Im Schatten des Thronfolgers -  Christine Neumeyer

Im Schatten des Thronfolgers (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
290 Seiten
Picus (Verlag)
978-3-7117-5508-7 (ISBN)
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Mit dem Schloss Artstetten haben sich Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau Sophie einen schönen Landsitz mit großzügigen Gärten geschaffen. Auch eine Familiengruft soll gebaut werden - doch im Zuge dieser Bauarbeiten kommt es zu einem grausigen Fund. Polizeiagent Pospischil und sein Assistent Frisch werden aus Wien zum Tatort gerufen, und bald schon wird klar, dass Kammermeister Baron von Wald eigenmächtig Gartenjagden für Adelige veranstaltet: Die Gejagten sind Bauernmädchen aus der Umgebung und die adeligen Herren werden vom Baron in Folge mit eindeutigen Fotos erpresst. Als dann auch noch die Leiche eines Mädchens gefunden wird, das seine Teilnahme an der Jagd verweigert hat, erhält der ursprüngliche Mordfall noch weitere Dimensionen, und Pospischil bringt die aparte Pfarrersköchin gewaltig in Versuchung ...

Christine Neumeyer, 1965 in Wien geboren, ist Schriftstellerin und Organisationsassistentin der Universität Wien. Im Netzwerk der Mörderischen Schwestern verwirklicht sie seit 2017 gemeinsam mit österreichischen Autorinnen Projekte zur Förderung der von Frauen geschriebenen Kriminalliteratur. Sie schreibt und veröffentlicht seit vielen Jahren historische Romane und Kriminalromane sowie Kurzgeschichten. Zuletzt erschien im Picus Verlag »Der Kuss des Kaisers« (2023).

Christine Neumeyer, 1965 in Wien geboren, ist Schriftstellerin und Organisationsassistentin der Universität Wien. Im Netzwerk der Mörderischen Schwestern verwirklicht sie seit 2017 gemeinsam mit österreichischen Autorinnen Projekte zur Förderung der von Frauen geschriebenen Kriminalliteratur. Sie schreibt und veröffentlicht seit vielen Jahren historische Romane und Kriminalromane sowie Kurzgeschichten. Zuletzt erschien im Picus Verlag »Der Kuss des Kaisers« (2023).

Kapitel 1


Montag, 26. April 1909, Wien

Baron Adolf von Wald nahm den weiten Weg mit der Eisenbahn aus Pöchlarn nahe Artstetten auf sich, weil sich die Geschäfte in der Regel lohnten, die er in der Reichshauptstadt anzubahnen pflegte. Außerdem gab es nur in Wien die Sorte seiner heiß geliebten Havanna-Zigarren, ohne die er es, ähnlich wie der Kaiser Höchstselbst, keinen Tag lang aushalten konnte. Nachdenklich blickte er über die im hellen Sonnenschein vorbeifliegenden Wiesen und Äcker. Seit Jahren diente er auf dem Sommerschloss im Nibelungengau als Kammermeister Seiner Kaiserlichen Hoheit, dem Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand. Zuvor war sein Vater bei Erzherzog Karl Ludwig im Dienst gestanden. Er selbst war dessen Sohn mittlerweile recht nahegekommen, vor allem, weil er sich für die äußerst ehrenhafte Wartung seiner Jagdwaffen zuständig fühlte. Von Wald seufzte. Längst wäre es an der Zeit, eine Sprosse in der gesellschaftlichen Hierarchie emporzusteigen. Er dachte an den Titel eines Grafen. Heutzutage wurde jeder Beamte des höheren Dienstes, hatte er nur lange genug in den Amtsstuben gebuckelt, in wenigen formalen Schritten zu einem edlen Herrn von und zu. Eine simple schriftliche Beantragung genügte und der Prozess der Nobilitierung setzte sich in Gange. »Ha! Ha!« Adolf von Wald lachte höhnisch. Den abschätzigen Blick des ihm gegenübersitzenden Herrn ignorierte er vornehm. Bald würde es in der Monarchie mehr Adelige als Bürgerliche geben. Die Zivilisten in den Ministerien ersaßen sich die Adelung mit runden Rücken, die Offiziere der k. u. k. Armee erkämpften sie sich wenigstens stehend von Manöver zu Manöver. Er sah sich irgendwo dazwischen. Als Kammermeister kümmerte er sich immerhin um das Wohlergehen des künftigen Kaisers. Wie man munkelte, würde das Schloss Artstetten nach dem Tod des Onkels eine bedeutende Rolle im Zentrum der Macht übernehmen. Neben Wien natürlich. Darin sah er seine Chance. Trotz alledem musste er immer öfter Demütigungen durch den Gutsverwalter Franz Hahn ertragen. Unglaublich, wie der Mann aus einfachen Verhältnissen zu einer derartigen Position gekommen war! Sämtliche seiner Ausgaben wollte der unverschämte Kerl prüfen. Es fehlte noch, und der Kaiser beförderte auch ihn zu einem edlen Herrn von und zu. Die Monarchie hatte bei Gott bessere Leute verdient! Was blieb ihm übrig, als seine persönliche Weiterentwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Hätte Erzherzog Franz Ferdinand die besonderen Fähigkeiten seines Kammermeisters nicht derart träge zur Kenntnis genommen, als wäre alles eine Selbstverständlichkeit, wäre er nicht zu außergewöhnlichen Maßnahmen gezwungen gewesen. Kurz vor der Stadtgrenze nahm von Wald einen tiefen Zug von der Havanna und blies ihn seinem Gegenüber ins Gesicht.

Nachdem er am Wiener Westbahnhof in eine Droschke gestiegen war, ging er im Geiste die wöchentlich erscheinende Liste in der Österreichischen Zeitschrift für Verwaltung durch. Die Namen der geadelten Offiziere interessierten ihn wenig. Die vom Militär waren zu misstrauisch und würden nur Ärger bereiten. Allein auf die dienenden Beamten der Verwaltung hatte er es abgesehen. Das ob der mangelnden Bewegung in frischer Luft geschwächte Hirn machte weich und anfällig für Schmeicheleien. In dieser Woche war sein Auserwählter ein gewisser Herr Stanislaus Freudenthal aus Schlesien. Bis vor Kurzem war der Herr Rechtsanwalt im k. k. Handelsministerium für die Kooperation der Geschäfte zwischen den einzelnen Kronländern zuständig gewesen. Eine durchaus wichtige Aufgabe für einen Bürgerlichen, musste der Baron sich eingestehen. Seine Majestät von Gottes Gnaden hatte dem braven Staatsdiener den Antrag zur Verleihung des Titels eines Edlen von und zu umgehend nach der Pensionierung genehmigt. Na, das wird den Herrn Stanislaus eine saftige Gebühr für die Stempelmarken gekostet haben, amüsierte sich von Wald. Der Edle kostet was extra. Brieflich hatte er sich bereits vor Tagen in der Wickenburggasse in der Josefstadt nahe dem Gerichtsgebäude zu einem Gespräch angeboten und war sogleich von Freudenthal eingeladen worden. Von Wald grinste. Durch seine breit gestreuten Beziehungen war es ein Leichtes, die Adressen seiner künftigen Geschäftspartner auszukundschaften. Er schnippte den Zigarrenstummel mit Schwung aus dem halb geöffneten Fenster. Der Geruch nach Pferdemist stieg unangenehm scharf in seine Nase. Mit dem Ellenbogen schob er lässig das Fenster hinauf, lehnte sich zurück und brachte sich die eingeholten Informationen für das in Kürze stattfindende Gespräch in Erinnerung. Hofrat und Rechtsanwalt Stanislaus Edler von Freudenthal war seit Jahren verwitwet und Vater eines erwachsenen Sohnes mit krankhafter Spielleidenschaft. Einen besseren Kandidaten konnte es nicht geben. Der Mann hatte wenig zu verlieren, abgesehen von seiner Ehre, und noch weniger zu vererben. Das gesamte Familienvermögen floss dank seines einzigen Nachkommens in die Spielhöhlen der Kronländer. Da war die Adelung, die den Kaiser nebenbei nichts kostete, zur rechten Zeit gekommen. Mit der Nobilitierung öffneten sich Türen, die einem Bürgerlichen, selbst mit bester Bildung, verschlossen blieben. Diese neuen Zugänge versprachen Geld. Auf einmal stieg bei den Bankinstituten die Kreditwürdigkeit, auf einmal wurde man in Häuser eingeladen, die nur dem Adel offenstanden, die Kontakte zur besseren Gesellschaft eröffneten neue Geldquellen und so weiter und so fort. Von Wald hob das Kinn und blickte aus dem Wagen über die Josefstädter Straße zu einem Fenster, dessen Läden sich gerade öffneten. Eine Frau mit dunklen offenen Haaren beugte sich vor und blickte hinaus auf die Straße, wo vier Männer in Mantel und Hut auf die nächste Elektrische warteten. Das gleichmäßige Klappern der Pferdehufe über das Kopfsteinpflaster ermüdete ihn. Gähnend lehnte er sich zurück. Der Herr Hofrat in Ruhe wäre ein Narr, sein Angebot nicht anzunehmen, sinnierte er. Eine offizielle Einladung der Jagdgäste nach Artstetten versendete er allerdings erst nach genauer Prüfung der Kandidaten. Zu heikel war die Angelegenheit. Schließlich bewegte er sich dabei am Rande der Legalität. Selbst für einen Adeligen nicht ungefährlich. Er grinste in sich hinein, stieg an der Wickenburggasse Nummer zehn aus der Droschke, bezahlte, betrat das Haus, nahm die breite Steintreppe und betätigte im ersten Stock den Türklopfer.

Der Herr Rechtsanwalt öffnete persönlich in schlichten Hosen und Hemd, als hätte er hinter der Tür auf ihn gewartet. Herr von Wald machte sich beim Eintreten innerhalb von Sekunden ein Bild von den Verhältnissen. Mächtige Räume mit hohen Fenstern, an manchen Stellen blätterte die gelbe Wandfarbe von den Wänden, Ölgemälde mit höflichen Landschaften unbestimmter Herkunft, gewiss von geringem Wert, Kristallluster, Vorhänge aus edlem Brokatstoff. Mit einem gefälligen Lächeln ließ er sich in den Wohnsalon führen.

»Ich freu mich sehr über Ihren Besuch. Bittschön, kommen S’ weiter. Entschuldigen Sie die Unordnung, mein Dienstmädchen hat ihren freien Tag.«

»Bitte keine Umstände«, raunte von Wald und sah sich weiter um. Der beinahe bis zum Plafond reichende Kachelofen hatte Klasse, die Qualität der Möbel zeugte von einem soliden bürgerlichen Wohlstand, das Silber in der Vitrine ein dezenter Hinweis auf ein reiches Erbe. Seinem geschulten Auge entgingen jedoch weder die vergilbten ungewaschenen Gardinen noch das verstaubte Holz. Das Dienstmädchen musste mehr als einen freien Tag haben, dachte er, vermutlich gab es gar keines.

An einem runden Tischchen mit Spitzendecke setzten sich die Männer. Herr von Freudenthal bot seinem Gast Kaffee und Whiskey an. Beides stand auf einem Tablett bereit. Herr von Wald griff dankend zu. Das gerahmte Diplom zur Verleihung des Adelsstandes mit dem Zusatz des Edlen von hing prominent über dem Sofa, stellte Herr von Wald amüsiert fest. Eine stark ausgeprägte Eitelkeit konnte er gut für seine Zwecke gebrauchen. Das rote Wachs mit der Signatur des Kaisers von Österreich-Ungarn leuchtete wie ein Blutfleck von dem hellen Pergament. Er wusste über das Prozedere Bescheid. Das Diplom wurde in Massen vorgedruckt. Einzig die Namen wurden mit Tinte in den vorgegebenen Text eingefügt. Der Kaiser signierte blanko, vermutlich ohne Interesse an dem jeweiligen Adressaten.

»Respekt und herzliche Gratulation. Jetzt sind Sie einer von uns.« Herr von Wald hob grinsend das Whiskeyglas. »Chapeau, edler Herr von Freudenthal.«

»Zu viel der Ehre. Ich danke Ihnen.« Der Hofrat neigte den Kopf. »Sie schrieben mir von einer Einladung nach Artstetten. Ich fühle mich geschmeichelt, dass Sie mich nun auch persönlich in dieser Sache aufsuchen, doch darf ich fragen, wie Sie auf mich gekommen...

Erscheint lt. Verlag 13.3.2024
Verlagsort Wien
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Artstetten • Erzherzog Franz Ferdinand • Wachau
ISBN-10 3-7117-5508-9 / 3711755089
ISBN-13 978-3-7117-5508-7 / 9783711755087
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