Waypoints (eBook)
296 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44755-0 (ISBN)
Sam Heughan wurde durch die Erfolgsserie »Outlander« berühmt, in der er die Hauptfigur Jamie Fraser spielt. Seine Karriere erstreckt sich über Theater, Fernsehen und Film. Zuletzt war er in dem Film »Love Again« an der Seite von Céline Dion zu sehen. Sein erstes Buch »Clanlands«, das er mit seinem Outlander-Kollegen und Freund Graham McTavish verfasste, wurde ein SPIEGEL-Bestseller.
Sam Heughan wurde durch die Erfolgsserie »Outlander« berühmt, in der er die Hauptfigur Jamie Fraser spielt. Seine Karriere erstreckt sich über Theater, Fernsehen und Film. Zuletzt war er in dem Film »Love Again« an der Seite von Céline Dion zu sehen. Sein erstes Buch »Clanlands«, das er mit seinem Outlander-Kollegen und Freund Graham McTavish verfasste, wurde ein SPIEGEL-Bestseller.
Tag null
Auszeit
Ich muss los!« Ich richte mich so heftig im Bett auf, dass die Bettdecke hochfliegt und zerknautscht zu meinen Füßen landet. »Ich muss das machen … auf der Stelle!«
Ich spreche hier ausschließlich mit mir selbst. Ich bin ja auch allein zu Hause. Ich bin erst seit ein paar Tagen wieder da. Nachdem ich monatelang zu Dreharbeiten, PR-Terminen und für geschäftliche Projekte unterwegs war, sollte ich jetzt froh sein, still liegen zu können. Allein in den letzten vier Wochen bin ich von Mexiko bis Los Angeles, New York und Chicago durch Abflugs- und Ankunftshallen gehastet. Nicht, dass mir das lästig wäre. Ich bin gern beschäftigt. Aber ich habe jedes Recht, in Jogginghosen herumzuhängen und absolut nichts zu tun. Dank meines Jetlags und eines kleinen Katers nach einem Date mit meiner Whiskysammlung gestern Abend kann ich meine Gedanken nicht daran hindern umherzuschweifen.
»Ich könnte es doch einfach tun«, rede ich mir selbst ein, als müsste ich den rationalen Teil meines Gehirns von meinem Plan überzeugen. »Oder?«
Seit ich die Tür aufgeschlossen und meine Taschen im Flur abgestellt habe, ertappe ich mich dabei, dass ich ziellos die Zeit totschlage. Ich komme nicht zur Ruhe, kann nachts nicht schlafen und verdöse die Tage. Ehrlich gesagt fühlt es sich an, als hätte ich vergessen, wie man ohne Terminkalender lebt. Bis jetzt habe ich mich nur von einem Zimmer zum nächsten treiben lassen, wie um mich daran zu erinnern, dass ich hier tatsächlich wohne. Die Übergänge von Mahlzeiten zu Snacks sind fließend geworden. Ich habe mit meinem Porridge herumexperimentiert, aber nichts schmeckt besser darauf als gefrorene Blaubeeren, Erdnussbutter und eine Prise Zimt. Ich habe die Salz- und Pfefferstreuer davor gewarnt, sich ein Urteil über mich zu erlauben, nur weil mir Eier mit Ketchup und scharfer Soße schmecken. Ein nachmittäglicher Ausflug zum Fitnessstudio war mein einziger Grund, mich anzuziehen – wenn auch mit ziemlich zusammengewürfelter Kleidung, Frühjahr trifft die Herbst-Winter-Kollektion, beides circa 2009. Danach schalte ich Wiederholungen von Zurück in die Zukunft ein und billig produzierte Polizeidokus. Die Auszeit, die ich genießen sollte, fühlt sich dumpf und verschwommen an. SssssccccccCCCCCrrrrrrackKK! Die neue Kaffeemaschine, deren Bedienung ich so mühsam gelernt habe, spuckt die letzten Tropfen einer spektakulären, brutal schwarzen Flüssigkeit in meinen Lieblingsporzellanbecher. Zwei Tassen reichen, um mich aus dem Bett zu kriegen. Drei wären ideal.
Ich ärgere mich über mich selbst, weil ich mich so sehr auf diese Pause gefreut hatte. Ich hatte mich glücklich geschätzt, in einer Branche zu arbeiten, die einen Weg gefunden hatte, auch in einem weiteren Pandemiejahr zu funktionieren. Die ganze Welt war davon betroffen gewesen, und uns ging es nicht anders. Filme und Serien zu drehen, war vielen Einschränkungen unterworfen gewesen, aber ich war so dankbar, in einem der wenigen Sektoren beschäftigt zu sein, die die Arbeit fortsetzen konnten. Jetzt hatte ich Pause, und doch kostete es mich Mühe, mich mehr als einen Tag auszuruhen. Ich bin nicht hyperaktiv, eigentlich bin ich süchtig nach Erholung, aber ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich nicht zu irgendetwas antreibe.
Im Lauf des letzten Jahres konnten wir endlich die sechste Outlander-Staffel drehen. Sie war kürzer, aber auch intensiver und hatte einen dunkleren Unterton. Ich spiele den Highland-Krieger Jamie Fraser, und seit Drehbeginn im Jahr 2013 sind die Schauspieler und die ganze Crew für mich wie eine Familie geworden. Obwohl diese Staffel nur acht Folgen hatte, entpuppte sie sich als eine der schwierigsten. Inmitten all der neuen Richtlinien und Restriktionen haben wir zusammengehalten wie nie zuvor, um die Staffel zu etwas ganz Besonderem zu machen. Danach war ich erschöpft und freute mich wirklich auf diese kurze Unterbrechung.
Die Outlander-Produktion ist in den Wardpark Film & Television Studios in Lanarkshire nordöstlich von Glasgow beheimatet. Wir mussten in einer Blase arbeiten und haben nur wenige Menschen von außerhalb gesehen. Am ersten Drehtag, der uns mitten in den schottischen Winter katapultierte, fand ich mich in Begleitung meines treuen, stets verlässlichen Fahrers Davie Stewart wieder. Davies Spitzname ist »Hollywood«, weil er schon viele große Stars chauffiert hat. Mich hält er hoffentlich für gewöhnliche Fracht, denn er ist bei unseren Fahrten immer entspannt und beste Gesellschaft. Wir haben dieselbe Leidenschaft für schlechte Technomusik, und freitagabends kann es auf dem Heimweg im Auto ziemlich wild zugehen. Auch wenn ich selber eher flexibel mit Terminen umgehe, kann ich garantieren, dass er mich immer pünktlich abliefert.
Obwohl ich an diesem Morgen untypischerweise pünktlich fertig gewesen war und schon auf ihn gewartet hatte, kamen wir wegen des Schnees auf den letzten Drücker an. Schnee puderte die Landschaft und krönte die Campsie Fells, als wir über die M80 nach Cumbernauld fuhren, uns aber bremste er aus, weil auf der Straße Schneegestöber herrschte. Zum Glück war nicht viel Verkehr. Das lag nicht nur an den Wetterbedingungen, sondern auch an der Tatsache, dass die Welt mehr oder weniger aufgehört hatte, sich zu drehen, seit das Virus aufgetaucht war. Inzwischen betrachteten wir die leeren Straßen als Selbstverständlichkeit, und während sich Davie aufs Fahren konzentrierte, dachte ich darüber nach, wie die Pandemie keinen Aspekt unseres Lebens unberührt gelassen hatte. Man konnte ihr buchstäblich nicht entkommen. Ich war gerade erst wieder in Schottland, nachdem ich einen Film mit dem Titel Love again mit Celine Dion und Priyanka Chopra fertig gedreht hatte. Aufgrund der Abstandsregeln, die während des ganzen Drehs galten, war es eine große Herausforderung gewesen. Die Regeln während der Vorbereitungszeit waren ziemlich streng: Maximal fünfundzwanzig Minuten gemeinsam in einem Raum, allgemeine Maskenpflicht und so weiter. Ich fand es aber wichtig, eine vertrauensvolle Beziehung zu Priyanka aufzubauen, weil wir ja ein Liebespaar auf Umwegen spielen sollten. Also sorgten wir gemeinsam mit dem Regisseur dafür, dass wir uns auch nach Feierabend treffen konnten. In mancher Hinsicht haben uns die Einschränkungen gezwungen, uns ganz besonders anzustrengen, um perfekte Arbeit abzuliefern. Daran musste ich denken, als wir im Schneematsch in die Einfahrt von Wardpark fuhren und mir schon schwante, dass diese Staffel kein Spaziergang werden würde.
»Alles, was ich brauche, ist ein bisschen Ausrüstung.« Ich bin jetzt aufgestanden und denke laut nach, während ich im Zimmer auf und ab laufe. »Ein Zelt … Regenkleidung … Wanderschuhe … Steigeisen?« Ich halte einen Moment inne, denn ich weiß die Antwort tatsächlich nicht, aber ich muss ohnehin ganz von vorn anfangen, also lasse ich die Frage erst einmal außen vor. »Das kann ich alles regeln«, beschließe ich, obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, was sonst noch auf der Liste stehen sollte.
Ja, ich folge hier einfach der Eingebung des Augenblicks. Die Entscheidung ist zwar impulsiv, aber das Abenteuer, das mir vorschwebt, ist mir nicht einfach so eingefallen. In der letzten Outlander-Drehwoche sind wir vom Studio zu einem Außendreh nach Glencoe gefahren. Dem Wanderer bietet dieser großartige Ort in den Highlands Gipfel, Täler, Wege und Wasserfälle. Außerdem ist Glencoe ein legendärer Drehort, wie gemacht für die große Leinwand; hier wurden wichtige Szenen für Skyfall und die Harry-Potter-Filme gedreht. Am Ende eines harten Winters strahlte die Landschaft Ruhe und Wildheit zugleich aus. Wann immer ich nicht vor der Kamera stand, fühlte ich mich einfach nur zu der Aussicht hingezogen. Dann stand ich für eine Rückblende aus dem Gefängnis von Ardsmuir (Staffel drei) in Jamies zerschlissenen Lumpen und schlecht sitzenden Schuhen da, atmete die kalte, reglose Luft ein und sehnte mich danach, mich in dieser gewaltigen, herrlichen Wildnis zu verlieren. Meine Begeisterung für Outlander rührt zum Großteil daher, dass die Geschichte tief in die historischen Kämpfe und Triumphe der Highland-Schotten eintaucht. Es ist eine Ehre, Jamie zu spielen, eine leidenschaftliche, treue, unbeirrbare, tapfere Seele, und doch hatte ich mich nie näher mit dem Land beschäftigt, das seine Heimat war.
Also verabredete ich mich am letzten Drehtag mit einem Kollegen, der auch begeisterter Jogger war, lange vor unserem Auftritt aufzustehen und unsere Trailschuhe anzuziehen. Die kalte Luft weckte mich auf, als wir auf den Buachaille Etive Mòr (den großen Hirten des Etive) zuliefen, den imposanten Berg, der das Tal beschützt. Wir folgten einem Pfad, der bei Wanderern und Rucksacktouristen beliebt war, einer Wanderroute namens West Highland Way. Wie ein breiter Faden durchschnitt er die Landschaft, wand sich um die kleineren Hügel und verschwand in Mulden und Falten. Er zog meinen Blick mit sich, so weit ich schauen konnte.
»Von Glasgow bis Fort William«, sagte Jack, mein Begleiter, als wollte er mich auffordern, mir die schiere Länge der Route auszumalen. »Wie weit ist das? Ungefähr hundertsechzig Kilometer?«
»Es ist weit«, gab ich zurück, denn mein Hirn schlief noch unter der Tartanbettwäsche im Hotel. Ich war mir nicht sicher, wie lang der Wanderweg genau war, aber mir war bewusst, dass wir für ein kurzes Stück einem Weg folgten, der das Tor zu einer rauen, ursprünglichen Landschaft bildete. »Ich glaube, er fängt ungefähr da an, wo ich wohne«,...
Erscheint lt. Verlag | 2.4.2024 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Schlagworte | Autobiografie • Autobiografie Schauspieler • biografien berühmter persönlichkeiten • Bücher von Promis • Clandlands • Diana Gabaldon • Echte Schicksale • Erfahrungsberichte • Fernwanderweg • Graham McTavish • Highlands • Highland-Saga • Hollywood • Hollywood Buch • Hollywood-Schauspieler • Innere Reise • Jamie Fraser • Kindheit • Lebensgeschichte • Memoir • Outlander • Outlander Buch • Outlander-Serie • Reisebericht • Reise Schottland • Sam Heughan • sam heughan buch deutsch • Schottische Highlands • Schottland • schottland buch • Schottland erleben • Sehnsuchtsort • Selbstfindungsreise • Wanderung • waypoints • waypoints deutsch • Wegpunkt • Wendepunkt • West Highland Way |
ISBN-10 | 3-426-44755-X / 342644755X |
ISBN-13 | 978-3-426-44755-0 / 9783426447550 |
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