Ein fast perfekter Mord -  Walter Fink

Ein fast perfekter Mord (eBook)

Ein Fall für Vera Fox

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
400 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-9435-5 (ISBN)
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Ein Fremder im Zug erzählt eine haarsträubende Geschichte. Rätselhafte anonyme Briefe tauchen auf. Und zu allem Überfluss halten auch familiäre Herausforderungen die Privatdetektivin Vera Fox und den befreundeten Schriftsteller Janosch Veyl in Atem. Werden sie es schaffen, einen alten Fall voller bizarrer Details aufzuklären und gleichzeitig ihr Privatleben unter Kontrolle zu behalten?

Walter Fink hat sich schon früh und mit voller Absicht als Leser in den Strudel der Bücherwelt hineinziehen lassen. Neben seinem Studium der Geografie und der Philosophie träumte er bereits von einem eigenen Buch. Seit der Veröffentlichung seines ersten Romans ist die Freude am Schreiben größer denn je - und sie wird ihn aller Voraussicht nach zu Lebzeiten nicht mehr verlassen. Bis dahin lebt, kocht und schreibt Walter Fink mit seinem Partner und zwei Vögeln (keine Finken) in Wiesbaden.

2


Haus von Agnes Fox, Hamburg

Samstag, 12. Februar 2022

»›Parken Sie einfach hinter den Leichenwagen‹ hat sie zu mir gesagt.« Agnes Fox schüttelte zum wiederholten Mal den Kopf. Vor ihr auf dem Küchentisch stand eine unberührte Porzellantasse voller Filterkaffee. Sie war angestoßen und der Aufdruck, irgendein sinnloser Spruch, war längst verblichen. Vera Fox erinnerte sich noch an die Tasse. Sie hatte bereits als Teenager ihren Kaffee daraus getrunken. Genau auf demselben Platz wie jetzt hatte sie immer gesessen. Sie war morgens aus ihrem Zimmer im ersten Stock heruntergekommen, meist verschlafen und später, als ihre Eltern es gutgeheißen hatten. Dann hatte sie die erste Tasse Kaffee des Tages und den Blick in den Garten genossen und war langsam wach geworden.

Sie wünschte sich, sie würde auch jetzt langsam wach werden. Einfach aufwachen und feststellen, dass alles nur ein böser Traum gewesen war: Der Anruf ihrer Mutter, während rings um sie der Schnee geräuschlos herabfiel und die Welt wie ein Leichentuch bedeckte.

Dein Vater ist tot.

Der brutale Satz in all seiner Einfachheit hatte alles zerstört. Die folgenden Tage waren wie in einem Nebel verschwunden. Fox wusste nicht mehr, wie sie nach Hause gekommen war. Sie war kurz darauf nach Hamburg gereist, das war Mitte Januar gewesen. Die Einäscherung ihres Vaters war ihr wie eine rein technische Angelegenheit vorgekommen. Mit der Schule hatte sie einmal ein altes Stahlwerk besucht. Der Fremdenführer hatte der Klasse damals die Funktionsweise des Hochofens und einer ganzen Reihe anderer, seltsamer Maschinen erklärt und die Schüler hatten unbeteiligt zugeschaut. So ähnlich hatte sie sich auch im Krematorium gefühlt. Sie sah zu, wie eine große, effiziente Maschine irgendetwas erledigte, das nichts mit ihr zu tun hatte und wartete darauf, dass sie wieder gehen durfte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Vater in dem Sarg gelegen hatte, der in den Ofen gefahren worden war. Das, was da verbrannt war, hatte nichts mit ihr zu tun gehabt. Sie musste zuschauen, weil das von ihr erwartet wurde.

Jetzt, hier am Küchentisch und fast einen Monat später, spürte sie den Verlust viel unmittelbarer. Ihre Mutter saß ihr gegenüber, wie früher, aber der Vater war nicht da. Das konnte sie begreifen.

»Sie sagte es ganz locker, als hätte ich nach dem Parkplatz für ein Restaurant gefragt!« Die empörte Stimme ihrer Mutter zwang Fox zurück in die Gegenwart.

»Die Bestatterin war jung, Mutter. Sie wird den richtigen Tonfall für solche Gelegenheiten schon noch lernen.«

»Also, ich würde ja wohl erwarten, dass Taktgefühl Teil ihrer Ausbildung gewesen ist.«

Fox drückte die Hände fester gegen die Kaffeetasse, die sie umklammert hielt. Ihr war kalt. »Solche praktischen Fragen gehören eben auch zu einer Beerdigung. Da kommt man nicht drumrum.«

Agnes Fox schüttelte wieder ungläubig den Kopf. »Aber das einfach so zu sagen…«

Fox atmete aus.

»Du brauchst gar nicht so genervt zu schnaufen. Du verstehst ja selbst nichts von Taktgefühl.«

Fox wurde noch etwas kälter. »Was willst du damit sagen?«

»Na, es ist doch so. Du bist schließlich auch damals einfach weggegangen, nach der Schule. Ohne an deine Eltern zu denken.«

»Du meinst, es wäre höflicher von mir gewesen, nicht meinen Berufswunsch zu verfolgen, sondern mein Leben stattdessen euch zu opfern?« Fox bekam diesen Vorwurf nicht zum ersten Mal zu hören, direkt oder indirekt. Sie war es leid.

»Höflicher, höflicher. Wer spricht denn von höflich? Rücksichtsvoll wäre es gewesen. Und du hättest ja auch hier in Hamburg zur Polizei gehen können, oder etwa nicht?« Agnes blickte Fox trotzig an.

»Das BKA sitzt aber nicht in Hamburg.«

»Natürlich. Für dich musste es wieder etwas Besonderes sein. Aber die wollten dich ja nicht und du bist trotzdem da unten in Wiesbaden geblieben. Und dein … dein Vater und ich blieben allein zurück.« Agnes Fox schniefte und tupfte sich die Augen mit einem durchweichten Papiertaschentuch ab, das sie aus ihrem Ärmel zog.

»Vielleicht hätte ich euch öfter besucht, wenn ich mir dabei nicht jedes Mal genau diese Vorwürfe anhören müsste«, gab Fox zurück. »Außerdem schien Vater mich nicht sehr zu vermissen. Jedes Mal, wenn ich hier war, hatte er auswärts zu tun«, fügte sie leise hinzu.

»Sprich nicht so über einen Toten«, sagte Agnes, aber sie klang nicht mehr vorwurfsvoll, sondern traurig. »Er war ein komplizierter Mensch. Und er hatte viele Enttäuschungen in seinem Leben.«

Ja, dachte Fox, und eine davon war ich.

Sie schwiegen und das einzige Geräusch, das zu hören war, war das Ticken der Standuhr aus dem Esszimmer. Das Tageslicht war von einem verwaschenen Grau und drang nicht weit in die Küche ein. Es schaffte es gerade so über die Fensterbank hinweg, auf der ein staubiger Kalender und einige Andenken standen. Seit Jahren hatte sie niemand mehr angesehen. Das Licht sickerte über den Küchentisch wie Tinte, die in ein Löschpapier gesogen wird. Der Rest des Raums lag im Dunkeln. Fox blickte in ihre Tasse. Auch darin war nur Dunkelheit. Schwarzer Kaffee oder ein schwarzes Loch, ihr war es gleich. Ein wenig schämte sie sich für den Gedanken, aber sie wollte einfach nur wieder nach Hause. Weg von den Vorwürfen und den Erwartungen, weg von der Vergangenheit und diesem furchtbaren Ziehen im Magen, das sie befiel, wenn sie über ihre Eltern nachdachte.

»Warum hältst du morgen keine Rede?«, fragte Agnes.

Fox sah ihre Mutter an. Sie war heute beim Frisör gewesen und hatte eine neue Dauerwelle machen lassen. Morgen bei der Beerdigung würde sie einen schwarzen Schleier in ihre Haare flechten. Ihr Gesicht war ungeschminkt und alt. Fox erschrak bei diesem Gedanken. Tränen hatten Bahnen darauf hinterlassen, aber das waren nicht die schlimmsten Spuren. Da waren noch andere, die länger gebraucht hatten, um sich einzugraben und die nicht wieder verschwinden würden.

»Ich möchte nicht«, sagte Fox schließlich.

Ihre Mutter schien gar nicht zuzuhören. Sie sah in den Garten hinaus. Vielleicht sah sie sich und ihren Mann, wie sie gemeinsam im Garten arbeiteten und miteinander scherzten. Nur, dass er das nie getan hatte. Fox wusste nicht, wofür sich ihr Vater wirklich interessiert hatte, aber Pflanzen hatten nicht dazugehört.

»Es sieht nicht nach Regen aus«, sagte Agnes.

Das war es also. »Es hat heute doch schon ein paar Mal geregnet. Es gibt bestimmt noch mehr.«

»Hauptsache, es regnet morgen nicht.« Ihre Mutter klang unerbittlich.

»Warum bist du so dagegen, dass sein letzter Wunsch erfüllt wird?«

»Weil er albern ist«, antwortete Agnes und sah Fox streng an. »Was soll denn das, ›Es soll während meiner Beerdigung regnen und davor mindestens zwei Tage lang geregnet haben‹? Kannst du mir das erklären? Hält der Mann mich für Petrus?«

»Petra«, sagte Fox leise und presste die Lippen zusammen. Wer sie nicht kannte, würde ihre Mimik nicht als Ansatz eines Lächelns erkennen. Des ersten, das sie heute zustande brachte.

»Wie bitte?«

»Ich weiß es auch nicht«, sagte Fox lauter, »aber müssen wir es denn verstehen? Reicht es nicht, dass er es sich wünscht?«

»Ach, plötzlich verteidigst du deinen Vater also?«

Fox schwieg. Sie wusste selbst nicht, warum sie in diesem Punkt eine gewisse Sympathie für ihn verspürte. Der Wunsch, der in seinem Testament stand, war so seltsam und abwegig. Er passte gar nicht zu ihrem Vater. Vielleicht gefiel Fox genau das daran.

»Nun, du hast es ja gehört.« Agnes Fox straffte die Schultern und wandte sich wieder ihrer Tochter zu. »Du parkst den Wagen morgen am Friedhof einfach hinter den Leichenwagen. Nach der Beerdigung fahren wir dann vor ins Café.«

Als der Kaffee in ihren Tassen längst kalt geworden war, sprach Fox’ Mutter wieder. »Ich glaube, ich würde dich gern einmal besuchen kommen, wenn das alles hier eine Weile her ist.« Ihre Augen glitzerten im milchigen Tageslicht.

Fox nickte.

Sie aßen nur etwas Brot und Käse zu Mittag. Keine von ihnen hatte Hunger und sie waren auch nicht in der Stimmung zu kochen. Nach dem Essen ging Fox hinauf in ihr altes Zimmer. Ihre Eltern hatten es ausgeräumt und als Fernsehzimmer eingerichtet. Sie war froh darüber. Es hätte sie nur deprimiert, wenn der Raum noch immer so ausgesehen hätte, wie in ihrer Jugend. Fox wusste, dass man sich vor manchen Gefühlen hüten musste und Besuche in der eigenen Vergangenheit waren gefährlich. Wärmesuchend rieb sie die Handflächen aneinander, trat ans Fenster und sah hinaus. Dieser Blick genügte schon, um ihr ein Engegefühl um die Brust zu erzeugen. Wie oft...

Erscheint lt. Verlag 5.1.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7583-9435-X / 375839435X
ISBN-13 978-3-7583-9435-5 / 9783758394355
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