Das Ruderboot (eBook)

Von der Liebe, dem Krieg und der Gerechtigkeit. Eine Erzählung aus der Zeit von 1936 bis 1949 in Deutschland.
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2024 | 1. Auflage
356 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-11981-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Ruderboot -  Martin Michelson
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Der junge Helmuth Bartels lernt während der Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin die Jüdin Miriam kennen. Es ist der Beginn einer großen Liebe, die von der zunehmenden Verfolgung der Juden im nationalsozialistischen Deutschland auf die Probe gestellt wird. Als Miriam ein Kind von Helmuth erwartet, heiraten die beiden illegal. Als Frontsoldat im Krieg versucht Helmuth während eines Heimaturlaubes, seine Frau und sein Kind vor der Deportation in die Schweiz in Sicherheit zu bringen. Dies ist der Beginn einer langen abenteuerlichen Reise des Protagonisten, die nur das eine Ziel hat, mit seiner geliebten Frau und Tochter wieder zusammen zu kommen.

Professor (emerit.) für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Darmstadt. Autor, Musiker und Komponist Veröffentlichte Bücher unter dem Namen 'Nils Frederikson': ?Der Fall Behrens ?Die Jagd auf Jan Behrens ?Der Verfall Webseite: www.martinmichelson.de

Beruflich: Professor (emerit.) für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Darmstadt. In dieser Eigenschaft regelmäßig Veröffentlichung von Fachliteratur. Privat mache ich Musik seit früher Jugend, spiele mehrere Instrumente und komponiere Vocal- und Instrumentalmusik. Daneben schreibe ich Bücher, von denen ich in den letzten Jahren veröffentlicht habe: Der Fall Behrens Die Jagd auf Jan Behrens Der Verfall Ich bin verheiratet, habe zwei erwachsene Kinder und drei Enkelkinder. l

1

An einem Nachmittag Anfang August 1936 verließ ich die Station Reichssportfeld der Berliner Stadtbahn und strebte inmitten einer großen Menschenmenge dem Olympiastadion zu.

Ich hatte tatsächlich noch eine Karte für die Leichtathletikwettkämpfe erwischt, auf einem ziemlich weit oben gelegenen Rang zwar, aber immerhin. Für die Sprintläufe hatte es leider nicht geklappt, aber auch heute bei den Weitsprungmeisterschaften würde ich den bereits jetzt schon zur Legende erklärten Jesse Owens sehen, einen amerikanischer Schwarzen, der seine weißen Herausforderer sportlich übertrumpfte.

Das Wetter war wechselhaft, wie meist in den zwei ersten Wochen des Augusts, aber es regnete nicht. Als die über 3000 Athleten am ersten Tag einmarschiert waren, so war es in der Wochenschau zu verfolgen gewesen, hoben fast alle vor dem Führer den Arm zum Deutschen Gruß. Dass der Führer den Gruß von Mussolini übernommen hatte, dieser wiederum einen alten römischen Gruß, der zu Beginn der olympischen Idee zum offiziellen olympischen Gruß erklärt wurde, wer wollte das schon so genau hören?

Auch ich war stolz. Endlich konnte Deutschland der Welt zeigen, dass es wieder wer war, dass es schöne und großartige Spiele ausrichten konnte und dass es friedlich war. Die Welt achtete und bewunderte uns. Schon seit Monaten waren die Angriffe auf die Juden zurückgegangen und ich war davon überzeugt, dass der Führer auch keine weiteren Ausschreitungen mehr dulden würde.

Ich fand schließlich meinen Platz in einer der oberen Reihen auf der Längsseite des Stadions. Das Stadion kam mir unermesslich groß vor. Rechts vor mir saß eine junge Frau in einfacher Kleidung, sie mochte so alt wie ich sein. Sie fiel mir sofort auf. Ich überlegte, ob ich den Platz tauschen und mich neben sie setzen sollte, innerhalb der Rangabteile bestand freie Platzwahl. Aber das kam mir dann doch zu aufdringlich vor.

Diese Überlegungen erübrigten sich, als drei Männer in braunen SA-Uniformen, anscheinend schon etwas angetrunken, sich rechts und links neben sie setzten. Ganz offensichtlich empfand sie das als unangenehm, aber was sollte sie machen?

Nach diversen weniger interessanten Wettkämpfen stand das Weitspringen an und hier würde der schwarze Jesse Owens antreten. Owens war populär, auch wenn das vielen in der olympischen Organisation und erst recht der Staatsführung nicht passte: Ein Schwarzer, der die weißen Kämpfer besiegte, vor allem die deutschen. Aber für die meisten von uns im Volk war er der Held der Olympischen Spiele.

An diesem Tag klappte es aber zunächst nicht richtig. Owens hatte zwei Fehlversuche und drohte disqualifiziert zu werden. Der deutsche Carl Ludwig Long, genannt Luz Long, der zu diesem Zeitpunkt schon den Olympiarekord aufgestellt hatte, gab ihm nun den Tipp, seine Absprungposition etwas hinter den Balken zu markieren. Owens flog durch die Luft und ließ Long hinter sich. Nach mehreren Sprüngen hatte er den Sieg erreicht, Long bekam Silber. Und Long war ein ganzer Sportsmann, er gratulierte Owens als erster.

Den SA-Typen vor mir gefiel das Ganze überhaupt nicht, sie grölten und schimpften über den Schwarzen. Ganz im Gegensatz zu der jungen Dame, die sich offensichtlich über den Sieg Owens’ freute und klatschte. Dies brachte die drei noch mehr in Rage. Sie beschimpften sie, einer rief: »Hier wird nicht geklatscht! Hast du nicht mitbekommen, dass ein Schwarzer unseren Mann besiegt hat? Und der Long gratuliert dem Kerl auch noch!«

In mir brodelte der Ärger über die drei ungehobelten Burschen. Als der eine die junge Frau jetzt auch noch von der Seite anstieß, reichte es mir.

Ich stand auf, drängte mich von hinten zwischen die Frau und einen der Kerle und sagte zu ihr: »Ich möchte Ihnen einen Platz neben mir anbieten, dort ist noch frei. Ich glaube, die Gesellschaft dieser Herren ist Ihnen nicht sehr angenehm.«

Sie sah mich überrascht an, nahm ihre Tasche vom Schoß und stand auf. Ich reichte ihr die Hand und führte sie auf den Platz neben mir, wo sie sich setzte.

Die drei SA-Männer hatten sich umgedreht und sahen mich wütend an. »Willst du dieses Flittchen ohne Nationalgefühl noch schützen?«, rief der eine.

Ich pflaumte zurück: »Der Führer wäre entsetzt, wenn er mitbekäme, wie ihr euch bei diesem großen deutschen Sportfest benehmt!«

Dieser Verweis auf den Führer wirkte. Tatsächlich war von höchster Seite im Radio und in den Zeitungen die Order ausgegeben worden, dass sich alle Deutschen gegenüber den Gästen freundlich und aufgeschlossen zu verhalten hatten. Mit Sicherheit war der Führer allerdings verärgert, dass Long nicht den Sieg errungen hatte.

Nach der Siegerehrung stand die junge Dame auf. »Ich muss jetzt gehen«, sagte sie. »Ich danke Ihnen für den Platz.«

»Ich gehe auch«, sagte ich sofort. »Gestatten Sie mir, dass ich Sie ein Stück begleite, wenigstens bis zur Haltestelle?«

Sie willigte ein und so gingen wir gemeinsam Richtung Station der Stadtbahn. Dort standen wir auf dem Bahnsteig, zumindest eine Teilstrecke mussten wir mit der gleichen Bahn fahren. Sie wohnte, wie sie mir sagte, in der Nähe des Savignyplatzes und würde am Bahnhof Zoo aussteigen. Für mich war das der Umsteigepunkt zur Bahn nach Steglitz. Während wir warteten, erschienen auf einmal die drei jungen SA-Männer. Sie umstellten uns.

»So, du hältst also zu dem Schwarzen«, sagte der eine mit schwerer Zunge zu meiner Begleiterin. »Könnte mir vorstellen, dass du eine Jüdin bist. Zeig deinen Ausweis!«

Ich stellte mich nah vor ihn und schaute ihm ins Gesicht. »Sie wird gar nichts zeigen. Und ihr lasst sie jetzt in Ruhe!« Es mag mein Blick gewesen sein, der ihn etwas zurückweichen ließ.

»Bist du etwa auch für den Schwarzen?«, fragte er fordernd, während sich die beiden anderen eher abwartend verhielten.

»Ich bin dafür, dass sich Deutschland vorbildlich der Welt präsentiert, so wie unser Führer es will.«

Längst waren die Zeiten vorbei, in denen sich SA-Männer einfach auf der Straße an Zivilisten vergehen konnten. Die SA hatte ihre Bedeutung verloren, die jüngeren Neuzugänge waren eher einfache Geister, die in den wichtigeren Organisationen des Systems keine Aufstiegschancen hatten. Pöbeleien waren unerwünscht, Schläger wurden schnell verhaftet. Besonders wenn sie getrunken hatten. Und insbesondere jetzt bei der Olympiade.

Immer noch machte ich mich auf eine Auseinandersetzung gefasst, aber er drehte sich schließlich weg und sagte zu den beiden anderen: »Wir gehen.«

Sie folgten ihm und verschwanden vom Bahnsteig. Offensichtlich wollten sie keine Bahn nehmen, sondern waren uns gefolgt.

Die Bahn Richtung Zoo lief ein und wir stiegen ein. Da wir die Wettkämpfe vorzeitig verlassen hatten, waren einzelne Sitzplätze frei und wir konnten uns gegenüber setzen.

»Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe«, sagte die junge Frau. »Das war sehr nett von Ihnen, aber auch nicht ungefährlich.«

»Das war doch selbstverständlich«, erwiderte ich. »Ich konnte doch nicht zulassen, dass diese Flegel Sie weiter belästigen.«

Sie schwieg und sah aus dem Fenster und auch ich vermied es, weiter über den Vorfall zu sprechen. Allerdings war ich zu schüchtern, ein richtiges Gespräch zu eröffnen, da ich das Gefühl hatte, dass sie das nicht wollte. So hatte ich Gelegenheit, sie unauffällig zu betrachten. Sie war hübsch, mochte etwa in meinem Alter sein, eine schlanke Figur, das ebenmäßige Gesicht umrahmt von dunkelblondem Haar. Ihr Gesichtsausdruck wirkte scheu. Ihre Kleidung war einfach und fast ärmlich, was im Kontrast zu ihrer gebildeten und kultivierten Ausstrahlung stand. Aber es waren die schönen Augen und dieser melancholische Blick, der mich in ihren Bann zog.

Als wir beide am Bahnhof Zoo ausstiegen, fasste ich mir ein Herz und fragte, ob ich sie in eins der Cafés rund um den Bahnhof Zoo einladen dürfe. Sie zögerte und sagte, dass sie nach Hause müsse.

»Bitte«, insistierte ich, »wir hatten doch Karten für die ganzen Nachmittagswettkämpfe. Und nun haben wir uns beide entschlossen, früher zu gehen.«

Sie kämpfte mit sich und schließlich willigte sie unter der Bedingung ein, dass es nicht länger als eine Stunde dauerte.

Wir betraten eines der Cafés am Savignyplatz und fanden einen Tisch in der Ecke.

»Entschuldigen Sie«, sagte ich, »dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Mein Name ist Helmuth Bartels. Ich wohne in Steglitz und habe jetzt noch genau zwei Wochen, bis ich meinen Arbeitsdienst antreten muss.«

»Ich heiße Miriam Lehnhard«, erwiderte sie. »Ich arbeite als Haushälterin und Kinderfrau bei...

Erscheint lt. Verlag 8.1.2024
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Flucht • Judenverfolgung • Krieg • Nachkriegszeit • Verbotene Liebe • Vergeltung
ISBN-10 3-384-11981-9 / 3384119819
ISBN-13 978-3-384-11981-0 / 9783384119810
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