Spätzle in Japan -  Petra Sterk

Spätzle in Japan (eBook)

Eine Einladung zum Mitreisen, Mitdenken und Mitleben

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
358 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-4817-4 (ISBN)
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»Spätzle in Japan« ist eine Art Reisebericht: Die Autorin ist Mitte zwanzig und lebt in München, als sie das erste Mal von Panikattacken heimgesucht wird, die sie einiges in Frage stellen lassen. Es folgen Therapie, Beziehungsversuche und ferne Länder. Der Leser wird auf eine äußere und innere Reise voller eindrücklicher Erlebnisse und persönlicher Entwicklung mitgenommen. Doch das Buch will nicht nur eine Erzählung sein. Es will anregen, sich mit dem eigenen Leben wohlwollend auseinanderzusetzen und aus Erfahrungen zu lernen. Und es will ein Anstupser sein für die, die vielleicht gerade irgendwo auf ihrem Weg stecken geblieben sind.

Petra Sterk, Jahrgang 1985, lebt in ihrer Wahlheimat Augsburg und hat sich bisher weniger mit dem Schreiben als mit dem Leben beschäftigt. Nach ihrem Kommunikatonsdesign-Studium in Nürnberg verschlägt es sie beruflich nach München. Dort wird sie von Panikattacken sowie anderen Widrigkeiten heimgesucht und entdeckt schließlich das Langzeit-Reisen für sich. Die Erlebnisse und Lehren dieser Zeit verarbeitet sie in diesem, ihrem ersten Buch, getreu dem Motto: Den Taten müssen auch mal Worte folgen. Oder so ähnlich

Kapitel 1

Angst

Es raste, es raste wahnsinnig schnell. Als würde es jeden Moment aus meiner Brust springen und einen Marathon um die ganze Welt laufen wollen. Kurz vor dem Ziel würde es vor Erschöpfung zusammenbrechen, mein armes Herz. Ich schwankte, ich taumelte. Zumindest fühlte es sich so an. Eigentlich saß ich nur starr vor Schreck und Angst in meinem Schreibtischstuhl.

Ich war allein im Büro, die Chefs und die Kollegin waren außer Haus und ich nutzte die ungestörte Zeit, um all die liegengebliebenen Sachen zu ordnen. Der Stress der letzten Tage und Wochen, die Messevorbereitungen, es war endlich geschafft. Ich konnte wieder durchatmen und genoss die Ruhe in den Altbauräumen der Agentur. Ruhe. Bis zu dem Moment, in dem mein Herz aus dem Nichts anfing zu rasen. Eine überwältigende Panik überkam mich. Was, wenn es so schnell schlägt, dass es am Ende wirklich stolpert und dann keine Lust mehr hat, weiter zu laufen? Was, wenn ich nun einfach umkippe und keiner ist da, um mir zu helfen? Was, wenn ich sterbe? Jetzt, hier?

Es war früher Nachmittag und es war einer dieser Mai-Tage, nicht warm, nicht kalt, aber die Milde des bevorstehenden Sommers lag schon in der Luft. Hier draußen auf der Straße, aus der Isolierung der Agenturräume befreit, fühlte ich mich schon sicherer. Sollte ich hier umkippen, würde es wenigstens nicht unbemerkt bleiben. Mein Herz rannte ungebremst weiter und ich steuerte Hilfe suchend auf die gegenüberliegende Apotheke zu. Die Frau hinter dem Tresen sah mich zunächst skeptisch und dann besorgt an, als ich ihr von meinem organischen Wettrennen erzählte. Die Besorgnis in ihren Augen verstärkte sich, als sie meinen Puls und meinen Blutdruck kontrollierte. Anscheinend nichts, was man mit einer Tablette oder Bachblüten hätte in den Griff bekommen können. Schade eigentlich. Die Apothekerin entschied sich, mich lieber in ärztliche Hände zu übergeben. Zehn Minuten später lag ich dann auf einer Liege in einer Arztpraxis, gerade mal zwei Stockwerke über der Apotheke. Betablocker, soweit ich das verstanden hatte, tropften in meine Venen und taten nach einer Weile auch ihren Dienst. Mein Herz beruhigte sich und fand zu seiner normalen Geschwindigkeit zurück.

Ich war nicht gestorben. Das war schon mal gut. Ich hoffte, was auch immer das gewesen war, es würde nicht wieder passieren. Pustekuchen. Als hätte ein einmaliger Warnschuss meines Herzens nicht gereicht, versuchte es stattdessen wiederholt, neue Rekorde in Sachen Geschwindigkeit und Länge aufzustellen. Immer wieder. Manchmal hatte ich tagelang nach solch einem Herzrennen ein beklemmendes Gefühl in meinem Brustkorb. Damit ich auch ja nicht vergaß, dass etwas nicht stimmte. Meistens veranstaltete mein Herz diese Rennen, wenn der Rest meines Körpers zur Ruhe kam. Abends auf der Couch, lesend im Bett, oder beim Genuss einer Gorgonzola-Spinat-Pizza beim Lieblingsitaliener. Am gemeinsten waren die Attacken aber nachts, wenn ich mit Übelkeit aus dem Schlaf aufschreckte.

Der Ablauf dieser Attacken war immer der gleiche: erst fühlte ich mich nur etwas unbehaglich, dann trat eine augenblickliche Appetitlosigkeit mit leichter Übelkeit ein und schließlich rannte mein Herz los. Es raste und schien mir die Kehle hinaufspringen zu wollen. Manchmal kam es mir vor, als würde mein Brustkorb gleich explodieren. Dann wurde mir meist schummrig, das Gefühl einer bevorstehenden Ohnmacht stellte sich ein. Ständig schwang dabei die Angst mit, mein Herz könnte sich diesmal wirklich übernehmen und am Ende einfach ganz aufhören zu schlagen.

Nie zuvor in meinem Leben hatte ich mich so beschissen gefühlt. Hilflos, die Kontrolle über den eigenen Körper verlierend. Natürlich war mir klar, dass dies kein dauerhafter Zustand sein konnte. Ganz normale Dinge wie etwa ins Kino gehen, Wandern oder eine Zugfahrt wurden zur Belastungsprobe, da ich nie wusste, wann es wieder los geht. Ganz abgesehen davon, dass es mir auch ziemlich unangenehm war, auf Arbeit zu erklären, warum ich manchmal kollabiert unterm Schreibtisch lag. Mein kompletter Alltag war durcheinandergeraten, beherrscht von diesen Attacken und der Angst vor ihrem plötzlichen Auftreten. Das schlimmste war, ich wusste nicht, woher sie kamen und was ich dagegen tun konnte.

Die nächsten Wochen stand Ursachenforschung auf dem Programm. Unter anderem durfte ich 24 Stunden lang einen kleinen Kasten um den Hals tragen, der bei einer auftretenden Attacke gegebenenfalls Unregelmäßigkeiten aufzeichnen sollte. Doch just an diesem Tag hatte mein Herz keine Lust auf sportliche Herausforderungen und blieb ruhig. Meine Schilddrüse konnte als Verursacher ausgeschlossen werden und auch ein Besuch beim Herzspezialisten blieb weitestgehend ergebnislos. Dort erfuhr ich, dass eine meiner Herzklappen minimal undicht sei, ich damit aber gut und gerne Leistungssport betreiben könnte, bis ich 120 bin. Das war einerseits interessant, half mir andererseits aber nicht weiter. Jetzt war ich erst einmal Mitte Zwanzig, hatte ein rennendes Herz und wusste immer noch nicht warum. Irgendwas stimmte nicht mit mir, das war offensichtlich. Und es wurde nicht besser. Im Gegenteil. Eines Nachts war es so schlimm, dass David, mein Freund und stiller Mitleidender, den Notarzt rief. Er wusste einfach nicht mehr, was tun. In dieser Nacht war ich der felsenfesten Überzeugung, es würde nicht mehr gut gehen, ich würde sterben. Mein Herz schlug so schnell, ich konnte nicht einmal mehr die einzelnen Schläge voneinander trennen. Ich hatte regelrecht Todesangst.

Als der Krankenwagen dann eintraf, hatte mein Herz bereits zwei Gänge zurückgeschaltet. Während vor Ort Puls und Blutdruck gemessen wurden, noch einen weiteren. Anstatt mich darüber zu freuen, schämte ich mich. So viel Drama wegen nichts, wie peinlich. Wie unendlich peinlich. Obwohl sich die Geschwindigkeit meines Herzens bereits wieder dem Normalbereich näherte, musste ich eine Nacht zur Beobachtung ins Krankenhaus. Dort hatte ich dann noch zwei weitere, kleinere Attacken, die aufgezeichnet und somit ausgewertet werden konnten. Keine Unregelmäßigkeiten. Dies schloss weitere, organische Ursachen aus. Eigentlich eine gute Nachricht, aber immer noch keine Antwort, kein Warum. So sehr hatte ich gehofft, eine Erklärung zu finden, einen Ansatzpunkt. Hatte gehofft, etwas zu haben, das behandelt werden kann. Aber nichts dergleichen. Nach der Nacht im Krankenhaus fühlte ich mich kraftlos und verzweifelt. Was stimmte denn nicht mit mir? Langsam kam mir die Idee, dass wenn es nicht mein Körper war, der diese Rennen auslöste, dann musste es doch mein Kopf sein. Aber wie? Und warum?

Reichlich überfordert mit der Situation wendete ich mich an meine Hausärztin. Als ich ihr meinen Gedankengang erläuterte, fragte sie, ob ich derzeit denn Stress hätte. Auf der Arbeit oder Zuhause. Ich dachte nach. In der Agentur war es derzeit recht ruhig und in der Beziehung mit David eigentlich auch. Natürlich war dort nicht alles in Butter, aber es hatte schon schlimmere, streitintensivere Phasen zwischen uns gegeben. Die Wohnung, in der wir nun seit einem halben Jahr lebten, war inzwischen vollständig eingerichtet und fühlte sich bereits nach Zuhause an. Das Verhältnis mit meinen Eltern war wie immer nüchtern und sachlich, aber auch hier gab es keine nennenswerten, negativen Vorkommnisse. Also: nein. Akuten Stress hatte ich gerade wirklich nicht. Das Einzige, was mich stresste, war diese Herzraserei. Daraus schloss meine Hausärztin, es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Rennen psychisch bedingt waren. Sie sah mich mitleidig an und gestand, sie habe nun auch keine Ideen mehr. Ich bekam einen wohlmeinenden Händedruck und eine Packung Betablocker mit auf den Weg, die ich nehmen konnte, wenn eine Attacke auftrat. Danke für Nichts.

Und nun?

Es war mir klar, dass mein Herz sein Sprinttraining nicht einstellen würde, nur weil ich ein paar Notfall-Betablocker in meinem Geldbeutel verstaut hatte. Diese halfen zwar etwas, milderten die Attacken ab, mehr aber auch nicht. Die Häufigkeit blieb, sowie die ständige Angst vor erneuten Rennen. Dazu gesellte sich eine gewisse Panik, die mich ereilte, wenn ich die Tabletten mal nicht bei mir hatte. Von meiner Hausärztin allein gelassen, machte sich Frustration in mir breit. Gleichermaßen wuchs aber auch die Überzeugung, dass sie falsch lag, dass es sehr wohl etwas Psychisches sein musste. Nichts anderes machte Sinn, war doch organisch alles ausgeschlossen worden. Auch ein paar Gespräche mit meiner Mutter, ihres Zeichens selbst Medizinerin, festigten meine Vermutung. Also ergoogelte ich mir mein weiteres Vorgehen, denn Nichtstun, das war keine Option. Ich wollte und konnte so nicht weiter machen. Ein Psychiater musste her.

Das klang in meinen Ohren sehr dramatisch, überzogen, aber anscheinend musste das meine erste Anlaufstelle sein, denn ich brauchte eine Diagnose. Einen solchen zu finden war in München nicht schwer, doch dort anzurufen, kostete mich unglaublich viel Zeit und Überwindung. Alles an diesem Anruf war mir peinlich. Zunächst war es mir prinzipiell unangenehm, jemand fremden anzurufen. Dazu der Grund meines Anrufs, unangenehm hoch zehn. War das denn überhaupt nötig? Mussten nicht nur richtig psychisch kranke Menschen...

Erscheint lt. Verlag 5.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7583-4817-X / 375834817X
ISBN-13 978-3-7583-4817-4 / 9783758348174
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