Das Kreuz der Wüste -  Marcel Winkler

Das Kreuz der Wüste (eBook)

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2024 | 1. Auflage
161 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-7114-7 (ISBN)
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Mitsamt seiner schwimmenden Insel verschlägt es Karl Olaf Abelsen nach Australien. Dort lernt er Bell Dingo kennen, mit dem er sich anfreundet. Gemeinsam erkunden sie das Geheimnis um das Kreuz der Wüste. Alles, was das Leben mir schenkte, waren nur Seifenblasen. Es schenkte mir Liebe, Glück, Freiheit. Von den dreien blieb mir nur die Freiheit. Es schenkte mir Coy Cala, den Treuesten der Treuen: Er starb - für mich.

Nebenberuflich und 47 Jahre alt

2. Kapitel.


„Bell Dingo“ – also so etwa „schöner Dingo“. – Der Witzbold, der ihm diesen Namen gegeben, hätte weniger sarkastisch sein sollen. Zunächst: Dingo ist die Bezeichnung für den australischen wilden Hund. – Der „Hund“ mag noch hingehen, denn Hund ist kein Schimpfwort, sondern ein Lob. Dingo-Bell verdiente Lob. Er war, was die Treue betraf, ein zweiter Coy Cala. Im übrigen hatte er mit Coy wenig gemein. Es sei denn die Bärenstärke und die feinen Sinne.

Bei einer männlichen Schönheitskonkurrenz hätte Dingo miserabel abgeschnitten. Nur seine vorbildliche Sauberkeit hätte vielleicht Anerkennung gefunden.

Man stelle sich einen reinblütigen Australneger im Alter von etwa fünfundzwanzig Jahren vor, man rasiere ihm den buschigen Bart bis auf einen kleinen borstigen, geckenhaften Schnurrbart weg, multipliziere seine naturnotwendige Häßlichkeit mit drei, und das Produkt ist „der schöne Dingo“.

Am liebreizendsten an ihm war ohne Frage sein Haupthaar. Ich kam immer wieder in Versuchung daran zu zupfen und zu prüfen, ob es nicht doch eine Krimmermütze sei, die sich tief in die Stirn gezogen hatte. Aber es war echt, genau so echt wie seine dicke kurze Nase mit den ungeheuren Nüstern und wie der Mund mit den fabelhaften Wulstlippen. Die Unterlippe streichelte beim Sprechen stets zärtlich das feste borstige Kinn, denn Dingo rasierte sich täglich, – täglich bügelte er auch die Beinkleider des weißen Anzugs, den ich ihm gespendet hatte, da sein blauer Kittel wenig zu seinen sauberen schwarzen Pfoten paßte.

Ich nehme hier so manches über Bell Dingo vorweg. Ganz sollte ich ihn erst später kennen lernen. Aber er hatte eins bestimmt vor sonstigen Bekanntschaften voraus: Die Menschen verlieren zumeist, je länger wir mit ihnen zusammen sind. Dingo gewann an inneren Werten von Tag zu Tag. Er trank nicht. Jede Whiskyflasche war vor ihm sicher. Er hatte keine Eingeweidewürmer wie Coy. Er kaute nur meine Zigarrenstummel und war ein Geck in seiner Art. Er log nie. Was er nicht sagen wollte, tat er mit einer großartigen Handbewegung und den von einem verlegenen Grinsen begleiteten Worten ab: „Ai ai, Mussu, – das nicht wissen …“

Sein „Ai ai“ konnte man je nach Wunsch und Gelegenheit deuten. Es besagte alles. Es konnte „Ja ja“, aber auch „Nein nein“ heißen, es konnte als „Vielleicht“ gelten, – – es war eben vielseitig wie der ganze Bell Dingo.

Er hatte seine Jugend im tiefsten Innern Australiens verbracht. Sein Alter war zweifelhaft.

Dort, wo er das Licht der Welt erblickt hatte, gab es keine Geburtsregister. Als halbwüchsiger Junge kam er auf eine Schaffarm und wurde hier von einem Missionar dem Christentum gewonnen. Trotzdem war er ein finsterer Heide geblieben. Als er später in Melbourne Hafenarbeiter spielte, ließ er sich zum zweiten Male taufen. Zuerst hatte er der anglikanischen Kirche angehört. Ein neuer Anzug machte ihm die lutherische Lehre begehrenswerter. In Sidney als Hoteldiener eines Hotels sechster Güte wechselte er zum dritten Male seine religiöse Überzeugung für einen abgelegten Smokinganzug und schwur Jehova und Moses unverbrüchliche Treue. Nach Melbourne zurückgekehrt, lockten ihn der Glaube an die Heilige Jungfrau und ein etwas blank gescheuerter Gehrock, den er als Rausschmeißer eines Matrosentingeltangels notwendig brauchte. Zur Zeit war er Freigeist. Nachdem er in dem Beruf eines Rausschmeißers verschiedentlich halb tot geschlagen worden war, heuerte er auf den Dreimaster als Kajütwärter an. Ein Orkan nahm dem Schiff die Masten, und die betrunkene Mannschaft ließ ihn einfach an Bord zurück. Was lag an einem Nigger?! So kam er zu mir. So saß er mir nun hier auf meiner Insel im Lampenlicht gegenüber und hustete nach dem Verbrüderungsschluck Whisky wie ein Säugling, dem die liebe Mama den Schnuller allzu stark mit süßem Alkohol getränkt hat.

„Du trinkst wohl selten, Dingo?“

„Ai ai, Mussu … Schnaps sein Teufel …“

„Sehr lobenswert, Dingo …“

Ich war ein wenig zerstreut. Ich glaubte irgendein Geräusch zu hören, das mir nicht gefiel. Die Türen bis zum Vorraum standen offen, und durch die hochgestützte Falltür drang nicht nur das eintönige Geräusch der Wogen an mein Ohr.

„Klingt das nicht wie das ferne Rattern eines Bootsmotors, Dingo?“

Er wandte den Kopf und lauschte.

„Ai ai, Mussu, – nicht wissen …“

Ich erhob mich. Ein Zusammenstoß mit einem Motorschiff hätte diesem und uns gefährlich werden können.

„Gehen wir nach oben, Dingo …“

Für alle Fälle behielt ich die Pistole in der Tasche.

Oben – – Nebel, dickster Nebel …

Meine Insel schwamm in grauem lauen Gebräu.

Wir horchten abermals.

„Es ist ein Schiffsmotor …!“

„Ai ai …“ grunzte der schöne Dingo. „Nichts zu sehen, Mussu … Schiff weit weg …“

Ich kannte nun mein Eiland besser als meine Westentasche. Ich wußte, daß es sich in der Strömung unaufhörlich um sich selbst drehte und daß daher die Brandung bald an dieser, bald an jener Seite der Küste schäumte.

Wir hatten Südwind. Meine treibende Insel drehte sich heute nicht. Die Brandung blieb an derselben Stelle. Waren wir etwa auf eine Untiefe aufgelaufen? Es mußte so sein. Ich wurde jedoch sofort wieder stutzig, denn das künstliche Gebilde aus Stahlkesseln, Stahl und Bimsstein schaukelte unmerklich. Es konnte nicht irgendwo auf einer Sandbank oder einem Korallenriff festliegen.

Ich kletterte zur Küste hinab. Ich begriff nicht recht, was hier vorging. Dingo blieb dicht hinter mir. Er war kein Seemann, es hatte keinen Zweck, mit ihm hierüber zu sprechen. Unten am Strande spülten uns die auslaufenden Wogen um die Füße. Dingo meinte, es sei schade um meine feinen weißen Schuhe. „Hat Mussu weißen Stein zum Säubern?“ erkundigte er sich bescheiden.

Ich war unhöflich genug, ihm nicht zu antworten, bückte mich und zog einen großen, noch grünen Ast aus dem Wasser. Das Holz war eigentümlich weißgrau, und die Blätter glichen denen des Weidenbaumes, waren jedoch hart und dick wie Leder. Es war ein Ast einer Eukalyptusart, die nur in Australien vorkommt. Sollte ich wirklich in diesen drei Monaten bis in die Nähe der australischen Küste gelangt sein?!

Bell Dingo redete noch immer über die Schuhe.

„Hör’ auf damit!“ Ich hatte wirklich an anderes zu denken.

„Paddon, Mussu,“ sagte er höflich. – Gott mochte wissen, wo er das Wort Pardon aufgeschnappt und in Paddon umgeformt hatte. Hinter das Geheimnis seines „Mussu“ war ich bereits gekommen. Es sollte Monsieur heißen. Der Rabbiner in Sidney, der den Smokinganzug gespendet hatte, war Franzose gewesen.

„Ich hören gar nichts,“ brummte Dingo als Nachsatz. „Nur Wellen und Vögel …“

„Dann hast du schlechte Ohren, Dingo, – ich höre deutlich den Bootsmotor.“

Ich starrte in den dicken Nebel hinein. Dann warf ich den langen Ast wie eine Lanze weit ins Wasser hinaus. Er kam überraschend schnell wieder zum Strande zurück. Das machte beinahe den Eindruck, als würde meine Insel von einer geheimnisvollen Kraft gen Süden getrieben. Hätte es sich nur um eine überraschend kräftige Strömung gehandelt, dann würde der Ast mit ihr davongetragen sein. Aber der Ast tat das Gegenteil, er machte eilends kehrt, als ob ihm mein Heim ausnehmend gut gefiele.

Mitunter versteht man später die eigene Begriffsstutzigkeit nicht. Mir altem vielerfahrenen Weltenbummler hätte dieses kleine Rätsel niemals auch nur ein Quäntchen Gehirnanstrengung kosten dürfen.

Und – wieder drängte sich mir eine neue Beobachtung auf: Wind und Wetter flauten ab, ebenfalls überraschend schnell.

„Bell Dingo, findest du nicht, daß die See ruhiger wird?“ wandte ich mich an den schwarzen Kameraden.

„Ai ai,“ – und er überließ es mir, diesen Zuruf zu deuten.

Wenn nur der Nebel nicht so infam dick gewesen wäre!

Waren wir etwa der australischen Küste so nahe, daß diese den Wind abfing?!

Es war nichts zu sehen. Zu hören übergenug. Das Brandungsgeräusch, bis zu sanftem Plätschern erstorben, ließ das gleichmäßige Rattern des fernen Motors verstärkt aufleben. Das Gekreisch der Seevögel, diese Jazzsinfonie eines nimmermüden beflügelten Orchesters, tobte sich in irren Kadenzen aus. Es mußten ganze Vogelschwärme sein, die hier in der grauen, feuchten Luft die Fittiche schwangen und sich empörten über den fremden Besuch eines schwimmenden Dinges, das nicht Schiff, nicht Insel war.

„Bell Dingo,“ fragte ich von neuem, „ob wir in eine Küstenbucht treiben?“

„Ai ai, Mussu, – schon Bucht sein, ich glauben … Ich riechen Land.“

Mit der Nase mußte er freilich jeden deutschen Bauernhof mit nützlichem Düngerhaufen auf eine Meile spüren. Bauernhöfe von der Art gab es hier nicht.

„Was riechst du?“

Er hatte seine blauen Leinenhosen hoch aufgekrempelt gehabt und entfaltete sie nun wieder, nachdem keine Woge mehr ihre gebügelte Schönheit bedrohte.

„Riechen Lagerfeuer, Mussu,“ erklärte er und richtete sich auf. „Werden gebraten am Feuer großes Gürteltier, Mussu …“

Ich konnte seine Züge nicht unterscheiden. Machte er sich über mich lustig?!

„Vielleicht ist es Hammelrippe am Spieß,“ warf ich ärgerlich hin und schritt ein Stück weiter nach rechts. Ich glaubte da ein eigentümlich knirschendes Geräusch gehört zu haben.

„Hammel anders duften,“ behauptete er prompt, – aber ich war bereits über die straff gespannte Stahltrosse gestolpert, die man an einer Bimssteinzacke vertäut hatte und die wie ein Schleppseil über dem...

Erscheint lt. Verlag 9.2.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7565-7114-9 / 3756571149
ISBN-13 978-3-7565-7114-7 / 9783756571147
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