Jugendraub (eBook)

2. Weltkrieg: Erinnerung an eine Gefangenschaft in Russland

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
248 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-3241-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jugendraub -  Maik Harmsen
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1944. Berlin. Otto Schulz, 17 Jahre alt, wurde im Schnell-Kurs zum Kriegsknecht geschliffen. Dann musste er in den Krieg ziehen. Einige Wochen später nahm man ihn fest. Er kam nach Russland in ein Arbeitslager. Es folgte ein Trott mit harter Arbeit. Hunger. Kälte. Krankheit und Tod. Heimlich schrieb er für sich alles auf, was er da in den Jahren erlebte ...

Maik Harmsen wuchs in kargen Verhältnissen auf. Nichts fiel ihm in den Schoß. Daher waren die steinigen Wege seine hohe Schule des Lebens. Er liebt die Sonne, den Strand und das Meer.

- 1944 -


Einberufung zum Reichsarbeitsdienst


16. März 1944 in Berlin. Mit Mutter und Vater feierte ich heute den 17. Geburtstag. Sie schenkten mir 3 Hefte und Bleistifte. Da ich Tagebuch führte, freute mich das sehr. Dann sagte Vater, daß er in den Keller geht. Als er wieder kam, hatte er einen Koffer bei sich.

Er legte ihn auf den Tisch und sagte: «Den mein Junge, bekommst Du auch von mir. Es ist aber kein normaler Koffer, sondern er verbirgt ein Geheimnis und das zeig ich Dir jetzt.» Wie der auf war, kiekte ich rein und sah, daß er leer war. Dann sagte er: «So, äuge genau hin. Hier unten ist ein doppelter Boden, und den nehme ich jetzt raus. Siehst Du! Da ist genug Platz, um auch ein Buch zu verbergen. Das findet da nur einer, der das weiß. Gefällt er Dir?» Und der gefiel mir in der Tat. Vater schloß den Koffer und stellte ihn auf den Boden. In der Folge sprachen wir über das, was wichtig war.

Meine Lehre in der Landwirtschaft bestand ich mit sehr gut. Mutter und Vater freute das sehr. Ihre Sorge ist aber groß, daß man mich auch einzieht, wie die 2 Brüder von mir. Vater ist ein Gegner vom Krieg. Er sagt, daß Hitler den nie gewinnt. Was nicht möglich ist. Auf der Straße durfte er das nie sagen. Nur in der Familie blieb es geheim.

Der 17. Ich bin in Brügge. Der Abschied aus Berlin, und von den Eltern war herzlich, aber auch schmerzhaft. Wann ich sie das nächste Mal sehen werde, ist ungewiß.

Am Abend zog ich wieder in die kleine Stube ein. Ich freue mich auf die Arbeit hier, bei der ich mit ganzen Herzen da bei bin. Auch auf die Ausbildung in der Schule für Landwirtschaft in Oranienburg. Nach dem Abschluß versprach man mir in den «Neuen Ostgebieten», eine Stellung als Gutsinspektor. So sagte es mir Minister Darré, der für die Landwirtschaft zuständig ist. Ich hoffe, daß das nicht nur Propaganda von ihm ist. Er die Naivität von mir ausnutzt und den Traum von mir wie eine Seifenblase platzen lässt.

Der 21. Wir hatten in den letzten Tagen sehr viel Arbeit. Ich kam immer erst spät ins Zimmer und schrieb deshalb nichts auf. Heute kam ein Brief vom Hitlerjugend-Gau. Da fordert man mich auf, am Lehrgang zur Wehrertüchtigung in Kreibitz-Teichstadt im Sudetenland teilzunehmen. Der dauert 2 Wochen. Den Brief zeigte ich dem Lehrherrn. Der ist hier auch der Bürgermeister. Er freute sich darüber und besteht darauf, daß ich teilnehme. So bleibt mir nichts anderes übrig.

Der 5. April. Heute fuhr ich nach Kreibitz-Teichstadt. Mein Lehrherr brachte mich in der Früh an den Bahnhof. Am späten Nachmittag kam der Zug an. Zuerst wurden wir in «Feldgrau» gekleidet. Wie das erledigt war, zeigte man uns die Schlafbaracken. Das Schlafen in Sälen und auf Pritschen war ich gewohnt. So ist das auch bei Jungvolk und Hitlerjugendfahrten. Das Frühlingswetter läßt auf sich warten. Es ist raues, kaltes Wetter und oft regnet es auch mal heftig.

Der 6. Heute war Einkleidung und Eingewöhnung. Der Zug von uns hat zum Glück einen freundlichen Ausbilder. Der ließ uns gleich auf dem Boden herum kriechen. Am Nachmittag warfen wir Handgranaten auf Attrappen. Durch die alltägliche Leibesertüchtigung kann ich auch das Hitlerjugendleistungsabzeichen in Silber schaffen.

Der 19. Die letzten 13 Tage waren sehr hart und ich hatte keine Minute Zeit für die Einträge.

Es passierte nichts von Belang. Heute war der letzte Tag. Ich habe es geschafft und bekam das HJ-Leistungsabzeichen in Silber. Da freute ich mich sehr. So habe ich jetzt auch an meiner Braunhemdenbrust etwas zum Vorzeigen. In der Tat war der Ausbilder gnädig bei mir. Ich schaffte nämlich den Dreißigmeterballweitwurf nicht. Ich kam nicht über die 26 Meter hinaus. Die 2 Wochen in Kreibitz sind endlich rum. Morgen fahr ich nach Brügge zurück.

Der 20. Heute am frühen Abend kam ich auf dem Gutshof an. Mein Freund Werner war aber nicht da. Ich fragte den Lehrherrn. Er sagte mir, daß man ihn vor 3 Tagen zur Waffen-SS einzog. Er lernte auch hier. Hat Abitur und beschreitet so den Weg schneller nach oben. Ich habe keine Ahnung, ob wir uns jemals wiedersehen ...

5 Wochen später … Einen warmen Sommertag hatten wir heute. Bei dem Wetter war sehr viel zu machen. Es kam wieder ein Brief von der HJ-Leitung für mich an. Es ist eine Aufforderung zur Teilnahme an einer Wehrbefragung. Die findet in Pritzwalk statt. Mir bleibt keine andere Wahl als dahin zu gehen.

Der 21. Juni. Fahrt nach Pritzwalk. Ich kam dort später wie geplant an. Der Zug von uns ließ erst einen Militärtransport vorbeifahren. Dann fuhren wir erst los. Ich kam an einer Gastwirtschaft an. Vor der Tür postierten 2 SA-Männer. Ich zeigte ihnen die Einladung. Einer schloß die Tür auf und ließ mich durch die kleine Tür in den Saal.

Der Raum war voll und es gab keine Sitzplätze mehr. Viele Männer standen schon überall rum. Auf der Bühne sah ich einen langen Tisch. Der war mit Hakenkreuz- und Reichskriegsflagge dekoriert. Hinter ihm thronten Offiziere von Luftwaffe, Marine und Waffen-SS.

Ein Marineoffizier stand dahinter und hielt eine Rede. Ich hörte, wie er zu den Abiturienten sprach. Er wollte die für seinen «Verein» gewinnen. Dann liefen Marinesoldaten durch die Reihen und verteilten Zettel. Ich sah später, daß es Verpflichtungserklärungen waren.

Der nächste Redner war ein Major von der Luftwaffe. Der warb, daß technisch begabte und schon in der Flieger-HJ vorgebildete Männer - so wurden sie hier alle genannt - eine ausgezeichnete Ausbildung zum Piloten erhalten.

Der letzte Redner war ein Obersturmführer der Waffen-SS. Wortphrasen wie: «Alles ist, motorisiert ... beste Ausrüstung … gute Verpflegung», dröhnten durch den Raum. Er verschmierte verbal sehr viel Honig, so daß mir von seinem Gesabber übel wurde. Von den etwa 80 die zugegen waren, hatte - außer ein paar Behinderte - keiner den Saal verlassen, ohne sich «freiwillig» zu verpflichten.

Ich auch nicht. Ich bewarb mich für den Sanitätsdienst. Bei der «Feldscher-HJ» bekam ich ja schon ein bisschen Einblick, in das, was ein Sanitäter macht. Den Tag vergesse ich nicht so schnell. Er brachte mich dazu, über die Praktiken der Großkopferten im Reich nachzugrübeln.

Der 28. Eine Woche seit der Wehrbefragung traf der nächste Zustellungsbrief bei mir ein, die Einberufung zum Reichsarbeitsdienst. Die Ernte vom Heu ist jetzt in vollem Gange und die Kartoffeln werden eingeigelt. Mein Lehrherr schimpfte wie ein Rohrspatz, daß ich ausgerechnet jetzt den Hof verlasse. Trotz seiner Haltung zum Nationalsozialismus ärgerte er sich. Er tobte den ganzen Tag. Nur ist es nicht zu ändern.

Der 3. Juli. In der Früh nahm ich bei allem vom Hof Abschied. Mein Lehrherr fuhr mich zum Bahnhof. Ohne ein Mal Luft zu holen, schimpfte er die ganze Fahrt über. Der Abschied war freundlich. Und er freut sich auf das Wiedersehen. Ich auch, sagte ich ihm. Mit dem Zug fuhr ich nach Berlin. Ich brauche andere Kleidung. So konnte ich zu Hause schlafen. Vater und Mutter freuten sich sehr, wie ich kam. Den Tag verbrachten wir in aller Ruhe. Jetzt ist es kurz nach halb elf und ich gehe gleich ins Bett. Der Zug nach Werneuchen fährt morgen vom Wriezener Bahnhof ab. Vater bringt mich früh zum Bahnhof.

Der 4. Ich nahm Abschied von Mutter, mit Tränen in den Augen. Am Bahnhof kam auch der von Vater. Ich stieg ein und der Zug setzte sich in Bewegung. Wir winkten uns so lange zu, bis ich ihn nicht mehr sah.

In Werneuchen zeigte man uns gleich die Unterkunft. Ich war angenehm überrascht, als ich die sah. Nur 4 Männer auf der Stube. Bezogene Betten und Decken. Und die Verpflegung ist auch bestens. Die Begrüßung war am Nachmittag. Danach wurden die Utensilien gefasst: Ausgehuniform, Arbeitsanzug, Unterwäsche, Handtücher, Knobelbecher und der Spaten. Er ist das Wichtigste des Arbeitsmannes. Schmirgelpapier gab es auch.

Ich hatte das Pech und erhielt ein sehr stark verrostetes Exemplar. Nach Anweisung des Vormannes gelang es mir, den Rost zu entfernen. So war nach harter Arbeit, der Spaten bereit für den Appell. Vorn wurde dann noch ein 3 Zentimeter breiter Rand - Spiegel genannt - glänzend geschliffen.

Mit dem Spaten wird gearbeitet, exerziert und er wird behandelt, wie ein Gewehr. Als alle fertig waren, lernten wir noch die Kommando-Befehle: «Habt acht!» Da stellt man sich etwas breitbeinig hin und läßt ihn in der Körpermitte auf dem Boden stehen. «Achtung! Spaten fasst an!» Das ist der Befehl zum Präsentieren. Beim Marschierenheißt es: «Spaten über!»

Der 5. Die erste Arbeit war, das ausgraben von Gruben vor dem Hauptgebäude. Da setzen wir Eichenbäume ein.

Die nächste Aufgabe, die auf uns wartet, ist Schneisen zu schlagen. Der Wald ist von hier 5 km weit weg. Da werden dann mal Flugzeuge geparkt, wenn sie keinen Einsatz haben.

Da fahren wir mit dem Fahrrad hin. Jeder bekam so eins. Die haben einen geraden Lenker. Der wird, wenn man es abstellt abmontiert und mitgenommen. Ich bekam eins, an dem ist unter dem Lenker ein Behälter aus Metall...

Erscheint lt. Verlag 7.2.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Arbeitslager • Gefangenschafft • Karelien • Russland • Stellungskrieg
ISBN-10 3-7583-3241-9 / 3758332419
ISBN-13 978-3-7583-3241-8 / 9783758332418
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