Long Island (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman
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2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Carl Hanser Verlag München
978-3-446-28231-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Long Island -  Colm Tóibín
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Die neue große Liebesgeschichte von Colm Tóibín, dem Autor des Welterfolges 'Brooklyn'
Ein Mann und eine Frau treffen sich nach fast zwanzig Jahren wieder - und stehen noch einmal vor der Entscheidung ihres Lebens. Eilis lebt in Long Island mit ihren Kindern und Tony, für den sie ihre Jugendliebe Jim in Irland zurückließ. Als sie erfährt, dass Tony sein uneheliches Kind in der gemeinsamen Familie aufziehen will, bricht sie in ihre Heimat auf. Dort holen sie ihre alten Gefühle ein. Mit atemberaubender Intensität und psychologischer Klarsicht erzählt Tóibín von dem Versteckspiel, das sich zwischen den ehemaligen Liebenden entspinnt. Der neue Roman des Autors von 'Brooklyn' ist ein Meisterwerk der Erkundung widersprüchlichster Gefühle: mitreißend, aufwühlend, unwiderstehlich.

Colm Tóibín, 1955 in Enniscorthy geboren, ist einer der wichtigsten irischen Autoren der Gegenwart. Bereits sein erster Roman Der Süden (1994) wurde von der Kritik enthusiastisch gefeiert. Sein Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem IMPAC-Preis und dem David Cohen Prize for Literature. Bei Hanser erschienen der Henry-James-Roman Porträt des Meisters in mittleren Jahren (2005), Mütter und Söhne (Erzählungen, 2009), Brooklyn (2010), Marias Testament (Roman, 2014), Liebe und Tod (Hanser-Box, 2014), Nora Webster (Roman, 2016), Haus der Namen (Roman, 2020) und zuletzt Der Zauberer (Roman, 2021), für den er den Rathbones Folio Prize 2022 erhielt. Er wurde für 2022-2024 zum Laureate for Irish Fiction ernannt.

I


»Dieser Ire«, sagte Francesca und setzte sich an den Küchentisch, »war wieder da. Er hat an jeder Tür geklingelt, aber sprechen will er dich. Ich habe ihm gesagt, dass du bald heimkommen würdest.«

»Was will er denn?«, fragte Eilis.

»Ich habe alles versucht, um es aus ihm herauszubekommen, aber er wollte es nicht sagen. Er hat ausdrücklich nach dir gefragt.«

»Er weiß meinen Namen?«

Francescas Lächeln hatte etwas leicht Anzügliches. Eilis wusste die Intelligenz ihrer Schwiegermutter ebenso zu schätzen wie ihren verschmitzten Humor.

»Noch ein Mann ist das Letzte, was ich gebrauchen kann«, sagte Eilis.

»Wem sagst du das«, entgegnete Francesca.

Sie lachten beide, während Francesca wieder aufstand. Eilis sah ihr vom Fenster aus nach, wie sie vorsichtig über den feuchten Rasen zu ihrem Haus ging.

Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt für eine Zigarette. Aber als sie herausgefunden hatte, dass Larry, mit vierzehn, rauchte, hatte sie mit ihm abgemacht, dass sie ganz damit aufhören würde, wenn er seinerseits versprach, nicht wieder zu rauchen. Sie hatte noch immer ein Päckchen oben.

Als es an der Tür klingelte, stand Eilis langsam auf in der Annahme, es sei einer von Larrys Cousins, der mit ihrem Sohn spielen wollte. Im Flur erschien allerdings durch das Mattglas der Haustür der Umriss eines Mannes. Erst als er ihren Namen rief, kam ihr der Gedanke, dass das der Mann war, von dem Francesca gesprochen hatte. Sie öffnete die Tür.

»Sie sind Eilis Fiorello?«

Der Akzent war irisch, dachte sie, mit einem Anflug von Donegal, wie ein Lehrer, den sie auf der Schule gehabt hatte. Auch wie der Mann dastand, als machte er sich auf einen Streit gefasst, erinnerte sie an die Heimat.

»Bin ich«, sagte sie.

»Ich hab Sie gesucht.«

Sein Ton war fast aggressiv. Sie fragte sich, ob Tonys Firma ihm vielleicht Geld schuldete.

»Hat man mir gesagt.«

»Sie sind die Frau vom Klempner?«

Da die Frage barsch klang, sah sie keinen Grund zu antworten.

»Er versteht sein Geschäft, Ihr Mann. Ich wette, er ist sehr gefragt.«

Er hielt kurz inne, um sich zu vergewissern, dass niemand zuhörte.

»Bei uns zu Haus hat er alles perfekt erledigt«, sagte er weiter und zeigte mit einem Finger auf sie, »er hat sogar etwas mehr gemacht als vereinbart. Ja, er ist regelmäßig wiedergekommen, wenn er wusste, dass die Frau im Haus sein würde und ich nicht. Und er ist so gut im Rohrverlegen, dass sie im August ein Kind von ihm kriegt.«

Er trat einen Schritt zurück und quittierte ihre ungläubige Miene mit einem breiten Grinsen.

»Genau. Deswegen bin ich hier. Und ich kann Ihnen schriftlich geben, dass ich nicht der Vater bin. Ich hatte nichts damit zu tun. Aber ich bin mit der Frau verheiratet, die dieses Kind kriegt, und falls einer glaubt, ich würde das Balg eines italienischen Klempners in mein Haus aufnehmen und würde mir anhören, wie es mitten in der Nacht plärrt, und meine Kinder glauben lassen, es wäre auf genauso anständige Weise auf die Welt gekommen wie sie, dann hat er sich geschnitten!«

Er streckte ihr wieder einen Finger entgegen.

»Sobald dieses Hurenbalg also da ist, nehme ich es und liefere es hier ab. Und wenn Sie dann nicht zu Hause sind, dann drücke ich es dieser anderen Frau in die Hand. Und wenn überhaupt keiner da ist, in keinem eurer Häuser, dann lege ich es genau hier vor Ihrer Tür ab.«

Er trat ein paar Schritte näher und senkte die Stimme.

»Und Ihrem Mann können Sie von mir ausrichten, wenn er sich je wieder in der Nähe meines Hauses blicken lässt, geh ich mit einer Brechstange auf ihn los, die ich parat habe. Haben Sie das verstanden?«

Eilis wollte ihn fragen, aus welcher Gegend von Irland er stammte, als nähme sie nicht zur Kenntnis, was er gerade gesagt hatte, aber er hatte sich schon abgewandt. Sie versuchte, sich etwas anderes zu überlegen, was ihn vielleicht aufhalten könnte.

»Haben Sie das verstanden?«, fragte er noch einmal, als er sein Auto erreicht hatte.

Da sie keine Antwort gab, tat er so, als wollte er wieder zurückkommen.

»Wir sehen uns im August, vielleicht auch schon Ende Juli, und das wird dann das letzte Mal sein, dass ich Sie sehe, Eilis.«

»Woher wissen Sie, wie ich heiße?«, fragte sie.

»Ihr Mann scheint ein großer Plauderer zu sein. Daher weiß ich, wie Sie heißen. Er hat meiner Frau lang und breit von Ihnen erzählt.«

Wäre er ein Italiener oder einfach ein Amerikaner gewesen, hätte sie nicht gewusst, wie sie ihn einschätzen sollte. Sie hätte nicht sagen können, ob er vielleicht eine leere Drohung aussprach. Sie glaubte zwar, dass er jemand war, der sich gern reden hörte, aber in seiner Stimme erkannte sie etwas wieder, eine Sturheit, oder vielleicht sogar eine gewisse Art von Aufrichtigkeit.

Sie hatte in Irland Männer wie ihn gekannt. Sollte einer dieser Männer, dachte sie, herausfinden, dass seine Frau ihn betrogen hatte und davon schwanger geworden war, würde er das Kind nie in seinem Hause dulden.

In Enniscorthy, wo sie herkam, konnte aber niemand ein neugeborenes Kind nehmen und einfach so jemand anderem vor die Tür legen. Irgendjemand würde ihn dabei sehen. Ein Priester oder ein Arzt, oder ein Garda würde ihn zwingen, das Kind wieder mitzunehmen. Hier aber konnte der Mann einen Säugling vor ihre Haustür legen, ohne dass jemand etwas mitbekam. Das konnte er wirklich. Und der Ton seiner Worte, sein vorgerecktes Kinn, die Entschlossenheit in seinem Blick hatten sie überzeugt, dass er durchaus beabsichtigte, seine Drohung wahrzumachen.

Als er fortgefahren war, ging sie ins Wohnzimmer zurück und setzte sich auf den Stuhl. Sie schloss ihre Augen.

Irgendwo, nicht weit weg, gab es eine Frau, die von Tony ein Kind erwartete. Eilis wusste nicht, warum sie davon ausging, dass die Frau ebenfalls Irin war. Vielleicht war es eher vorstellbar, dass ihr Besucher von eben eine Irin herumkommandierte. Jede andere würde ihm wahrscheinlich die Stirn bieten oder ihn verlassen. Plötzlich machte ihr die Aussicht, dass eine alleinstehende Frau mit Kind sich hilfesuchend an Tony wandte, noch mehr Angst als die, dass ein Kind vor ihrer Haustür abgelegt wurde. Aber auch dieses zweite Bild, das sie sich in aller Nüchternheit ausmalte, konnte sie nicht ertragen. Was, wenn das Kind weinte? Würde sie es hochnehmen? Und wenn ja, was würde sie dann tun?

Als sie aufstand und sich auf einen anderen Stuhl setzte, erschien ihr der Mann, der eben erst so real und plastisch und imposant vor ihr gestanden hatte, wie jemand, über den sie gelesen oder den sie im Fernsehen gesehen hatte. Es war schlicht nicht möglich, dass in diesem Haus in dem einen Moment völlige Stille herrschte und im nächsten dieser Besucher hereinplatzte.

Wenn sie jemandem davon erzählte, dachte sie, würde sie wissen, was sie empfinden, was sie tun sollte. Blitzartig kam ihr das Bild ihrer jetzt seit über zwanzig Jahre toten, älteren Schwester Rose in den Sinn. Während ihrer ganzen Kindheit hatte sie sich, selbst in der kleinsten Krise, an Rose wenden können, und sie hatte dann die Sache in die Hand genommen. Ihrer Mutter hatte sie sich nie anvertraut, und die war ohnehin in Irland und hatte kein Telefon. Ihre zwei Schwägerinnen Lena und Clara stammten beide aus italienischen Familien und standen zwar einander nah, ihr, Eilis, aber nicht.

Im Flur stand das Telefon auf seinem Tischchen. Wenn es bloß eine Nummer gäbe, die sie anrufen, eine Freundin, der sie die Szene schildern könnte, die sich gerade an ihrer Haustür abgespielt hatte! Es war nicht so, dass der Mann, wie immer er heißen mochte, realer werden würde, wenn sie ihn jemandem beschrieb. Sie zweifelte ja nicht daran, dass er real war.

Sie nahm den Hörer ab, als wollte sie eine Nummer wählen. Sie lauschte dem Freizeichen. Sie legte den...

Erscheint lt. Verlag 13.5.2024
Übersetzer Ditte Bandini, Giovanni Bandini
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Long Island
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amerika • Irland • Liebesgeschichte • Long Island • Migration • Spannung
ISBN-10 3-446-28231-9 / 3446282319
ISBN-13 978-3-446-28231-5 / 9783446282315
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