Gefallene Welt (eBook)
159 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-7182-6 (ISBN)
Christopher Sprung: Debütroman 'Oszillation' (März 2022): Phantastik, Multiversum, Quantenphysik. Novelle 'Die Anklägerin' (Mai 2022): Drama, Phantastik. Gleichnis auf den Missbrauch von Herrschaftsstrukturen. Roman 'Gefallene Welt' (September 2022): Magischer Realismus. Die Tiere vom Land und aus dem Ozean rufen zu einer Versammlung. Darf die Menschheit vernichtet werden, um die Erde zu retten? Roman 'Die Ersten' (September 2024) Die erste Zeit der Menschheit, Magie und Mystik.
Christopher Sprung: Debütroman "Oszillation" (März 2022): Phantastik, Multiversum, Quantenphysik. Novelle "Die Anklägerin" (Mai 2022): Drama, Phantastik. Gleichnis auf den Missbrauch von Herrschaftsstrukturen. Die Protagonistin deckt die Doppelmoral der Herrschenden auf, klagt an und vollstreckt selbst. Roman "Gefallene Welt" (September 2022): Magischer Realismus. Die Tiere vom Land und aus dem Ozean rufen zu einer Versammlung. Darf die Menschheit vernichtet werden, um die Erde zu retten?
Wehklage
Das Schleppnetz schleift den Meeresboden, zieht alles Leben in sich hinein und hebt nach fünfhundert Metern ab, hinauf zum Fischkutter. Wild um sich schlagende Springende Gelbflossen-Thune versuchen sich zu retten, Blauflossen-Thune geben schon auf, apathisch ihre starren Augen. Im Netz verfangen, sterben Seepflanzen, Seesterne, Seepferdchen, Muscheln, Krabben, Millionen winzige Lebewesen. Auf dem Fischkutter arbeiten die Schlächter, Ausweider, Zerteiler, Konservendosen-Rollmaschinen. Kalten Auges wühlen Mensch und Maschine in Mordeslust. Eingeweide zurück ins Meer gekippt.
In der großen Halle trieft Blut von fünfhundert Schweinehälften, aufgereihte Hakentransporte in einer Länge von rund eintausend Metern. Die Schreie ihrer Angst, der Gestank ihrer abgeschlachteten Körper dringen zur zweiten Halle. Exkremente in den Fluss abgeleitet, Gedärme gewaschen für die Menschenbratwürste. Aufmerksame Schweine kreischen in der Warteschlange an den Todesrampen. Sie denken, dann hätte ich mich besser für die Biolabore gemeldet, um meine Organe den Mördern zur Verfügung zu stellen, dort würde ich wenigstens nichts bemerken. Doch ihr Tod: gewiss.
Eine seit Millionen Jahren genetisch vereinte Kohorte von schätzungsweise drei Dutzend Fledermäusen verheddert sich in mächtigen Rotoren – stolz durch die Menschen aufgereiht – zwanzig massive Windräder – schwer verletzt fallen sie auf die Winteräcker, verbluten unbeachtet.
Eine große Fabrik dröhnt vor der Stadt, errichtet von Betonliebenden, Asphaltgläubigen, Motorenreligiösen, Perverszweibeinern. Fetischisten der Moderne, befriedigt ausschließlich dort, wo die Liebe fehlt:
Aus ihr, der Halle der Kükenmörder, streben kleine Seelen. Frisch Geschlüpfte und ältere, gevierteilte Hähne und Hühner schweben in den Himmel, starren von oben auf die Schlachtbank, enteilen so schnell sie können in die Halle der Wiederkehr, um ihr Karma auszutauschen.
Kraniche, Störche, Rauchschwalben, Mauersegler fliegen in großen Schwärmen südwärts, wohl geordnet, harmonisch abgestimmt. Weit in die Höhe sind sie geflüchtet, sie halten sich fern von vielleicht dreitausend Atomraketen, die unten am Boden in Silos warten, den Galgen der Menschheit, auf Befehl der Einen.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Planeten schlafen tausende Tauben in der Morgensonne, in langen Reihen auf den Sicherheitszäunen. Sie befinden sich im Flugstreik, sitzen dort seit Monaten, um die Kriege der Säugetiermenschen zu ächten, rund um die Abschussrampen von fünftausend Atomraketen der Anderen.
Die Einen und Anderen, so wundern sich die Schwärme, sind von der gleichen Art, doch sie zerstören sich.
»Und indem sie uns ausmerzen wollen, sterben sie.«
Ein langes, dickes Aluminiumrohr rast mit einer Geschwindigkeit von eintausend Bodenkilometern pro Menschenstunde in einer Höhe von mehreren Kilometern auf die Schwärme zu. Darinnen sitzen Hunderte Säugetiermenschen, angeschnallte Gefangene, die sich von einem Ort an einen anderen bringen lassen und, obgleich freien Willens sich zur Kurzzeitstrafe im Rohr gemeldet und den vom Rohrbetreiber verlangten Ablass bezahlt, durch kleine Fenster die Freiheit begehren.
Das rasende Rohr hat zwei Flügel an jeder Seite, daran hängen grollende Motoren, die Vögel fressen. Innen dröhnen engste Pferche, in denen die Säugetiermenschen ihrer Notdurft nachgehen, trifft sie der Drang während der kurzen Dauer ihrer Einkerkerung.
Auf alten Pfaden zieht die Schnur der Elefanten. Majestätisch schreiten sie voran, über das Land, das ihnen gehört. Sie flüstern über die ganze Welt, in Wellen auch von den Menschen genutzt, doch mit anderer Frequenz. Auf allen Kontinenten wandern ihre Brüder und Schwestern, Neffen und Nichten, manche größer, manche klein – Familien von Anfang an und immerdar. Und sie tauschen ihre Erfahrungen aus, Neuigkeiten, Interessantes, so jubelt die Elefantheit des gesamten Planeten.
Seit Millionen Jahren sind sie die Weisen, die Alten, von jedem respektiert. Schreiten sie durch ihre Landschaften, fliegen helfende Vögel herbei, wilde Raubtiere weichen. Sogar der Erdboden öffnet seine Fäden und weist ihnen den Weg zu den uralten Quellen, dem Labsal aller Sucher und Dürstenden. Dort an den Poren, wo das Urgestein sich öffnet, die Gewässer herausschwitzt, in ungebrochener Liebe zu den Dickhäutern, Anderen, und Pflanzen und dem Gewürm.
Wüssten sie alle nur, dass der Felsgrund ein Born reicher Erfahrung ist, allen Atomen angeheftet, die aus ihm entspringen und zu ihm zurückkehren.
Wüssten sie nur um die Bedeutung der in den Atomen angefügten Informationen – die Reichweite aller Erinnerungen an das Vergangene, Erlebte, gleich wo, gleich innerhalb welchen Organismus.
Dem Atom entweicht niemals das Wissen, sterbe auch der Körper, in dem es vorübergehend wirkte: die Information bleibt. Regnet es aus den Wolken herab, ist es im Wasser gebunden, liebt sich mit den anderen und vereint sich zu Molekülen. In Milliarden Verknüpfungen dringen sie in den Erdboden, in die Flüsse und Meere, auf die Bäume und zu den Wurzeln.
Dort mag das Atom tief in den Felsen treiben, um tausend Jahre später an einer Quelle aufzutauchen. Oder auf der Oberfläche der Erdkrume für eine Weile ruhen, bis eine Wurzel es findet, aufsaugt und zu den Zweigen und Blättern des Olivenbaumes trägt.
Eine Raupe frisst ein Blatt: das Atom ist glücklich. Es weiß, nun dient es erneut im Lauf der Kreise, darf fortschwimmen, aus dem Blattgrund über den Blattstiel zu den Blattadern hinein in die Raupe, zu ihrer Gefälligkeit. Deren Umwandlung unterstützen, bis zur Krönung: die Verwandlung.
Der Schmetterling fliegt.
Das Atom vergisst nichts. Ach wüssten sie es.
Wüssten sie nur von den Sandkörnern im Universum, die Sporen des Lebens, die Träger der DNA.
Es flogen die Weltallgesteine zum jungen Planeten, auf ihnen der Sternenstaub, aus uraltem Kosmos. Körner und Partikel zerborstener Sonnen, geschmolzener Planeten und Monde, Relikte der ersten Schöpfungen, Überbleibsel einstiger Zivilisationen. An ihnen geheftet die Lebensspiralen, Nuklein- und Aminosäuren für unendliche Entfaltung, der Liebesbeweis aus dem Hauch einer Urschöpfung.
Die Boten der Ehrfurcht.
Die Weichensteller.
Die Befähiger.
Es empfiehlt sich Ehrfurcht vor ihnen, denn sie stellen die Weichen für jeden Planeten und befähigen ihn zum Leben. Seine Sporen schenken der Erde die Erinnerungen anderer Gestirne, die Gedanken fremder Welten mit ihren Systemen aus Planeten und Monden, dort wo das Weltall begann, als das Wort sich entäußerte, das Licht entsprang und Leben gebar.
Keime lassen sich nieder, auf dem frischen Gestein, Magmaströme allüberall, Erdkrusten gegeneinander übereinander, Millionen Jahre Regen.
Auf der Erde tragen sie sich ein, deponieren ihre Samen, in ihnen schlummern verborgen die Strukturen der Zukunft, die Formen der Pflanzen und Tiere, die Möglichkeiten.
Knospen entfalten sich. Aus den Sprossen die Triebe. Nun ist der Planet befruchtet und kreist in Geduld und stoischer Ruhe um seine Sonne. In seinem tiefsten Innern kreiselt der Kern, flüssige Metalle in schraubenförmigen Bewegungen, die im Verbund mit der Drehbewegung des Erdballs im Weltall ein Magnetfeld erzeugen. Der Planet hält es über Jahrmillionen fest, legt den riesigen Mantel um sich selbst. Der Abwehrring. Der Wehrgraben um die Burg. Beschützt das organische Leben. Die Gewässer sind beruhigt, der Urkontinent treibt gefestigt über die inneren Kräfte.
Im Äußeren, oberhalb des Bodens, schwebt die Atmosphäre, feinste Moleküle verschiedener Gase. Sie rotieren wie festgeklebt mit dem Erdball, welch dünne Haut. Ein wundersames Meer aus Gasen, am Grund leben Bewohner des Landes, in ihm schwimmen die Vögel.
Die Entwicklung schreitet voran. Aus den Bäumen der Entfaltung, den Zweigen und Verästelungen genetischer Auswürfe wagte sich die Intelligenz hervor, repräsentiert in zahlreichen Arten der Tiere, aktiviert in Gehirnen, den Spielkonsolen neuronaler Verbindungen. Unter ihnen erscheinen, mehr als spät, die Säugetiermenschen. Vor ihnen lebten bereits zahlreiche Variationen, erprobten Planung, Kommunikation, Sozialverhalten. In ihrem Dünkel wähnen sie sich als Besonderheit. Sie leugnen ihre Herkunft aus dem All, frönen ihrem Zorn. Verwickelt in ständigen Kriegen, Gewalt und Vernichtung. Hybris tüncht ihre Unwissenheit mit seichtem Kalk, belanglosen Nichtigkeiten, flüchtig hingeworfenen Begriffen. Vergöttern eitle Täuscher, werfen Brosamen den Verarmten.
Die Strukturen der Gewächse, die Samen, alle Sporen feixten.
»Was für ein Hochstapler, der Säugetiermensch! Welch ein Lügner, welch Urkundenfälscher.«
Denn waren nicht auch die Urahnen ein geachteter Teil des Bundes.
Wenn sie aber den Säugetiermenschen sehen – Pflanzen und Bäume erkennen sofort den Hinterhalt an der Natur, die Niedertracht schneller als die Tiere, denn sie bleiben an ihren Wurzelplätzen, den Orten der Verankerung. Während sie dort an ihrem Platz harren, manche über Jahrhunderte, ziehen die Schicksale, Kriege, Mörder und Flüchtigen an ihnen vorbei, und ein manches Mal spritzt das Blut bis an die Wurzel. Zwar widerriefen sie niemals ihre ursprüngliche Bereitschaft, den Körpern der Menschen als Nahrungsquelle zu...
Erscheint lt. Verlag | 22.2.2024 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Dystopie • Klimakatastrophe • Klimawandel • Menschheit • Ökosystem • Orwell • Untergang • Zukunft |
ISBN-10 | 3-7565-7182-3 / 3756571823 |
ISBN-13 | 978-3-7565-7182-6 / 9783756571826 |
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Größe: 239 KB
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