Hey ChatGPT, wer tötete Amalia? -  Thomas Grebner

Hey ChatGPT, wer tötete Amalia? (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 5. Auflage
221 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7598-0074-9 (ISBN)
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Lisa besucht ein Volksfest zusammen mit ihrer besten Freundin Amalia und findet sie kurze Zeit später misshandelt und ermordet im Wald. Der Fall wurde nie aufgeklärt. Zwanzig Jahre später liefert ChatGPT vier Namen potenzieller Tatverdächtiger. Um endlich fu?r Gerechtigkeit zu sorgen, investigiert sie zusammen mit der Schwester des Opfers im Fall Amalia und stößt auf interessante Zusammenhänge. Wird die ku?nstliche Intelligenz recht behalten?

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Eine Woche später, 12.09 - 14.09.2023 – Lisa


 

Nachdem ich das Video noch ein zweites Mal angeschaut habe, lag ich im Bett mit unzähligen Fragen, die wie Sprechblasen in meinen Gedanken erschienen. Wer ist der Absender dieses Videos? Wer wusste über den Abend auf dem Volksfest so gut Bescheid? Wie konnten die Personen in diesem Video so gut nachgestellt werden? Warum wusste der Absender, dass es sich um vier Täter handelte? Warum sah man die Gesichter der Täter nicht? Warum will sich der Absender gerade an mir rächen? Ich weiß, hätte ich damals bei dem Kuss anders reagiert, wäre sie nicht weggelaufen und sie wäre vielleicht noch… In diesem Moment liefen mir Tränen ins Gesicht. Ach Amalia, wäre ich dir doch bloß sofort hinterhergelaufen, dachte ich.

Nach einer anstrengenden Nacht, in der ich dann irgendwann doch noch eingeschlafen bin, wartete ich am nächsten Morgen in meiner Praxis auf meine erste Patientin. Ich kannte die Historie meiner Patientinnen recht gut. Dennoch schaute ich mir immer die Akte an, um ja keine Kleinigkeit zu vergessen. Nadia Wohlfahrt, 32 Jahre alt, zum ersten Mal schwanger, im fünften Monat. Eine Notiz von Susi meiner Arzthelferin: Patientin möchte Geschlecht nicht wissen. Die Schwester von der Patientin Franziska Weber soll angerufen werden da das Geschlecht auf einer „Gender-Reveal-Party“ bekannt gegeben werden soll. „Gender-Reveal-Party“, ein neuer Trend aus den USA bei dem meist wenige Bekannte oder Verwandte das Geschlecht des Babys wissen und dies im Rahmen einer Feier bekannt geben. Zu dem Thema wurden mir bereits einige Reels auf Instagram angezeigt. In einem der Reels standen die werdenden Eltern in der Mitte der Gäste und hielten beide eine Konfettikanone in der Hand. Nach einem Countdown drehten sie an den Kanonen und der Himmel färbte sich rosa. Ein Mädchen. Alle freuten sich bis auf den werdenden Vater. Er schmiss eine Bierflasche auf die Straße, warf einen Tisch um und schrie seine Frau mit den Worten an: »Du kannst doch wirklich Garnichts«. Dann endete das Reel. Armes Kind, so einen Vater sollte man sofort dem Jugendamt melden, dachte ich. Zum Glück freuten sich aber bei den meisten Gender-Reveal-Partys sowohl die werdenden Eltern als auch die Angehörigen. Neben Konfetti-Kanonen gab es viele weitere Möglichkeiten, das Geschlecht des Babys als in Form von Farbe zu verraten. Rauchkanonen, Torten mit weißem Zuckerguss, unter denen sich entweder rosa oder blaue Creme befand oder einen Luftballon, der durch eine Nadel aufgestochen wird und nach dem Platzen entweder rosa oder blaues Konfetti zum Vorschein kommt.

Noch in Gedanken und auf den Screen meines Smartphones starrend betrat meine Patienten das Behandlungszimmer. Nach kurzem Small-Talk über ihr befinden, bat ich sie sich auf den Stuhl zu setzen. Heute stand ein großes Organscreening an. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht klar ist, ob das Baby im medizinischen Sinne gesund ist, können bereits alle Organe erkannt und zumindest gecheckt werden, ob das Herz durchblutet ist und ob beide Hirnhälften ausgebildet sind.

»Sieht alles wunderbar aus«, sagte ich zu Frau Wohlfahrt. »Das Geschlecht wollen sie nicht wissen, richtig?«

»Nein«, sagte sie. »Meine Schwester und ihr Mann veranstalten eine Gender-Reveal-Party, wissen Sie.« »Ach, sehr schön!«, antwortete ich. Nachdem sich Frau Wohlfahrt anzog, sagte sie: »Sie begleiten mich so großartig durch diese Schwangerschaft, ich würde sie so gerne bei der Party dabeihaben.« Sie drückte mir eine Einladungskarte in die Hand.

»Sie müssen kommen!«

Ich sagte: »Ich bin Ihre Ärztin und ich trenne da gerne zwischen privat und geschäftlich aber trotzdem vielen Dank. Das bedeutet mir sehr viel.«

»Ach kommen Sie schon. Irgendjemand muss doch den Wein trinken, von dem ich mich leider fernhalten muss.« Um die Debatte zu beenden, sagte ich:

»Ich überlege es mir, ok«, wobei ich mir sicher war, nicht zu der Party zu gehen.

Frau Wohlfahrt umarmte mich, dann drehte sie sich um und verließ meine Praxis.

In meiner Mittagspause erhielt ich eine Nachricht von Tinder-Jonny. »Na, nach dem Extrem-Sport gestern Abend gut geschlafen? Schaust du dir heute schon wieder heimlich nackte Frauen an?«

Ich war genervt. Nicht über die Nachricht, sondern über mich selbst, dass ich die Nachricht witzig finde und dass ich mich über die sie freute.

Ich antwortete: »Nicht so wirklich, lag aber nicht an dir. Anscheinend war mir der nackte Männerkörper gestern nicht genug ;)«

»Oh, warum konntest du nicht schlafen? Ich habe alles gegeben, aber du bist einfach nicht zu bändigen :D«, textete er.

»Erzähl ich dir bei unserer nächsten Sportsession«, schrieb ich.

„Oh, da bin ich gespannt! Sehr schön, wann?«

»Die nächsten drei Tage sieht es schlecht aus, aber Freitag würde gehen«, antwortete ich. »Yeahi, Freitag it is« war seine letzte Nachricht. Ich hatte die nächsten Tage nichts geplant, wollte aber einfach unter der Woche meine Ruhe nachdem die letzte Nacht schon nicht schlafreich ausgefallen ist.

Dann wurde mir klar, dass ich ein viertes Sex-Date mit ein und demselben Mann hatte. Da kam sie wieder auf, die gute alte Bindungsangst.

Nach einem gewöhnlichen Nachmittag in der Praxis bestieg ich mein Rad und hielt auf dem Heimweg noch beim Mexikaner „Guacamole“. Ich liebte die Tacos in diesem Laden. Am liebsten Chocinita Pibil oder Barbacoa mit schön viel Fleisch, scharfer Salsa Verde und Guacamole. Ich hatte zwar meinen Fleischkonsum in den letzten Monaten reduziert, aber ein bis zwei Mal in der Woche musste ich sündigen. Next Generation, please forgive me. Dazu trank ich ein kleines Corona-Bier mit Limette. Ein lokales Bier wäre sicher besser aber ein dünnes Corona-Bier und die spanische Musik im Hintergrund erinnerte mich irgendwie an Urlaub.

Drei Tacos und ein Bier später fuhr ich Richtung Wohnung. Ich hielt an einem Stoppschild, auf dem ein Aufkleber mit „Wearing Animals“ klebte. In so manchen Dörfern außerhalb der Stadt würde hier wahrscheinlich „Taking more Immigrants“ stehen, dachte ich. Ich musste kurz über meinen schwarzen Humor schmunzeln.

Gleichzeitig bemerkte ich, wie sehr ich die Offenheit in dieser Stadt liebte. Hier traf veganes Café auf traditionelles Wirtshaus, Second Hand auf teure Boutiquen, Lastenrad auf SUV, verschiedenste Sprachen auf Oberpfälzer Dialekt und Handwerksbetrieb auf DAX-Konzern und das alles in einer friedlichen Atmosphäre.

Zu Hause angekommen musste ich wieder über dieses Video nachdenken. Was hat das zu bedeuten? Bin ich in Gefahr? Sollte ich vielleicht mit jemandem darüber reden? Vielleicht sogar zur Polizei. Vielleicht ist es aber auch nur ein dummer Streich, versuchte ich mir einzureden.

Auf der Couch angekommen versuche ich mich mit Instagram etwas abzulenken. Dieses Video, in dem ein Kleinkind eine Ziege sieht und: “It‘s a fucking Goat!“ sagt, die Mutter daraufhin ihre Tochter berichtigt mit „It is just a Goat“ und die Tochter dann erneut darauf beharrte mit den Worten: “No, it´s a fucking Goat!“ könnte ich mir hundert Mal anschauen und würde es immer noch witzig finden. Ich schlief ein und wachte nicht vor dem nächsten Morgen auf.

Am nächsten Morgen scrollte ich während des ersten Kaffees durch alle üblichen Zeitungsapps. Nachdem der Ukraine-Krieg der Presse anscheinend zu langweilig geworden ist, stürzten sie sich nun auf den Konflikt im Gazastreifen. Ansonsten die üblichen Schlagzeilen: “Killer-Virus – kommt im Winter die nächste Epidemie?“, „Droht den Bayern die Hammergruppe in der Champions-League?“, „Bürgergeld oder arbeiten gehen, was ist lukrativer?“

So richtig interessierte mich davon nichts und ich fragte mich generell, warum ich meine Zeit immer wieder mit Sensations- und Horrornachrichten verschwendete. Eine weitere Schlagzeile weckte allerdings mein Interesse: „Data-Leak bei Polizei in mehreren Bundesländern – Tausende digitale Akten gestohlen“. Ich klickte auf den Artikel. Eine Gruppe von Hackern, die sich „Behind the Mirror“ nannten war es gelungen auf den Polizei-Server zuzugreifen und eine Vielzahl von vertraulichen Informationen zu stehlen. Sie bekannten sich im Internet zu der Tat, erwähnten aber nicht den Grund dafür.

Interessant dachte ich. Mich würden schon auch mal die Akten diverser Fälle interessieren. Vor allen würde mich interessieren, ob die Akten von berühmten und reichen Personen dicker sind, sprich mehr recherchiert wird als beim einfachen Fußvolk. Da kam mir Amalia und das Video wieder in den Sinn. Bestimmt nur ein dummer Streich versuchte ich mir erneut einzureden und schwang mich auf mein Rad zur Arbeit.

In der Praxis angekommen, begrüßte mich Susi in ihrem weißen Poloshirt und ihren verwuschelten langen roten Haaren mit halb-geschlossenen Augen mit einem etwas genervten »Morgen.« Ich konnte es ihr nicht verübeln. Immerhin schloss sie jeden Morgen eine halbe Stunde eher die Praxis auf und ich persönlich bin auch kein Morgenmensch. Ohnehin war Susi, sobald sie nach zwei Kaffees aufgewacht ist, ein herzensguter Mensch und betrachtete mich mehr wie eine Kollegin und nicht wie eine vorgesetzte Medizinerin, die alles besser weiß, wie das in machen Praxen üblich ist. Zu dem machte sie ihren Job hervorragend und drückte mir direkt einen Zettel in die Hand: »Hier, hoast vergessn», sagte sie im Oberpfälzer Dialekt. Oh, Shit! Nachdem mir Frau Wohlfahrt wieder ihre halbe Lebensgeschichte erzählt hatte, habe ich vergessen ihr die Ergebnisse ihres Urintests...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7598-0074-2 / 3759800742
ISBN-13 978-3-7598-0074-9 / 9783759800749
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