Bird -  Adam Morris

Bird (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
304 Seiten
Edition Nautilus (Verlag)
978-3-96054-341-1 (ISBN)
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Der Kunstlehrer denkt, Carson sei einer der Intelligenteren im Knast, bei der Psychologin weckt er mütterliche Gefühle, der Bewährungshelfer interessiert sich vor allem für die schmuddeligen Details seiner Erzählungen. Immer wieder landet Carson im Bau, wegen Drogengeschichten oder weil er nicht ganz legal an ein Auto gekommen ist. Der Roman folgt dem jungen Noongar Aboriginal auf seinen Wegen im Gefängnis, nach draußen und zurück in die Zelle - ein Kreislauf der Gewalt, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint. Carsons Geschichte wird dabei nicht von ihm selbst, sondern aus den wechselnden Perspektiven der (zumeist weißen) Menschen erzählt, die ihn umgeben. Ihr Blick, sei er wohlwollend oder gleichgültig, begehrlich oder herablassend, zeichnet Carson als komplexen Charakter, der einem nahekommt und zugleich auf Distanz bleibt - und der längst zum Spielball eines Systems geworden ist, das ihm keine echte Handlungsmacht zugesteht. Erschütternd, aber mit düsterem Witz spiegelt »Bird« im Mikrokosmos des Gefängnissystems die Realität der noch immer zutiefst segregierten, rassistischen Gesellschaft Australiens, in der Freiheit nicht für alle vorgesehen ist.

Adam Morris ist Autor, Musiker, preisgekrönter Filmemacher, Sonderpädagoge und Universitätsdozent und lebt in Westaustralien. Er war als Kunst-, Tanz- und Musiklehrer in westaustralischen Gefängnissen tätig und ist als Singer/Songwriter durch Australien, Asien und Nordamerika getourt. Bird wurde für den Miles Franklin Award, den ALS Gold Medal Award und den Prime Minister's Literary Award nominiert. Adam Morris lebt in Westaustralien.

Adam Morris ist Autor, Musiker, preisgekrönter Filmemacher, Sonderpädagoge und Universitätsdozent und lebt in Westaustralien. Er war als Kunst-, Tanz- und Musiklehrer in westaustralischen Gefängnissen tätig und ist als Singer/Songwriter durch Australien, Asien und Nordamerika getourt. Bird wurde für den Miles Franklin Award, den ALS Gold Medal Award und den Prime Minister's Literary Award nominiert. Adam Morris lebt in Westaustralien.

Daniel


»So ein Mac ist perfekt, Bruder, voll die Maschine. Als sie den gemacht haben, sind sie einfach schon viel weiter gewesen als alle anderen. Aber die an der Macht, verstehst du, die wollten keinen perfekten Mac, und während der Mac seinen Weg gemacht hat, hat auch der PC seinen Weg gemacht. Aber keiner hat gewusst, wozu die überhaupt gut sein sollten, weil die Leute halt einfach saublöd waren, ich sag mal Anfang der Achtziger oder Ende der Siebziger, teilweise gab’s schon welche in den späten Siebzigern, Computer so groß wie ein ganzes Zimmer, die kannst du dir heute an den kleinen Finger stecken. Hab ich auf SBS gesehen. Krass.

Keiner hat den Unterschied zwischen einem Mac und einem PC gekannt, für die meisten haben sie halt ausgesehen wie Computer. Aber die PC-Leute haben es gewusst und die Mac-Leute auch, aber als die Mac-Leute den ganzen bescheuerten Idioten erklären wollten, warum der Mac besser war, haben sie’s nicht kapiert. Weil der Mac perfekt war, verstehst du, was ich sagen will? Der Mac war einfach zu gut. Aber dann hat sich irgendwo ein Wichser gemeldet und behauptet, der PC hier macht dasselbe, kostet aber nur die Hälfte, das haben alle sofort geschnallt. Billiger, kostet weniger. Die haben nicht gedacht, dann kann er auch nicht so viel wert sein, die haben gedacht, der ist billiger, und das fanden die gut.

Wenn man jetzt in einen Computerladen geht, sieht man sie überall. In den Märkten, in den Läden, da kannst du zu jedem einzelnen von den Nerds gehen, die da sitzen, den Typen, denen diese Läden gehören, und sie fragen, warum der Laden PC World oder PC Land oder PC Universe heißt, auf jeden Fall immer was mit PC. Die werden dir direkt sagen, und ich schwör dir, das ist die Wahrheit, wenn du die fragst, warum er nicht Mac World oder Mac Land oder Mac Universe heißt, dann werden die dir direkt sagen: Weil Macs nicht kaputtgehen.«

Daniel musste raus. Er konnte sie nicht mehr hören. Die Geschichten. Carson war ein großer Kerl. Selbstbewusst und schlau. Daniel wusste, wenn es hart auf hart käme, würde Carson ihn in Stücke reißen. Wenn man allein mit ihm war, konnte man sich ganz gut mit ihm unterhalten. Oder wenn es einem gelang, das Gespräch in eine positive Richtung zu lenken. Aber allmählich setzte Daniel der Aufenthalt hier drin geistig zu.

Er hatte seinen Bachelor am Kunstcollege gemacht und war mit einer ganz ansehnlichen Mappe abgegangen, Radierungen, Aquarelle, auch ein paar Lederarbeiten. Herausragend waren seine Leistungen am John Curtin College of the Arts eigentlich nicht gewesen, zumal es als eine der besten Adressen für Malerei galt. Irgendwann hatte er Stan kennengelernt, einen englischen Atheisten, der die höheren Klassen am College unterrichtete, und der hatte ihm erklärt, das Curtin sei völlig überbewertet. Was die Studenten dort an Kunst hervorbrachten, sei peinlich. Stan behauptete außerdem, er habe seinen Master in Princeton gemacht, Mitte der Sechziger für den Geheimdienst der britischen Armee gearbeitet und sei intellektuell völlig unkorrumpierbar.

Daniel wusste nicht, ob das alles stimmte. Er selbst war nach seinem Abschluss nach Melbourne gezogen, hatte sich der Szene dort anschließen wollen, aber gar keine gefunden. Ihm kam das alles sehr aufgesetzt vor. Jetzt saß er im Kunstraum des Gefängnisses und erinnerte sich an die ganzen faulen und langweiligen Mädchen in Melbourne, mit denen er hatte schlafen wollen. Eine verlorene Generation, die glaubte, sich mithilfe von Biopics über Jackson Pollock und Jean-Michel Basquiat künstlerische Techniken aneignen zu können.

Er hatte es knapp zehn Jahre lang versucht und war fast so weit, alles hinzuschmeißen, wusste aber auch nicht, was er stattdessen machen sollte. Er war eben nur einer unter vielen. Vielleicht würde jemand in ein paar hundert Jahren seine Lederarbeiten entdecken und etwas darin sehen. Man würde sie wertschätzen und Leute würden lächeln, bedeutungsvoll nicken und sagen, oh, ein klassischer Meredith aus dem frühen 21. Jahrhundert.

Daniel sah zwei Gefangene an der Tür des Kunstraums vorbeigehen, ganz dicht nebeneinander, fast als hielten sie Händchen.

»Die Wichser ficken sich gegenseitig in den Arsch, Sir.«

Der Raum brach in Gelächter aus. Carson konnte nicht lange die Klappe halten, jedenfalls nicht, wenn er ein Publikum ganz für sich allein hatte. Vier Männer, die taten, als würden sie ihm gar nicht zuhören, als wären sie völlig vertieft in ihre Gemälde – alle prusteten jetzt gleichzeitig los, weil sie, genauso wie Daniel, auf jedes einzelne Wort gelauert hatten. Normalerweise wollte sich hier niemand etwas anmerken lassen. Eine eigenartige selbstauferlegte Form der geistigen Beschränkung war das. Praktisch nicht zu knacken. Aber mit Gelächter ging’s.

»Hey Carson, komm schon, Mann.« Daniel blickte wie zufällig zu Carson auf, der immer noch lachte und es sichtlich genoss, dass alle ihm zuhörten.

»Hey Sir, tut mir leid, aber die Schwuchteln laufen hier rum wie Schwuchteln, also ist es doch nicht unhöflich, wenn ich sage, dass die sich in den Arsch ficken, weil das bei denen doch normal ist. Eigentlich ist es sogar ein Kompliment, so wie wenn ich sage, ›Hey Sir, Sie sind ein toller Künstler‹ …«

»Carson … Mann.« Daniel versuchte, die anderen mit einem einigermaßen milden Lächeln zu beschwichtigen.

»Nein, das sind Sie wirklich, kommen Sie schon, nicht so bescheiden, Sir, Sie haben uns ein paar Tricks gezeigt, ist nichts dran verkehrt, wenn man zeigt, was man drauf hat …«

»Carson, ich weiß nicht, ob es denen recht wäre, wenn das alle hier im Gefängnis wissen.« Daniel überlegte, ob er langsam zur Tür gehen sollte oder einfach in den Hof hinausstarren, vielleicht würde das ja genügen, um Carson ein bisschen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

»Wissen Sie, was die zu meinem Onkel Eddie gesagt haben?«, fragte Carson.

Er lachte wieder, seine Stimme klang jetzt schriller. »Sir, bei meinem Leben ich schwöre, die haben gesagt, dass sie sich gegenseitig einen runterholen und abspritzen, Sir …« Carson machte eine schnickende Bewegung mit der Hand. »An die Zellenwände, Sir. Und die haben gesagt, das machen sie die ganze Nacht, das müssen echt wahnsinnig geile Schwuchteln sein, Sir. Sie wissen doch, wie’s ist, wenn man’s eine Weile nicht gemacht hat, Sir, dann ist da ordentlich Druck drauf. Die sind geladen, prallvoll wie ein großer verfluchter Truthahn, der sich aufplustert und die ganze Welt ankreischt. Also stellen Sie sich die beiden Arschlöcher wie zwei riesige verfluchte Truthähne vor, die’s sich gegenseitig besorgen …« Carson bekam die Worte kaum noch heraus, so sehr krümmte er sich vor Lachen und alle im Raum mit ihm.

Daniel versuchte sich zusammenzureißen, er stand langsam auf und ging zur Tür.

»Sir, Sir, kommen Sie, Uncle Eddie hat gehört, wie die mit einem in ihrer Abteilung geredet haben, einem jungen Typen, ganz frisch reingekommen, die haben zu dem gesagt: ›Hey, willkommen im Loch.‹ Ich meine, Sir, wie würden Sie das finden, wenn Sie hier landen und sich gleich so zwei Typen an Ihren Arsch hängen, Sir?«

Der Chor folgte.

»Carson …« Daniel drehte sich zu Carson um, allmählich gingen ihm die Ideen aus.

»Das sind schwule Vergewaltiger, Sir. Die packen Sie zu zweit, schieben Ihnen oben und unten einen rein, die machen Schaschlik aus Ihnen.«

Wieder brüllte der ganze Raum. Heute Morgen war es besonders schlimm. Die Stimmung änderte sich täglich, aber heute war es ganz besonders schlimm. Egal wo im Gefängnis man sich befand, überall herrschte dieselbe Atmosphäre. Mit Ausnahme von Trakt Sechs.

Der Sechser war die Mühle. Der Friedhof. Die Abteilung für diejenigen, die vor den anderen Insassen geschützt werden mussten. Dort saßen alle möglichen Irren, Pädophile, Spitzel, geistig Zurückgebliebene und Junkies. Die Einsamsten, Verlorensten und Traurigsten in einer Welt der Verlorenen und Traurigen. Abgesehen von Trakt Sechs war es sonst überall im Gefängnis das Gleiche. Überall derselbe Mist, dieselben blöden Witze und dieselben Geschichten. Geschichten vom Krieg, von der Liebe, von Besäufnissen und Bullen, Drogen, Mord, Frauen, Mitgefühl, Tod, Partys und krummen Geschäften. Auch wenn’s heute schlimm war, es war längst nicht so schlimm, wie’s werden konnte. Daniel war seit fast drei Jahren hier und hatte in der Zeit einige Horrorgeschichten gehört.

Daniel drehte sich um und sah Carson freundlich an. Er war mehr oder weniger machtlos hier. Er hatte nicht die Autorität eines Wärters, und hätte er sie gehabt, wäre ihm das absurd vorgekommen. Leute anschreien, erwachsene Männer anbrüllen. Aber es gab hier eine ganz eigene Dynamik und das war die Schuld der...

Erscheint lt. Verlag 4.3.2024
Übersetzer Conny Lösch
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Aboriginal • Aborigines • Ausgrenzung • Australien • Drogenhandel • Freiheit • Gefangenschaft • Gefängnis • Gefängnisroman • Grenzen • Rassismus • Segregation • Selbstbestimmung • social justice novel • Westaustralien
ISBN-10 3-96054-341-7 / 3960543417
ISBN-13 978-3-96054-341-1 / 9783960543411
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