Lassiter 2688 (eBook)

Zwei ohne Gesetz
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6232-8 (ISBN)

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Lassiter 2688 - Marthy J. Cannary
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Peitschender Schneeregen verschlang die beiden Männer vor ihm, die sich von ihm losgemacht hatten und den Gletscher allein hinaufstiegen. Sie trugen die Zeltplanen, die Pflöcke, das Kochgeschirr und die Wechselkleider, die sie oberhalb des Eisbruchs brauchen würden. Der Proviant und die Schlafdecken dagegen waren bei Roscoe geblieben. Sie wogen wegen der Nässe doppelt so viel.
Der Texaner brach im Schnee zusammen und rang um Luft.
Sie bestiegen den vierzehntausend Fuß hohen Death Peak. An der Nordflanke des Berges stellten sich bedrohliche Schneefahnen auf, Sturmböen fauchten grimmig. Die Baker-Brüder zahlten Roscoe gutes Honorar. Sie würden ihn zurücklassen, sowie er zwischen ihnen und dem Gipfel stand.
'Roscoe!', brüllte einer der Brüder zu ihm herunter. 'Nun spute dich endlich!'


Zwei
ohne Gesetz

von Marthy J. Cannary

Peitschender Schneeregen verschlang die beiden Männer vor ihm, die sich von ihm losgemacht hatten und den Gletscher allein hinaufstiegen. Sie trugen die Zeltplanen, die Pflöcke, das Kochgeschirr und die Wechselkleider, die sie oberhalb des Eisbruchs brauchen würden. Der Proviant und die Schlafdecken dagegen waren bei Roscoe geblieben. Sie wogen wegen der Nässe doppelt so viel.

Der Texaner brach im Schnee zusammen und rang um Luft.

Sie bestiegen den vierzehntausend Fuß hohen Death Peak. An der Nordflanke des Berges stellten sich bedrohliche Schneefahnen auf, Sturmböen fauchten grimmig. Die Baker-Brüder zahlten Roscoe gutes Honorar. Sie würden ihn zurücklassen, sowie er zwischen ihnen und dem Gipfel stand.

»Roscoe!«, brüllte einer der Brüder zu ihm herunter. »Nun spute dich endlich!«

Die Männer ohne Gesetz hießen Chas und Morris Baker, stammten aus Logan, Indiana, und hatten Roscoe in Tilestone angeheuert. Sie waren mit einer Entourage aus zehn Abgesandten der National Alpine Society erschienen, hatten sich im vornehmen Empire Hotel eingemietet und sich Expeditionsausrüstung aus Granby schicken lassen. Die Gesandtschaft gab stündlich Telegramme nach New York und Washington, D.C., durch, die über die Erstbesteigung des Death Peak unterrichteten.

Die bevorzugte Wahl der Baker-Brüder war Roscoe nicht.

Sie hatten nach einem kräftigen und wohlgestalten Träger gesucht, der dem Gipfeltriumph würdig war, den zu erringen man im Begriff war. Die Expedition sollte den Titelseiten des National Republican und des Sunday Herald jene dramatischen Reportagen liefern, deren Lektüre eine ganze Nation zu erbauen vermochte und den Bakers Anerkennung bis in den letzten Winkel des Landes sichern würde. Sie hatten einen Mann gesucht, der ein Ebenbild ihrer selbst war.

Allein Roscoe hatte in Tilestone jedoch ausreichend Erfahrung besessen.

Er war mit der Hayden-Expedition auf zwei anderen Vierzehntausendern gewesen, hatte dabei ein ganzes Heer von Trägern kommandiert, die wissenschaftliches Gerät, Vermessungshilfen und Ortungsapparate auf die Gipfel gebracht hatten. Er hatte in Diensten von Männern wie Henry W. Stuckle gestanden, dessen Erstbesteigung des Mount Elbert Aufsehen erregt hatte, und er hatte den Eisbruch des Gilchrist-Gletschers am Death Peak bereits durchquert.

»Vorwärts, vorwärts!«, schrie Chas von der Eiswand herunter. Er klatschte laut in die Fellhandschuhe. »Keine Müdigkeit vorschützen!«

Der ältere Baker-Bruder war eitel und unbarmherzig, hatte sich selbst die Toilettenartikel ins Zelt bringen lassen und mit seiner Launenhaftigkeit die Mitglieder der National Alpine Society vergrämt, die dem Brüderpaar aufgrund ihrer jüngsten Erfolge durchaus gewogen gewesen war. Er hatte das Zimmermädchen im Empire Hotel schikaniert, indem er es unablässig aufgefordert hatte, ihm sämtliche Gipfel in den Rocky Mountains aufzuzählen, die höher als vierzehntausend Fuß waren.

Der jüngere Morris dagegen war von genügsamer Natur.

Er hegte die Extravaganzen seines Bruders ein, bat um Verzeihung, sobald Chas über die Stränge schlug, und hatte besagtem Zimmermädchen, als diesen wegen Chas' Gemeinheiten geschluchzt hatte, einen ganzen Dollar Trinkgeld zugesteckt. Für die Gesandtschaft der National Alpine Society hatte er am Abend vor dem Aufbruch einen Empfang gegeben.

»Ich... ich bin erschöpft!«, rief Roscoe zurück und stemmte einen Arm gegen die Felswand. Er blickte in die Gletscherspalte hinunter, die neben seinen Stiefelspuren klaffte. »Ich muss rasten. Ich muss eine Weile ausruhen.«

Das Haupt von Morris erschien neben dem seines Bruders, und eine Zeitlang wurde kein Wort gewechselt. Roscoe schmerzten die Füße, und als er die Stiefel abstreifte und die feuchten Wollsocken rieb, schlug ihm auch noch Wundgestank entgegen. Er zog den rechten Wollstrumpf aus und stellte fest, dass ihm ein Ledernagel die Sohle aufgerissen hatte, die schon seit Tagen entzündet war.

»Was trödelst du dort unten herum?«, schrie Chas ihm zu und schwenkte den Arm, als müsste er befürchten, dass Roscoe ihn nicht bemerkte. »Schnall dir das verdammte Bündel auf den Buckel! Komm rauf und halte Schritt, Faulpelz!« Er schob eine Beleidigung nach, die Roscoe bis ins Mark traf. »Hätten wir bloß den Langen genommen! Hatte bestimmt mehr Puste als du!«

Der Lange, von dem Chas sprach, war Eugene Nelson, der sich um jede Anstellung prügelte, ob er ihr gerecht wurde oder nicht. Vor zwei Wochen hatte sich Eugene einer Gesellschaft aus Idaho angeschlossen, die auf den Mount Wilson gewollt hatte, und das Ende vom Lied war gewesen, dass er nach vier Meilen Aufstieg zusammengebrochen war und die Seilschaft den Gipfel aufgegeben hatte. Er lief mitunter für einen halben Dollar den Tag und verdarb anderen die Löhne.

»Keine Meile wäret ihr hochgekommen!«, brummte Chas und zog sich den Wollstumpf wieder über die Zehen. Der Eiter hing in den Garnfäden. »Nicht einmal fünfzig Yards hätte es Eugene mit der Last geschafft! Redet nicht so geschwollen daher!«

Die entrüstete Rechtfertigung kam ihm so leise über die Lippen, dass die Brüder nichts davon mitbekamen und bereits wieder über das Eis berieten, als Roscoe das Proviantbündel auf die Schultern nahm. Er geriet ins Taumeln, stützte sich an der Wand ab und bückte sich nach den zusammengebundenen Schlafdecken. Er hob die Decken mit dem rechten Arm hoch, hielt mit der anderen Hand die Essensvorräte und knickte mit dem linken Knöchel den Stiefelschaft um.

Als Roscoe das Malheur beheben wollte, geschah das Unglück.

Er sah das wasserblaue Eis in der Gletscherspalte auf sich zurasen, spürte zugleich, wie ihm die Stiefel wegrutschten, und stürzte mit dem Kopf voran in den Abgrund. Er rieb mit dem Arm am Eis entlang, spreizte die Beine, um sich mit den Schuhen zu verkeilen, und schlitterte dennoch immer tiefer in die Spalte hinunter. Es kam ihm wie Minuten vor, die er der Tiefe entgegenraste, und doch waren es höchstens Sekundenbruchteile, in denen sich sein Absturz vollzog.

Er brüllte vor Entsetzen, starrte in die Schwärze des Gletschers, grub die Fingernägel in den stählernen Eiswall, der ihn, Roscoe F. Jacobs, fünfunddreißig Jahre alt, geboren in Benton, Maine, in die Tiefe geleitete. Er fiel – wie der Sunday Herald einige Wochen darauf mathematisch genau vermeldete – knappe siebenunddreißig Yard, ehe ihm ein hervorstehender Eisdorn das Genick brach, als wäre es aus Porzellan.

Der Sekretär der National Alpine Society hatte die Einladung mit dem Vermerk versehen lassen, dass eine Gelegenheit wie die oben bezeichnete nicht wiederkehren werde und man daher jedes Mitglied dringlichst auffordere, am Sonntag um acht Uhr in der Metropolitan Hall, Franklin Street, zu erscheinen und den Vorträgen zu lauschen, die an diesem Abend anstünden. Der Bitte des Sekretärs hatten fast vierhundert Männer Folge geleistet, die sich um das opulent ausgestattete Büffet im Saal drängten.

»Noch mehr Trüffel!«, rief der Vorsitzende Walther McCullough den Bediensteten zu, die sich in ihren Livreen durch die Gäste drängten und bereits geleerte Teller gegen gefüllte Platten austauschten. »An diesem glorreichen Abend soll es an uns nichts fehlen! Beeilung! Beeilung, bitte!«

Der aufwendige Abendempfang war zu Ehren zweier Männer ausgerichtet worden, deren Aufopferungsbereitschaft in den letzten Wochen das Stadtgespräch gewesen war und der National Alpine Society, mithin also dem größten Alpinistenverein Amerikas, zu erheblicher Prominenz verholfen hatte. Auf den Straßen, in den Cafés und Tavernen, war von der Eroberung des Westens, die bald vollzogen sei, von den Gipfeln der Rocky Mountains, die man im Sturm nehmen werde, und vom Mut eines Geschlechts, das in der Geschichte der Menschheit seinesgleichen suche, zu hören gewesen.

Den Mann der Brigade Sieben hatten die vermeintlichen Heldentaten wenig beeindruckt.

Er hatte von der gescheiterten Besteigung des Death Peak in Colorado gelesen, von den Entbehrungen, unter denen die Baker-Brüder gelitten hätten, und von ihrem Lastenträger, der im Eisfeld des Gletschers abgestürzt war. Er begriff nicht, dass eine angesehene Alpinistengesellschaft zwei Männer ehrte, die einen anderen im Stich gelassen und obendrein mit ihrem Vorhaben gescheitert waren.

»Leichenbittermiene«, sagte Roy Quinn und schnippte mit den Fingern. »Nach diesem Worte hatte ich gesucht, Mr. Lassiter. Sie ziehen eine Leichenbittermiene, die diesem Anlass nicht angemessen ist.« Er zog ein Hummerbein auf seinen Teller und legte zwei geröstete Lammstreifen dazu. »Sie verraten uns noch mit Ihrer üblen Laune.«

Quinn war einer der Mittelsmänner, die zu den Mitgliedern der National Alpine Society zählten und regelmäßig ans Hauptquartier Bericht erstatteten. Er hatte Lassiter auf seine Gästeliste genommen und zu diesem unseligen Empfang geschleppt, der sich umso zäher anfühlte,...

Erscheint lt. Verlag 20.1.2024
Reihe/Serie Lassiter
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • Abenteurer • alfred-bekker • Bestseller • bud-spencer • buffalo-bill • Cassidy • Chaco • clint-eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • erotisch • Erwachsene • erwachsene Romantik • Exklusiv • für • g-f • GF • g f barner • g f unger • Indianer • jack-slade • Karl May • kelter-verlag • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • lucky-luke • Männer • martin-wachter • Nackt • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • Sexy • sonder-edition • Unger • Western • Western-Erotik • Western-roman • Wilder Westen • Wilder-Westen • Winnetou • Wyatt Earp • Wyatt-Earp
ISBN-10 3-7517-6232-9 / 3751762329
ISBN-13 978-3-7517-6232-8 / 9783751762328
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