Wolfszone (eBook)

Cyberthriller
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
512 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-31656-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wolfszone -  Christian Endres
Systemvoraussetzungen
14,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Deutschland in der nahen Zukunft. Ein heikler Auftrag führt den Berliner Privatdetektiv Joe Denzinger in die brandenburgische Provinz. Direkt hinter dem Dorf Dölmow hat die Bundeswehr einen Wald abgeriegelt, in dem sich ein Rudel Wölfe durch Nanobots und künstliche Intelligenz massiv verändert hat. Und genau hier soll Joe die Erbin eines mächtigen Rüstungsunternehmens finden, die seit Tagen spurlos verschwunden ist. Zwischen Cyborg-Wölfen, Soldaten, Gangstern, Umwelt-Aktivisten und Einheimischen beginnt für Joe eine atemlose Jagd mit ungewissem Ausgang ...

Christian Endres lebt als freier Autor in der Nähe von Würzburg. Er schreibt Romane, Kurzgeschichten, Essays, Kritiken und Comic-Editorials. Seine Storys erscheinen regelmäßig in c't-magazin für Computertechnik, Spektrum der Wissenschaft, phantastisch! und Exodus. Als Journalist schreibt er seit Jahren für den Tagesspiegel, Tip Berlin, Das Science Fiction Jahr, Geek!, diezukunft.de und viele mehr. Für seine Arbeiten wurde er bereits mit dem Deutschen Phantastik Preis, dem Kurd Laßwitz Preis und dem Literaturpreis Klimazukünfte 2050 ausgezeichnet.

Joe


Die Wölfe beherrschen Berlin.

Dafür bräuchte Joe keinen weiteren Beweis.

Gerade sind die mutierten Bestien sogar vor dem Brandenburger Tor zu sehen, wie sie schwer bewaffnete Menschen und spinnenbeinige Bots attackieren. Zwar nur in einem Video auf drei riesigen Bühnen-Bildschirmen, aber trotzdem.

Es ist heftig.

Massige Schemen aus Fell und Metall. Zurückgezogene Lefzen. Gelb leuchtende Augen. Lautes Knurren. Ratternde Gewehre und Geschütztürme. Sprühende Funken. Zorniges Heulen. Brutales Reißen. Spritzendes Blut. Dichter Rauch. Verzweifelte, abrupt endende Schreie.

Heftig, wie gesagt.

Trotzdem ignoriert Joe das Video über den Angriff der Cyborg-Wölfe, das schon vor Monaten in der Sperrzone nahe der deutsch-polnischen Grenze aufgenommen wurde, in den Anfangstagen des Konflikts. Wahrscheinlich haben die Wolfsgegner das Bühnensystem der ProW@lf-Demo gehackt, um die Aufnahmen der Auswüchse dieser Symbiose von tierischem Instinkt und künstlicher Intelligenz abspielen zu können – und vermutlich gehen beide Parteien deswegen noch hasserfüllter aufeinander los.

Wie bei einem Derby.

Maximale Rudelbildung.

Die Berliner Polizei hat längst alle Kontrolle über das Geschehen verloren, da helfen auch die fliegenden Kameradrohnen nichts, die emsig Gesichter scannen, Personaldaten auslesen.

Joe, der mit seiner Kombination aus weißem Hemd, grauem Anzug und schwarzer Krawatte sowieso aus der bunten Menge heraussticht, hat dabei nur Augen für seine Beute. Gerade schiebt er eine Aktivistin im geblümten Sommerkleid und mit einer Cartoon-Wolf-Pappmaske zur Seite, nur um im nächsten Moment einen Typen mit Muskelshirt und Bandana vor Mund und Nase abzuwehren, der Joe an den Kragen will. Das Gerangel genügt beinahe, damit Joes Zielperson im allgemeinen Chaos verschwinden kann. Zum Glück fällt auch die modisch auf, dank eines ärmellosen roten Hoodies.

Als würde man Rotkäppchen verfolgen.

Eigentlich wäre die Idee, Joe nach der Hatz durch den Tiergarten im Gewimmel der Demo abzuhängen, gar nicht mal schlecht gewesen. Aber so, mit der Kapuze vor Augen, bleibt Joe dran, und schließlich schlägt er zu, als der Verfolgte von einem Knäuel aus gewaltbereiten Demonstrierenden und gepanzerten Polizeieinsatzkräften aufgehalten wird.

Ein harter, in der Menge kaum wahrzunehmender Magenschwinger, und die Jagd ist vorbei. Joe packt den sich krümmenden Marius, einen überraschend laufstarken Tech-Hehler um die dreißig, und zerrt ihn am Hoodie mit sich zum Rand des Pulks.

»Braucht ihr Hilfe?«, fragt eine bereitstehende Sanitäterin.

»Ich kümmer’ mich um ihn«, wiegelt Joe ab. »Helft lieber dem da.«

Mit dem Kinn deutet er auf einen weinenden, blutüberströmten Demonstranten, der direkt neben ihnen aus dem Gedränge stolpert.

Joe zieht Marius von der wölfischen Zerstörungswut auf den Bildschirmen sowie den wutentbrannten Menschen auf dem Pflaster fort, in Richtung Potsdamer Platz.

»Irrsinn«, murmelt Joe und meint damit keineswegs bloß die eskalierende Demo.

Sondern die ganze Situation.

Dass da in einem Wald am Arsch von Brandenburg Wölfe durch Nanobots und Elektroschrott mutiert sind. Dass die Bundeswehr eine Sperrzone um den gesamten Wald herum errichtet hat, samt eigenem Stützpunkt. Dass im Parlament schon bald über das weitere Vorgehen des Militärs abgestimmt wird. Dass die ganze Welt seit Monaten auf Deutschland schaut.

Während Joe im Grunde nur seinen Job erledigen will. Einen weiteren Ermittlungserfolg für die Ein-Mann-Detektei Joe Denzinger verbuchen möchte.

Dafür muss er Marius erst einmal abliefern, damit Joes Klienten den Mann zum Verbleib ihres gestohlenen 3-D-Drucker-Prototypen für Organtransplantationen befragen können.

Er verfrachtet Rotkäppchen in den Kofferraum seines silbernen Audis und macht sich auf den Weg. Eine Dreiviertelstunde später erreichen sie ein Parkhaus, das sie vor neugierigen Blicken ebenso schützt wie vor der knallenden Sonne, die Anfang Mai schon einen auf Hochsommer macht.

»Die werden mir wehtun, Mann!«, kreischt Marius, als Joe die Heckklappe öffnet, damit sein Auftraggeber Friedrich sowie drei andere Männer den Hehler aus Joes Wagen herauszerren können. Sie schleifen ihn fort. Eine schwere Stahltür fällt ins Schloss und schluckt Marius’ panische Schreie und sein Flehen.

Joe und Friedrich erledigen die Bezahlung von Smartphone zu Smartphone.

»Sie bringen ihn aber nicht um, oder?«, fragt Joe.

»Je früher er redet, desto weniger Schmerzen wird er haben«, antwortet Friedrich. Er ist einer der Erfinder des Druckers und wirkt eher wie ein Uniprofessor als ein Foltermeister.

Manchmal sind die Übergänge fließend.

»Danke«, sagt er nach der Transaktion. Früher, vor den Pandemien, hätten sie einander die Hand gegeben. »Damit haben Sie Leben gerettet. Und die Zukunft.«

»Stets zu Diensten.« Joe tippt sich mit zwei Fingern an die Schläfe und steigt wieder in seine Karre.

Erst jetzt fällt ihm das Graffiti an der Betonwand auf: ein stilisierter Cyborg-Wolfskopf.

»Nett«, kommentiert Joe, schnallt sich an und startet den Elektromotor. Gerade als er losfahren will, um sich seinen traditionellen Veggie-Siegesdöner zu holen, vibriert sein Smartphone.

Unbekannte Nummer.

Er geht ran und meldet sich knapp.

»Guten Tag, Herr Denzinger.« Die Stimme einer Frau, kühl und mächtig, allein dadurch ziemlich sexy, wie Joe gestehen muss. »Hier spricht Sylvia Kraupen.«

»Klar«, sagt er sarkastisch und fragt sich, wer ihn da verarschen will und wieso.

Als ob Deutschlands reichste Waffen- und Drohnenfabrikantin, deren Name im hitzigen Diskurs um die Sperrzone und die Abstimmung zurzeit ständig fällt, ausgerechnet ihn anrufen würde.

Um dann auch noch so etwas zu sagen: »Ich habe einen Auftrag für Sie.«

»Klar«, erwidert Joe erneut.

Sein Sarkasmus kommt nicht an, oder wird einfach ignoriert.

»Ich erwarte Sie um vier Uhr heute Nachmittag bei mir zu Hause in Potsdam.«

»So, so. Und bekomme ich Ihre Adresse, Frau Kraupen

»Wenn Sie so gut sind, wie man sagt, finden Sie die auch selbst heraus.«

Womit das Gespräch beendet ist.

Verärgert wischt Joe über sein Smartphone – er hat ein paar Apps, mit denen er unterdrückte Nummern zurückverfolgen kann.

Diesmal klappt das jedoch nicht.

Der Anruf ist nirgends protokolliert.

Als hätte es ihn nie gegeben.

Das ist der Moment, in dem Joe begreift, dass das womöglich doch kein schlechter Scherz gewesen ist.

Bleibt natürlich noch immer die Frage, was die Fürstin der Drohnen von ihm wollen könnte.

Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.

Zurück in seiner Wohnung in Neukölln, duscht er hastig im Wassersparintervall, zieht frische Sachen an. Die Datenbankabfrage bringt ihn nicht weiter, also kontaktiert er eine Maklerin, die ihm einen Gefallen schuldet, und zwanzig Minuten später hat er eine Adresse in Potsdam.

Auf seinem Weg durch Berlin fährt Joe an ein paar leuchtenden Werbetafeln mit dem Konterfei von Sylvia Kraupen vorbei, das diese Woche die Titelseite des Spiegel ziert.

Sehr passend.

Denn wenn der Krieg gegen die Wölfe ein Gesicht hat, dann das von Sylvia Kraupen. Immerhin produziert ihr Rüstungsunternehmen die meisten der Gerätschaften, die von der Bundeswehr gerade in Brandenburg eingesetzt werden.

Keine Frage: Kraupen ist eine der reichsten und mächtigsten Frauen des Landes, der Welt. Joe hätte bis zu ihrem mysteriösen Anruf deshalb nie und nimmer erwartet, dass sie ausgerechnet ihn zu sich bestellen würde. Und das nicht über einen Assistenten oder eine Assistentin, wohlgemerkt, und auch nicht in die Firmenzentrale, sondern in ihre Villa.

Als Joe das feudale Anwesen durch die Autoscheibe erblickt, ist er gebührend beeindruckt.

Hinter einer hohen Mauer sowie einer massiven Sicherheitsschleuse mit allen möglichen Scannern erstreckt sich ein riesiger Park, der die Royals neidisch machen könnte. Es ist zu heiß für einen Nachmittag im Wonnemonat, wie schon seit Jahren, überall vertrocknet und verbrennt der Rasen, aber in der Gartenanlage der Kraupen-Residenz protzt das gewässerte Gras saftig und grün, gleiten sogar mehrere diensteifrige Mähroboter umher. Joe steuert seinen Audi über den Kiesweg, der sich zwischen den Grünflächen, dem Lavendel, den Buchsbaumhecken und den Rosen windet. Gelegentlich schweben runde Wachdrohnen an ihm vorbei und starren ihn kalt aus ihrem Zyklopenauge an.

Nach einer gefühlt endlosen Fahrt durch das Gartenlabyrinth kommt Joe vor der Front der Villa Kraupen an. Er parkt und steigt aus. Steinstufen führen zu einer wuchtigen Metalltür hinauf, die jedem Tresor einen Minderwertigkeitskomplex bescheren würde.

Joe fummelt an seinem Anzug herum, streicht die Krawatte glatt.

Bevor sein Fuß die oberste Stufe der Treppe berührt, geht die schwere Haustür wie von Zauberhand langsam nach innen auf. Kalte Luft schlägt ihm entgegen.

Joe betritt eine weitläufige, klimatisierte Eingangshalle. Die Proportionen, der Marmor und die gegenläufig geschwungene Doppeltreppe im hinteren Teil kommen nicht unerwartet, erzielen aber ihre Wirkung. Umso mehr, da keine Menschenseele Joe in Empfang nimmt. Das lässt die Halle nur noch größer und leerer erscheinen.

Joe ist enttäuscht. Er hat mit einem altmodischen Butler gerechnet, der weiße Handschuhe und einen Frack aus...

Erscheint lt. Verlag 15.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte 2024 • AI Artificial Intelligence • Brandenburg • Cyberpunk • Cyber War • eBooks • Künstliche Intelligenz • Nahe Zukunft • Near future • Neuerscheinung • Rotkäppchen • Thriller • Wald • Wölfe in Deutschland
ISBN-10 3-641-31656-1 / 3641316561
ISBN-13 978-3-641-31656-3 / 9783641316563
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,7 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich

von Jo Koren

eBook Download (2024)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99

von Jo Koren

eBook Download (2024)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99