Wenn wir unseren Träumen folgen -  Ane Mulligan

Wenn wir unseren Träumen folgen (eBook)

Die starken Frauen von Sweet Gum

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
352 Seiten
Brunnen Verlag Gießen
978-3-7655-7842-7 (ISBN)
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Der neue Roman von Südstaaten-Autorin Ane Mulligan über drei mutige Schwestern und andere starke Frauen in ihrem Leben, ihre Freundschaft und ihren Zusammenhalt in den 1930er Jahren in Georgia enthält viel Charme, Spannung und Romantik. 1930: In dem ärmlichen Südstaaten-Städtchen Sweetgum träumen die drei Taylor-Schwestern von einem Leben jenseits des Hotels, das sie mit ihren Eltern betreiben. Janessa plant, ihren Tommy zu heiraten, Lillian möchte sich ein Leben in der Ferne aufbauen und Annie will eine Karriere als Schauspielerin einschlagen. Als jedoch durch einen Anschlag ihr geliebter Vater ums Leben kommt und Tommy die Schuld zugeschoben wird, ändern sich die Lebenspläne der Schwestern von heute auf morgen. Seite an Seite mit den anderen Frauen des Hauses müssen sie nun für den Fortbestand des Hotels kämpfen. Dabei finden sie nicht nur eine ungeahnte innere Stärke, sondern auch einen großen Gott, der in aller Treue zu ihnen steht, und auf drei verschiedene Arten ... Liebe.

Ane Mulligan entdeckte ihre Liebe zum Lesen bereits mit drei Jahren, als ihre Mutter ihr die Welt der Bücher näherbrachte. Als sie Jahre später Peter Pan im Theater sah, kam eine große Bühnenliebe hinzu. Beide Leidenschaften zusammen machten Ane zu einer preisgekrönten Bestsellerautorin. Sie lebt mit ihrem Künstler-Ehemann und einem schelmischen Rottweiler in Sugar Hill, Georgia.

„Jede Generation hat die Verantwortung,

die Welt zu einem besseren Ort für die nächste zu machen.

Wer das nicht tut, verfehlt den Zweck,

zu dem er auf dieser Erde lebt.“ –

Frank Taylor, Sweetgum Baptist Church, Februar 1928

1


Frühling 1930


Das markerschütternde Läuten einer riesigen Messingglocke zerreißt die morgendliche Stille. Meine Schwester Annie kreischt. Sarah, unsere Köchin, schreit ebenfalls erschrocken auf, während mir die Schüssel mit kalten Ofenkartoffeln aus der Hand rutscht und krachend auf den Boden fällt. Meine Mutter ruft: „Lieber Gott, nein! Bitte lass es nicht wieder ein Kind sein!“

Ich bin starr vor Schreck und zittere am ganzen Körper. Es gab wieder einen Unfall in der Baumwollspinnerei. Innerlich schreie ich: Nicht Tommy! Bitte, Herr!

Das Entsetzen, das ich empfinde, spiegelt sich auf Mamas Gesicht wider. „Geh, Janessa.“ Sie scheucht mich weg. „Finde heraus, wer es ist.“

Als ich zur Tür hinauseile, hat meine Mutter bereits angefangen, die Kartoffeln aufzusammeln. Dabei flüstert sie ein Gebet. Die Spinnerei liegt weniger als 150 Meter vom Hoteleingang entfernt. So schnell meine Beine mich tragen, renne ich die Straße entlang. Dann reiße ich die Tür zur Fabrik auf und folge den Schreien, die durch das Treppenhaus gellen. Hastig steige ich die Stufen hinauf. Normalerweise übertönt der Maschinenlärm jedes andere Geräusch, aber wenn die Messingglocke während der Arbeitszeit läutet, werden die meisten Maschinen angehalten.

Als ich den ersten Stock erreiche, bleibe ich abrupt vor der Spinnstube stehen, stütze die Hände auf die Knie und versuche, wieder zu Atem zu kommen. Will ich wirklich sehen, was auf der anderen Seite dieser Tür ist?

„Aus dem Weg!“

Schnell springe ich zur Seite, um zwei Sanitäter mit einer Trage vorbeizulassen. Dann schlüpfe ich hinter ihnen durch die Tür und lehne mich mit dem Rücken an die Wand. In der Luft schweben unzählige feine Baumwollfasern, die es fast unmöglich machen, tief durchzuatmen. Wie kann man in dieser staubigen Luft nur arbeiten?

Die Menschenmenge, die sich um eine der Maschinen gesammelt hat, teilt sich für die Sanitäter. Ein kleines Mädchen liegt in einer Blutlache am Boden. O nein, Herr! Es ist Ruthie Ralston. Sie ist gerade mal 6 Jahre alt. Ein Gürtel ist um ihren Oberarm gebunden.

Der Unterarm ist nicht mehr da.

Ich drehe mich um und renne die Treppe hinab. Nachdem ich die Eingangstür aufgestoßen habe, sauge ich begierig die frische Luft ein. Irgendwie gelingt es mir, mein Frühstück bei mir zu behalten. Mit der geballten Faust wische ich mir die Tränen vom Gesicht und mache mich benommen auf den Heimweg. Es gibt nichts, was ich noch tun könnte.

In diesem Moment kommt mein Vater mit fliegenden Rockzipfeln angerannt – anscheinend ist er auch auf dem Weg zur Spinnerei. Als er mich entdeckt, bleibt er jedoch kurz stehen und umarmt mich. Dann eilt er weiter. Jemand muss ihn gerufen haben, weil er der Pastor der Ralstons ist. Die arme Mrs Ralston hat wahrscheinlich gesehen, wie der Unfall passiert ist. Ruthie arbeitet schließlich immer direkt an ihrer Seite.

Meine nächsten Schritte gehe ich rückwärts, um zur Spinnerei zurückzublicken. Das zweistöckige Gebäude nimmt einen ganzen Häuserblock ein und hat die Farbe von verwittertem Beton. Wie ist es möglich, dass ein Ort Hoffnung spendet und sie zur gleichen Zeit zunichtemacht?

Ich drehe mich wieder um und richte den Blick auf mein Zuhause – das Sweetgum Hotel. Seine weiße Veranda scheint mir einladend zuzuwinken. Das rote Backsteinhaus hat drei Etagen – vier, wenn man den Dachboden mitzählt. Meine Schwestern und ich haben als Kinder viele Stunden dort oben verbracht und mit Puppen gespielt. Arme Ruthie. Wird sie je wieder mit Puppen spielen?

Als ich das Hotel erreiche, wartet meine Mutter schon an der Tür auf mich. Ich schüttele nur den Kopf und laufe in ihre Arme. Sie drückt mich fest an sich und streichelt mir den Rücken. Das Kreisen ihrer Hände beruhigt mich.

„Wer und wie schlimm ist es?“

„Ruthie Ralston hat ihren Arm verloren.“

Mama zieht scharf die Luft ein und nickt. Dann legt sie die Hände auf meine Schultern und sieht mich eindringlich an. „Geht es dir gut?“

Tut es das? Nachdenklich zwirbele ich eine Strähne meines Haars, das so goldbraun ist wie das meiner Mutter. Alle sagen, dass ich ihr Ebenbild bin. „Ja, Mama. Es hat mich erst ziemlich mitgenommen. Andererseits habe ich schon so viele –“

„Lass nicht zu, dass du abstumpfst, Janessa. Nicht, wenn du auch weiterhin anderen helfen willst. Bewahre dir dein weiches, großzügiges Herz.“ Sie zieht ihre Schürze aus und reicht sie mir. „Geh zu Sarah und frag sie, wie du behilflich sein kannst. Ich werde mich mit deinem Vater um Mrs Ralston kümmern.“ Meine Mutter setzt ihren Hut auf und eilt dann in Richtung Spinnerei davon.

In der Küche steht immer noch die Schüssel mit den Kartoffeln, die gepellt werden müssen. Ich nehme ein Messer und mache mich an die Arbeit. Die Arbeiter der Spinnerei, die hier im Hotel wohnen, erwarten pünktlich um 12:00 Uhr ihr Mittagessen. Was auch passiert, das Leben in Sweetgum geht weiter.

Früher haben wir jedem Arbeiter, der bei uns wohnt, einen eigenen Korb gebracht. Aber da die Zahl der Mieter deutlich zugenommen hat und auch ein paar Kurzzeitgäste da sind, haben wir nicht mehr genug Angestellte, um die Körbe zu tragen. Jetzt packen wir jedes Essen in Servietten und legen diese in die Körbe. So kann jede von uns ein halbes Dutzend Mittagessen in einem einzigen Korb transportieren.

Da Sarah mich im Auge behält, lächele ich – oder versuche es zumindest. Solange ich denken kann, arbeitet die verwitwete Irin schon als Köchin für uns. Und sie ist mir immer eine weise Vertraute gewesen. Sie lebt mit uns in unserer Privatwohnung im Hotel und kennt uns alle durch und durch.

„Ich glaube, dein Daddy wird diese Woche nach Rome reisen, um mit den Abgeordneten zu sprechen, oder?“

Mein Messer bohrt sich in eine Kartoffel, um ein Auge zu entfernen, und ich schüttele verzweifelt den Kopf. „Wie viele Kinder wurden dieses Jahr schon verstümmelt oder getötet? Dabei haben wir erst Mai. Ruthie müsste sich jetzt eigentlich auf die Schulferien freuen, die Ende des Monats beginnen. Stattdessen steht ihr ein Leben mit nur einem Arm bevor – falls sie überlebt.“

Da ich noch ein paar wertvolle freie Minuten habe, bevor wir die Essenspakete zur Spinnerei bringen, gehe ich nach draußen, um die Zeitung von der Veranda zu holen. Als ich mich umdrehe, fällt mein Blick auf den Namensvetter unserer Stadt: der Sweetgum Tree – auch Amerikanischer Amberbaum genannt. Ein Blick auf diesen prachtvollen Baum reicht und mir geht es sofort besser. Tommy und ich haben uns unter diesem 150 Jahre alten Baum verliebt. Er steht genau in der Mitte des Stadtrondells.

Ja, ich weiß. Die meisten Städte haben einen Stadtplatz. In New Orleans gibt es den Jackson Square. In Savannah den Johnson Square – und einige andere Plätze. Aber nicht hier. In Sweetgum, Georgia, haben wir ein Stadtrondell. Tommy und ich treffen uns fast jeden Abend dort. Wir sprechen über unsere Zukunft und kuscheln ein bisschen, wenn niemand in der Nähe ist.

„Schnapp ihn dir!“, kreischt plötzlich Annie, unsere angehende Schauspielerin, von drinnen. Wir wissen nie, ob ihre Dramen echt oder nur gespielt sind.

„Ich komme nicht dran. Er ist unters Bett gekrochen“, höre ich jetzt die Stimme meiner großen Schwester Lillian durchs Fenster. Von wem sprechen sie bloß?

Ich seufze und eile ins Haus. Als ich die Fliegengittertür hinter mir zuknalle, ist das Chaos komplett. Yep. Das Leben geht weiter.

„Da läuft er!“ Annie stürmt quer durch die Hotellobby und rennt mich dabei fast um. Mit ihren 17 Jahren ist sie die sportlichste von uns dreien. Ihr welliges dunkles Haar reicht ihr bis zum Kinn und rahmt ihr elfenhaftes Gesicht ein.

Lillian folgt ihr auf den Fersen. Einige Strähnen ihres langen Haars haben sich aus ihrer Haartolle gelöst. Meine große Schwester ist doch sonst immer so gefasst. Was ist bloß der Grund für diese Aufregung? Über ihre Schulter ruft Lillian mir zu: „Wir müssen ihn aufhalten, bevor er irgendwen erschreckt!“

Mein Herz hämmert gegen meinen Brustkorb. Könnte er ein Landstreicher sein? In letzter Zeit treiben sich viele Vagabunden unten am Fluss herum. Es ist gut möglich, dass sich einer von ihnen auf der Suche nach Essen ins Haus geschlichen hat. Ich werfe die Zeitung auf die Empfangstheke und eile dann in den Speisesaal.

Lillian späht gerade unter einen Tisch, auf dem noch die Überreste des Frühstücks liegen, während Annie die...

Erscheint lt. Verlag 22.3.2024
Übersetzer Tabitha Krägeloh
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7655-7842-8 / 3765578428
ISBN-13 978-3-7655-7842-7 / 9783765578427
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