Feuer und Erz (eBook)

Historischer Roman
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2024 | 1. Auflage
560 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01749-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Feuer und Erz -  Hendrik Lambertus
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Der Harz um 1470. Der Kupfer- und Silberbergbau, einst die Lebensader der Region, ist durch Pest, Kriege, Wassereinbrüche und Grubenunglücke fast zum Erliegen gekommen. Die Geschwister Cordt und Anna Fredemann tun alles, um die hoch verschuldete Grube ihres Vaters am Laufen zu halten. Als Cordt in einem alten Stollen einen vergessenen Klosterschatz entdeckt, beschließen sie, den Fund heimlich über die gefährlichen Stege des Oberharzes auszuführen, um mit dem Geld die Schulden zu tilgen. Doch Räuber lauern ihnen auf, und sie müssen ohne den Fund in den Wald flüchten. Ihre Zukunft scheint verloren, bis sie in einer alten Bergbau-Siedlung dem fremdländischen Alchemisten und Mineralogen Bartolomeo begegnen - der sie in das Geheimnis des Seigerverfahrens einweiht. Mit dieser neuen Einschmelz-Methode, mit der sich Silber aus Kupfererz gewinnen lässt, gibt es Hoffnung für die Grube. Nur ruft der Erfolg Neider auf den Plan. Und Bergbau ist ein gefährliches Geschäft. Über der Erde manchmal ebenso sehr wie unter Tage ...

Dr. Hendrik Lambertus wurde 1979 geboren und studierte in Tübingen Skandinavistik, ältere Germanistik und Indologie, anschließend promovierte er mit einer Arbeit über die spätmittelalterliche Literatur Islands. Noch heute beschäftigt er sich im Zuge seiner wissenschaftlichen Lehrtätigkeit mit alten Texten aus verschiedenen Kulturräumen, was ihm ebenso als Inspiration für sein eigenes Schreiben dient. Seit 2011 betreibt er als freiberuflicher Schreibcoach die Schreibwerkstatt 'Satzweberei' und veröffentlicht Bücher in unterschiedlichen Genres. Er lebt mit seiner Familie in der Nähe von Bremen. 

Dr. Hendrik Lambertus wurde 1979 geboren und studierte in Tübingen Skandinavistik, ältere Germanistik und Indologie, anschließend promovierte er mit einer Arbeit über die spätmittelalterliche Literatur Islands. Noch heute beschäftigt er sich im Zuge seiner wissenschaftlichen Lehrtätigkeit mit alten Texten aus verschiedenen Kulturräumen, was ihm ebenso als Inspiration für sein eigenes Schreiben dient. Seit 2011 betreibt er als freiberuflicher Schreibcoach die Schreibwerkstatt "Satzweberei" und veröffentlicht Bücher in unterschiedlichen Genres. Er lebt mit seiner Familie in der Nähe von Bremen. 

Teil 2


1478


Erstes Kapitel


«Hüde is use Dag!»

Schon seit den frühen Morgenstunden hallte der Ruf durch die Gassen des Frankenberg-Viertels: «Heute ist unser Tag!»

Es waren vor allem junge Kerle und Mädchen aus den Familien der Bergknappen, die da riefen, doch zuweilen ließen sich auch deutlich ältere Stimmen vernehmen. Pfingsten, der Tag des Berggelags, sorgte bei allen für Hochstimmung, die in irgendeiner Form mit dem Rammelsberg und seinen Schätzen zu tun hatten, seien es Hauer oder Steiger, Hüttenleute oder Werkzeugschmiede.

Der Gottesdienst, mit dem der Tag begann, verlief unter unruhigem Gemurmel und mit einer Mischung aus pflichtschuldiger Frömmigkeit und ehrlicher Dankbarkeit für ein ertragreiches Jahr. Alle waren einfach zu aufgeregt auf das, was heute noch kommen sollte, um der Messe gar zu aufmerksam zu folgen.

Schließlich strömten die Leute erleichtert aus der Kirche, als hätte man die Pforte eines Mühlenwehrs geöffnet. Man versammelte sich auf dem Frankenberger Plan, dem Platz zwischen den gedrungenen Fachwerkbuden, wo sonst die städtischen Ziegenhirten ihre Bergmannskühe zusammentrieben, um sie durch das Klaustor auf die Weide zu führen. Grüppchen junger Frauen redeten angeregt durcheinander. Alte Nachbarn erzählten von früher und von denen, die letztes Jahr noch dabei gewesen waren und nun unter der Erde ruhten. Kinder liefen rudelweise allen zwischen den Füßen herum, verfolgten Holzreifen und Bälle aus Stoffresten.

Dann ging es endlich los. Unter dem Klang von Trommeln und Kuhhörnern, Lauten und Sackpfeifen setzte sich der Zug in Bewegung, hinaus aus dem Klaustor mit seiner mächtigen Turmbefestigung und den Karrenweg zum Bargedorp hinauf. Der alte Steiger Georg hatte in diesem Jahr die Ehre, den Zug als Pritschenmeister anzuführen. Wie ein Zepter trug er seine Pritsche, eine Klatsche aus Leder, die an einem mit Schellen besetzten Stab befestigt war.

Sie war mehr als ein bloßer Zeremoniengegenstand: Wenn sich im Laufe des Berggelags einzelne Gäste danebenbenahmen und insbesondere durch maßlose Trunkenheit auffielen – und das war nur eine Frage der Zeit –, war es die Aufgabe des Pritschenmeisters, sie mit der Pritsche auf einem eigens dafür errichteten Podest zu züchtigen und dazu passende Spottverse zum Besten zu geben. Ein Spektakel, das mehr Teil des Unterhaltungsprogramms als eine echte Bestrafung war und sich vor allem bei den Kindern größter Beliebtheit erfreute.

Der Zug erreichte das Bargedorp und zog an der Johannis-Kirche vorüber. Anna Mechthusen, die Frau des wohlhabenden Kaufmanns und Seigerhüttenbetreibers Konrad Mechthusen, warf einen nachdenklichen Blick auf die steinernen Kemenaten rings um den Kirchenbau. Die Gebäude wirkten heruntergekommen und verlassen, mit traurigen, leeren Fensteröffnungen. Einige von ihnen waren inzwischen halbe Ruinen, abgetragen, um ihre guten Feldsteine an anderer Stelle neu zu verwenden. Seit die Seigerkunst dem Bergbau in den letzten Jahren neuen Aufschwung beschert hatte, waren zunehmend mehr Bergleute in neuere, festere Behausungen im Schutz der Stadtmauern von Goslar auf dem Frankenberg gezogen, und das Bergdorf verfiel leise vor sich hin.

Mit den einfachen Hauer-Buden weiter oben am Hang sah es sogar noch schlechter aus. Einige von ihnen dienten als Ställe, Schuppen und Feldscheunen, andere waren abgetragen von Wind und Regen und überwuchert von Brombeerranken und Brennnesseln. Wo Menschenhände nicht mehr wirkten, schlang die Wildnis des nahen Harzes erschreckend schnell alles wieder in sich hinein. Schon bald würde die Johannis-Kirche wohl alleine oberhalb der Stadt am Berg stehen, eine Erinnerung an einen Ort, den es nicht mehr gab – und der doch älter war als das stolze Goslar mit seinen Kirchen und der Kaiserpfalz.

Anna empfand bei dem Gedanken eine Mischung aus Wehmut und Erleichterung. Ja, sie würde die Welt ihrer Kindheit vermissen, Vaters Welt, die es nun nicht mehr gab. Aber sie war auch dankbar, dass diese Zeit der Unsicherheit hinter ihr lag. Dankbar für die Gegenwart, wenn auch nicht alles perfekt sein mochte.

Sie warf einen Blick auf ihren Gemahl, der neben ihr ging. Die Familien der Bergherren, Grubenbesitzer und Hüttenbetreiber hatten das Privileg, ganz vorne im Zug beim Pritschenmeister zu laufen, und alle hatten sich festlich herausgeputzt. Konrad trug Beinlinge aus einem kostbaren, gestreiften Stoff und dazu einen Mantel mit Pelzbesatz, dessen üppige Ärmel locker von den Schultern herunterhingen, während die Arme aus Schlitzen an der Seite schauten. Das Ganze ergänzte ein Barrett, leicht schräg auf den Kopf gesetzt, von dem gleich drei Federn abstanden, als wollten sie der Menge winken. Eine Aufmachung, wie es sich für einen Ratsherrn von Goslar wohl geziemte, denn Konrads Beteiligung an Cordts Seigerhütte hatte ihn vor Kurzem in den Rat der Stadt gebracht. Unnötig zu erwähnen, dass das mehr auf Anna zurückging als auf seine eigenen Ambitionen …

Natürlich fühlte er sich in dieser aufwendigen Kleidung unwohl und hatte die Schultern hochgezogen, wie er es in solchen Situationen stets tat. Anna hatte ihm sogar ein Buch abnehmen müssen, das er im Mantel schmuggeln wollte, damit es ihm beim Berggelag nicht zu langweilig wurde.

Und natürlich hatte seine Mutter Margarete die gesamte Aufmachung handverlesen, nicht ohne einen strengen Seitenblick auf Anna, der solche Kleiderfragen herzlich egal waren. Sie selbst trug ein schlichtes, tiefgrünes Kleid, dessen Kostbarkeit nur durch einige Rankenstickereien an den Säumen ersichtlich war. Grün – die Farbe, die Elisabeth bei ihren Ausritten bevorzugte … Der Gedanke kam plötzlich und unwillkommen, und doch ließ er Annas Bauch freudig kribbeln.

Rasch schaute sie auf Claus, der zwischen ihr und Konrad ging. Mit seinen vier Jahren schritt er schon ziemlich munter aus und war trotz des steilen Weges nicht müde zu kriegen. Vielleicht lag es auch daran, dass es auf dem Fest Mandelküchlein geben würde.

Er trug eine Art Miniaturversion der Kleidung seines Vaters, wobei die Federn am Hut ihn weit überragten, gerade so, als würden kleine Mechthusens bereits als Kaufleute im vollen Ornat zur Welt kommen. Dunkle Haare und Augen hatte er, wie sein Onkel Cordt. Im Stillen freute sich Anna unvernünftig darüber, dass sich die Fredemann-Züge gegen die Mechthusens durchgesetzt hatten.

«Stimmt es eigentlich, dass dein Bruder nur heute beim Berggelag dabei ist?», fragte Konrad plötzlich halblaut und riss Anna damit aus ihren Gedanken.

«Wie? Was meinst du damit?»

«Na ja, Meister Arndt von der Seigerhütte erwähnte, dass er wohl morgen die Grube begehen wolle, wenn gerade nicht gearbeitet wird. Warum auch immer …»

Anna schaute sich unwillkürlich nach ihrem Bruder um. Auch er ging vorne im Zug, bei den anderen Grubenmeistern. Er hielt nun Anteile an der Seigerhütte, die schließlich seine Idee gewesen war; das hatte seinen Status beträchtlich erhöht. Dennoch lief er an der Zugspitze so weit hinten, wie es gerade noch für seinen Stand gehörig war – näher an den einfachen Bergleuten als an den Kaufleuten mit ihren Grubenanteilen als Investitionen.

Cordt trug einen schlichten, dunklen Tappert-Mantel, dazu einen breitkrempigen Steigerhut ohne Federn. Über seinen Haken hatte er einen Handschuh gestülpt. Irgendwie brachte er es fertig, selbst an diesem Festtag nachdenklich vor sich hinzuschauen, als würde ihn der Weg vor seinen Fußspitzen mehr interessieren als das ganze bunte Treiben um ihn herum. Keine Frau ging an seiner Seite. Obgleich er inzwischen zusammen mit Mutter und der Magd Jutte ein standesgemäßes Haus am Rande des Frankenbergs bewohnte, ließ eine junge Fredemann’sche noch immer auf sich warten.

«Ich weiß nicht genau, was er vorhat», erwiderte Anna ehrlich. «Wir sehen uns in letzter Zeit ja kaum.»

Auch das vermisste sie: zusammen mit Cordt unter einem Dach zu wohnen und Pläne zu schmieden, wie in alten Tagen. Sie selbst lebte mit Konrad in einem standesgemäßen Stadthaus, das natürlich seiner Familie gehörte.

«Vermutlich will er einfach nur in der Grube nach dem Rechten sehen», fuhr sie fort. «Ungestört und auf seine Art, während die Bergknappen feiern.»

Konrad nickte nachdenklich. «Ich dachte mir, wenn er arbeitet, könnte ich ja eigentlich auch …»

«Oh nein!» Sie sprach so energisch, dass Claus hochschaute und sich wunderte, dass nicht er gemeint war. «Das Berggelag dauert drei Tage, wie es der Brauch ist, und wir werden uns dabei an allen drei Tagen sehen lassen. Betrachte es als Teil unserer Arbeit. Wir müssen am Rammelsberg Präsenz zeigen und beweisen, dass es uns wirtschaftlich gut geht. Sonst zerreißen die anderen Familien sich das Maul.»

«Das kannst du doch eh viel besser als ich …», setzte Konrad an.

«Umso wichtiger, dass du es lernst», erwiderte Anna gnadenlos. «Außerdem kenne ich das, was du Arbeit nennst: Du vergräbst dich nur wieder in deinen geliebten Büchern.»

«Ach, und Cordt darf in seinen geliebten Rammelsberg?», maulte Konrad. «Wer von uns vergräbt sich wohl tiefer, hm? Selbst die Naturgeschichte vom ollen Plinius ist nicht so dick wie eure Bergflanke …»

Anna wollte etwas Strenges erwidern – und entdeckte rechtzeitig das schalkhafte...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2024
Zusatzinfo Mit 3 s/w Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Alchemie • Astrid Fritz • Bergbau • Daniel Wolf • Familiensaga • Goslar • Harz Roman • Historienroman • Historische Bücher • historische Romane Neuerscheinungen 2024 • historischer Roman Mittelalter • Historisch Romane • Kupfer • Mineralogie • Mittelalter • Mittelalterroman • Mittelalter Romane • Rammelsberg • Rebecca Gablé • Romane Mittelalter • Roman historisch • Saga • Schmuggel • Seigerverfahren • Silber
ISBN-10 3-644-01749-2 / 3644017492
ISBN-13 978-3-644-01749-8 / 9783644017498
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