Jerry Cotton Sonder-Edition 230 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6266-3 (ISBN)
Zwei Cops stoppten den schwarzen Bentley. Der Fahrer hatte das Geschwindigkeitslimit weit überschritten. Was die Cops nicht wissen konnten, der Schnellfahrer war Gene Forster, ein gefährlicher Killer. Als er seine Papiere zeigen sollte, zog er die Schusswaffe und erschoss beide Beamte. Ich sah sie noch sterben. Da schwor ich mir, Gene Forster zu jagen - bis zum Jüngsten Tag!
1
Patrolman Jim Ellis zog die Schirmmütze tiefer in die Stirn und schlug den Kragen des Mantels nach oben. Regen peitschte ihm ins Gesicht, versetzt mit kleinen Eiskristallen, die einen ekelhaften Schmerz verursachten. Er trat in den Lichtkegel der Scheinwerfer des schwarzen Bentley, den er gestoppt hatte.
Es war nicht Ellis' Tag heute. Die kleine Kathy, seine Tochter, war mit einer Bauchhöhleninfektion gerade noch im letzten Moment ins Krankenhaus gebracht worden. Von Lydia, seiner Frau, die ihn vor zwei Monaten Knall auf Fall verlassen hatte, hatte er noch immer nichts gehört. Und vor einer Stunde, als er seinen Dienst begonnen hatte, war ihm von seinem Captain eröffnet worden, dass eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn anhängig war.
Angeblich hatte er den Fahrer eines von ihm gestoppten Wagens nicht ganz so höflich behandelt, wie es die Dienstvorschriften vorschrieben. Irgendein hohes Tier aus der Wirtschaft. Ellis konnte sich nicht mehr an den Vorfall erinnern, aber die Beschwerde klebte ihm auf der Backe. Sie war ein weiterer schwarzer Fleck in seiner Dienstakte, in der es, laut Aussage seines Captains, kaum noch weiße Flecken gab.
Und jetzt der Regen, der mit Eis versetzt war, der ihm ins Gesicht trommelte, während der Kerl im Bentley, der die Geschwindigkeitsbegrenzung um mindestens zwanzig Meilen übertreten hatte, im Trockenen saß und ihm gelangweilt entgegenschaute.
»Wir haben ihn aus den Augen verloren, Jerry!«
Ich fing die Meldung meines Kollegen Zeerookah über Funk auf, während ich den Jaguar im Greenwich Village vor einem alten Apartmenthaus abgestellt hatte und auf Gene Forster wartete.
»Was heißt das, Zeery?«
Joe Brandenburg, der als zweiter Mann in Zeerookahs Wagen mitfuhr, stieß einen Fluch aus. »Er war im Beverly Hotel, in der 48th Street. Mit wem er sich traf, konnten wir nicht herausfinden. Er blieb vielleicht eine halbe Stunde. Dann fuhr er nach Brooklyn, Jerry. Einfach so, eine Stadtrundfahrt. Wahrscheinlich wollte er testen, ob sich jemand an ihn gehängt hatte. Forster fuhr ins Theaterviertel und verschwand bei Jean, einer kleinen Künstlerbar, die sich als Homosexuellentreff einen Namen gemacht hat. Ich war drin. Forster telefonierte in einer Kabine, trank einen Whisky und verließ die Bar wieder.«
»Wie sah er nach dem Telefongespräch aus?«
»Nachdenklich, Jerry«, antwortete Joe Brandenburg, der Captain der City Police gewesen war, bevor er zum FBI gekommen war. »Vielleicht sogar betroffen.«
»Also schlechte Nachrichten für Forster?«
»Das ist richtig. So sah es aus.«
»Weiter?«
»Er fuhr los. Der verdammte Regen setzte ein, und er fährt einen schnellen Bentley, Jerry. Unsere Karre hat sich in einer Kurve gedreht. Als wir sie wieder auf der Straße hatten, war er verschwunden. Das ist gerade fünf Minuten her. Sollen wir eine Suchmeldung an die City Police rausgeben?«
War es richtig, die Pferde scheu zu machen? Wir hatten nur einen Beschattungsauftrag. Der kam allerdings direkt aus Washington. Daran konnte man sehen, wie wichtig Gene Forster war. Doch es lag nichts gegen ihn vor, was eine Großrazzia gerechtfertigt hätte.
»Keine Meldung an die City Police«, sagte ich. »Fahrt nach Hause, und macht Feierabend. Ich warte hier. Vielleicht kommt er zurück.«
»Okay, Jerry.«
Die Verbindung mit den Kollegen riss ab. Ich lehnte mich in das Polster des Jaguar zurück. Der Regen wurde dichter. Immer mehr Eiskristalle mischten sich unter das Wasser, das regelrecht vom Himmel stürzte. Es war ein Abend, den man am besten mit einer schönen Frau vor einem offenen Kaminfeuer auf dem Bärenfell verbringt. Ich warf einen schnellen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Der Zeiger des zeitgenauen Quarzchronometers sprang auf 9:01.
Zwischen dem Patrol Car und dem Bentley blieb Jim Ellis für eine Sekunde stehen. Sein Kollege Hank Miller, der den Streifenwagen lenkte, hatte das Seitenfenster heruntergedreht und streckte den Kopf ins Freie. »Ich gebe das Kennzeichen auf jeden Fall schon mal an die Zentrale durch, Ellis.«
Ellis nickte. Der Wind, der immer heftiger wurde, zerrte an seinem Regenmantel und drohte ihm die Schirmmütze vom Kopf zu reißen. Mit beiden Händen griff Jim Ellis danach und hielt die Mütze fest. Seine Augen wurden schmal, als er durch die regenbehangene Windschutzscheibe des Bentley den Mann anstarrte, der einen Smoking mit weißem Seidenschal trug.
Wieder einer der feinen Pinkel, die dir Schwierigkeiten machen können, Ellis, sagte er sich. Also immer schön höflich bleiben. Denk daran, dass die letzten weißen Flecken deiner Dienstakte nicht auch noch schwarz verkleistert werden. Er ist zu schnell gefahren, okay, aber er kann schließlich nichts für diesen verdammten Regen. Er kann nichts dafür, dass du dir gerade diesen Scheißjob ausgesucht hast, Jim Ellis. Als Busfahrer würdest du jetzt wenigstens im Trockenen sitzen. Also, Ellis, schön höflich bleiben!
Er redete es sich auf den letzten zwei Yards ein, die er noch bis zum schwarzen Bentley zurücklegen musste. Und er starrte den Kerl mit dem Smoking und dem weißen Seidenschal feindselig an. Er bemerkte das überhebliche Grinsen des Mannes und wünschte sich, die Beamten aus der Zentrale würden an Miller durchgeben, dass er diesen Kerl nicht mit Samthandschuhen anzufassen brauchte.
Jim Ellis trat einen Schritt nach links und kam damit aus dem grellen Scheinwerferlicht des schwarzen Bentley heraus. Er erreichte die Fahrertür und setzte das Grinsen eines Tigers auf, kurz bevor er seine Beute zerreißt.
Das Fenster wurde heruntergedreht.
»Sir«, sagte Ellis. »Sir, ich glaube ...«
Er sah einen grellen Blitz vor den Augen und verspürte im selben Sekundenbruchteil einen ungeheuer harten Schlag am Kopf. Dann zerplatzte die Welt vor ihm wie ein riesiger Feuerball.
»Schwarzer Bentley ...«
Die Stimme über Funk riss Hank Miller aus dem Albtraum.
»Verdammt, der Kerl hat Ellis über den Haufen geschossen! Ich brauche Hilfe!«
Patrolman Miller hatte nicht die Anlagen zum Helden. Nach Möglichkeit ging er jedem Ärger aus dem Weg. Damit war er immer gut gefahren, wenn man einmal davon absah, dass sein passives Verhalten seiner Karriere nicht gerade förderlich war.
Miller stieß die Tür des Patrol Car auf und ließ sich nach draußen fallen. Den 38er Dienstrevolver hielt er in beiden Händen. Er streckte die Waffe weit nach vorn, als wollte er so einen Gegner abwehren, und spürte, dass seine Hände zitterten.
»Aussteigen!«, brüllte Miller. »Verdammt, aussteigen!«
Er drückte ab.
Warum, wusste er selbst nicht genau. Nervosität und Angst spielten eine Rolle.
Er sah die Windschutzscheibe des schwarzen Bentley splittern und den Fahrer auf seinem Sitz zusammensinken.
Zwei Sekunden blieb Miller einfach im Dreck liegen. Er sprang auf und rannte die wenigen Schritte zum Bentley.
Er konnte erst in den Innenraum spähen, als er das Seitenfenster vor sich hatte.
Dann sah er den Mann im Smoking und dem weißen Seidenschal und starrte mitten in die Mündung einer 45ers.
Miller blieb stehen. Der Atem stockte ihm. Die Nässe des Regens auf seinem Gesicht mischte sich mit klebrigem Schweiß. Seine Augen waren weit aufgerissen. In diesem Sekundenbruchteil wusste Miller genau, dass er seinem Mörder begegnet war.
Der Mann drückte ab.
Das Rotlicht der Ambulanz und der Einsatzfahrzeuge der City Police zuckte gespenstisch durch den verregneten Abend. Die Straße war mit Balkenreitern gesperrt. Sie ließen mich passieren, nachdem sie meinen Dienstausweis gesehen hatten.
Ich stoppte den Jaguar neben einem Patrol Car, schlug den Mantelkragen hoch und stieg aus, als ich Phil Decker entdeckte. Er stand neben dem Ambulanzwagen und unterhielt sich mit dem Arzt, während Sanitäter eine Trage zum Wagen brachten.
Das weiße Laken war nur halb hochgezogen. Ich sah die blut- und dreckverschmierte blaue Uniform des Patrolman und das im Scheinwerferlicht glänzende Abzeichen. Schläuche waren ihm in die Nase geführt und mit einem Sauerstoffgerät verbunden.
Er hielt die Augen geöffnet und drehte den Kopf in meine Richtung, als ich neben der Trage stehen blieb. Er schien keine Schmerzen zu haben. Aber er sah aus, als befände er sich auf der letzten Schwelle vor dem Nichts.
»Sie werden ihn schnappen, Sir?«, fragte er mit brüchiger Stimme, die nur schwer zu verstehen war.
Ich kannte ihn nicht.
Ich trat näher an die Trage heran, schaute ihm in die Augen und nickte.
»Sie werden ihn schnappen?«
»Bestimmt, Officer«, sagte ich und spürte ein Würgen in der Kehle.
»Sie werden ihn jagen bis zum Jüngsten Tag, Sir?«
»Bis zum Jüngsten Tag, Officer«, antwortete ich.
Er wollte noch etwas sagen, das war ihm deutlich anzusehen. Seine Augen weiteten sich, dann brach sein Blick.
Der Doc, der neben Phil gestanden hatte, kam und beugte sich einige Sekunden lang über den Patrolman. Er richtete sich auf und rieb sich die Feuchtigkeit aus dem Gesicht. »Er ist tot.«
Es klang resigniert. Sein...
Erscheint lt. Verlag | 2.3.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
ISBN-10 | 3-7517-6266-3 / 3751762663 |
ISBN-13 | 978-3-7517-6266-3 / 9783751762663 |
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