Das vergessene Glück (eBook)

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2024 | 1. Auflage
351 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3115-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das vergessene Glück -  Insa Ritterhoff
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Ich bin Karla. 

Noch weiß ich, wer ich bin.

Weiß ich, wer ich dann sein werde?

Bin ich noch ich, wenn ich mich selbst nicht mehr erkenne? 

Ella erbt einen Koffer der verstorbenen Karla, gefüllt mit Dokumenten, Fotos, Briefen und Tagebuchaufzeichnungen. Obwohl sie die alte Dame kaum kannte, lässt der Inhalt des Koffers Ella nicht los. Anfänglich mit journalistischer Neugier, bald aber mit persönlicher Faszination, folgt sie dem Leben der alten Dame, die sich nie den Konventionen der Zeit gebeugt, sondern stets ihren eigenen Kopf durchgesetzt hat. Dabei wird Ella immer wieder gezwungen, sich mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Wird sie durch Karlas Geschichte den Mut finden ihr Leben endlich in die eigenen Hände zu nehmen und mutig ihren Weg zu gehen?



Insa Ritterhoff, geboren in Hannover, lebt in der Nähe der Ostsee. Ihr erstes 'Buch' schrieb sie schon mit acht Jahren, doch erst spät kam sie auf die Idee, ihre Texte auch zu veröffentlichen. 'Das vergessene Glück' ist ihr Debütroman, in ihrer Schreibtischschublade warten allerdings noch viele weitere Romanideen, denn es gibt nichts Schöneres für sie, als sich von einer guten Geschichte in den Bann ziehen zu lassen.

1


Der Sturm hatte zugenommen, und die Böen rüttelten an dem Dach. Irgendein Fensterladen im oberen Stockwerk klapperte, aber obwohl Ella schon alle Fenster kontrolliert hatte, hatte sie nicht herausfinden können, welcher es war. Sie lauschte dem Regen, der gegen die Wetterseite des Hauses peitschte, und dem Rauschen der Baumwipfel, die sich unter dem Druck des Sturmes bogen. Sie würde ihre regenfeste Jacke und die Gummistiefel benötigen, um wenigstens einigermaßen trocken zu bleiben, wenn sie die Fensterläden von außen auf dieses irritierend hartnäckige Geräusch überprüfte. Dann verwarf sie diesen Gedanken jedoch wieder. Wäre Balou nicht gewesen, der völlig entspannt vor dem Kaminfeuer lag und schlief, hätte Ella sich vielleicht anders entschieden, auch wenn die Reparatur eines losen Scharniers bei diesem Wetter sowieso kaum machbar war. Die regelmäßigen, vom Sturm völlig unbeeindruckten Atemzüge ihres Hundes und sein leises Schnarchen strahlten jedoch eine solche Ruhe aus, dass sie das Toben des Unwetters draußen und den Frieden im Innern des Hauses fast schon genoss.

Eine Weile stand sie am Küchenfenster und suchte mit den Augen nach auftauchenden Scheinwerfern in der pechschwarzen Nacht. Im Grunde wusste sie jedoch, dass Carl nicht kommen würde. Also trug sie den vorbereiteten Imbiss ins Wohnzimmer und machte es sich neben Balou vor dem Kamin gemütlich. Besorgt hob der Hund den Kopf und sah Ella fragend an, die ihn beruhigend tätschelte.

»Alles in Ordnung, Dicker, schlaf weiter! Wir beide brauchen keinen Dritten, um uns den Abend nett zu machen, nicht wahr?«

Als hätte er jedes Wort verstanden, klopfte Balou mit seinem Schwanz zustimmend auf den flauschigen Teppich und legte dann seine weiche Schnauze wieder zwischen den großen Vorderpfoten ab, um weiter seinen Träumen nachzuhängen.

Ella machte sich über das Essen her, lauschte dem wütenden Sturm, der um ihr Waldhaus tobte, und beobachtete das Feuer im Kamin, das sich durch die dicken Buchenstämme fraß und für wohlige Wärme sorgte.

Es war noch nicht so lange her, da hätte es ihr gründlich die Laune verdorben, mal wieder vergeblich auf Carl zu warten. Mal wieder zu erkennen, dass sein Versprechen, sich ganz bestimmt am Abend für sie Zeit zu nehmen, nichts wert gewesen war. Und dann hätte sie ihre Enttäuschung mit dem schweren Rotwein, von dem Carl zwei, drei Kisten in ihrem Abstellraum deponiert hatte, ertränkt. Zum einen mit dem lächerlichen Gedanken, ihn für seine wiederholte Abwesenheit zu bestrafen, indem sie seine Vorräte vernichtete, zum anderen, um den bohrenden Schmerz der Enttäuschung nicht mehr spüren zu müssen. Aber mittlerweile war sie erschreckend abgebrüht und die Frage, ob es nicht an der Zeit sei, diese Affäre, die ihr so wenig Genuss und so viel Frust brachte, zu beenden, nahm immer mehr Raum in ihrem Denken und Fühlen ein.

Wie oft hatte sie schon hier gesessen und auf ihn und den unvergesslichen Abend in einer anderen Stadt gewartet, den er ihr versprochen hatte? Einer Stadt, die natürlich weit genug fort war von eventuell bekannten oder gar befreundeten Menschen, die man sonst Gefahr lief zu treffen. Wie oft hatte sie schon den kleinen Koffer für ein lang ersehntes Wochenende gepackt, nur um erneut versetzt zu werden, abgespeist mit fragwürdigen Ausreden, der Job, du weißt ja, meine Frau, es ging nicht anders, bla bla bla …

War das nicht genau die Rolle, die Ella nie hatte spielen wollen? Die der wartenden und sich sehnenden Frau, die sich zum Spielball eines Mannes machte, der doch sowieso immer nur rücksichtslos seinen eigenen Interessen folgte. Die sich abhängig machte, von seinen selbstsüchtigen und egozentrischen Entscheidungen. Die sich bemühte, ihr Leben diesen Entscheidungen anzupassen.

Aber immer gerade dann, wenn sie sich ganz sicher war, dass sie sich trennen musste, hatten sich unweigerlich die schönen Dinge ins Bild gedrängt, die Carl und sie teilten: die langen Spaziergänge mit Balou, die Gespräche, in denen sie sich die Köpfe über alle möglichen Themen heißreden konnten, die Liebe, mit der er sie überschütten konnte, wenn er es wollte, und die sie immer noch schwindelig machte.

Doch heute war nicht der Abend, um Entscheidungen zu treffen, heute war ein Abend zum Genießen. Und wenn der Herr es vorzog, nicht daran teilhaben zu wollen, dann würde Ella dies allein tun. Sie zog den Stecker des Festnetztelefons aus der Buchse, machte ihr Handy aus und legte leisen Blues auf.

Scheiß auf die Männer, sie hatte es immer gewusst. Männer dachten nur an sich. Ihr Vater, Leonies Erzeuger, die paar Exemplare, die Ella in ihr Leben gelassen und wieder hinausgeworfen hatte – einer wie der andere waren sie egoistisch und selbstherrlich. Hatte sie nicht allen Grund, ganz allein für sich glücklich zu sein? Nachdenklich nippte sie an ihrem Rotwein. Von hier aus konnte sie in die halboffene Wohnküche sehen, die nur von zwei Kerzen in den Fenstern schwach erleuchtet war, so wie sie es aus einem Märchen kannte, das ihr Vater ihr als Kind vorgelesen hatte. Dort hieß es, dass man ein Licht in das Küchenfenster stellte, um den Heimkommenden den Weg zu leuchten. Ella hatte damals ihre Mutter gefragt, warum sie das nicht auch für Papa machten, dann würde er bestimmt öfter nach Hause kommen. Doch ihre Mutter hatte sich ihrem fragenden Blick entzogen und schulterzuckend geantwortet, dass ihm ein Licht im Küchenfenster des sechsten Stocks einer Hochhaussiedlung wohl kaum vom Meer heimleuchten würde. Diese nüchterne Erklärung hatte weder den kindlichen Glauben an die Zauberkraft des Lichts noch die Geborgenheit, die darin lag, zerstören können, aber schließlich hatte Ella sich dem Sicherheitsbedürfnis ihrer Mutter gefügt. Vermutlich hatte sie recht – die Gefahr, ihre Wohnung in Brand zu setzen, war um einiges größer, als die Chance, ihren Vater früher als im Sommer nach Hause zu lotsen.

Inzwischen fuhr ihr Vater schon lange nicht mehr zur See und ihre Sehnsucht nach ihm war vor noch viel längerer Zeit erloschen. Der Zauber des märchenhaften Lichts jedoch war über all die Jahre seit ihrer Kindheit geblieben, und seit Leonie fort war, hatte Ella sich erinnert und begonnen, die Kerzen für ihre Tochter ins Fenster zu stellen. Musste ja keiner wissen, dass sie ihre Hoffnung an so einen irgendwie albernen Aberglauben hängte.

Von der Küche ging ein offener Durchgang in ihr Arbeitszimmer. Nur die Türen zum Bad und zur Toilette hatte sie behalten, abgeschliffen, neu lackiert und mit alten Türdrückern vom Flohmarkt versehen. In ihrem Wohnbereich hingegen gab die Offenheit und Freizügigkeit dem kleinen Häuschen eine gewisse Weitläufigkeit, und da außer Balou und ihr sowieso keiner mehr hier wohnte, war auch keiner da, vor dem man sich hätte zurückziehen oder eine Tür schließen müssen.

Im Arbeitszimmer brannte die Schreibtischlampe und erinnerte sie an den Text, der auf ihre Überarbeitung wartete. Sie hatte sich diese Arbeit für heute vorgenommen, spätestens am Montag musste das Ergebnis in der Redaktion vorliegen. Aber der Nachmittag mit Balou im Wald war schnell vergangen und hatte sie so von der anstrengenden Arbeitswoche und ihrem Vormittagsbesuch im Heim heruntergeholt, dass sie tatsächlich nicht mehr als genau das geschafft hatte: das Anschalten der Lampe. Nun, morgen würde sie genug Zeit haben, sich hinzusetzen und zu arbeiten.

Auch das Wohnzimmer war nur spärlich von ein paar Kerzen beleuchtet, und das Feuer spielte sein Flammenspiel auf den Bildern an der Wand und spiegelte sich in der Sammlung der alten Gläser im Regal. Jedes Teil hier hatte seine Geschichte, nicht die vergangener Generationen, kein Erbteil, aber kleine Erinnerungen an Erlebnisse und Begebenheiten. Dieses Glas aus Berlin hatte Leonie auf einem Flohmarkt gefunden, das dort war aus Florenz, Leonie war noch ganz klein gewesen, diese beiden hier aus Schweden hatte ihr ihre Tochter aus dem letzten Urlaub mit Freunden mitgebracht, bevor sie abgereist war.

Balou jaulte kurz auf im Schlaf und zuckte, dann verlor er sich wieder in seinen Träumen. Draußen rauschte der Regen in unvermittelter Heftigkeit weiter, und Ella schenkte sich noch ein wenig Rotwein nach. Ob Balou das Mädchen genauso vermisste wie sie?

Ella stand auf und brachte die Reste des Essens in die Küche. Wie konnte Leonie nur so rücksichtslos sein, einfach...

Erscheint lt. Verlag 1.1.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte besondere Frauen • Demenz • eigene Vergangenheit • Erinnerungen • Familiensaga • Persönliche Erinnerungen • Stay away from Gretchen • Susanne Abel
ISBN-10 3-8412-3115-2 / 3841231152
ISBN-13 978-3-8412-3115-4 / 9783841231154
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