Perry Rhodan 3290: Gravitationsdrift (eBook)
64 Seiten
PERRY RHODAN digital (Verlag)
978-3-8453-6290-8 (ISBN)
1.
Trügerische Gärten
Die Sensoren des SERUNS von Oberst Tevvka Grecoa maßen Standardschwerkraft, eine Temperatur von zehn Grad Celsius und eine für die Terranerin atembare Luft mit den Hauptbestandteilen Stickstoff und Sauerstoff. Beruhigend, wenn man bedachte, dass ein paar Meter weiter, jenseits des Rumpfs der geheimnisvollen Station, fraglich war, woran sie zuerst stürbe: am Druck, der ihren Körper zerquetschen, am Atmosphärengemisch, das sie beim ersten Atemzug vergiften oder an der Hitze, in der sie verdampfen würde.
Sie ließ ihren Helm im Kragen einfalten. »Hört mich jemand? Wir kommen in Frieden!«
Das kosmische Konklave war eine Scheibe von etwa drei Kilometern Durchmesser und sechshundert Metern Höhe. Exakte Messungen waren Grecoas Jagdkreuzer so tief in der Atmosphäre des Riesenplaneten Siskul unmöglich gewesen.
Durch ein Panoramafenster sah man das Gas vorüberwirbeln. Der enorme Außendruck zwang es in einen Zustand, den die Physiker superkritisch nannten, wobei es Eigenschaften von Flüssigkeiten annahm. Es sah aus wie schnell strömendes Quecksilber. Ein Anblick, der voraussetzte, dass die Station Außenscheinwerfer aktiviert haben musste; vom Jagdkreuzer aus war das Licht nicht zu sehen gewesen, es konnte nur wenige Meter in die Atmosphäre hinausdringen.
Grecoas Schiff hatte nicht angedockt. Zamunat Pettpér hatte sie an Bord der Station gebracht. Er war ein Teleporter und fungierte vornehmlich als Leibwächter des Thort. Auf diese Mission war er abkommandiert worden, um an der Befreiung ferronischer Forscher mitzuwirken. Er hatte sie und den Oxtorner Janou LeCount, einen vielversprechenden Sergeanten, mittels seiner Paragabe des zeitverlustfreien Ortswechsels in die Station versetzt. Eine Begleiterscheinung seiner Fähigkeit war ein temporärer Temperaturabfall am Zielort. Der SERUN registrierte bereits, dass sich die Luft wieder erwärmte.
»Haltet die Hände von den Waffen fern und lasst die Schirme desaktiviert!«, befahl Grecoa.
LeCount ging ein paar Schritte auf Abstand, wie es der Einsatzroutine bei den Raumlandetruppen entsprach; man wollte verborgenen Gegnern keine Gelegenheit geben, mit einer einzelnen Granate die komplette Einsatzgruppe zu treffen. Pettpér dagegen blieb an ihrer Seite. Der einen Meter sechzig große Ferrone war kein Soldat. Da Grecoa die kommandierende Offizierin war, betrachtete er sie wohl als seine Schutzperson.
Aus seiner Warte gab die unübersichtliche Umgebung, in die er sie versetzt hatte, zweifellos Anlass zur Sorge, und eine militärische Bewertung musste zum selben Ergebnis kommen. Dennoch gönnte sich Grecoa einen Moment des Staunens über die unvermutete Schönheit dieses Ortes, zumal die reichhaltige Bepflanzung und die Verspieltheit der Architektur den Eindruck eines erholsamen Refugiums vermittelten, obwohl er inmitten der tobenden Orkane des Gasriesen lag.
Die grobe Anmutung dessen, was sie sah, ähnelte dem Lichthof eines Wolkenkratzers. Die drei Besucher standen auf einer Art Empore aus stumpf-silbernem Metall, das hineingebürstete Rillen griffig machten. Ohne Brüstung endete sie an einem Abgrund. In diesen Abgrund ragten ohne erkennbare Ordnung zusammengefügte Module – Wohnungen vielleicht, Lagerräume oder Aggregate. Ihre gewürfelt wirkende Zusammensetzung erinnerte an die Fragmentraumer der Posbis, die ebenfalls so aussahen, als hätte jemand versucht, verschiedenste dreidimensionale Elemente zu einem Würfel zusammenzuschieben, aber irgendwann weit vor dem Ziel die Geduld verloren haben musste. In diesem Fall schienen die angestrebten Formen allerdings keine Würfel, sondern Säulen gewesen zu sein.
Die Gestaltung der Module fiel individuell aus, mit in Reliefs strukturierten Oberflächen, bunt bemalt wie ein Kobraschiff der Yodoren. Es gab Zugänge, teils verhängt, teils offen, und Lichtschein in verschiedenen Farben. Pflanzen wuchsen an den Modulen und aus ihnen hervor, hingen in meterlangen, grünen Bärten über die Fassaden oder reckten verdrehte Äste einem unbekannten Ziel entgegen.
Geschwungene, teils um ihre Längsachse gedrehte Brücken verbanden die Module ebenso wie leuchtende Energiebahnen sowie durchhängende Leinen, deren Nutzen Grecoa unklar blieb. In viele waren Lichtkugeln geflochten, aber im Inneren des Konklaves herrschte gleichmäßige Helligkeit, deren Ursprung nicht zu entdecken war. Zur Beleuchtung brauchte man die Kugeln also nicht.
Treppen und Strickleitern schienen dazu angebracht, vertikale Strecken zu überwinden, verliefen aber teils schräg oder waagerecht. Der Durchmesser einiger Lichtsäulen passte zu Antigravschächten, die Terraner befördern konnten.
In jeder Richtung endete der Blick an einem der verwinkelten Bauten oder einem Pflanzendickicht, mal schon nach zehn, mal erst nach neunzig Metern. Ober- und unterhalb ihrer Position bog der offene Bereich ab, vielleicht verlief er in einem Ring mit einigen Hundert Metern Radius durch das kosmische Konklave.
Schlangenartige Wesen bewegten sich zitternd durch die Luft, ohne Notiz von den Neuankömmlingen zu nehmen. Da sie keine Extremitäten sah, nahm Grecoa an, dass sie ihre Flugfähigkeit aus gasgefüllten Organen gewannen. Es gab Geräusche, die die Terranerin mit Wind in einer Weide assoziierte, mit Vogelgesang und dem Zischen von Reptilien, Türenschlagen und dem sanften Zusammenstoß großer Massen. Das Rauschen mochte auch von außen kommen, vom superkritischen Gasgemisch, das am Panoramafenster vorbeiströmte.
Grecoa trat so weit vor, dass ihre Fußspitzen über den Rand der Empore ragten. Ein Luftzug aus der Tiefe zupfte an ihren blonden Locken. »Möchte jemand mit uns sprechen? Wir würden gerne den Konklavehüter treffen!«
Die gefangenen Soldaten aus Wolf-Lundmark-Melotte hatten ihnen davon berichtet, dass dieser Ort ein Treffpunkt der Superintelligenzen ES und NADALEE sein sollte. Zuweilen hätten sie auch Nachrichten füreinander hinterlegt, was der Grund war, aus dem sich die Tassparen dafür interessierten: Sie wollten wissen, ob ES ihrer Kosmokarawane Anweisungen für den Fall der Fragmentierung erteilt hatte. In den langen Zeiträumen der Abwesenheit der Superintelligenzen wachten Hüter über solche kosmischen Konklaven, jedenfalls meistens.
Grecoa wies ihre Anzugpositronik an, in den Geräuschen nach Sprachmustern zu suchen. Das Ergebnis fiel negativ aus.
»Beobachtungen und Vorschläge?«, fragte sie.
»Diese Station hat eine uneinheitliche Schwerkraft«, sagte LeCount, dessen von Oxtorne geprägte Physis auf nahezu fünf Gravos ausgelegt war.
Bei einer Körpergröße von knapp zwei Metern spannten sich seine Schultern einen Meter zwanzig breit, beides wurde durch den SERUN mit Gefechtsweste noch erhöht. Die samtbraune Haut seiner Glatze schimmerte im diffusen Licht.
»Es gibt eine Vielzahl von Schwerkraftvektoren.« Mit der flachen Hand deutete LeCount unterschiedliche Richtungen an, in denen die Anziehungskraft wirkte. »Möglicherweise variiert auch die Stärke.«
»Das erklärt den Springbrunnen dort drüben.« Pettpér zeigte auf ein Bassin, das aus ihrer Perspektive schräg unter einem grob würfelförmigen Bauelement angebracht war. Es enthielt eine kräftig blaue Flüssigkeit, die in der Mitte herausgeschleudert wurde – aus ihrem Blickwinkel wiederum schräg nach unten. Statt jedoch in den Abgrund zu stürzen, bog sie sich zurück und plätscherte schräg aufwärts wieder ins Bassin.
Dieser Ort war wunderschön, aber seine Unübersichtlichkeit machte ihn gefährlich. »Erkundungssonden ausschicken!«, befahl Grecoa. »Nur unbewaffnete Einheiten.«
*
Axelle Tschubais Kehle war staubtrocken. Mit krächzender Stimme wies sie die Positronik ihres Diplomatenquartiers an, eine abgesicherte Verbindung zur OLYMP-Fregatte CHRISTOS KAKKALOS herzustellen.
Homer G. Adams musste auf den Anruf gewartet haben, er nahm ihn augenblicklich entgegen. Der körperlich alt erscheinende, tatsächlich aber sogar vielfach ältere Mann saß in einem geflochtenen Stuhl. Seine graublauen Augen blickten sie stechend an. »Was sagst du über das Dossier?«, fragte er ohne Umschweife.
»Dass ich mich früher damit hätte beschäftigen sollen.«
»Das hättest du.«
»Seit dem Eintreffen der Kosmokarawane war ich ständig in der Nähe des Thort«, rechtfertigte Axelle sich. »Wir haben uns beraten, ich musste mich auf das Treffen mit den Tassparen vorbereiten ...«
»... wofür hilfreich gewesen wäre, die Informationen zu kennen, die die THORA in Wolf-Lundmark-Melotte über sie gesammelt hat.«
»Das hätte ich, wenn ihr sie mir früher zur Verfügung gestellt hättet.«
»Niemand konnte wissen, dass Kmossens Schergen im Wegasystem zuschlagen würden«, wischte Adams ihre Parade beiseite. »Aber als Botschafterin hättest du die Informationen anfordern können. Sowohl Monkeys Bericht vom Einsatz bei den Akonen als auch die Nachrichten, die uns über die Hyperfunk-Relaisstrecke von der THORA erreicht haben.«
»Das stimmt.« Sie hätte auch Hunderttausende, ach was, Millionen andere Dokumente anfordern können. Nur konnte sich kein Mensch innerhalb einer Woche mit dem gesamten Wissen vertraut machen, das die Verwaltung des Solsystems gespeichert hatte. Axelle hatte sich auf die spezifischen Informationen zu Ferrol fokussiert, nicht auf aktuelle Berichte über die Suche nach den ES-Fragmenten oder den Kampf gegen den Club der Lichtträger.
»Gehen wir die Kernpunkte durch«, entschied Adams. »Du befindest dich an einem abhörsicheren Ort?«
»Selbstverständlich.« Axelle blieb ruhig, obwohl die implizite Unterstellung, sie könnte ein solches Gespräch in einem...
Erscheint lt. Verlag | 5.9.2024 |
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Reihe/Serie | Perry Rhodan-Erstauflage | Perry Rhodan-Erstauflage |
Verlagsort | Rastatt |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Neo • Perry Rhodan • Perryversum • Science Fiction |
ISBN-10 | 3-8453-6290-1 / 3845362901 |
ISBN-13 | 978-3-8453-6290-8 / 9783845362908 |
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