Sonst wäre Wien nicht Wien -  Norbert Philipp

Sonst wäre Wien nicht Wien (eBook)

Menschen, die die Stadt prägten und formten
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
256 Seiten
Braumüller Verlag
978-3-99100-357-1 (ISBN)
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Wien wäre heute nicht das Wien, wenn diese Menschen nicht gewesen wären: die Befreier vom Kahlenberg, die Habsburger-Herrscher, die Bändiger der Donau, die Visionäre der Hochquellwasserleitung, die Mäzeninnen und Philanthropen des 19. Jahrhunderts, die Retter des Wienerwalds, die Verteidiger des Stadtbilds und die Grätzl-Heldinnen der Gegenwart. Ohne sie wäre Wien ärmer, hässlicher, grauer und lange nicht so lebenswert. Kluge Köpfe, mutige Herzen und gute Seelen haben Wien geprägt, geformt und vor Schlimmerem bewahrt. Der Donaukanal wäre eine Autobahn, die schönsten Kinos der Stadt wären Supermärkte, der Spittelberg ein Schandfleck, die Donauauen nicht Nationalpark, sondern Gstättn, die Weltstadt nur Provinz.

Norbert Philipp, geboren 1971 in Wels, studierte Germanistik und Sprachwissenschaft in Wien. Ein paar Jahre war er Werbetexter und ein paar Jahre mehr ist er schon Journalist und Redakteur bei der Tageszeitung Die Presse. Im Schaufenster-Magazin schreibt er regelmäßig über Architektur, Design, Kulturthemen und darüber, wie und wohin sich Städte entwickeln.

Norbert Philipp, geboren 1971 in Wels, studierte Germanistik und Sprachwissenschaft in Wien. Ein paar Jahre war er Werbetexter und ein paar Jahre mehr ist er schon Journalist und Redakteur bei der Tageszeitung Die Presse. Im Schaufenster-Magazin schreibt er regelmäßig über Architektur, Design, Kulturthemen und darüber, wie und wohin sich Städte entwickeln.

1.


Die Helden einer Großstadt


Auch wenn sie erst eine werden musste …


Da lässt man sich als Stadt viele Hundert Jahre Zeit, um zu wachsen und dann verändert ein einziger Tag, der 12. September 1683, fast alles. Kaum ein anderes Datum hat so nachhaltig in die Stadtgeschichte, in das Stadtbild und in die Erinnerungskultur Wiens eingeschlagen. Nachdem die osmanische Bedrohung der Vergangenheit angehörte, konnte sich die Stadt in Ruhe wandeln und ihre barocke Pracht entfalten. Endlich waren es sanfte, gestalterische Kräfte, die Wien verändern durften, nicht mehr brachiale, zerstörerische wie jene Feuer, die unter dem Beschuss der Osmanen ausbrachen. Endlich musste man nicht mehr fürchten, dass die Häuser, kaum gebaut, wieder zu Asche zerfallen. Oder sich der nächste Trupp osmanischer Soldaten durch die Gärten ackert, die man gerade so mühsam und symmetrisch vor dem eigenen Palais hatte anlegen lassen.

Ein Mann war es, der die Veränderung angestoßen hatte. Denn er hatte sein Entsatzheer vom Kahlenberg hinunter auf die Stadt zu gepeitscht: der polnische Feldherr und König Jan Sobieski III. Die Belagerer, die Osmanen, flüchteten, nachdem sie vernichtend geschlagen worden waren. Das Wien, das sie überstürzt zurückließen, bot danach einen schrecklichen Anblick. Vor den Stadttoren lag alles in Schutt und Asche. Die Häuser, die Kirchen, die Sommerschlösser des Adels – das Heer der Osmanen hatte nichts verschont. Ebenso wenig die „Favorita“, das Sommerschloss des Kaisers im Augarten. Oder ein anderes kleines Schlösschen, das erst seit Kurzem „Schönbrunn“ genannt wurde.

Wien im Jahr 1683; noch vor den Zerstörungen der Osmanen-Belagerung.

Nach 1683 entstand ein neues, selbstbewusstes Wien. Residenzstadt war Wien ja längst. Aber jetzt erst konnte die Stadt auch demonstrieren, dass sie es war. Der Hof konnte noch höfischer werden. Der Barock noch barocker. Der Adel konnte endlich unbesorgt seine Sommerpalais in die Landschaft rund um Wien streuen und unbeschwert durch seine Gärten lustwandeln. Zeit zu blühen, hatte die barocke Gartenkultur aufgrund der vielen Gefahren und Bedrohungen, die sich regelmäßig anbahnten, bis dahin ohnehin noch kaum gehabt. Jetzt aber wurden aus Trümmern neue Häuser und aus verbrannter Erde neue Gartenlandschaften.

Der Krieg jedoch sollte der Stadt noch lange in den Knochen stecken. Und so manche Kanonenkugel verbarg sich noch in den Häusern. Dann und wann holt auch noch heute ein Bagger ganz zufällig bei Bauarbeiten eine aus dem Wiener Boden. Doch in Wien selbst wurde es deutlich friedlicher. Die Schlacht war geschlagen. Prinz Eugen und andere Feldherren hielten die Feinde in sicherer Entfernung auf Distanz. Wien bekam endlich die Gelegenheit, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Die Stadt wuchs. Genauso wie das Habsburgerreich. Weit weg von Wien zückte Prinz Eugen das Schwert, kam nach Hause und widmete sich in Wien der Kunst, den Gärten, der Philosophie und den Entwürfen, die die Stararchitekten seiner Zeit, wie Johann Bernhard Fischer von Erlach und Lukas Hildebrandt, vor ihm ausbreiteten. Dazwischen vertrieb er sich die Zeit in der Privatmenagerie oder in der Bibliothek. Bis ihn die nächste blutige Pflicht wieder in die Ferne rief.

Endlich war nichts so unwichtig, dass man es nicht doch höfisch zelebrieren konnte: Das Hofzeremoniell, das Kaiser Leopold I. auch vor der Türkenbelagerung schon ernst genommen hatte, schien gleich noch zeremonieller auszufallen. Schließlich hatte der Kaiser auch Gegner, die man gar nicht in die Flucht schlagen konnte, weil sie ohnehin weit weg waren. Duellieren wollten sie sich trotzdem. In der eher absurden Disziplin „absolutistisch herrschen“. Wie der König Ludwig XIV. im fernen Frankreich. Der nahm sich ausgiebig Zeit für Extravaganzen und ein Leben in Schnörkeln. Und die Habsburger am Wiener Hof wollte da nicht nachstehen, endlich in Ruhe vor sich her prunken und sich um barocke Nebensächlichkeiten kümmern. Wie etwa schon beim Aufstehen nichts dem Zufall, dafür alles dem Protokoll zu überlassen. Opern komponieren, wie es Leopold I. gerne tat. Und danach den Eigenkompositionen zusehen, wie sie im prachtvollen Holz-Pop-up-Opernhaus vor der Hofburg uraufgeführt werden. Was für ein barockes Leben. Und Wien wurde der ideale Ort dafür.

Aber zunächst ging es um Blut, Ehre, Freiheit, Geopolitik und Religion: Um all das wurde gefochten vor den Stadtmauern Wiens. Weil sich die Osmanen eines in den Kopf gesetzt hatten: den „Goldenen Apfel“ einzunehmen. So hatten sie Wien genannt. Vielleicht war der Goldene Reichsapfel ein Grund dafür. Oder die Form der Kirchtürme, so mutmaßen manche Historiker heute. „Golden“ war Wien für die Osmanen in jedem Fall, allein weil die Stadt durch ihre Lage in Europa für sie so strategisch wertvoll war. Und fast hätten die Osmanen ihren begehrten „Apfel“ auch geschluckt. Es war denkbar knapp. Die Burgbastei war schon eine Ruine, ein gutes Stück war aus ihr bereits herausgebröckelt. Die Tausenden türkischen Mineure waren fleißig gewesen. Sie hatten sich an Wien herangesprengt. Tiefe Furchen zogen sich schon durch die Landschaft rund um die Stadt, deutlich ist das Geflecht ihrer Linien zu sehen auf Darstellungen jener Zeit, etwa auf den Zeichnungen von Daniel Suttinger. Es waren die Laufgräben, über die sich die osmanischen Soldaten an die Stadtmauern herantasteten. Doch gerade rechtzeitig kam da einer im Verborgenen den Kahlenberg hinaufgekeucht, der heute im Wiener Stadtgedächtnis so fest sitzt wie noch manche Kanonenkugeln von damals in der Hausmauer.

Die Truppen vor Wien. Gezeichnet von Moritz Bodenehr und Daniel Suttinger.

Die Entsatzschlacht von Wien in einer Darstellung des flämischen Malers Franz Geffels.

Jan Sobieski, PR-Genie in eigener Sache


Da wird man großspurig „Salvator“ genannt, und dann hängt der eigene Name erst recht nur über den Bratwürsteln. Doch der Würstlstand am Kahlenberg ist nicht der einzige Ort, der sich eines Namens bedient, der sich tief ins Wiener Stadtgedächtnis eingeprägt hat: „Sobieski“. Der Name eines polnischen Königs, der Wien auch entscheidend mitformte. Schon allein dadurch, dass er die Stadt befreite, von einigen Fesseln und sonstigen Zwangslagen. Mit anderen Worten: vom osmanischen Heer, das die Stadt eingekesselt hatte. Jan Sobieski führte das Entsatzheer an, das die Belagerer in die Flucht schlug. Mit solchen Taten verdiente man sich in der Wiener Geschichtsschreibung relativ schnell waghalsige Attribute à la „Retter des Abendlandes“. Ob das Abendland ohne ihn tatsächlich untergegangen wäre, bleibt weiterhin ungeklärt. Historiker meinen inzwischen aber längst, dass die Schlacht am Kahlenberg für das Abendland nicht ganz so entscheidend war, wie sich das so manche ideologisch Verirrte vielleicht wünschen würden. Nämlich jene, die Sobieski sogar stolz auf T-Shirts durch die Gegend tragen, auch das hat man schon gesehen. Als hätten die Rechtsradikalen endlich ein Pendant zu Che Guevara gefunden, das sie anhimmeln können.

Dafür kann Sobieski aber nichts. Wien wurde jedenfalls befreit. Zumindest von der Umklammerung der Osmanen und damit gleichzeitig von so manchen anderen Sorgen. Und das ist mit Sicherheit auch Sobieskis Verdienst. Für einige Mythen, Legenden und historisch recht unscharfe Erzählungen hat‘s jedenfalls gereicht. Kein Wunder, der Stoff war einfach zu gut. Und das Ereignis, das da im Jahr 1683 mit dem Namen verknüpft, war obendrein einfach zu einzigartig.

Der Plot geht ungefähr so: Ein polnischer König müht sich den Kahlenberg hinauf, der damals noch gar nicht der Kahlenberg war, sondern der Leopoldsberg, lässt das Entsatzheer die Weinberge hinunterstürmen und sitzt Stunden später als Gewinner im Zelt des Großwesirs. Dort staunt der siegreiche Feldherr nur so, wie prachtvoll sich sein Kontrahent für die Belagerung eingerichtet hatte. Und dann machte Sobieski das, was er vor und nach großen Ereignissen immer zu tun pflegte: Er schrieb einen Brief. Einen ausführlichen noch dazu, er nahm sich wie immer Zeit für Details und räumte auch allen, denen er sich dankbar gegenüber fühlte, reichlich Platz ein. Da stand an erster Stelle in jener Zeit natürlich Gott. Aber er vergaß auch nicht zu erwähnen, wie viel Dankbarkeit ihm selbst auf dem Weg nach Wien entgegengebracht worden war. All diese Briefe waren an seine Frau gerichtet, an seine „Marysienka“ – als „Briefe an die Königin“ wurden sie berühmt, nicht nur in der polnischen Literaturgeschichte. Und adressiert waren sie zwar an seine Frau, aber implizit auch an die ganze Welt. Das hat Sobieski selbst so verfügt: „Dieser Brief ist die beste Zeitung, aus welchem für die ganze Welt eine Zeitung zu machen befohlen werden soll“, teilte Jan Sobieski am 13. September 1683 mit, einen Tag nach der entscheidenden Schlacht gegen das...

Erscheint lt. Verlag 2.11.2023
Verlagsort Wien
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte Biografien • Geschichte • Grätzl • Habsburger • Hochquellwasserleitung • Jan • Josef • Julius • Kahlenberg • Lobau • Portraits • Porträts • Rotes • Sobieski • Tandler • Türkenbelagerung • Wien • Wienreihe
ISBN-10 3-99100-357-0 / 3991003570
ISBN-13 978-3-99100-357-1 / 9783991003571
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