Das Haus Zamis 91 -  Michael M. Thurner

Das Haus Zamis 91 (eBook)

Töte Dorian Hunter! (Teil 1)
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
64 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-6780-4 (ISBN)
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»Dorian Hunter ist auf dem Weg hierher«, sagte mein Vater. »In einer Stunde ist er am Flughafen. Mach dich auf den Weg!«

»Vater, ich habe eine Frage ...«
»Du sollst keine Fragen stellen, sondern zuhören und tun, was ich dir sage!«, schnappte er. »Du weißt ganz genau, was davon abhängt, dass du deine Arbeit zu Asmodis Zufriedenheit erledigst.«
»Ja, Vater.« Ich ließ mir weitere Informationen geben und legte dann auf. Ich kannte diesen Ton nur zu gut. Mein Vater war nervös.
Ich stoppte ein Taxi. Der Fahrer würde einige Vorschriften brechen müssen, damit wir den Flughafen erreichten, bevor Hunters Flugzeug landete ...

Michael Thurner schildert die legendäre erste Begegnung zwischen Dorian Hunter und Coco Zamis in einem packenden Zweiteiler! Die Geschichte, die wir aus DORIAN HUNTER Band 2, 'Das Henkersschwert' kennen, wiederholt sich - aber ganz anders, als wir sie kennen ...

1. Kapitel


Er hielt inne, wirkte mit einem Mal ein wenig nachdenklich: »Andererseits ist es dann viel zu rasch zu Ende mit dem Fleisch. Es verliert den Geschmack. Wehrt sich nicht mehr, hat keine Schmerzen.«

Vater betrachtete den Gast nachdenklich. Er murmelte eine Beschwörung und sorgte für eine weitere Verstärkung der magischen Ketten, bevor wir den Kellerraum verließen und die Tür hinter uns sicher verschlossen.

»Bringt mir Fleisch!«, hörten wir den Mann wieder losbrüllen, so laut, dass seine Stimme selbst das Holz der eichenen Tür durchdrang. »Bringt es im Ganzen! Ich werde es filetieren, zerbeißen, zerkauen, mich an ihm laben! Ich werde so lange fressen, bis es mir besser geht, bis ich wieder Kraft habe. Ich fühle mich schwach, so schwach! Füttert mich! Gehorcht dem Willen Asmodis! Er möchte, dass ich gut behandelt werde, dass es mir gut geht! Ich bin sein Sohn, und ich habe es verdient, wie ein Herrscher versorgt zu werden.«

Die Tirade endete.

Ich hörte, wie der Gast etwas hochwürgte, ein schlecht verdautes Stück Mensch. Womöglich Innereien, die ihm nicht so gut mundeten. Eine Raucherlunge, eine Säuferleber, eine krebsbefallene Prostata. Er hatte zwar einen eisernen Magen, bezeichnete sich selbst aber auch als »Feinschmecker«.

Er war ein widerwärtiger Zeitgenosse, und ich hätte ihn gerne sterben gesehen. Doch Asmodi hätte uns, den Angehörigen der Familie Zamis, die Schuld am Ableben seines Sohnes geben. Alle Hoffnungen, vom Fürst der Dunkelheit endlich einmal in Ruhe gelassen zu werden, wären dahin gewesen.

Wir wären das Ziel weiterer rachelüsterner Verfolgung, wie wir sie während der letzten Jahre ausreichend mitgemacht hatten.

Wir gingen den schmalen, gemauerten Gang entlang. Zwischen den Ziegelsteinen quoll rote Erde hervor. Es handelte sich um den blutgetränkten Humus des Roten Bergs, in dessen unmittelbarer Nähe die Villa Zamis vor langen Jahren angelegt worden war.

»Ich verhungere!«, hörte ich den Gast uns nachrufen, »bringt mir endlich, wonach mir dürstet! Fleisch von menschlichem Abschaum! Von Mördern, Vergewaltigern, Kinderschändern. Liefert mir die Ärsche der ältesten Huren und ich verzeihe euch, dass ihr mich nicht selbst auf die Jagd gehen lasst. Macht schnell, macht schnell!«

Die Stimme wurde kaum leiser, während wir uns entfernten; ganz im Gegenteil. Echos begleiteten uns. Magische Echos. Sie sandten andere, hypnotisch wirkende Nachrichten aus. Der Gast war zornig, und der Zorn machte ihn stark. Er wollte uns beeinflussen, wollte uns dazu bringen, ihm zu gehorchen.

Vater vollführte einige Handbewegungen, die Stimme wurde leiser. Ich fühlte, wie der Druck in meinem Kopf geringer wurde und ich wieder frei denken konnte.

»Er ist widerlich!«, sagte ich.

»Er ist unser Gast.« Vater wandte sich mir zu. Er wirkte zornig. »Denk daran, Coco, dass letztlich du am ganzen Unglück der Familie Zamis Schuld trägst. Hättest du dich nicht dem Herrn der Schwarzen Familie verweigert, wäre es niemals so weit gekommen, dass wir einem seiner Bastarde Quartier gewähren müssen.«

Das war eine billige Rechnung, und Vater wusste das. Doch auch er war genervt vom ewigen Gebrülle des Gastes, das nur dann für eine Weile aufhörte, wenn man ihn fütterte.

»Was macht ihn eigentlich so hungrig?«, fragte Georg mit krächzender Stimme.

»Der Zorn«, antwortete Vater. »Er giert nach diesem einen und ganz bestimmten Opfer. Solange er den Kerl nicht in die Finger bekommt, wird er uns weiter tyrannisieren.«

»Weiß man schon, wann dieses Opfer nach Wien kommt?«

»Womöglich übermorgen. Ich erwarte stündlich weitere Informationen von Skarabäus Toth.«

Toth, der Schiedsrichter der Schwarzen Familie. Auch er mischte also in diesem bösen Spiel mit. Er beobachtete und lauerte wie eine Spinne im Netz, zog da und dort an einem Faden, verfütterte kleine Häppchen an andere, kleinere Artgenossen – und achtete darauf, stets das beste Stück der Beute abzubekommen.

Was auch immer er diesmal für eine Rolle spielte: Wir konnten sicher sein, dass er seine eigenen Interessen verfolgte.

Ein letztes Mal hörten wir den Gast brüllen. Dann stiegen wir die Treppe hoch, verschlossen den Zugang zum Keller, versiegelten ihn magisch und befahlen dem Hüter des Hauses, der kruden Gestalt, sein besonderes Augenmerk auf diese Tür zu richten.

Wie hatte der Hüter einstmals geheißen?

Rupert Schwinger. Ein unschuldiger Dorfjunge war er gewesen, der das Pech gehabt hatte, sich in mich zu verlieben und dafür bestraft zu werden. Ich hätte Mitleid für ihn spüren müssen. Doch es kam nur noch selten vor, dass ich mich an Ruperts Rolle in meinem Leben erinnerte. So ungern ich es Vater gegenüber zugeben würde: Ich vergaß. Gutes und Böses, beide Seiten eines ereignisreichen Lebens, verschmolzen allmählich miteinander.

Steckte doch mehr dunkles Blut in mir, als es mir recht sein sollte? Oder hatte die Tatsache, dass ich seit den Ereignissen in England über eine Schwarze Seele verfügte, etwas mit meiner momentanen Gemütsverfassung zu tun?

»Du gehst auf die Jagd, Adalmar«, wies Vater meinen ältesten Bruder an. »Besorg dem Gast, was er benötigt. Achte auf Diskretion, wie immer.«

Adalmar nickte. Er schlüpfte wortlos in seinen weiten Mantel und zog die Kapuze über, sodass man die Konturen seines Gesichts kaum mehr wahrnehmen konnte. Nur noch der dunkle Bart und die prägnante, spitze Nase waren zu erkennen.

Mein Bruder würde die ihm aufgetragene Arbeit zu Vaters Zufriedenheit erledigen. Er arbeitete ruhig und effizient. Suchte nach einem Opfer, nach einem Außenseiter der Gesellschaft, belegte ihn mit einem magischen Bann und brachte ihn hierher, um ihn in den Keller zu führen und den Gast freizulassen.

Mich schauderte bei dem Gedanken, was dort unten während der letzten zehn Tage alles geschehen war. Von manchen Menschen hatten wir nicht einmal mehr Knochen gefunden. Aus Darmsaiten und primitivem Werkzeug hatte sich der Gast eine Kette gefertigt, die Nacht für Nacht länger wurde. An ihr hingen verschiedenfarbige Augäpfel und Backenzähne, Zehennägel und verschrumpelte Brustwarzen.

»Ich bin froh, wenn es bald vorüber ist«, sagte ich zu Vater, nachdem Adalmar die Villa verlassen hatte.

»Ich ebenso«, meinte er zu meiner Überraschung. »Er schlachtet grundlos und ist völlig enthemmt. Es ist kein Wunder, dass man ihm in seiner Heimat Sizilien derart zugesetzt hat.«

»Weißt du mehr über seine Vergangenheit, Vater?«

»Ich kenne bloß Gerüchte. Ich erzähle sie. Morgen. Damit ihr wisst, womit wir es wirklich zu tun haben.« Er sah mich an. Mit Blicken aus glänzenden, dunklen Augen musterte er mich. »Du musst deine Rolle gut spielen, Coco. Andernfalls wird uns Asmodi weiterhin Probleme bescheren.«

»Ich weiß, Vater.« Ich wandte mich ab und wollte auf mein Zimmer gehen, oben im ersten Stock, blieb aber dann noch einmal stehen. Ich erinnerte mich einer Frage, die ich seit Tagen stellen wollte, die ich aber immer wieder vergessen hatte. Seltsam. »Wie heißt unser Gast eigentlich?«, fragte ich.

»Bruno«, sagte er. »Bruno Guozzi.«

Ich wusste nicht, was mich in dieses schmuddelige kleine Café führte, das neben all den mondänen Kaufhäusern, Boutiquen, Schmuckgeschäften, Buchhandlungen, esoterischen Läden und Restaurants auf der Mariahilfer Straße die Jahrzehnte überdauert hatte.

Die Fassade stammte wohl aus den Fünfzigern des vorigen Jahrhunderts. Die rosafarbene Neonschrift flackerte unruhig. Aus dem »Espresso Rosi« war ein »spres R si« geworden, eine der Röhren brummte unruhig. Das Holz der Schwingtür war abgehauen, der messingfarbene Kugelgriff schmutzig und blind.

Das Lokal wirkte widerlich – und dennoch lockte es mich. Es war so ganz anders als das, was man auf dieser Pracht- und Einkaufsstraße erwartete.

Ich war zeitig am Morgen aufgestanden und hatte zugesehen, wie Adalmar unserem Gast das »Frühstück« gebracht hatte. Die Schreie waren bis in den ersten Stock getönt. Sie wollten und wollten nicht enden. Ich hatte einen Mantel übergeworfen und war in den kalten Novembermorgen hinausgestolpert, um ausnahmsweise mit der Straßenbahn zu fahren und mit müde dreinschauenden Pendlern den Weg Richtung innere Bezirke zu nehmen.

Orientierungslos war ich durch die Stadt geirrt, hatte Auslagen betrachtet, all das Glänzen und Glitzern, um mich dann hier wiederzufinden, an der Kreuzung Mariahilfer Straße/Neubaugasse, unweit der U-Bahn-Station.

Es roch seltsam im Inneren des Espresso Rosi. Nach Zimt und etwas Süßlichem, das ich nicht identifizieren konnte.

Drei Männer standen an der Bar, allesamt ließen sie ihre Nasen in Biergläser hängen. An einem der runden Tische entlang der Wandverglasung rechts von mir saß ein älteres Pärchen. Die beiden stritten ohne sonderlichen Nachdruck miteinander, auf eine Art und Weise, die auf jahrzehntelange Routine...

Erscheint lt. Verlag 6.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7517-6780-0 / 3751767800
ISBN-13 978-3-7517-6780-4 / 9783751767804
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