DER PAGE VOM DALMASSE HOTEL -  Maria Peteani

DER PAGE VOM DALMASSE HOTEL (eBook)

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2024 | 1. Auflage
230 Seiten
Milena Verlag
978-3-903460-30-0 (ISBN)
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Was macht die junge Friedel Bornemann, wenn sie keine Arbeit findet, weil es kaum Berufe für Frauen gibt? Es sind die 1920er Jahre, und die aufgeweckte Friedel entschließt sich, sich als junger Mann auszugeben, denn es werden Pagen gesucht im mondänen Dalmasse-Hotel. Glanz und Elend der Zwischenkriegszeit verdichtet Maria Peteani zu einer tragikomischen Screwball-Komödie, die zumindest für Friedel nicht in der Katastrophe endet. Die junge Friedel Bornemann sucht - wie so viele andere - dringend eine Stellung in Berlin. Sie hat kaum mehr Geld, kann sich kein eigenes Zimmer leisten und wird von Existenzangst geplagt. Als ihr eine Freundin erzählt, dass im renommierten Hotel Dalmasse ein Liftjunge gesucht wird ... kommt ihr eine Idee. Sie könnte sich als Mann ausgeben! Also fl ugs die Haare abgeschnitten, hinein in die Uniform des Vorgängers und schon kann es in der neuen Stellung als Page losgehen; merken darf das natürlich niemand, Friedel - nunmehr Friedrich Kannebach - hat große Angst, dass ihr Schwindel auffliegt. Aber sie schlägt sich gut im Nobelhotelkosmos, wächst immer mehr in die neue Rolle hinein, bis es mit der Ankunft von Miss Mabel Wellington aus Philadelphia turbulent wird im Hotel. Friedel alias Friedrich erweist sich als fi ndiger Detektiv und klärt einen von langer Hand geplanten Betrug auf, läuft dabei aber Gefahr, selbst als Schwindlerin aufzufliegen.

Maria Peteani Geb. 1888 in Prag, Österreich-Ungarn, gestorben 1960 in Linz. Als Kind verbrachte sie einige Sommer bei ihrem Onkel Johann Strauß Sohn in Bad Ischl. Maria Peteani heiratete 1908 den Tenor Eugen Peteani Reichsritter von Steinberg. Nach seinem frühen Tod kehrte sie zu ihrer Mutter nach Linz zurück, wo sie als Zeichnerin arbeitete. Mit dem Schreiben begann sie im Jahr 1920. Sie verfasste auch Hörspiele, lokale Artikelserien sowie viele Erzählungen. Über ihre mehr als 20 Romane und deren Protagonistinnen heißt es in der Kurzbiografi e des Linzer Stadtarchivs: 'Ihre Romanheldinnen zeigen durchgehend starken Charakter, sind lebenstüchtig und ihren Ehemännern meist überlegen, die nicht selten als 'tumbe Toren' erscheinen. Die Ehe wird häufi g hinterfragt und sie scheut auch vor positiven Schilderungen von Prostituierten keineswegs zurück.' 1926 bis 1938 war Peteani für das Wiener Tagblatt sowie die Deutsche Allgemeine Zeitung tätig. Peteani konnte nach dem sogenannten 'Anschluss Österreichs' an das Deutsche Reich den Ariernachweis nicht erbringen. 1940 erhielt sie ein Schreiben der Reichsschrifttumskammer, dass ihr ab sofort jede Betätigung als Schriftstellerin untersagt sei. Nach 1945 gelang es ihr wieder ins Geschäft zu kommen. Alle ihre Romane erschienen in Neuaufl agen. Maria Peteani liegt am St.-Barbara-Friedhof in Linz begraben.

Der Tag war sonnenklar und mild. Ein richtiggehender Frühlingstag mit allem, was dazugehörte. Selbst in den erdfernen, rastlosen Straßen Berlins lag etwas wie Lerchentriller und Sieghaftigkeit in der Luft. Fast alle Fenster des Dalmasse-Hotels standen offen, auf den Tischen des Speisesaals leuchteten die ersten Schneeglöckchensträuße.

Als Herr von Dahlen etwas nach zwei Uhr sein Zimmer betrat – er hatte auswärts gespeist –, fand er solch ein Bukettchen auch auf seinem Schreibtisch. Eine Aufmerksamkeit des Stubenmädchens, dachte er und legte seinen Mantel ab. Da bemerkte er neben der Vase, welche die Blumen enthielt, einen Briefumschlag. Er griff zur Schere, um ihn aufzuschneiden – im selben Augenblick klopfte es. Sich umwendend, sah er, dass die Klinke von einer ungeduldigen Hand auf und nieder gedrückt wurde. Er legte Brief und Schere fort und beeilte sich, zu öffnen. Miss Mabel stand im Türrahmen.

»Sie …!« Dahlen prallte ein wenig erschrocken zurück.

»Ja – ich! Ich mussen mit Sie sprechen. Haben Sie Zeit?«

»Selbstverständlich, aber …« Er stockte.

»Es haben mir niemand gesehen hier hereingehen. In die andere Räume man sein nicht ungestört. Was liegt mir daran! Ich mussen sprechen mit Sie ganz allein!«

Dahlen schloss die Tür und schob einen Stuhl zurecht. »Bitte!«

Miss Mabel nahm Platz. Sie trug ein einfaches Schneiderkleid, sie war ohne Hut und sah heute mädchenhaft aus.

»Mister Ocleen kommen schon in fünf Tagen«, sagte sie und richtete ihre Augen auf ihn.

»Ja … und …?«

»Und! … Und!«, wiederholte sie heftig, indem sie seinen Ton nachahmte. »Oh, Sie haben mir kein bisschen lieb!«

Dahlen wurde verlegen und fasste ihre Hand. »Doch …«, murmelte er.

»Nein – kein bisschen! Sonst Sie hätten schon längst gesagt: Heirate mir und nicht Mister Ocleen.«

»Liebe, liebe Miss Mabel«, er ergriff nun auch die zweite ihrer Hände, sie war eiskalt, »das ist doch nicht so einfach. Ich bin ein schwerfälliger Deutscher – verzeihen Sie mir.«

Miss Mabel lächelte, in ihren Augen standen Tränen. »Du sein ein sehr schlimmer Mann«, flüsterte sie.

Eine heiße Welle strömte von dieser Hilfsbedürftigkeit auf ihn über. War das noch die stolze, selbstsichere Miss, die kühle Modedame fashionabler Lokale? – Wahrhaftig, er hatte ihr unrecht getan! Hier saß ein junges Mädchen mit nassglänzenden Augen und suchte ratlos nach einem Taschentuch.

»O du Dummes …« flüsterte er, während er sie in die Arme zog. Wie ein hingewehtes Wölkchen lag sie da. Jetzt erst fühlte er sich wieder er selbst. Als Beschützer, als Herr.

Ihre Arme umschlossen plötzlich seinen Hals. Ganz fest. »Ich haben dir so lieb«, sagte sie langsam, »wollen du nicht werden meine Mann?«

Er strich über ihr Blondhaar. Oh, gewiss … er wollte! Natürlich wollte er! … Aber hatte sie auch bedacht, dass er nicht gewillt war, seinen Grund und Boden zu verlassen? Dass sie hier in Deutschland mit ihm leben müsse?

»Oh – quite well. Ich dir schon haben gesagt, dass ich nicht mag zurück nach Amerika! Mama soll reisen mit Mister Ocleen! Wir heiraten ganz schnell – heute, morgen, übermorgen, wann du willst, und fahren gleich zu dir auf deine Schloss!«

Dahlen atmete tief und erregt. »Gut, Mabel – wenn du dir alles reiflich überlegt hast …«

»Oh, du langsame Mann du!« Der rote Mund hob sich dem seinen entgegen. Er duftete. Dahlen trank den Kuss mit geschlossenen Augen. Der Komplex seiner Hemmungen löste sich unter Schauern. Ja, dachte er undeutlich, ich will dich haben, du schimmernde Blüte – haben will ich dich!

Sie sanken auf den Diwan nieder, ohne die Lippen voneinander zu lassen. In seinem Nacken fühlte er ihre fest verflochtenen Hände. Plötzlich machte er sich frei.

»Weißt du auch wirklich, was du tust, Mabel? Ist das Ganze nicht nur eine Laune? Eine Spielerei?«

Sie schüttelte die blonden Haare aus der Stirn und schaute ihn vorwurfsvoll an. »Wollen du mir kränken? Laune! Spielerei! Was sein das für hässliche Worte! Ich lieben dir und ich lieben Europa. Also ich will bleiben mit dir in Europa! Das sein doch sehr einfach. Verstehen du das?«

»Doch … gewiss … es scheint einfach, wenn man es oberflächlich betrachtet, aber …« Er stockte. Ich bin ein Narr, dachte er. Warum quäle ich uns beide? Wie ängstlich sie mich ansieht. Wie schön sie ist! Er lächelte. »Warum hast du eigentlich Tarvagna nicht erhört?«, fragte er scherzend.

Sie hob abwehrend die Hände. »Das sein keine Mann«, erklärte sie nachdrücklich. »Eine Mann mussen sein wie du! So ernst, so ruhig, so verlassbar.«

»Verlässlich«, verbesserte er.

»Und dann: Er wollen doch nur meine Geld! Oh, ich kenne mir aus.«

»Erfahrungen also? Haben schon viele um dich angehalten?«

»Ange… was sein das? Ach so, ich weiß schon! O ja, sehr viele! Aber mir haben keiner gefallen so wie du! Gleich vom ersten Blick, wie du sein gegangen durch die Halle – erinnerst du dir? Diese kleine Baron sein eine dumme Frosch, aber das mit dir haben er gut gemacht. Sag mir, wann wollen du reden mit Mama? Jetzt sie schläft. Aber nein, ich werde selbst reden … Jaja, ich sie werde aufwecken und gleich kommen mit die fait accompli! «

»Ahnt sie schon? Oder wird sie böse werden?«

»Oh – sie kann nix sagen Nein!«

»Der Ansicht bin ich freilich nicht, Mabel. Du darfst es dir nicht allzu leicht vorstellen. Keine Mutter trennt sich gern von ihrem Kind. Es ist sehr viel verlangt, wenn du willst, dass sie ohne dich nach Philadelphia zurückkehrt.«

»Sie kann ja kommen, mir besuchen!«

»Gewiss … das kann sie …« Dahlen fühlte einen gelinden Schauder. Mrs. Wellington in Winthagen … die Vorstellung war grotesk. Aber Mabel sprach, ganz nahe an ihn gelehnt, weiter. Sie freute sich auf das Landleben! Sie wollte Hühner füttern und Blumen gießen – jawohl! Oh, sie war gar nicht untüchtig! Was glaubte er eigentlich von ihr?

Er glaubte gar nichts.

Ja, sie liebte das Land. Die gute Luft, die Stille.

»Ein Auto hast du nur? Wir werden noch welchen kaufen! Ich schenke dir eine blaue Buick-Wagen! Ich schenke dir so viele Sachen … Du mussen mir lassen dieser Freude! Sei still, nix reden! Mmm, wie gut rasiert du bist! Hast du mir lieb? Sehr, sehr lieb? Ja? Aber nicht wahr – wir heiraten gleich! Sag mir: wann?«

Dahlen redete etwas von Aufgebot, von Standesamt, von Dokumenten … eigentlich musste er sich diesbezüglich erst orientieren – er hatte noch niemals geheiratet.

»Wir machen ganz stille Hochzeit. Nur zwei Zeugen …«, sagte sie nachdenklich. »Hochzeit! Schöne Wort! Ich haben es erst vorhin herausgesucht aus die dictionary.« Sie trat von ihm fort zum Spiegel.

Wie kann man nur so eitel sein, dachte er beinahe betrübt, während er zusah, wie sie ihr Haar ordnete und an ihrem Gesicht herumtupfte.

»Du haben mir zerstört!«, sagt sie, ohne sich umzuwenden.

»Ich nehme mir vor, dich noch viel mehr zu zerstören«, antwortete er lachend, indem er hinter sie trat. »So wie du selbst bist, will ich dich haben, nicht übertüncht.«

Mabel schnitt eine übermütige Grimasse. »Männer sein dumm, ich dir schon haben einmal gesagt.« Sie tippte mit der Spitze ihres rot lackierten Zeigefingers auf seine Brust. »Jetzt ich gehen zu Mama in der Löwenhöhle! Ich dir werden rufen durch Telefon, wenn alles sein all right und du kannst kommen.«

»Bleibe noch, Mabel!«

»O nein, das sein shocking! Un-schick-lich! Yes!« Sie entwand sich ihm und schlüpfte kichernd aus der Tür. Er hörte sie den Korridor hinabhuschen und drüben aufschließen. Dann wurde es still.

Dahlen kehrte ins Zimmer zurück, lief ein paar Mal über den blauen Teppich hin und her. Nun hast du dich also verlobt, alter Knabe, dachte er in heftiger Verwirrung. Meine herzlichste Gratulation! Ist etwas plötzlich gegangen … Weiß Gott, ich hätte die Initiative nicht ergriffen! Sie hatte mehr Courage … Sie ist reizend. Verführerisch, das ist sie. Besser kein langer Brautstand! Sie hat mein Blut entzündet. Ob ich meiner Schwester telegrafieren soll?

Er steckte sich eine Zigarette an. Schmeckte gut. Beruhigte die Nerven. Die Unterredung mit der Alten war nicht gerade verlockend. Er musste sich erst in seine neue Rolle hineinleben....

Erscheint lt. Verlag 22.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-903460-30-3 / 3903460303
ISBN-13 978-3-903460-30-0 / 9783903460300
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