Die Märtyrerin -  Eberhard Knippel

Die Märtyrerin (eBook)

und weitere unglaubliche aber vergessene Begebenheiten
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
292 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-18907-3 (ISBN)
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Dieses Buch vereint unglaubliche Geschichten aus zwei Jahrtausenden, die sich tatsächlich zugetragen haben, aber kaum den Weg in die Öffentlichkeit fanden. Sie sind von einer inneren Spannung geprägt, die nur das Leben selbst schreibt und die sich oft der kühnsten Phantasie des Schriftstellers entzieht. Sei es der unglaubliche Mut der indischen Agentin Noor-Inayat Khan im besetzten Paris der 1940er Jahre, der Mut des Hitler-Attentäters Georg Elser, der russischen Offiziere Petrow und Archipow, die einen Atomkrieg verhinderten, oder des Marschalls Tuchatschewski, der dem Verfolgungswahn Stalins zum Opfer fiel. Sei es die Kühnheit der aramäischen Königin Zenobia, die sich dem römischen Imperium in den Weg stellte, die Mathematikerin Hypatia aus dem antiken Alexandria, deren Verwegenheit ihren Märtyrertod zur Folge hatte, die Weisheit des Begründers der Demokratie Solon von Athen, oder die Vernunft der Politiker, die den russisch-amerikanischen Alaska-Vertrag verhandelten, alle Geschichten erzählen davon, wie Menschen in ihr eigenes Schicksal verstrickt sind und sich aus den Fallstricken des Lebens oftmals nicht befreien können.

Eberhard Knippel wurde 1947 in Berlin geboren. Er ist Naturwissenschaftler und arbeitete lange Zeit in der medizinischen Forschung. Nun hat er sich der Belletristik zugewendet. Von ihm erschienen bereits die Erzählung Der Tempel sowie die Romane Amina, Der blonde Todesgott, Der Fluch der bösen Gene, Das Geheimnis der trügerischen Schatten und Die Jahrtausendwette.

1943: Eine britische Agentin in Paris

Im Krematorium des Konzentrationslagers Dachau hängt eine unscheinbare Gedenktafel, die der Besucher an diesem Ort des Grauens, der das Unfassbare noch einmal auferstehen lässt, leicht übersieht. Wie Vieles aus jener Zeit übersehen wurde, weil es nicht an die Öffentlichkeit drang, die stillen Heldentaten von Menschen, die taten, was ihr Gewissen ihnen eingegeben hatte, und die sich gegen die Unmenschlichkeit stemmten um der Menschlichkeit willen.

Auf dem Schild sind die Namen von vier jungen Frauen eingraviert, die beiden jüngsten sechsundzwanzig Jahre alt, die älteste dreiunddreißig. Nur wenige Meter von hier entfernt, in der Nähe des Krematoriums, hat sich ihr Schicksal vollendet, an jenem Morgen des 13. September 1944, als der Krieg schon längst entschieden war und doch mit unverminderter Härte und Grausamkeit fortgeführt wurde. Sie waren erst am Vortage aus dem Gefängnis Karlsruhe hier angekommen.

Was muss sich in den Köpfen der vier jungen Frauen abgespielt haben, denen nun befohlen wird, sich auf den Boden zu knien? Wir werden es niemals erfahren, und Respekt und Anstand gebieten es, ihnen ihr Geheimnis zu lassen. Die Vier sind keine willkürlich zusammengestellte Gruppe von Todeskandidaten, sie sind eng miteinander verbunden, denn sie haben eine Gemeinsamkeit: Alle gehören der britischen Spezialeinheit Special Operations Executive (SOE) an, die in Frankreich im Untergrund gegen die deutsche Besatzungsmacht kämpft und eng mit dem französischen Widerstand zusammenarbeitet.

Alle haben gewusst, dass der Einsatz ihnen das Leben kosten kann. Sie haben es billigend in Kauf genommen, weil es zu ihrem Lebensskript dazugehörte. Das ist die Verstandesseite. Doch die Gefühle sind eine andere Sache, diese verdammten Gefühle, die sie jetzt in diesen letzten Minuten ihres noch so jungen, in großen Teilen ungelebten Lebens überfluten und die sie nicht beherrschen können.

Keine von ihnen bereut ihre Entscheidung, die gefährliche Agententätigkeit gewählt zu haben und sich gegen das in ihren Augen abgrundtief Böse zu stellen. Und doch ist etwas größer als all diese rationalen Überlegungen, die jetzt einer Schockstarre gewichen sind, das Bewusstsein nämlich, dass in wenigen Minuten alles aus ist, unwiederbringlich verloren: die helle Seite des Lebens, die geliebten Menschen, die man nicht wiedersehen wird, die Kälte und Einsamkeit, die einen umgibt, die unwiderrufliche Gewissheit des Unbekannten, der Finsternis, des Nichts.

Den SS-Leuten des Erschießungskommandos gehen ganz andere Gedanken durch den Kopf, wenn sie ihr Denken in diesem Augenblick nicht ganz abgeschaltet haben. Ja, sie sind dabei, Menschen zu erschießen, menschliches Leben auszulöschen. Ist das nicht eigentlich etwas, was einem das Gewissen verbot? Dieser Gedanke war ihnen vielleicht ganz am Anfang ihrer Tätigkeit, beim Eintritt ins Konzentrationslager, gekommen. Aber er war schnell verdrängt worden.

Gewiss, wenn sie wegen niederer Beweggründe, etwa um sich zu bereichern oder ihre Gelüste zu befriedigen, morden würden, das könnten sie niemals tun, das ginge ihnen gegen ihre Moral und ihr Gewissen, sie hatten ja schließlich Anstand. Aber dies hier, diese Erschießungen, das ist ein Befehl im Namen einer guten Sache, der man sich verschrieben hatte. Die Verantwortung liegt nicht bei ihnen, die tragen ihre Vorgesetzten und letztlich die Bewegung und der Führer persönlich. Und außerdem haben ihre Feinde doch selbst Schuld an ihrem Schicksal; wenn man sie nicht beseitigt, beseitigen sie uns. Sie zu erledigen sind wir unserer Familie und unserem Volke schuldig.

Doch Gedanken von Schuld und Verantwortung belasten die SS-Männer schon längst nicht mehr. In diesem Augenblick hat sie die Routine im Griff, sie reagieren wie programmierte Maschinen, wie Rädchen in einem großen, gut geschmierten Getriebe, ganz nah an der eigenen Herde. Das da vor ihnen sind keine Menschen, auf die irgendeine Moral Anwendung finden müsste. Nach der Exekution, wenn die Leichen verbrannt und die Asche anonym verscharrt waren, gehen die Männer zur Tagesordnung über. Sie müssen schließlich auch überleben. Vier Volksschädlinge weniger, das ist doch auch ein Gewinn an Sicherheit für sich und ihre Familien. Das Leben muss weitergehen, irgendwie.

Eine der jungen Frauen, die erst gestern aus Karlsruhe überstellt worden sind, fällt dem Wachpersonal besonders auf: Einen Zug von Trotz im Gesicht, von Stolz und Freiheitswillen in ihren von Leid gezeichneten Zügen, und doch, mit ihrem schwarzen, gewellten Haar, den dunklen Augen und dem bronzefarbenen Teint ist sie von einer anderen Welt, von einer zarten Anmut und Schönheit, die die Männer in ihrem Inneren berührt.

Sie hätte eine orientalische Prinzessin aus dem Märchenbuch sein können. Und das ist sie ja auch in Wirklichkeit, einer ihrer Vorfahren war der König von Mysore in Indien. Aber das wissen die Männer nicht. Dass diese schüchterne, zerbrechlich wirkende Schönheit einmal einen der gefährlichsten Agentenposten im Zweiten Weltkrieg innehaben würde, ahnte in ihrer Jugend niemand.

Den vier Frauen wird befohlen, auf die Knie zu gehen. Instinktiv halten sie sich an den Händen. Sie wissen, ihr Leben währt noch Sekunden. Dann fallen die tödlichen Schüsse, der endgültige Abschied, die Erlösung.

König Akbar

Ja, so ist die Geschichte gelungen, die Überarbeitung des „König Akbar“ hat sich gelohnt. In der ersten Fassung hatte der Geschichte die Würze gefehlt, der Geist, von dem sie selbst erfüllt war, das Vermächtnis ihres Vaters, des bekannten Sufi-Predigers Hazrat Inayat Khan. Ihr Wesen war, das gab sie offen zu, nun einmal geprägt von dem sanften, gewaltlosen Weg, dem friedlichen Zusammenleben der Menschen, von unbändigem Freiheitswillen und einem tiefen Gerechtigkeitsgefühl.

Und was war schöner, als ihr ganzes unverfälschtes Wesen den Lesern zu offenbaren, ohne Verzerrungen und Hintergedanken. Besonders die Kinder hatten es verdient, auf ihrem Weg zum Erwachsensein begleitet und ermutigt zu werden, die Welt ein kleines bisschen menschlicher zu machen. Dass ihr dies mit ihren Büchern gelingen könnte, davon war sie überzeugt. Und welcher Stoff würde besser in diesen Rahmen passen als der des Königs Akbar und seiner Tochter?

Wie der kinderlose König Akbar eine auf den Wellen des Meeres schwimmende Kiste fand, in der ein kleines Mädchen lag, wie er es rettete und als seine Tochter annahm. Und wie der König sie fragte, als sie einige Jahre am Königshof gelebt hatte, wem sie denn ihr wundersames Leben als Prinzessin zu verdanken habe, und sie antwortete: Gott. Da zürnte der König so sehr, dass er sie wegen ihrer scheinbaren Undankbarkeit vom Hofe verbannte.

Als sie aber auf ihrer langen Wanderung in die Fänge eines tyrannischen Königs geriet, der sie wie jedes andere schöne Mädchen seines Königreichs auch nur für eine Nacht zur Königin machen wollte, um sie schon anderntags zu verstoßen, da gelang es ihr mit Phantasie und Poesie, ihn immer schon in den Schlaf zu wiegen, bevor er ihre Geschichte ganz zu Ende gehört hatte. Und wie dies über tausend Nächte so ging, bis ihr endlich die Flucht gelang. Und sie dazu noch eintausend andere Mädchen vor dem grausamen Tyrannen rettete.

Als sie aber zu König Akbar kam und ihn fragte, wer sie denn in ihrem Unglück errettet habe, als sie fern der Heimat umherirrte, da begriff er, dass seine Tochter mit ihrer Antwort recht gehabt und er an ihr gesündigt hatte. Und er sprach voll innerer Überzeugung: Gott.

Ja, das hier war ihre Welt, ihre geistige Heimat, in der sie sich wohl und heimisch fühlte, wie sie sich überall heimisch gefühlt hatte, in London, in Indien, dem sie durch ihren Vater eng verbunden war, und natürlich hier in Paris, das sie am meisten liebte. Und mit einem Male sah sie ihren Lebensweg klar und deutlich vor Augen, das, was sie sich von Herzen wünschte: In dieser schönen Stadt zu leben, in dieser poetischen Stadt, wo sie Musik und Psychologie studiert und erste literarische Gehversuche gemacht hatte. Hier wollte sie schreiben, anschreiben gegen eine Welt voller Gewalt und Ungerechtigkeit. Für das Gute, denn an das Gute im Leben glaubte sie, auch wenn viele sie für naiv hielten und sie dafür belächelten.

Doch schon wenige Monate später, im Sommer des Jahres 1940, zerschellte dieser Lebenstraum der Noor Inayat Khan an den Klippen der rauen Wirklichkeit. Die deutsche Wehrmacht marschierte in Frankreich ein und besetzte Paris. Die Familie Inayat Khan floh vor der deutschen Besatzung nach London, in eine neue Zukunft, die voller Ungewissheit war.

Die Kontrahenten

Da Noors Vater schon früh gestorben war, musste sie ihren Beitrag zum Unterhalt der Familie leisten. Der Not gehorchend, trat sie der Women’s Auxiliary Air Force bei, obwohl sich ihr Inneres doch gegen alles Militärische sträubte, das ihrem auf Friedfertigkeit...

Erscheint lt. Verlag 30.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-384-18907-8 / 3384189078
ISBN-13 978-3-384-18907-3 / 9783384189073
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