KRYO - Die Versuchung (eBook)

Thriller. Die KRYO-Trilogie II

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Unionsverlag
978-3-293-31119-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

KRYO - Die Versuchung -  Petra Ivanov
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In Selenograd, dem russischen Silicon Valley, wird am ewigen Leben geforscht: »Mind Uploading« verspricht die Digitalisierung des menschlichen Bewusstseins. Wochenlang wurde der junge Arzt Michael hier festgehalten - jetzt soll er das Forschungsteam plötzlich unterstützen. Michaels Mutter Julia riskiert auf der Suche nach ihm ihr Leben. Denn in Russland wird sie wegen eines Mordes gesucht, den sie nicht begangen hat. Um Michael zu finden, muss sie wissen, was damals wirklich geschehen ist. Doch je näher sie ihrem Ziel kommt, desto bedrohlicher klaffen die düsteren Abgründe ihrer Vergangenheit vor ihr auf und drohen alles zu verschlingen, was ihr wichtig ist. Die atemlose Fortsetzung der KRYO-Trilogie: Ein Thriller um die Macht, ein anderes Leben zu kontrollieren - auch über den Tod hinaus.

Petra Ivanov verbrachte ihre Kindheit in New York. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz absolvierte sie die Dolmetscherschule und arbeitete als Übersetzerin, Sprachlehrerin und Journalistin. Heute ist sie als Autorin tätig und gibt Schreibkurse an Schulen und anderen Institutionen. Ihr Debütroman Fremde Hände erschien 2005. Ihr Werk umfasst Kriminalromane, Thriller, Liebesromane, Jugendbücher, Kurzgeschichten und Kolumnen. Petra Ivanov hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u. a. zweimal den Zürcher Krimipreis (2010 und 2022).

Petra Ivanov verbrachte ihre Kindheit in New York. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz absolvierte sie die Dolmetscherschule und arbeitete als Übersetzerin, Sprachlehrerin und Journalistin. Heute ist sie als Autorin tätig und gibt Schreibkurse an Schulen und anderen Institutionen. Ihr Debütroman Fremde Hände erschien 2005. Ihr Werk umfasst Kriminalromane, Thriller, Liebesromane, Jugendbücher, Kurzgeschichten und Kolumnen. Petra Ivanov hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u. a. zweimal den Zürcher Krimipreis (2010 und 2022).

1


November 2021

Ein Mensch kann nicht zweimal sterben. Oder doch? Wenn Julia eines gelernt hatte in den vergangenen Wochen, dann, dass der Tod nicht endgültig war. Zumindest nicht für alle. Sie schaute zurück. Der Mann mit der schwarzen Wollmütze befand sich immer noch hinter ihr. Sie reihte sich in die Schlange vor dem Einlassautomaten ein und holte ihre Fahrkarte hervor. Auf der Rolltreppe führte sie sich den Metroplan wieder vor Augen. Ihre letzte Reise nach Moskau lag achtundzwanzig Jahre zurück, das Netz hatte sich nicht verändert, auch wenn ein paar neue Linien dazugekommen waren. Julia entschied sich für die Ringlinie. Sie würde im Kreis fahren, um festzustellen, ob der Mann ihr tatsächlich folgte oder ob er nur zufällig in die gleiche Richtung unterwegs war. Zielstrebig ging sie auf die Plattform zu. Hinter einer Marmorsäule blieb sie stehen und betrachtete die Menschen. Eine Touristin fotografierte ein Mosaik an der Wand, ein Mann in Anzug schaute auf die Uhr. Julia hörte ein leises Rattern, kurz darauf drang ein Schwall Luft aus einem Tunnel. Der Lärm schwoll an, und die Menschenmenge setzte sich in Bewegung. Beim Einsteigen behielt Julia die anderen Türen im Blick. Der Mann mit der Wollmütze war verschwunden. Trotzdem wechselte sie an der nächsten Station den Wagen.

Allmählich beruhigte sich ihr Puls. Gleichzeitig war ihr klar, dass die Gefahr noch nicht vorüber war. Gut möglich, dass sie sich den Verfolger diesmal nur eingebildet hatte, doch es war bloß eine Frage der Zeit, bis sie entdeckt wurde. Während sie im Kreis fuhr, prägte sie sich die Gesichter der Fahrgäste ein. Früher hatten die Moskauer im öffentlichen Raum jeglichen Blickkontakt vermieden. Sie hatten die Augen auf den Boden gerichtet und unsichtbare Mauern um sich herum aufgebaut. Jetzt starrten sie auf ihre Handys, und statt Angst sah Julia in ihren Gesichtern Gleichgültigkeit.

Sie wechselte ein weiteres Mal den Wagen, bevor sie schließlich am Weißrussischen Bahnhof auf die Linie zwei umstieg. Sie fühlte sich wieder wie zwanzig. Erfüllt von Liebe und der Zuversicht, dass Andrejs Familie sie mit offenen Armen empfangen würde. Wie naiv sie gewesen war! Sie hatte die Fahrgäste angestrahlt und nicht verstanden, dass Glück in der Sowjetunion Misstrauen weckte.

Eine Lautsprecherstimme kündigte die Haltestelle Paweletskaja an. Awtozavodskaja. Technopark. In Gedanken wiederholte Julia die Namen, die Melodie war ihr so vertraut wie die Stimme ihres Vaters, der sie damals vor der Reise nach Moskau gewarnt hatte. Vor Andrej gewarnt hatte.

»Der wird dich nicht glücklich machen«, hatte er gesagt. »Der kann doch gar nicht anders. Der muss erst einmal lernen, ohne Krücken zu gehen.«

Sie hatte ihm Engstirnigkeit vorgeworfen, hatte mit der Arroganz der Jugend auf das kleine Leben ihrer Eltern herabgeschaut und nicht begriffen, wie groß es in Wirklichkeit war. Sie hatte geglaubt, die Welt stehe ihr offen, und war gegen verschlossene Türen gerannt.

Der Zug verließ den Tunnel, das Rattern wurde leiser. Julia betrachtete die weißen Plattenbauten, die bis ans Ufer der Moskwa reichten, über die sie nun fuhren. Sie suchte nach einem Orientierungspunkt, doch bevor sie sich zurechtfinden konnte, tauchte der Zug in den nächsten Tunnel ab.

Dann war sie da. Kolomenskaja. Nur wenige Fahrgäste stiegen aus, der Mann mit der Wollmütze war nicht dabei. Julia war sich sicher, dass sie automatisch auf den richtigen Ausgang zusteuern, dass sie den Weg auch blind finden würde, nun kam ihr alles anders vor. Wie unzuverlässig das Gedächtnis ist. Falsche Erinnerungen vermischen sich mit echten, manche Erlebnisse versickern, während einem andere wichtiger vorkommen, als sie es in Wirklichkeit sind. Genau deshalb wollte sie den Wohnblock noch einmal sehen, in dem Andrej mit seiner Familie gelebt hatte. Seine Eltern waren inzwischen gestorben, sein Bruder Pawel wohnte in einem Nobelvorort, aber vielleicht konnte ein Blick auf die Umgebung Erinnerungen wecken, die in ihr schlummerten und zu denen sie keinen Zugang hatte.

Sie steuerte auf die Treppe zu, die am nächsten lag. Wo einst Babuschkas ihre Waren auf Klapptischen feilboten, standen jetzt Getränkeautomaten. Neben der Metrostation gab es ein Einkaufszentrum, dahinter lag eine mehrspurige Straße. Julia holte den Stadtplan hervor, den sie sich am Flughafen besorgt hatte. Je weniger digitale Spuren sie hinterließ, desto besser.

Eine Passantin fragte, ob sie Hilfe brauche. Julia verneinte auf Russisch und erntete einen unsicheren Blick. Man sah in ihr immer noch die Ausländerin, auch wenn sie statt der wetterfesten Jacke, ohne die sie ihr Haus in Upstate New York nie verließ, einen teuren Wollmantel trug. Sie hatte gehofft, dass man sie für eine Russin halten würde, die inzwischen im Ausland lebte. Sie hätte sich schminken sollen. Die Frauen in Moskau legten großen Wert auf ihr Äußeres. Sie strich sich über das flachsblonde Haar, das sie nachlässig zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Dann schaute sie auf ihre Fingernägel. Kurz, unlackiert, die Nagelhaut stellenweise abgebissen. Die Anspannung, unter der sie seit Wochen stand, hatte Spuren hinterlassen. Seit Monaten, korrigierte sie sich in Gedanken. Michael war vor genau zwei Monaten verschwunden.

Es begann zu regnen. Julia faltete den Stadtplan zusammen und schob ihn in ihre Tasche. Vorsichtig bahnte sie sich einen Weg zur Bushaltestelle. Den verstauchten Knöchel spürte sie kaum noch, doch das angebrochene Schlüsselbein schmerzte bei jeder falschen Bewegung. Die Verletzungen hatte sie sich in Seattle zugezogen. Sie erinnerten sie daran, die Gefahr, die von anderen Menschen ausging, nie zu unterschätzen. Sie wünschte, sie hätte die kleine Kompakt-Pistole mitnehmen können, die sie sich in den USA beschafft hatte.

Die Haltestelle war überdacht, im Gegensatz zu früher gab es sogar Sitzbänke. Julia wartete etwas abseits und stieg dann in den ersten Bus ein, der Richtung Flussbiegung fuhr. Frauen mit Einkaufstaschen musterten sie verstohlen. Vier Haltestellen später betrat Julia eine Welt, die sie unwiderruflich mit Andrej verband. Ein Labyrinth aus Plattenbauten und Trampelpfaden, dazwischen matschige Grünflächen und Spielplätze. Die rostigen Schaukeln waren farbigen Klettergerüsten, die Ladas und Wolgas modernen Fahrzeugen gewichen, noch immer aber schienen die Menschen eine unsichtbare Last mit sich zu tragen.

Julia machte einen Bogen um eine Wasserpfütze, die sich auf dem brüchigen Asphalt gebildet hatte. Sie fragte sich, wie Michaels Leben ausgesehen hätte, wenn er hier zur Welt gekommen wäre. Wenn er gewusst hätte, dass Andrej Danilow sein leiblicher Vater war. Hätte er sich trotzdem für Naturwissenschaften interessiert? Urzeitkrebse gezüchtet, Teleskope gebaut und schließlich Medizin studiert?

Ein Schatten huschte an Julia vorbei, und ihr Puls schoss in die Höhe. Nur ein Hund, stellte sie fest und blieb stehen, bis auch der Besitzer sie überholt hatte. Neben dem Weg lag ein umgekipptes Dreirad. Sie dachte an Michaels erste Fahrt mit dem Fahrrad. Er hatte sich geweigert, Stützräder zu benutzen, und war in eine Brombeerhecke gestürzt. Die Kratzer an seinen Armen und Beinen hielten ihn nicht davon ab, gleich wieder in den Sattel zu steigen. Wie hartnäckig er sein konnte! Als er vor zwei Monaten nicht zu einem Termin erschienen war, hatte sie vermutet, dass er sich trotz ihrer Warnung auf die Suche nach seinem Vater gemacht hatte. Sie war aufgebrochen, um ihn davon abzuhalten, da erst war ihr klar geworden, dass viel mehr hinter seinem Verschwinden steckte. Aus gesundheitlichen Gründen hatte er die Ausbildung zum Chirurgen abgebrochen und arbeitete inzwischen als freier Mitarbeiter für ein Wissenschaftsmagazin. Bei Recherchen für eine Reportage über den Transhumanismus war er auf die illegalen Machenschaften einer kalifornischen Firma gestoßen. In den Skandal waren hochrangige Persönlichkeiten aus Politik, Justiz, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur involviert. Noch immer sorgten die Namen für Schlagzeilen. Ein enger Vertrauter des US-Präsidenten hatte seinen Rücktritt erklärt, eine UNO-Botschafterin musste ihren Posten räumen. Nur einem Mann war es gelungen, unentdeckt zu bleiben.

Oleg Wolkow.

Wut stieg in Julia auf, als sie an den russischen Oligarchen dachte. Er war für sie ein Symbol all dessen, was sie verabscheute: Ungerechtigkeit, Egoismus, Gier, Rücksichtslosigkeit. Schlimmer noch – er war ein Mörder. Um länger zu leben, hatte er sich Kinderblutplasma spritzen lassen, was einen vierjährigen Jungen das Leben gekostet hatte. Dass Wolkow ungeschoren davonkommen sollte, wollte Julia nicht in den Kopf. Vermutlich ging es Michael ähnlich. War er deshalb in Russland? Und gar nicht, um Andrej zu suchen? Julia hatte ihm den Namen seines Vaters nie verraten, doch im Laufe seiner Recherche hatte er mit Andrejs Bruder Pawel Kontakt aufgenommen, der eine Kryonikanlage in Russland betrieb.

Der Regen wurde stärker, Menschen eilten mit gesenktem Kopf an Julia vorbei. Sie betrachtete die trostlosen Wohnblocks mit ihren winzigen, eingeglasten Balkons, ohne dass sich ein Gefühl von Vertrautheit einstellte. Zu viel hatte sich verändert. Oder war sie es, die sich verändert hatte? Sie war als naives Mädchen nach Moskau gekommen und hatte die Stadt als traumatisierte Frau verlassen. Im Glauben, dass Andrej tot war.

Sie blieb vor einer Stahltür stehen. Aus einem anderen Eingang drang...

Erscheint lt. Verlag 12.2.2024
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte DDR • Deutschland • Kriminalroman • Kryonik • Künstliche Intelligenz • Russland • Sowjetunion • Spannung • Thriller • Transhumanismus • Unsterblichkeit • USA • Wissenschaft • Zukunft
ISBN-10 3-293-31119-9 / 3293311199
ISBN-13 978-3-293-31119-0 / 9783293311190
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