G. F. Unger 2269 (eBook)

Jessicas Herde

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6622-7 (ISBN)

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G. F. Unger 2269 - G. F. Unger
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Wahrscheinlich war ich einer der letzten Heimkehrer nach dem für den Süden verlorenen Krieg, in den ich als Texaner und junger Bursche hineingeritten war. Jetzt - nach mehr als fünf Jahren - kam ich mir mit einem Schatz an Erfahrungen wie ein doppelt so alter Mann vor. Doch wir alle waren im Krieg älter geworden, sehr viel älter. Und wir Texaner gehörten zu den Verlierern.
Der kleine Ort, in dem ich vor sechsundzwanzig Jahren in einer Hütte geboren wurde, hieß Concho. Wahrscheinlich hatte er sich nicht verändert, war gewiss noch armseliger geworden. Denn Texas war arm geworden, wurde ausgeplündert von den Yankees, die mit ihrer Besatzungstruppe herrschten, wie das alle Sieger taten, seit es Kriege gab. Aber Concho war nun mal meine Heimat gewesen, sozusagen der Nabel unserer Welt damals, zu dem wir ritten, um uns zu amüsieren.
Damals - als ich siebzehn wurde -, da hatten mich die anderen Reiter unserer Mannschaft im Saloon mit Rosy hinaufgeschickt. Und sie hatten das, was ich mit Rosy zum ersten Mal in meinem Leben tat, auch schon im Voraus bezahlt. Das war ihr Geburtstagsgeschenk gewesen ...


Jessicas Herde

Wahrscheinlich war ich einer der letzten Heimkehrer nach dem für den Süden verlorenen Krieg, in den ich als Texaner und junger Bursche hineingeritten war. Jetzt – nach mehr als fünf Jahren – kam ich mir mit einem Schatz an Erfahrungen wie ein doppelt so alter Mann vor. Doch wir alle waren im Krieg älter geworden, sehr viel älter. Und wir Texaner gehörten zu den Verlierern.

Der kleine Ort, in dem ich vor sechsundzwanzig Jahren in einer Hütte geboren wurde, hieß Concho. Wahrscheinlich hatte er sich nicht verändert, war gewiss noch armseliger geworden. Denn Texas war arm geworden, wurde ausgeplündert von den Yankees, die mit ihrer Besatzungstruppe herrschten, wie das alle Sieger tun, seit es Kriege gibt. Aber Concho war nun mal meine Heimat gewesen, sozusagen der Nabel unserer Welt damals, zu dem wir ritten, um uns zu amüsieren.

Damals – als ich siebzehn wurde –, da hatten mich die anderen Reiter unserer Mannschaft im Saloon mit Rosy hinaufgeschickt. Und sie hatten das, was ich mit Rosy zum ersten Mal in meinem Leben tat, auch schon im Voraus bezahlt. Das war ihr Geburtstagsgeschenk gewesen ...

Ja, Rosy war die erste Frau in meinem Leben. Und nicht ich hatte sie bezahlt. Es war eine schöne Illusion.

Was mochte aus ihr geworden sein?

Nach Rosy hatte es andere Mädchen gegeben, auch Frauen. Denn ich war ja seit Rosy neun Jahre älter geworden, war Tausende von Meilen geritten und hatte gekämpft und für den Süden getötet, war dafür befördert worden. Und einmal hatte mir General Lee, unser Oberkommandierender, die Hand gedrückt. Was hatte ich mich stolz gefühlt!

Erst jetzt wusste ich, dass alles falsch gewesen war. Und das war es immer, wenn Menschen Kriege führten, nur weil ihre Regierenden keine anderen Lösungen finden konnten, also Versager waren.

Die ganze Welt war voll von solchen Versagern, die mit ihren Reden und ihrem Auftreten der großen Herde den Verstand vernebelten.

Nun, lieber Leser meiner Geschichte, warum ich dies alles vorausschicke, bevor ich diese Geschichte erzähle? Ich will damit erkennen lassen, dass ich mit einem reichen Schatz von Erfahrungen und Erkenntnissen über unsere Welt auf meine Heimatweide rings um Concho zurückkam.

Es war etwa drei Meilen vor der kleinen Stadt, die ich schon hinter der Hügelkette wusste, als ich die Versammlung in der Senke sah. Es gab dort einen kleinen See, kaum mehr als ein Teich, der von einer unterirdischen Quelle ständig frisches Wasser bekam, das als dünner Creek nach Norden zu abfloss.

Etwa drei Dutzend Reiter hockten dort um ein glühendes Feuer, über dem sie ein Kalb brieten.

Ja, sie alle waren Reiter, denn ich sah ihre Pferde auf der anderen Seite des Gewässers, das zu groß für einen Teich und zu klein für einen See war.

Ich hielt oben auf dem Hügelkamm an. Auch einige Rinder – sie alle waren mehr oder weniger verwilderte Longhorns – befanden sich in der Nähe. Sie bildeten ein halbes Dutzend Rudel, und sie brüllten böse, weil man sie von der großen Wasserstelle vertrieben hatte.

Ich hatte unterwegs schon Tausende von Rindern gesehen. Sie mussten sich während des Krieges wie Kaninchen vermehrt haben.

Ich glaubte dort unten einige alte Sattelgefährten erkennen zu können, mit denen ich damals vor dem Krieg geritten war, als wir noch junge Burschen waren. Sie waren offenbar noch früher als ich heimgekehrt.

Doch sie alle sahen nicht so aus, als ginge es ihnen gut. Es war eine Horde von abgerissenen Satteltramps dort unten am Feuer. Und sie stillten ihren Hunger an einem Kalb, das herrenlos gewesen war, ein sogenanntes Maverick-Kalb. Denn Mavericks, das waren ungebrändete Rinder, auf die niemand Anspruch erheben konnte.

Ich wollte mein Kriegspferd in Bewegung setzen, um hinunterzureiten und mir ein Stück vom Kalb abzuschneiden, als ich auf der anderen Seite die Reiterin auftauchen und auf dem Rand der Senke anhalten sah.

Heiliger Rauch, ich erkannte sie sofort wieder.

Die Frau dort auf der roten Stute war keine andere als Jessica Halloway, die Tochter meines damaligen Ranchers, und nun war sie kein Mädchen mehr. Ja, da im Sattel saß eine energische Frau. Sie war etwa zwei Jahre jünger als ich.

Als ich mit der ganzen Halloway-Mannschaft in den Krieg ritt, war sie siebzehn und fast schon erwachsen gewesen. Denn mit siebzehn heirateten in Texas viele Mädchen.

Ich konnte erkennen, dass sie mir einen forschenden Blick zuwarf. Doch ich hatte mich in den vergangenen sechs Jahren gewiss sehr verändert, war kein junger Bursche mehr von zwanzig Jahren.

Die Satteltramps dort unten starrten zu ihr hoch, und sie alle erhoben sich, als wollten sie ihrer ganzen Erscheinung Respekt erweisen.

Und dann hörten wir alle ihre Stimme.

Es war eine feste und wohlklingende Stimme, die Stimme einer Frau, die ihren Wert kennt und sich in dieser Welt behaupten kann.

Und ihre Worte, die sie zu der Versammlung dort unten sprach, die waren einfach und klar. Sie sprach zu einem Haufen abgerissener Satteltramps, für die es hier in Texas nirgendwo Arbeit gab. Denn jetzt nach dem Krieg war das Südstaatengeld wertlos geworden, nur Yankeedollars galten etwas.

Sie sprach laut genug zu ihnen hinunter: »Gentlemen, ich bin Jessica Halloway. Einige von euch kennen mich gewiss noch von früher, andere haben von mir gehört. Wir befinden uns hier auf Halloway-Weide. Und das Brandzeichen auf den alten Longhorns ist der ›Rocking Chair‹, der Schaukelstuhl. Ich stelle Herdentreiber ein. Aber zuerst muss die Treibherde gebrändet werden. Es gibt also Arbeit für Gentlemen, die echte Ritter der Weide sind – oder es wieder sein wollen. Wer auf meine Lohnliste will, der soll zur Halloway Ranch kommen. Ich reite jedoch erst in die Stadt, um die neuen Brandeisen zu holen.«

Nach diesen Worten zog sie ihr Pferd herum und verschwand vom Rand der Senke.

Auch ich ritt vom Hügelkamm.

Und eine Viertelmeile weiter trafen wir uns auf dem Reit- und Fahrweg nach Concho.

Unsere Pferde beschnupperten sich fast wie Hunde. Aber mein Kriegspferd war ein Wallach. Der konnte mit einer schönen Stute nichts mehr anfangen.

Bei mir war es anders. Denn diese Jessica Halloway war mir damals schon in meinen Träumen erschienen.

Sie lächelte mich an und sprach: »Ich habe dich sofort erkannt, Jim Maddegan.«

Ja, das war mein Name: Jim Maddegan.

Wir betrachteten uns wortlos eine Weile, sahen uns in die Augen und lauschten auf unseren Instinkt. Was ließ er uns spüren? War es gut oder schlecht?

Ich konnte fast körperlich spüren, wie sie mit ihrem Instinkt in mich einzudringen versuchte, sich dabei fragte, was wohl in all den Jahren aus mir geworden war.

Aber sie hatte mich von Anfang an mit du angeredet, so wie damals, als ich der jüngste Reiter in der Rocking-Chair-Mannschaft war und sie noch ein junges Ding, das Spaß daran hatte, allen jungen Reitern den Kopf zu verdrehen.

Nun, ich spürte also die Strömung, die von ihr ausging und mich zu erforschen versuchte, indes ich ihr Gesicht betrachtete und darin zu lesen versuchte.

Es war das Gesicht von einer starken, eindringlichen Schönheit, die das Leben formte, ein Gesicht mit einem lebendigen Mund, grünen Augen und großzügigen Konturen.

»Jim Maddegan, warum hast du dich damals nicht an mich herangewagt?«, fragte sie mich plötzlich. »Ich habe damals darauf gewartet.« Sie verstummte mit einem nachsichtigen Lächeln auf ihren vollen Lippen.

Ich musste etwas mühsam schlucken und sah in ihren Augen eine belustigte Herausforderung.

»Ich war damals noch ein dummer Junge«, erwiderte ich. »Und deine Schönheit machte dich für mich unerreichbar. Wir alle beteten dich an wie einen Engel, der auf die Erde niederkam. Und dabei kamst du nur aus Galveston von einem vornehmen Internat. Du warst für uns eine unberührbare Göttin. Ich kann es nicht anders erklären.«

Sie legte den Kopf in den Nacken und brach in ein fröhliches Lachen aus. Nein, es war kein spöttisches Lachen.

Dann fragte sie plötzlich ernst: »Und jetzt, Captain Maddegan, was ist jetzt?«

Sie wusste also, dass ich Captain geworden war, und sie erkannte auch sofort die Frage in meinem Blick.

Lächelnd sprach sie: »Wir hörten immer wieder von heimkehrenden Soldaten der Texas-Brigade von deinen Taten. Du bist in diesen Jahren nicht nur ein Mann geworden, sondern ...«

»Hör auf«, unterbrach ich sie. »Das ist vorbei. Jetzt bin ich wieder ein Cowboy, aber ohne Job, eigentlich ein Satteltramp. Ich bin nicht mehr stolz darauf, dass ich mit meinen Leuten viele Yankees getötet habe. Es war ein verdammter Job.«

Wir ritten wieder an, hielten uns Steigbügel an Steigbügel und hatten die Hügelkette vor uns, hinter der die kleine Stadt Concho am Concho River lag.

Nach einer Viertelmeile fragte ich: »Was ist mit deinem Vater, Pug Halloway?«

»Er starb im vergangenen Jahr. Wir brachten einen Wagenzug nach Galveston, wo er die Fracht an ein Seeschiff abgeben sollte. Es war dringend benötigter Nachschub für unsere Armee – also haltbarer Proviant, Ausrüstung jeder Art und auch Baumwolle und vor allen Dingen Stiefel....

Erscheint lt. Verlag 27.4.2024
Reihe/Serie G.F.Unger
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • alfred-bekker • Bestseller • bud-spencer • buffalo-bill • Cassidy • Chaco • clint-eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Erwachsene • Exklusiv • für • GF • g f barner • Indianer • jack-slade • Jugend • Karl May • kelter-verlag • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • Lassiter • lucky-luke • Männer • martin-wachter • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • sonder-edition • Western • Western-roman • Wilder Westen • Wilder-Westen • Winnetou • Wyatt Earp • Wyatt-Earp
ISBN-10 3-7517-6622-7 / 3751766227
ISBN-13 978-3-7517-6622-7 / 9783751766227
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