Miss Wilson und die Schule im Mondschein -  Suzanne Woods Fisher

Miss Wilson und die Schule im Mondschein (eBook)

Roman nach einer wahren Begebenheit
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Brunnen Verlag Gießen
978-3-7655-7840-3 (ISBN)
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Ein gut recherchierter und romantischer historischer Liebesroman von Suzanne Woods Fisher. Inspiriert von der wahren Geschichte der Cora Wilson Stewart, die Anfang des 20. Jahrhunderts mit ihrer 'Moonlight School' den analphabetischen Bergbewohnern von Kentucky eine Möglichkeit gab, lesen und schreiben zu lernen. Als die 19-jährige Lucy Wilson auf der Flucht vor einer persönlichen Tragödie 1911 nach Kentucky reist, um ihre Cousine Cora zu unterstützen, lernt sie die Bewohner des Appalachen-Gebirges kennen. Lucy ist entsetzt über die primitiven Bedingungen und die nicht vorhandene Bildung der Bergbewohner. Schulleiterin Cora Wilson Stewart glaubt, dass der beste Weg zur Bekämpfung der Armut die Beseitigung des Analphabetismus ist. Als Cora Lucy und einen guten Freund um Unterstützung bittet, die Schulhäuser in Mondscheinnächten für Erwachsene zu öffnen, tritt Lucy aus ihrem Schattendasein heraus. Sie findet dabei nicht nur eine Aufgabe, sondern auch etwas anderes, womit sie nicht gerechnet hat: Liebe. Aber werden die Bergbewohner das ungewöhnliche Angebot auch annehmen?

Suzanne Woods Fisher ist Ehefrau, Mutter und Großmutter, liebt Bücher, Tennis, Kochen und ihren Garten. In ihren Romanen behandelt sie verschiedenste Themen und Zeiträume; mit jeder Geschichte möchte sie ihre Leser ermutigen, Hoffnung, Wahrheit und Liebe zu verbreiten.

Eins


März 1911

Lexington, Kentucky

Mit einem Ruck setzte sich der Zug in Bewegung und ratterte aus dem Bahnhof. Lucy Wilson schaute aus dem Fenster und sah ihre saubere, aufgeräumte Welt in der Ferne verblassen; ließ ihr geordnetes, wenn auch ein wenig spießiges, vorhersehbares Leben hinter sich.

Sie legte eine Hand aufs Herz und wartete, dass der Aufruhr sich legte. Nur sechs Monate, sagte sie sich. Nur ein halbes Jahr sollte sie für die Lieblingscousine ihres Vaters, Cora Wilson Stewart, arbeiten, dann ging es zurück nach Hause.

Aber zurück wohin?

Zu Hazel, der neuen Frau ihres Vaters? Jung, temperamentvoll, kaum älter als Lucy selbst. Hazel wollte ein Zuhause schaffen, das sich nicht krampfhaft an die Vergangenheit klammerte.

Zurück zu Lucys ehrenamtlicher Arbeit unter den Hausfrauen Lexingtons, von denen die meisten doppelt, wenn nicht gar dreimal so alt waren wie sie?

Zurück nach Hause zu Vater? Ihre Gegenwart rief doch nur seinen Kummer wach.

Lucy kniff die Augen zusammen. Cora brauche Hilfe in Stenografie, hatte Vater gesagt und Lucys Einwände gegen einen Umzug nach Morehead vom Tisch gewischt. Seine Cousine war Schulinspektorin für Rowan County, einer verarmten Gegend mit – wie hatte Vater es ausgedrückt? – schwarzgebranntem Schnaps und Hackbrettspielern. Da er dort aufgewachsen war, sollte er es wissen. Aber was genau machte die Stenografin einer Schulinspektorin? Lucy hatte keine Ahnung. Aus ihrer Zeit am Townsend Mädchenpensionat verfügte sie über viele Fertigkeiten: von Stickerei bis hin zur Konjugation lateinischer Verben. Also hatte sie die Herkunft des Worts Stenografie analysiert: Es stammte aus dem siebzehnten Jahrhundert und hatte griechische Wurzeln. Stenos bedeutete „eng“, graph bedeutete „schreiben“. Es ging offenbar ums Schreiben nach Diktat. Das traute sie sich zu.

Draußen veränderte sich allmählich die Landschaft. Der Zug hielt seltener, die Gleise schlängelten sich zwischen sanften grünen, teils bewaldeten Hügeln hindurch. Nur noch vereinzelt entdeckte Lucy ein paar Häuser, in deren Vorgärten hier und da Wäsche auf der Leine flatterte.

„Betrachte es als ein Abenteuer“, hatte Hazel ihr geraten, „als eine Zeit, in der du die Flügel ausbreiten und Selbstvertrauen gewinnen kannst. Es sind ja auch nur sechs Monate.“

Hazels Begeisterung war ansteckend gewesen. Lucy war am Vorabend spät zu Bett gegangen und hatte sich geschworen, tapfer zu sein. Stark und mutig.

Aber schon an diesem Morgen am Bahnhof war ihre kühne Entschlossenheit ins Wanken geraten und hatte sich bei den letzten Worten ihres Vaters, als der Zug einfuhr, ganz aufgelöst: „Enttäusche mich nicht!“ Hatte sie ihn schon jemals nicht enttäuscht?

Dann aber war der Ausdruck seiner Augen sanfter geworden und ihm waren die Tränen gekommen. Bis zu diesem Moment war Lucy sich nicht sicher gewesen, ob er sie jemals wirklich lieb gehabt hatte.

Doch mit dieser Gewissheit konnte sie das hier nun wagen. Was immer das hier – die Arbeit für Cora – sein mochte. Immerhin war es nur für sechs Monate.

Lucy wandte sich vom Fenster ab und sah nach vorne, bereit für das, was vor ihr lag.

Morehead, Kentucky

Lucys Hand schwang schon in der Luft, um an die Bürotür ihrer Cousine zu klopfen, da hielt sie noch einmal inne und betrachtete das Namensschild: Cora Wilson Stewart, Schulinspektorin für Rowan County.

Sie hatte die Lieblingscousine ihres Vaters in den letzten Jahren kaum gesehen, seit diese – mit überwältigender Mehrheit – zur ersten weiblichen Schulinspektorin Ost-Kentuckys gewählt worden war. Lucy hätte – im Gegensatz zu Vater – auch für Cora gestimmt, wenn Frauen ein Wahlrecht hätten.

Lucy holte so tief Luft, wie ihr eng geschnürtes Korsett es zuließ. Dieses Gefühl der Freiheit, der Möglichkeiten, hatte sie lange nicht verspürt. Sie war aufgeregt. Nervös. Hatte richtig Herzklopfen.

„Sie ist nicht da.“

Lucy fuhr herum und sah auf der anderen Seite des Gangs einen Mann auf einem Stuhl sitzen, die Beine übereinandergeschlagen und in ein offenes, in Leder gebundenes Buch vertieft, das auf seinen Knien lag. Die eine Sohle seiner abgetragenen Schuhe hatte ein Loch, seine Kleider waren schäbig. Lucy war so darauf fixiert gewesen, Coras Bürotür zu finden, dass sie ihn vorher nur am Rande wahrgenommen hatte. „Warten Sie hier auf Mrs Stewart?“

„Auf Miss Cora? Allerdings.“

„Wie lange warten Sie denn schon?“

Er sah aus dem Fenster am Ende des Flurs: „Vielleicht ’ne Stunde.“ Er legte sein Buch – eine Bibel – auf den leeren Stuhl neben sich, erhob sich, zog seinen Hut und faltete ihn vor der Brust. „Ich brauch nicht lang, wenn Miss Cora dann wieder da ist.“ Er streckte ihr seine Hand entgegen. „Die Leute hier nennen mich Bruder Wyatt.“

Lucy erwiderte seinen festen Händedruck. Sie blinzelte und betrachtete den Mann: Er war jünger, als sie zunächst angenommen hatte; sein fast schwarzes, welliges Haar wirkte ungekämmt und hätte einen Haarschnitt vertragen können, das Gesicht war markant, mit scharfen, kantigen Wangenknochen. Um die grauen, nach unten gerichteten Augen zogen sich die ersten Fältchen. Anders als die jungen Männer in Lexington trug er keinen gestutzten Schnurrbart und auch keinen Backenbart. „Sind Sie Wanderprediger?“ Vater hatte für diese Männer, die er spöttisch „Satteltaschenprediger“ nannte, wenig übrig. Immer auf der Suche nach Almosen und einer kostenlosen Mahlzeit, meinte er.

„Nicht bewusst, auch wenn Gott mich schon manchmal beauftragt hat, sein Wort zu predigen. Aber eigentlich bin ich von Beruf Singschulmeister.“

Lucy hatte so etwas noch nie gehört und fragte sich, ob er es sich vielleicht ausgedacht hatte.

„Ich hab Ihren Namen nicht verstanden.“ Er schenkte ihr ein Lächeln – sein erstes. Sie fand es ungewöhnlich einnehmend.

„Meinen Namen? Lucy. Lucy Wilson.“

„Und was führt Sie heute zu Miss Cora?“

Schnelle Antworten hatte Lucy noch nie gemocht. Sie dachte einen Moment nach und gab eine eindeutige Antwort, die hoffentlich keine weiteren Fragen nach sich ziehen würde. „Ich komme wegen einer Anstellung bei Mrs Stewart. Sie braucht dringend Unterstützung.“

Bruder Wyatts Lächeln verblasste, aber er fand es schnell wieder. „Nun“, sagte er, offenbar bestrebt, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen, doch seine Skepsis war kaum zu übersehen. „Nun“ – er räusperte sich und setzte erneut an –, „das wird bestimmt … ein ziemliches Abenteuer für Sie.“

„Was meinen Sie damit?“

Er musterte sie von Kopf bis Fuß. „Miss Cora ist nicht dafür bekannt, ihre Lehrkräfte zu verhätscheln.“

Verhätscheln? „Ich bin nicht zum Unterrichten hier, sondern um Mrs Stewart zu unterstützen“, entgegnete sie mutiger, als sie sich fühlte. „Vorübergehend. Nur sechs Monate.“ Gerade einmal sechs Monate.

„Zwei meiner Lieblingsmenschen!“, schallte es nun plötzlich über den Flur. „Lucy! Mein liebes Mädchen!“ Mit ausgestreckten Armen schritt Cora auf sie zu und drückte sie mütterlich an sich.

Cora Wilson Stewart war eine stattliche Frau, gut gepolstert an den richtigen Stellen, und ihre Gegenwart füllte den schmalen Gang, so wie sie generell jeden Raum füllte. Lucy ließ sich in Coras Arme sinken.

Cora trat einen Schritt zurück, hielt aber immer noch Lucys Unterarme. „Wie war deine Reise? Es tut mir so leid, dass ich dich nicht vom Zug abholen konnte. Ich hab’s wirklich versucht, aber dann kam was dazwischen, wie so oft. Hast du die Pension gefunden? Ich hoffe, Miss Maude hat dich herzlich willkommen geheißen. Meine Güte, du musst ja ausgehungert sein. Erschöpft! Und wie geht es deinem viktorianischen Vater? Hat seine neue Frau den Palast schon umgestaltet?“

Die Sätze sprudelten gleichsam aus ihr heraus, sodass Lucy gar nicht zu Wort kam. „Schau dich doch an. Richtig erwachsen bist du geworden! Nach den Wilsons kommst du aber nicht, oder?“ Sie hielt inne, um Lucy antworten zu lassen.

„Vermutlich nicht“, entgegnete sie nach kurzem Überlegen, was Cora wohl damit gemeint haben könnte. Die Wilsons waren beherzt und hatten ein einnehmendes Wesen, charakterlich und äußerlich. Cora war Mitte dreißig, doch ihr kantiges Gesicht und der durchdringende Blick ihrer grauen Augen ließen sie älter aussehen, obwohl ihr Haar noch keine Spur von Grau zeigte. Auf eine Weise, die Lucy noch nie verstanden hatte, wirkte Cora zeitlos.

Cora ließ Lucy los und sagte: „Kommt rein. Kommt in mein Büro, dann...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2024
Übersetzer Heide Müller
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7655-7840-1 / 3765578401
ISBN-13 978-3-7655-7840-3 / 9783765578403
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