks besser.«

»Brauchst du das Geld?«, fragte Sherman Mayor fürsorglich.

John nickte und nippte am spendierten Whiskey.

»Gebe ich dir zu wenig Lohn?«

»Ich habe Pläne«, erwiderte John.

Sherman Mayor lachte. »Die haben wir doch alle. Vielleicht kann ich dir helfen.«

John lehnte ab. Sein Finger tippte auf die angeschriebenen 100 Bucks.

Sherman Mayor atmete tief durch. »Verstehe mich nicht falsch, John. Ich bin froh, dass sich jemand um das Problem gekümmert hat. Aber ich habe nicht erwartet, dass sich jemand um das Problem kümmert. Es diente eher der Abschreckung für diesen Schurken. Er sollte sich fernhalten. Ich dachte nicht, dass jemand den Mut besitzt, sich mit den White Horses anzulegen.« Besorgt schaute er zur Tür und durch den gut gefüllten Saloon, wo Würfelspiele, Kartentricks, Whiskey, Adams Ale und Animiermädchen Ablenkung vom harten Westen vorgaukelten. Zwischendrin lag der Prediger Godfrey Parson mit Kutte und Kilt zwischen eingepferchten Brüsten und schalem Bier auf seinem Dudelsack und schlief seinen Rausch aus. Sherman Mayor bekreuzigte sich bei diesem Anblick scheinheilig.

John sah zu ihm, fordernd.

»Du bringst uns in große Schwierigkeiten, John. Wo ist er?«

John deutete zur Tür.

Sherman Mayor zählte ein Geldbündel ab und reichte es ihm. Sofort wanderte ein Großteil des Geldes weiter zu Allan Sin, der Johns Kerbentafel umdrehte, damit Platz für neue Striche war.

Sherman Mayor und John traten vor die Tür, wo sie von 3 Schnauzbärten – grau, dick und länglich vom alten City Marshal Ed Five, braun und kompakt von seinen jungen Deputys Porter Point und Dave Star - abgefangen wurden.

»Bürgermeister, was soll der Unfug?«, zeterte Ed Five ungehalten durch seinen grauen Schnauzbart, mit einem zweiten, zerknüllten Fahndungsblatt in der Hand, und zeigte zu William Emerald, der sich unter der schwarzen Kopfhaube in der Sommersonnenhitze kaum noch im Sattel halten konnte. Im nächsten Moment kippte dieser um, fiel aus dem Sattel, verhedderte sich im Seil, das seine Hände abschnürte, und blieb seitlich reglos an seinem weißen Pferd hängen.

Porter Point stürzte sofort hin, schnitt das Seil durch und bettete William Emerald auf den Boden. Die Haube zog er vom Kopf, was einen halb zertrümmerten Schädel offenbarte, besprenkelt mit trockenen Blutfäden und hängenden Hautfetzen, den Ohrmuscheln beraubt - abgeschnitten. Porter Point schickte Dave Star zum Textilgeschäft Taylor‘s Clothes gegenüber, um medizinischen Beistand zu holen.

Ed Five rümpfte die Nase. »Das ist nicht gut.«

Sherman Mayor räusperte sich. »Wie hast du das angestellt, John?«

John schob den Schaft seiner 1886er-Winchester von der Hüfte nach vorn, um zu antworten. Unter dem ledernen Schutz könnte man William Emeralds Schädelblut vom Gewehrschaft abwischen.

»Dafür habe ich dir das Ding nicht gegeben«, munkelte Sherman Mayor. »Die Ohren?«

»Damit mich die Toten nicht hören«, erwiderte John.

»Bürgermeister!«, schnaufte Ed Five ungehalten, »Da haben Sie uns etwas eingebrockt! Wie sollen wir das erklären? Wie sollen wir das da den White Horses erklären?«

»Ein Schurke, der meine Emma beschmutzte«, erwiderte Sherman Mayor. »Zur Hölle mit ihm!«

Ed Five stierte in die Ferne, zum Ausgang der Stadt, wo man meilenweit nichts als staubige, steinige Prärie, kniehohe Wüstensträucher und vereinzelte, vegetationsarme Bergketten sah....

Erscheint lt. Verlag 7.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7565-7823-2 / 3756578232
ISBN-13 978-3-7565-7823-8 / 9783756578238
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