Anton S. -  Astrid Hüge

Anton S. (eBook)

Rache findet ihren Weg

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
138 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-4788-7 (ISBN)
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Der 15-jährige, vaterlose Anton, muss mit ansehen, wie seine Mutter von einem korrupten Polizisten sexuell genötigt wird. Er läuft von zuhause weg und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durchs Leben. Doch die traumatischen Erinnerungen verfolgen ihn bis in seine Träume. Er fasst den Entschluss, fortan alle Männer zu schädigen, um somit Frauen vor ähnlichen Übergriffen zu schützen. Als Anton dem damaligen Polizisten Kommissar Hansen begegnet, gerät dieser in Lebensgefahr. Aber ein eifriger Journalist und Hauptkommissar Kai Wellerit sind ihm dicht auf den Fersen.

A.Hüge, verheiratet seit 1997, lebt und arbeitet in Hamburg, Deutschland. In ihrer Freizeit schreibt sie u. a. Kurzgeschichten, musiziert und liest.

FORENSISCHE PSYCHIATRIE
STATION I, ZELLE 4

KAPITEL 1


»Es gab eine Zeit, da schämte ich mich für das, was ich war. Alles, was ich plante, dachte und tat, war falsch.

Dabei waren es nur die anderen, die mir dieses Gefühl vermittelten. Heute weiß ich, dass es nicht an mir lag. Ihre Erwartungshaltung entsprach nicht dem, was ich war oder jemals sein würde. Es dauerte Jahre, bis ich das endlich begriff – meine Kindheit und meine Jugend waren angefüllt mit Selbstzweifeln, die andere verursacht hatten.«

Etwas unbeholfen machte Anton Schuch sich daran, die Ärmel seiner viel zu großen Jacke umzukrempeln.

»Hier musst du das nehmen, was du kriegen kannst.«

Die Sonne stand genau auf Höhe des einzigen Fensters, das es in diesem spärlich ausgestatteten Raum gab. Laut Wetterbericht sollte es heute sehr heiß werden.

Der Reporter, der Anton gegenüber auf einem einfachen Holzstuhl saß, rutschte nervös darauf herum. Wenn es nach ihm ginge, hätte er das Interview längst abgebrochen. Aber die Aussicht auf eine Exklusivstory, die viel Geld versprach, ließ ihn geduldig ausharren. Sein Blick wanderte auf seinen Schreibblock. Die Unterlippe stand etwas vor, so als schmollte er. Bei dem, was er las, war das nicht verwunderlich, denn die bisherigen Notizen reichten nicht einmal für die letzte Seite der Abendzeitung. Wenn er nicht bald etwas Aufregendes zu hören bekam, war es das mit der schnell verdienten Kohle. Scheinbar hatte der Kollege, der ihm diesen Job verschafft hatte, bereits geahnt, was bei dem Interview herauskommen würde und es geschickt mit der Aussicht auf einen Bombenerfolg auf ihn abgewälzt. Ihm blieb nur eine halbe Stunde. Gerade mal 30 Minuten, um einen Platz auf der Titelseite zu erhaschen. Auf eine längere Besuchszeit hatte die Dame am Empfang der forensischen Psychiatrie sich nicht eingelassen. Sie hatte ja keine Vorstellung davon, was für ein Aufwand dahinterstand, nicht bloß einen guten, sondern einen sehr guten Artikel zu verfassen.

Die Pritsche, auf der Anton saß, knarrte heftig, als er sich einmal kurz reckte, bevor er weitersprach.

Seine Ärmel waren nun beide exakt bis zum Ellenbogen hochgeschoben.

»Irgendwann passierte es. Mir wurde klar, dass das Schicksal mir eine ganz bestimmte Aufgabe zugedacht hatte. Ich bereitete mich darauf vor.

Zum ersten Mal war ich mir sicher, das Richtige zu tun. Wenn ich Ihnen heute meine Geschichte erzähle, erwarte ich nicht, dass sie Ihnen gefällt. Ich möchte nur, dass Sie verstehen. Verstehen warum ich hier raus muss. Denn ich habe meine Mission noch nicht beenden können.«

MISSION notierte sich der Reporter. Er strich das bisher Geschriebene durch und wartete gespannt darauf, was er von dem Inhaftierten zu hören bekommen sollte. Etwa doch noch eine Superstory? Es blieben ihm genau 14 Minuten, das herauszufinden.

Antons bisher ruhige Stimmlage hatte sich verändert. Die ungewohnt harte Betonung jedes einzelnen Satzes, der nun folgte, bereitete dem Reporter Unbehagen. Seine linke Hand fegte ein paar imaginäre Krümel von der gegenüberliegenden Schulter. Dann konzentrierte er sich erneut auf den Inhaftierten und notierte sich einige Stichworte.

»Genaugenommen ist es schon siebenundzwanzig Jahre her, wenn man die fast vier Jahre berücksichtigt, die man mich hier gegen meinen Willen festhält.

Ich war zwölf, als es anfing. An meinen Vater kann ich mich nur als einen ewig betrunkenen, wütenden Mann erinnern. Er schlug Mutter, so oft er konnte. Sie hatte es nie leicht.

Als er eines Tages nicht mehr nachhause kam, habe ich nicht nach dem Warum gefragt. Ich vermisste ihn nicht.

Mutter versuchte, so gut es ging mit dem Geld, was sie beim Putzen in einer Kneipe verdiente, für uns beide zu sorgen. Bis eines Tages dieser merkwürdige Polizist an unserer Wohnungstür klingelte. Er gefiel mir von Anfang an nicht. Vermutlich lag es an der Art, wie er meiner Mutter auf den Hintern glotzte. Doch sie sagte, dass wir ihm viel zu verdanken hätten. Sie sprachen sehr lange miteinander. Dann packten wir gemeinsam unsere Sachen zusammen, luden alles in das verraucht stinkende Polizeifahrzeug und zogen noch am selben Tag in ein kleines Haus etwas abseits der Hauptstraße ein.

Ein eigenes Auto besaßen wir damals nicht. Aber die Stadt war von dort zu Fuß in einer halben Stunde erreichbar, sodass Mutter problemlos zu ihrem Arbeitsplatz und ich zur Schule kam.«

Mit einem Räuspern meldete sich der Reporter zu Wort. Ihm blieben nur noch 7 Minuten, um etwas Aufregendes aus diesem Interview mitzunehmen.

»Herr Schuch, Sie wollten doch von dieser Mission erzählen. Haben Sie dafür auch Hilfe von dem Polizisten bekommen?«

Anton, der, während er sprach, unentwegt auf seinen Schoß gestarrt hatte, zuckte merklich zusammen. Dann fuhr er den Mann von der Zeitung dermaßen an, dass dieser vor Schreck den Stift fallen ließ.

»Das ist meine Geschichte. Sie werden früh genug alles erfahren, was Sie wissen sollten. Also schreiben Sie!«

Fassungslos starrte der Reporter den Mann auf der Pritsche an. Dessen eiskalter Blick zwang ihn, jegliche Widerworte herunterzuschlucken. Auf so einen drastischen Stimmungsumschwung war er nicht vorbereitet. Nervös hob er seinen Stift vom Boden auf, rückte den Block zurecht, bereit weiterzuschreiben.

Anton war wieder in sich zusammengesunken und starrte auf seine Hände, die ruhig, eine auf die andere gelegt, auf dem Schoß lagen.

»In den ersten paar Monaten besuchte uns der Polizist einmal pro Woche. Jedes Mal, wenn er sich ankündigte, war Mutter nervös und räumte das ganze Haus auf. Wann immer ich ihn zu Gesicht bekam, hatte er eine Zigarette zwischen den Lippen. Das widerte mich an. Einmal kam er erst am späten Abend zu uns. Mutter schickte mich in mein Zimmer. Am nächsten Tag erfuhr ich, dass er bis zum frühen Morgen geblieben war. Von da an besuchte er uns mehrfach in der Woche.«

Nur für einen Moment veränderte sich Antons Stimme. Sie klang warm und war von Sehnsucht erfüllt.

Außer am Sonntag. Da haben Mutter und ich gemeinsam Kekse gebacken. Wenn ich daran denke, kann ich den herrlichen Duft förmlich riechen …

Als der Reporter von seinem Block aufblickte, trafen seine Augen direkt auf die Antons, der den Kontakt eine Weile hielt. Dann starrte der Inhaftierte erneut auf seine nach wie vor im Schoß liegenden, gefalteten Hände. Seine Stimme klang nun wieder hart und unerbittlich.

Er blieb meistens bis spät in die Nacht. Ich wurde zu gegebener Zeit ins Bett geschickt.

Meine Mutter habe ich seither nie wieder lächeln gesehen. Irgendetwas in ihr war zerbrochen, hatte sie stumpf und traurig werden lassen.

Mir war klar, dass dieser widerliche Kerl daran schuld war. Ich musste unbedingt herausfinden, was er ihr antat, wenn ich schlief.

»Und…, haben Sie etwas untern …«

Anton ignorierte den Reporter und fuhr unbeirrt mit seiner Schilderung fort.

Mein Zimmer grenzte direkt an das meiner Mutter. Unter dem Vorwand, ein Bild aufzuhängen, besorgte ich mir einen Hammer und ein paar Nägel. Mit dem Hammer bearbeitete ich eine Stelle an der dünnen Leichtbauwand. So lange, bis ein Stückchen herausbrach. Dadurch entstand ein Loch, etwa so groß wie eine Kirsche.

Mutter bevorzugte kitschige Blumentapeten. Darin war die kleine Öffnung von ihrer Seite des Zimmers kaum zu erkennen. So war es mir möglich, unseren unerwünschten Besucher unter strenge Beobachtung zu stellen, ohne dass er etwas davon mitbekam.

Das linke Bein des Reporters wippte unaufhörlich. Auf und nieder. Die ausführlichen Details des Inhaftierten interessierten niemanden. Er hatte kaum etwas Brauchbares notiert und ihm lief die Zeit davon.

Anton rührte sich nicht, obwohl er das nervöse Wippen seines Besuchers im Augenwinkel registriert hatte.

Ich wusste nicht, was mich erwartete. Wie gesagt, ich war ein Teenager, der die Welt der Erwachsenen nicht annähernd kannte. Die ersten Ergebnisse meines heimlichen Spionageeinsatzes schockierten mich. Ich erinnere mich genau. Es war ein Sonntag. Der Duft der frischgebackenen Kekse vom Vormittag hatte sich in meinem Zimmer gefangen und war bis zum Abend dortgeblieben.

Die Digitalanzeige meines Weckers zeigte in flackerndem Rot, dass es kurz vor Mitternacht war, als es an der Tür klingelte. Bevor sie ihm öffnete, warf Mutter einen Blick in mein Zimmer. Ich lag im Bett und stellte mich schlafend, bis sie sich von mir abwandte.

Vorsichtig stand ich auf und lauschte an der Tür, hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte, bevor sich die Haustür mit einem leisen Klacken öffnete.

»Immer darauf achten, dass du den Schlüssel zweimal drehst«, mahnte die Stimme meiner Mutter, die wie ein Echo in meinem Kopf widerhallte. Sie war immer sehr um mich besorgt.

Ich verstand nicht, warum sie trotzdem Abend für Abend den unsympathischen Polizisten in unser Haus...

Erscheint lt. Verlag 4.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7583-4788-2 / 3758347882
ISBN-13 978-3-7583-4788-7 / 9783758347887
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