Professor Zamorra 1295 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6191-8 (ISBN)
Das Grauen geht weiter:
Kalt spürte Zamorra die Klinge an der Kehle.
»Man hat immer eine Wahl«, sagte die Stimme hinter ihm. »Wofür entscheiden Sie sich?«
»Also gut«, würgte der Professor hervor. »Sie haben gewonnen. Ich mache keine Dummheiten mehr.«
»Sehr gut. Ich nehme Ihnen jetzt Ihr Amulett ab. Falls Sie es sich plötzlich anders überlegen und mich doch angreifen, bedenken Sie bitte drei Dinge. Erstens: Vielleicht können Sie mich töten, aber vorher würde es mir gelingen, Ihnen die Kehle durchzuschneiden. Und es wäre schade um den weißen Anzug.'
Der zweite und abschließende Teil um das Grauen von Wardenclyffe
Der Schattenwanderer
(2. Teil)
von Oliver Fröhlich
Kalt spürte Zamorra die Klinge an der Kehle.
»Also gut«, würgte der Professor ergeben hervor. »Sie haben gewonnen.«
»Sehr gut. Ich nehme Ihnen jetzt Ihr Amulett ab. Falls Sie es sich plötzlich anders überlegen und mich doch angreifen, bedenken Sie bitte drei Dinge. Erstens: Vielleicht können Sie mich töten, aber vorher würde es mir gelingen, Ihnen die Kehle durchzuschneiden. Und es wäre schade um den weißen Anzug. Das Blut bekäme man nie wieder heraus. Zweitens: Wer sagt Ihnen, dass mein Tod auch das Wesen in meinem Schatten vernichtet? Und drittens das Wichtigste: Mein Tod reicht nicht aus, um das Ende der Welt aufzuhalten.«
Zamorra fröstelte, als er die Worte hörte. Das Ende der Welt? War das nicht eine Nummer zu hoch gegriffen für das, was bisher geschehen war?
Als der Druck der Klinge ein wenig nachließ, versuchte er, die Sitzposition zu variieren, aber die Kabelbinder, mit denen seine Handgelenke an den Armlehnen des Stuhls fixiert waren, verhinderten das.
Der Professor hatte keine Ahnung, wo er sich befand. In einem Hotelzimmer, soweit er es beurteilen konnte, aber es lag im Halbdunkel, sodass er sich nicht sicher sein konnte. Auch wie sein Entführer ihn direkt aus dem Bett verschleppt und hierhergebracht hatte, wusste er nicht.
Mit anderen Worten: Nicole würde ihn hier kaum finden.
Der Mann, der hinter ihm stand, mit der Linken Zamorras Haare gepackt hielt und den Schädel so weit in den Nacken überstreckte, dass sich die Haut über dem Kehlkopf spannte, während er ihm mit der Rechten ein Messer an den Hals drückte, hatte sich als Jericho King vorgestellt.
Endlich ließ er wenigstens die Haare los. Ohne die Klinge völlig wegzunehmen, beugte sich King links an dem Professor vorbei und wand ihm das Amulett aus den Fingern. Dabei ging er vorsichtiger zu Werke, als es Zamorras Gegner üblicherweise taten.
Für einen Augenblick schien er unschlüssig, was er nun damit anstellen sollte, dann schob er es dem Professor unter das Gesäß. Warum auch immer gerade dorthin.
Natürlich konnte Zamorra es jederzeit rufen, und Jericho King wusste das. Schließlich hatte ihm der Entführer die Silberscheibe bereits in Ben Hendersons Gästezimmer abgenommen und auf dem Nachtkästchen zurückgelassen. Dementsprechend überrascht und ungehalten war King gewesen, als das Amulett plötzlich trotzdem in der Handfläche des Dämonenjägers erschienen war.
Vielleicht hätte sich der Professor die Klinge am Hals sogar erspart, hätte er Jericho King nicht sofort mit Merlins Stern angegriffen. King jedoch hatte der Attacke knapp entgehen können, indem er einen Schritt zurück in den Schatten getreten – und gleich darauf hinter Zamorra wieder aufgetaucht war.1
Würde der Professor das Amulett also erneut rufen, könnte er King damit noch weniger überraschen als beim ersten Mal.
Wie sollte es nun weitergehen?
»Ich habe Sie auf dem Foto gesehen«, sagte Zamorra.
»Auf welchem Foto?«
»Auf dem, das ich im Tesla Science Center entdeckt habe. Es zeigt Sie zusammen mit Nikola Tesla, seinem Geschäftsführer George Scherff und anderen Arbeitern. Es ist hundertzwanzig Jahre alt. Das macht Sie wie alt? Hundertvierzig? Hundertfünfzig?«
»Ich erinnere mich an den Tag, als es aufgenommen wurde. Das Bild existiert noch? Erstaunlich.« King machte eine kurze Pause. »Ich bin im Jahr 1880 geboren, falls es Sie interessiert. Oder 1881. So genau weiß ich es nicht mehr. Damals, vor meiner Bekanntschaft mit Mister Tesla, hatte ich es nicht so mit Zahlen. Wieso haben Sie sich das Foto angesehen? Wie sind Sie auf Wardenclyffe gekommen?«
Zamorra überlegte, wie viel er offenbaren sollte. Doch gab es überhaupt etwas, das King nicht längst wusste? Schließlich war er es, der für die Todesserie auf Long Island verantwortlich war. Aber solange sie sich unterhielten, brachte King ihn nicht um. Außerdem gewannen Nicole Duval und Ben Henderson dadurch mehr Zeit, den Meister des Übersinnlichen zu suchen. Das hieß, falls sie ihn überhaupt schon vermissten.
Natürlich hoffte Zamorra darüber hinaus, dass Kings Aufmerksamkeit irgendwann nachlassen würde. Dass er die Klinge vielleicht doch noch zurücknahm. Und vor allem, dass er ihn hypnotisch beeinflussen konnte. Dazu müsste King aber vor ihn treten und ihn ansehen.
»Sagt Ihnen der Name Ben Henderson etwas?«, fragte der Professor.
»Nein. Wer ist das?«
»Ein Polizist hier auf Long Island. Er bat einen Freund von mir, Kontakt mit mir aufzunehmen. Über die Serie von Toten, die wie Greise aussahen, obwohl ihr tatsächliches Alter zwischen zwanzig und fünfzig lag, brauche ich Ihnen nichts zu erzählen, denke ich mal. Darüber wissen Sie bestens Bescheid, nicht wahr?«
Jericho King schwieg.
»Die Todesfälle ließen Ben Henderson keine Ruhe«, fuhr Zamorra fort. »Da laut Rechtsmedizin keiner der Toten durch Gewalteinwirkung, sondern an Altersschwäche starb, hält Bens Vorgesetzter die Polizei für nicht zuständig.«
Wobei man natürlich trefflich darüber streiten konnte, ob es sich nicht doch um Gewalteinwirkung handelte, wenn jemand einen anderen rapide altern ließ.
»Er sieht darin Fälle für Ärzte und Wissenschaftler, aber nicht für die Ordnungshüter. Also hat mich Ben inoffiziell und ohne das Wissen seines Chefs angefordert.«
»Weil Sie sich mit derlei Dingen auskennen«, sagte King. Es klang eher nach einer Feststellung als nach einer Frage. »Mit Menschen, denen die Lebensenergie entzogen wird.«
»So ist es.«
Wieder stiegen unschöne Erinnerungen in Zamorra hoch. An die Gosh-Dämonen, die Zeitsäufer, mit denen er es einst zu tun bekommen hatte und die sich von der Lebenszeit ihrer Opfer ernährten. Und vor allem an den Augenblick, als vor etlichen Jahren die Quelle des Lebens zu versagen gedroht und die geliehene Energie von ihm und den restlichen Unsterblichen zurückgeholt hatte. Innerhalb von Sekunden war Zamorras Körper gealtert, bis er sein tatsächliches Alter von damals beinahe siebzig Jahren erreicht hatte.
Eine Erfahrung, die er nicht unbedingt noch einmal machen wollte, und die ihn vor wenigen Stunden in eine irrationale Panik hatte verfallen lassen. Da nämlich war er Jericho King zum ersten Mal begegnet und hatte das gefühlt, was wohl auch die Opfer der aktuellen Todesserie zuletzt gefühlt hatten: wie ihm das Leben aus dem Körper rann und er nichts dagegen tun konnte.
»Gut«, sagte King. Was immer er damit meinen mochte. »Das erklärt aber noch nicht, wie Sie die Spur nach Wardenclyffe und zu mir gefunden haben.«
»Ein Freund hat für mich recherchiert, ob es in der Vergangenheit vergleichbare Fälle gab. Er ist fündig geworden. Vor langer Zeit kam es auf einer Farm in der Nähe der Experimentalstation von Nikola Tesla in Wardenclyffe zu ähnlichen Ereignissen.«
»Ich weiß.« Jericho King seufzte. »Mister Wilson und seine Familie.«
»Möchten Sie mir davon erzählen?«
»Darüber denke ich noch nach.«
»Ich würde die Geschichte gern hören.« Zamorra ahnte, dass das lange Leben King einsam gemacht hatte. Deshalb hatte er von seinen Freunden gesprochen – und gaukelte King nun vor, selbst einer zu sein. »Jedenfalls erschien damals ein Zeitungsartikel, der die Toten mit den Experimenten in Wardenclyffe in Verbindung brachte. Also haben wir uns dort umgesehen. Das Laborgebäude existiert auch heute noch. Mittlerweile befindet sich auf dem Gelände das Tesla Science Center. Dort haben wir das Foto von Ihnen entdeckt. Sie haben sich gut gehalten, wenn Sie mir die Bemerkung erlauben. Nur schade, dass Sie dafür Menschen die Lebensenergie rauben müssen.«
»Sie haben ja keine Ahnung«, entgegnete King.
Zamorra konnte nicht beurteilen, ob er das sarkastisch oder ernst meinte – oder ob sich King gar über ihn lustig machte.
»Und wie haben Sie mich in der Einkaufsmeile gefunden?«, erkundigte sich der Entführer.
»Sie sprechen von der Selden Plaza? Verletzt es Ihre Gefühle, wenn ich Ihnen verrate, dass ich gar nicht nach Ihnen gesucht habe?«
»Tut es nicht. Also wie?«
Erneut zögerte Zamorra und entschied sich dann für die Wahrheit. »Mit meinem Amulett. Bei den ersten fünf Opfern suchten wir nach einer Gemeinsamkeit, nach etwas, das erklärte, warum Sie ausgerechnet diese Menschen ausgewählt haben. Das letzte, das sechste jedoch, ein Mann namens Stanley Petrocelli, ist erst gestorben, als wir schon auf Long Island waren. Das Amulett erlaubte es mir ... nun, seine letzten Stunden nachzuvollziehen. So fanden wir heraus, dass in einem Café in der Selden Plaza eine Art Parasit in Petrocellis Schatten eingedrungen ist. Wie ein Fragment eines anderen Schattens.
Mehr noch, wir stellten fest, dass auch die restlichen Opfer kurz vor ihrem Tod in Läden der Selden Plaza waren. Leider in verschiedenen...
Erscheint lt. Verlag | 13.1.2024 |
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Reihe/Serie | Professor Zamorra |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror | |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • Deutsch • eBook • eBooks • Extrem • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • Lovecraft • Männer • Neuerscheinung • Neuerscheinungen • Paranomal • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Top • Walking Dead |
ISBN-10 | 3-7517-6191-8 / 3751761918 |
ISBN-13 | 978-3-7517-6191-8 / 9783751761918 |
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