2200 war ein schönes Jahr -  Hans-Joachim Gorny

2200 war ein schönes Jahr (eBook)

Die Jugend
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2024 | 1. Auflage
329 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-7116-1 (ISBN)
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Der sechszehnjährige Goran beteiligt sich an Unruhen und flieht aus seiner Heimatstadt Leipzig nach Südbaden zu seinem Großvater Hans, der ebenfalls vom Regime gesucht wird. Hans hält sich Ziegen, zieht Gemüse und betreibt als Hobby Biotoppflege. Mühsam halten sie sich mit Landwirtschaft über Wasser. Um an Geld zu kommen, beginnt Goran eine Meerschweinchen-und Insektenzucht. Ihre Kunden finden sie in den deutschen Subkulturen, die sich der Überwachung entziehen. Goran ist ein hübscher Kerl der schnell eine Freundin findet. Mit jeder Freundin die er sich anlacht, lernt er eine andere Lebensform kennen.

Maler, Zeitsoldat, Hausmann, Biotoppfleger, Schriftsteller

2 Das Helle Erwachen




Käse machen hieß rühren und nochmals rühren, rühren bis Schlapp und das ohne recht geschlafen zu haben. Es war eine Arbeit, bei der man gleichmäßig beschäftigt war, während der man auch nachdenken konnte. Aber Gorans Überlegungen führten zu keinem verwertbaren Ergebnis. Ich muss sie einfach darauf ansprechen, auf ihre reiche Herkunft, endete sein Nachdenken. So brachte Goran den Mittwoch herum und fiel abends gleich nach dem Essen wie tot ins Bett.

Der nächste Tag brachte Routinearbeiten. Melken, Ziegen rausjagen, Gartenarbeit, Großvaters Kunden beliefern, Sachen reparieren, Wäsche waschen. Beim Abendessen hing Hans seine Platte über dem Küchentisch an die Wand, denn er hatte von interessanten politischen Neuigkeiten gehört. Laut forderte er seinen Lieblingsnachrichtendienst, die Platte schaltete sich ein und brachte das Gewünschte. Deutschland bekam einen neuen Regierungschef, von allen nur Diktator genannt.

Als 2143 in Afrika die neue Pest ausgebrochen war, hatte die damalige Bundeskanzlerin Sonja Kirchleut das Parlament nach Hause geschickt, um in dieser prekären Situation mit Notstandsgesetzten regieren zu können. Der Globus geriet infolge der verheerenden Seuche in Panik und veränderte sich über Jahrzehnte grundlegend, die meisten Länder verarmten. Die Pest zog sich hin und die Kanzlerin regierte bis 2189. Mitten in den Vorbereitungen zu einer Bundestagswahl, mit der sie in Deutschland wieder demokratischen Zustände herstellen wollte, wurde sie Opfer einer Grippe-Pandemie, die damals den Planeten heimsuchte.

Die Kanzlerin Sonja Kirchleut war eine überaus fähige Politikerin gewesen, ihr Nachfolger Manikoff ein Stümper. Alle Pläne für eine Demokratisierung Deutschlands verschwanden in der Schublade und Manikoff zog die Daumenschrauben an. Als er den Chip für jedermann zur Pflicht machen wollte, gingen die Arbeiter und Habenichtse, die sich vehement gegen das Ding wehrten, geschlossen auf die Straße und legten in wochenlangen Sitzstreiks den Verkehr in Deutschland lahm. Alles verlief gewaltfrei, wenn man von ein paar nervenbedingten Ausrutschern auf Seiten der Polis einmal absah. Die Streiks hatte Karl Bruckner organisiert. Auf seiner bundesweiten Protesttour, während der seine Freunde und er mit der Polis und der IS Katz und Maus spielten, hatte er der Bevölkerung den Chip für Jedermann prophezeit. Wenn das einträfe, so hatte er den Leuten eingebläut, sollten sie am Tag darauf zwölf Uhr auf die Straßen gehen und protestieren. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Bruckner schon im Medikamentendämmer im Tower von Frankfurt, dem Gefängnishochhaus Nr.2.

Es waren solche Massen auf den Straßen, dass die Polis Leute betäuben und wegtragen konnte wie sie wollte, die wichtigsten Verkehrsknotenpunkt blieben dauerhaft besetzt. Als es ernsthafte Versorgungsschwierigkeiten gab, musste Manikoff das Gesetz zurücknehmen, doch die Bevölkerung, die den kleinen Möchtegern-Diktator für untragbar hielt, protestierte weiter. So blieb der Nationalpartei nichts anderes übrig als Manikoff zu stürzen und nach einem besseren Regierungschef zu suchen. Äußerst unauffällig rächte sich aber das Regime an den Haupträdelsführern und lies sie verhaften und verschwinden. Weil sie sich beim Organisieren der Sitzblockaden und beim Ärgern der Polis besonders hervorgetan hatten, wurde Walles Sarong abgeholt und musste Goran Sarong fliehen.

Nun sahen Goran und Hans in der Platte, wie die Nationalpartei den neuen Regierungschef Eduard Holzer präsentierte. Der hatte sich in einer Kampfabstimmung gegen seinen ehrgeizigen Konkurrenten Refat Yilderim durchgesetzt.

„Der ist ja fast so klein wie der Manikoff“, kommentierte Hans. „Die Kleinen sind die gefährlichsten, je kleiner der Mann, desto größer sein Ego, die Kleinen wollen es immer den Großen zeigen. Holzer bringen sie nur, um das Volk zu beruhigen, ändern wird sich kaum etwas.“

Hans, der sich abends oft die unmöglichsten Filme ansah, sagte „Aus“ zur Wand. Er füllte sich aus einem Beutel, der seitlich am Küchenschrank hing, Rotwein in einen Becher und sagte dann „Filme“ und „21. Jahrhundert“. Auf einer langen Liste suchte er sich einen Film aus, von dem er schon gehört hatte und von dem er hoffte, dass er interessant sei. Es war ein Weltraumfilm. Der Film war aus dem Jahre 2010, spielte aber 100 Jahre später. Die Menschheit flog locker flockig im All herum, holte Eisen hier oder Getreide da und siedelte auf den unwirtlichsten Planeten.

Hans und Goran schauten eine halbe Stunde lang interessiert auf die Platte, dann schüttelte Goran ungläubig den Kopf.

„Was hatten denn die damals für abartige Vorstellung von der Zukunft! Was haben die den geglaubt, wo das Geld für so riesige Raumschiffe herkam.“ Im Jahre 2193 gab es gerade noch eine Raumstation und die nutzten die Chinesen weniger für Forschungs-als für touristische Zwecke. Der Planet konnte arm sein wie er wollte, Reiche, die sich einen Ausflug in den Weltraum leisten konnten, gab es immer. Aber in punkto Weltraum war die Menschheit ernüchtert.

„Hatten die damals echt gedacht, dass man die Naturgesetzte außer Kraft setzen kann“, empörte sich Goran über den Quatscht, den sie sich ansahen. „Schneller als das Licht, die hatten doch voll die Grillen.“ Mit Dauer des alten Filmes spürten Hans und Goran immer stärker die fehlenden Stellen. Die Filme aus den Netzen waren alle zensiert, das prüde Regime ließ alle Gewalt-und Sexszenen entfernen. Originalfilme gab es nur auf dem Schwarzmarkt.

Seit 150 Jahren nahm die Erdbevölkerung ab. Außer in Europa, das Millionen Schwarzafrikaner aufgenommen hatte, die Vorfahren von Goran und Hans. Um die Menschen unterbringen zu können wurde aber weitgehend flach gebaut, deshalb staunte der Jüngling nicht schlecht, als er im Film gewaltige Hochhäuser sah.

„Kann es möglich sein, dass alle Bewohner reich sind, in Türmen wohnen und mit dem eigenen Auto herumfliegen können?“ fragte er mehr sich selber.

Hans wurde es zu viel: „Jetzt mach mal Gleichschritt, du Meckerzikade. Das ist Film, alles ausgedacht, an den Haaren herbeigezogen, aus dem Ärmel geschüttelt und aus den Fingern gesaugt, das Ganze ist damals auf dem Mist der Filmemacher entstanden, um die Leute zu unterhalten.“

Goran stand auf. „Ich geh ins Bett“, und schlenderte außenherum in seine Kammer. Morgen war hoffentlich die Stunde der Wahrheit, da würde er Fee auf den Zahn fühlen.

Er gönnte sich einen gemächlichen Freitag. Seine Meerschweinchen, die fetter als Bisamratten waren, hatten schon Nachwuchs bekommen. Er hatte sich auch schon bei potenziellen Abnehmern über die Preise erkundigt. Um einigermaßen davon leben zu können, müsste er drei Stück am Tag verkaufen. Mit diesem Verdienst würde er sich aber nie ein E-Rad leisten können, keinen Arztbesuch und keine schicke Kleidung. Wie viel erwachsene Tiere benötigt man, um im Jahr circa 1000 Junge verkaufen zu können? Goran spielte mit dem Gedanken, sich noch eine Maden-oder Insektenzucht zuzulegen, um zweigleisig zu verdienen.



Pünktlich um acht erschien Felicitas wie immer mit ihrem E-Rad. Sie begrüßten sich kurz mit Kuss und schon strebte sie Gorans Kammer zu. Sie hatte schon das Hemdchen über den Kopf gezogen, als ihr Blick auf Gorans Gesicht fiel.

„Ist etwas passiert?“ fragte sie ihn, das Hemd vor die Brust haltend.

„Ich weiß wer du bist. Du bist die Tochter von dem reichen Steiner.“ Er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme vorwurfsvoll klang.

„Aber das ist doch kein Geheimnis“, sagte sie leise in ihrer netten Art. „Du hast ja nie gefragt.“

Das stimmte wohl, er hatte sie so genommen wie sie aufgetaucht war. „Und über 18 bist du auch schon“, kam es jetzt sogar vorwurfsvoll.

„Auch nach dem Alter hast du mich nie gefragt.“

Er sah sie zum ersten Mal mit einem traurigen Gesicht. Es tat ihm sofort leid, aber er wollte Gewissheit haben. „Hat das mit uns zwei überhaupt eine Zukunft? Ich meine, dein Vater ist reich und ein Politiker, der erwartet von dir bestimmt die Lieferung eines reichen Schwiegersohns.“

„Mein Vater hat bei mir überhaupt nichts mehr zu melden, der ist echt krank mit seinem Geltungsbedürfnis. Ich suche mir meinen Freund selber aus - und das bist du. Und jetzt sei kein Frosch und leg mich flach.“ Damit schmiss sie ihr Hemdchen weg, breitete die Arme aus und schon folgte Goran seinem Trieb, der die herzliche Einladung eines schönen, lachenden Gesichtes, ausgesprochen mit leiser, unschuldiger Kinderstimme, gerne annahm. Später wollte er aber doch noch wissen, was es mit ihrer Mutter auf sich hatte.

„Die ist fremd gegangen“, lachte Fee in einer Art, die Schadenfreude verriet. „Das hatte den Alten ordentlich an der Substanz gekratzt. Geschieht ihm ganz recht, er hatte meine Mutter als sein persönliches Eigentum betrachtet, zum Repräsentieren. Anstatt sie vorzuführen, hätte er sie öfters befriedigen sollen. Meine Mutter ist eine sinnliche Frau, nur Reichtum und Fassade waren ihr zu wenig.“

Trotz dem romantischen Kerzenlicht, das natürlich von seiner Platte kam, erkannte Goran so etwas wie Härte in ihrem Gesicht, auf einmal kam die Vorstellung, einen Engel zu lieben, ins Wanken.

„Magst du deine Mutter eigentlich?“ fragte er Fee.

„Ich finde sie toll. An ihr sehe ich, wie eine Frau sein sollte. Sie ist selbständig, pfeift auf die gute Gesellschaft, sucht sich die Männer nach Geist und nicht nach Geld aus und lebt in Berlin.“

Da sich Fee an ihrer rebellischen Mutter orientierte, wurde es Goran bei dem Gedanken an ihre gemeinsame Zukunft etwas wohler.

„Berlin, nicht...

Erscheint lt. Verlag 11.2.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7565-7116-5 / 3756571165
ISBN-13 978-3-7565-7116-1 / 9783756571161
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