Akte Nordsee - Das schweigende Dorf (eBook)
382 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-5587-0 (ISBN)
Anwältin Fentje Jacobsen, die ihre Kanzlei auf dem Schafshof ihrer Großeltern betreibt, erhält mitten in der Nacht einen Anruf. Der Mann am anderen Ende erklärt, dass er ihre Hilfe brauche, denn er werde demnächst des Mordes verdächtigt werden. Danach legt er auf. Kurz darauf hört Fentje, dass in einem benachbarten Ort zwei Tote gefunden wurden: Ihr neuer Klient ist selbst einem Verbrechen zum Opfer gefallen und wurde auf grausame Weise in seinem Haus stranguliert. Obwohl sie kein gültiges Mandat hat, beginnt Fentje mit dem Journalisten Niklas John Nachforschungen anzustellen. Doch als sie in dem kleinen Dorf zu tief graben, wird es auch für sie lebensgefährlich ...
<p><strong>Eva Almstädt</strong>absolvierte eine Ausbildung in den Fernsehproduktionsanstalten der Studio Hamburg GmbH und studierte Innenarchitektur in Hannover. Sie ist Autorin der erfolgreichen Ostseekrimireihe um die Lübecker Kommissarin Pia Korittki und lebt in Hamburg. <strong>AKTE NORDSEE - DAS SCHWEIGENDE DORF</strong> ist der dritte Roman ihrer neuen Reihe um die Rechtsanwältin Fentje Jacobsen und den Journalisten Niklas John.</p>
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 30/2024) — Platz 17
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1. Kapitel
Immerhin, ich habe einen neuen Mandanten, dachte Fentje Jacobsen. Sie sah Kurt Regner nach, wie er in seinen Wagen stieg, schwungvoll wendete und dann rasch den schmalen Weg in Richtung Hauptstraße davonfuhr. Er hatte ein paar Geschwindigkeitsübertretungen angesammelt, die der aufbrausende Mann nicht mit einem Fahrverbot büßen wollte. Die Ausübung seines Berufs und damit das Wohl seiner Familie hingen davon ab, hatte er argumentiert. Doch das war recht weit hergeholt.
Für das Wohl der Allgemeinheit war es nicht einmal wünschenswert, wenn sie den Fall für den notorischen Raser gewann. Ein hohes Honorar sprang auch nicht dabei heraus, doch Fentje konnte es sich nicht leisten, bei der Auswahl ihrer Mandanten wählerisch zu sein.
Ihre finanzielle Zukunft sah zurzeit nicht allzu rosig aus. Ihre Kanzlei dümpelte auch nach knapp zwei Jahren ihrer Existenz so vor sich hin, sowohl was die Anzahl ihrer Mandanten als auch was ihre Einnahmen betraf. Fentje gab sich noch ein weiteres Jahr. Dann würde sie eine Entscheidung darüber treffen müssen, ob die Idee, die Kanzlei vom Schafhof ihrer Großeltern aus zu betreiben, zukünftig tragbar war.
Von ihrer erhöhten Position auf der Warft, dem Hügel, auf dem das Haus der Jacobsens stand, hatte Fentje einen guten Überblick. Das Grünland um sie herum war ansonsten platt wie ein Eierkuchen. Ihr neuer Mandant bremste scharf und hätte sein Auto dabei beinahe in den Graben bugsiert. Ihrem Großvater wäre es wahrscheinlich eine Freude gewesen, den Wagen mithilfe von »Tomme«, dem alten Trecker der Familie, aus einer solch misslichen Lage zu befreien.
Jetzt erkannte Fentje auch die Ursache des abrupten Fahrmanövers. Ihr Mandant war ihrer Nichte Sofia ausgewichen, die ihm offenbar auf dem Fahrrad entgegengekommen war. Jedenfalls bog diese nun freihändig radelnd auf den Hofplatz. Fentje gab ein leises Stöhnen von sich. Sofia tippte auf ihrem Tourenrad fahrend auf dem Handy herum. Doch sie wollte nicht quer über den Hofplatz brüllen. Sie wartete ungeduldig, bis ihre Nichte das Rad abgestellt hatte und auf sie zu getrottet kam. »Hi, Sofia. Du bist ja früh dran heute.«
»Die blöde AG habe ich ausfallen lassen«, antwortete das Mädchen, ohne den Blick zu heben.
»Warum das denn?«
»Nur so. Kein Bock.«
Normalerweise liebte Sofia ihre Schauspiel-AG. »Komm bitte einen Moment mit zu mir herein.« Fentje deutete in Richtung Küchenfenster.
Nun hob ihre Nichte doch den Kopf. »Warum?« Ein angedeutetes Augenrollen. »Na, meinetwegen.«
Sie wohnten alle zusammen mit Fentjes Großeltern und Sofias Vater Bendix auf dem alten Jacobsen-Hof. Es gab hier reichlich Platz, um sich auch mal aus dem Weg zu gehen. Den ehemaligen Stall hatte Fentje sich zu einer abgeschlossenen Wohnung mit Kanzleiräumen umbauen lassen. Vor einiger Zeit war auch Sofia zu ihr herüber in den anderen Teil des Hauses gezogen, sodass nur noch Fentjes Bruder Bendix das Obergeschoss bei den Großeltern bewohnte.
Fentje hatte sich gefreut, dass Sofia mit ihr zusammenleben wollte. Mit der Zeit war ihr aber auch klar geworden, welche Verantwortung sie damit übernommen hatte. Ihre Nichte war jetzt fast siebzehn, und aus dem fröhlichen, wissbegierigen Mädchen war ein auffallend launischer Teenager geworden.
Wenn Sofia an den Wochenenden immer öfter abends mit Freundinnen unterwegs war, war Fentje angespannt und besorgt, bis sie ihre Nichte wieder wohlbehalten im Bett wusste. Sehr oft spielte sie das Taxi, denn auf dem Lande fuhr in den Abendstunden kein Bus mehr, und mit dem Rad wollte sie Sofia so spät auch nicht unterwegs sein lassen. Ständig gab es Diskussionen deswegen.
Aber war das überhaupt ihre Aufgabe? Dass Bendix beruflich so viel reisen musste, war ein ständiger Streitpunkt zwischen den Geschwistern, während Sofia vorgab, dass es ihr nicht das Geringste ausmachte, dass ihr Vater des Öfteren nicht da war.
»Auf dem Betonstreifenweg freihändig Fahrrad zu fahren ist keine so tolle Idee«, sagte Fentje, als sie sich nun dem aktuellen Problem zuwandte. »Besonders, wenn einem ein Auto entgegenkommt.«
»Dieser Typ in dem Ford hätte doch auch mal ein Stück rechts rüberfahren können.«
»Dieser ›Typ‹ heißt Kurt Regner und ist mein neuer Mandant. Und er hätte sein Auto deinetwegen beinahe in den Graben gesetzt.«
»Dein Mandant ist zu schnell gefahren. Du sollst ihn bestimmt wegen eines Verkehrsdelikts verteidigen«, mutmaßte Sofia.
Fentje unterdrückte ein Lächeln. Ein Punkt für Sofia. »Und wenn schon. Er braucht einen Anwalt, und er ist zu mir gekommen. Das spricht von meinem Standpunkt aus gesehen für ihn. Aber mir geht es hauptsächlich um deine Sicherheit.«
»Das habe ich schon verstanden.« Sofia warf einen Blick auf ihr Smartphone. »Ich tue es nicht wieder. Großes Ehrenwort!«
»Hast du in der Schulmensa gegessen?«
»Jep, Eintopf. Kann ich jetzt nach oben gehen?« Mit besonderer Betonung auf dem Wort »jetzt«. Sie erhob sich.
»Nein. Ich möchte noch etwas mit dir besprechen.«
»Was denn?«
»Setzt du dich bitte noch einen Augenblick hin?«
Sofia ließ sich mit einem schweren Ausatmen auf den Stuhl zurücksinken.
»Du lässt in letzter Zeit ganz schön viel in der Schule ausfallen.«
»Ich habe es im Griff.«
»Aber die Schauspiel-AG?«, fragte Fentje. »Das Theaterspielen macht dir doch sonst so viel Spaß.«
»Ich hatte Kopfweh.«
»Hast du die Rolle der Seeräuber-Jenny bekommen?«
»Steht noch nicht fest.«
»Hm.« Fentje betrachtete ihre Nichte. Sie sah nicht krank aus. Eher missmutig und verschlossen. »Ich möchte es nur gern verstehen«, fuhr sie mit sanfterer Stimme fort. »Du machst in den letzten Tagen einen unglücklichen Eindruck. Ist etwas passiert?«
Sofia kniff die Augen zusammen. »Es ist nichts. Wirklich. Mach dir keine Sorgen, Tantchen …« Der Anflug eines ironischen Grinsens.
»Nenn mich nicht …«, erwiderte Fentje beinahe automatisch.
»… ›Tantchen‹. Du wirkst übrigens auch nicht gerade wie das strahlende Glück, Fentje«, konterte Sofia.
»Das täuscht«, gab sie zurück.
Sofia erhob sich wieder. »Weißt du, wen ich vorhin zufällig gesehen habe?«
»Keine Ahnung.«
Sofia legte den Kopf schief. »Den Journalisten aus St. Peter-Ording. Du erinnerst dich?«
»Niklas John?«, fragte Fentje mit gleichmütiger Miene. Wen sonst? Sie hatte wegen zwei recht spektakulären Verbrechen auf Eiderstedt gemeinsam mit Niklas John Nachforschungen angestellt. Sie jeweils für einen Mandanten, er für eine der Zeitungen, für die er schrieb. Im Laufe ihrer zweiten »Ermittlung« war sein Apartment in St. Peter-Ording ausgebrannt. Niklas hatte danach seine Rassekatze Blofeld in ihre Obhut gegeben, die auf dem Jacobsen-Hof dann auch noch trächtig geworden war. Der Vater der Katzenbabys war nicht sicher ermittelbar gewesen, doch Fentje hatte den unternehmungslustigen Hofkater ihres Nachbarn Hauke in Verdacht.
Das letzte Mal, dass Fentje Niklas John gesehen hatte, war gewesen, als er Blofeld, beinahe gegen ihren Wunsch, wieder bei ihr abgeholt hatte. Fentje hatte die verwöhnte Katze auf einmal nicht mehr missen wollen, doch Niklas war natürlich ihr Besitzer oder, wie er mal angedeutet hatte, eigentlich sogar seine Ex-Freundin Patricia.
»Wie viele attraktive Männer in deinem Alter kennst du?«, wollte Sofia wissen und riss sie damit aus ihren Erinnerungen.
»Da gibt es schon so einige …« Das war vielleicht ein wenig übertrieben.
»Und Journalisten?«
»Einer reicht.«
»Er lässt dich jedenfalls grüßen.« Sofia lächelte süffisant.
»Ach, tatsächlich?« Was sollte sie damit anfangen? Erst meldete er sich wochenlang nicht bei ihr, reagierte nicht einmal auf eine Textnachricht, und dann ließ er ihr über ihre Nichte Grüße ausrichten?
»Willst du gar nicht wissen, wo ich ihn getroffen habe?«, erkundigte sich Sofia.
»Nein.«
»Und du machst dir Sorgen um mich«, murmelte ihre Nichte, als sie die Treppe zu ihrem Zimmer hochstapfte.
Niklas John schloss seine Wohnungstür auf und trat ein. Nach drei Wochen Abwesenheit war es ein seltsames Gefühl, wieder zu Hause zu sein. Er ließ die verschmutzte Reisetasche und den Laptop-Rucksack direkt hinter der Eingangstür fallen und ging in den offenen Wohnbereich mit der mattschwarzen Einbauküche. Hatte er dieses Modell tatsächlich erst vor Kurzem so ausgewählt und gekauft?
Während seines Aufenthalts im Kriegsgebiet in der Ukraine hatte er zu viel gesehen und erlebt, was in absolutem Kontrast zu seinem Leben in St. Peter-Ording stand. Hier drinnen wirkte alles unbelebt, wie die nichtssagende Kulisse seines alten Lebens. Und niemand erwartete ihn.
Niklas nahm ein Glas aus dem Schrank, ließ kaltes Wasser aus dem Hahn hineinlaufen und trank. Er würde sich schon wieder hier eingewöhnen. Es gab Schlimmeres! Nach Nächten in behelfsmäßigen Unterkünften, manchmal auf nacktem Fußboden und einmal auch unter freiem Himmel, mit immer wieder aufflackerndem feindlichem Beschuss im Ohr, erschien ihm sein Apartment in St. Peter-Ording mit Dachterrasse und Blick auf die Nordsee wie ein unanständiger Luxus.
Als sein Smartphone klingelte, zog er es erfreut über die Ablenkung hervor. Er wusste nicht, wessen Anruf er erwartet hatte … Vielleicht den des Chefredakteurs der Zeitschrift, dem er am vergangenen Tag seine Reportage geschickt...
Erscheint lt. Verlag | 31.5.2024 |
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Reihe/Serie | Fentje Jacobsen und Niklas John ermitteln | Fentje Jacobsen und Niklas John ermitteln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Anwältin • Bauernhochzeit • Bauernhof • Blanker Hans • Blaues Gift • Cold Case • der Blanke Hans • Ermittler • Ermittlerduo • Erster Fall • Fentje Jacobsen • Hochzeit • Husum • Journalist • Kalter Grund • Kanzlei • Krimis • Mordermittlung • neuer Fall • Niklas John • Nordfriesland • Nordseekrimi • ostseeblut • Ostseefalle • ostseefluch • Ostseekreuz • Ostseerache • Pia Korittki • Reporter |
ISBN-10 | 3-7517-5587-X / 375175587X |
ISBN-13 | 978-3-7517-5587-0 / 9783751755870 |
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