Reise nach Italien -  Heinrich Heine

Reise nach Italien (eBook)

(Autor)

Christian Liedtke (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
128 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
978-3-455-01749-6 (ISBN)
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»Die glänzendste Zeit meines Lebens« - mit Heinrich Heine durch Italien »Vergnügen« ließ Heine unter »Reisezweck« in seinen Pass eintragen, als er im Jahr 1828 seine Reise durch den Norden Italiens antrat. Und »Vergnügen« bereiten die literarischen Schilderungen der Eindrücke, die er davon mitbrachte, noch heute. Mit dem scharfen Blick des Zeitsatirikers, aber auch mit dem träumerischen Sinn des Poeten lässt er uns das Sehnsuchtsland der Deutschen neu entdecken, in dem er, anders als seine Vorgänger, weniger nach dem Idealbild der klassischen Antike als nach dem echten Leben jenseits der Alpen suchte. Diese Auswahl aus Heines berühmten »Reisebildern« aus Italien zeigt seine originelle Sicht auf ein Land zwischen Tradition und Moderne, auf seine Kunst und seine Natur, seine Bewohner und nicht zuletzt auf die Menschen, die es bereisen. Das schönste und klügste Buch nicht nur für den Sommerurlaub!

Heinrich Heine, 1797 in Düsseldorf als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren, arbeitete nach Abschluss einer Banklehre und anschließendem Jurastudium ab 1825 als Journalist und Schriftsteller. Nach vielen Zwischenstationen ging er im Mai 1831 nach Paris ins Exil. Etwa vier Jahre später wurden seine Schriften in Deutschland verboten. Heinrich Heine gilt als 'Vollender und Überwinder der Romantik', Wegbereiter eines zeitkämpferischen Journalismus und des modernen Feuilletons und ist einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller. Er starb 1856 in Paris.

Heinrich Heine, 1797 in Düsseldorf als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren, arbeitete nach Abschluss einer Banklehre und anschließendem Jurastudium ab 1825 als Journalist und Schriftsteller. Nach vielen Zwischenstationen ging er im Mai 1831 nach Paris ins Exil. Etwa vier Jahre später wurden seine Schriften in Deutschland verboten. Heinrich Heine gilt als "Vollender und Überwinder der Romantik", Wegbereiter eines zeitkämpferischen Journalismus und des modernen Feuilletons und ist einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller. Er starb 1856 in Paris.

»Mein Herz ist der beste Cicerone«


Von Südtirol nach Genua

Es ist ein gutes Zeichen, wenn die Weiber lächeln, sagt ein chinesischer Schriftsteller, und ein deutscher Schriftsteller war eben dieser Meinung, als er in Südtirol, wo Italien beginnt, an einem Berge vorbeikam, an dessen Fuße, auf einem nicht sehr hohen Steindamm, eines von jenen Häuschen stand, die mit ihrer traulichen Galerie und ihren naiven Malereien uns so lieblich ansehen. Auf der einen Seite stand ein großes hölzernes Kruzifix, das einem jungen Weinstock als Stütze diente, so daß es fast schaurig heiter aussah, wie das Leben den Tod, die saftig grünen Reben den blutigen Leib und die gekreuzigten Arme und Beine des Heilands umrankten. Auf der anderen Seite des Häuschens stand ein runder Taubenkofen, dessen gefiedertes Völkchen flog hin und her, und eine ganz besonders anmutig weiße Taube saß auf dem hübschen Spitzdächlein, das, wie die fromme Steinkrone einer Heiligennische, über dem Haupte der schönen Spinnerin hervorragte. Diese saß auf der kleinen Galerie und spann, nicht nach der deutschen Spinnradmethode, sondern nach jener uralten Weise, wo ein flachsumzogener Wocken unter dem Arme gehalten wird, und der abgesponnene Faden an der freihängenden Spindel hinunterläuft. So spannen die Königstöchter in Griechenland, so spinnen noch jetzt die Parzen und alle Italienerinnen. Sie spann und lächelte, unbeweglich saß die Taube über ihrem Haupte, und über dem Hause selbst ragten hinten die hohen Berge, deren Schneegipfel die Sonne beschien, daß sie aussahen wie eine ernste Schutzwache von Riesen mit blanken Helmen auf den Häuptern.

Sie spann und lächelte, und ich glaube, sie hat mein Herz festgesponnen, während der Wagen etwas langsamer vorbeifuhr, wegen des breiten Stromes der Eisach, die auf der andern Seite des Wegs dahinschoß. Die lieben Züge kamen mir den ganzen Tag nicht aus dem Gedächtnis, überall sah ich jenes holde Antlitz, das ein griechischer Bildhauer aus dem Dufte einer weißen Rose geformt zu haben schien, ganz so hingehaucht zart, so überselig edel, wie er es vielleicht einst als Jüngling geträumt in einer blühenden Frühlingsnacht. Die Augen freilich hätte kein Grieche erträumen und noch weniger begreifen können. Ich aber sah sie und begriff sie, diese romantischen Sterne, die so zauberhaft die antike Herrlichkeit beleuchteten.

Während die Sonne immer schöner und herrlicher aus dem Himmel hervorblühte und Berg und Burgen mit Goldschleiern umkleidete, wurde es auch in meinem Herzen immer heißer und leuchtender, ich hatte wieder die ganze Brust voll Blumen, und diese sproßten hervor und wuchsen mir gewaltig über den Kopf, und durch die eignen Herzblumen hindurch lächelte wieder himmlisch die schöne Spinnerin. Befangen in solchen Träumen, selbst ein Traum, kam ich nach Italien, und da ich während der Reise schon ziemlich vergessen hatte, daß ich dorthin reiste, so erschrak ich fast, als mich all die großen italienischen Augen plötzlich ansahen, und das buntverwirrte italienische Leben mir leibhaftig, heiß und summend, entgegenströmte.

Es geschah dieses aber in der Stadt Trient, wo ich an einem schönen Sonntag des Nachmittags ankam, zur Zeit, wo die Hitze sich legt und die Italiener aufstehen und in den Straßen auf und ab spazieren. Diese Stadt liegt alt und gebrochen in einem weiten Kreise von blühend grünen Bergen, die, wie ewig junge Götter, auf das morsche Menschenwerk herabsehen. Gebrochen und morsch liegt daneben auch die hohe Burg, die einst die Stadt beherrschte, ein abenteuerlicher Bau aus abenteuerlicher Zeit, mit Spitzen, Vorsprüngen, Zinnen und mit einem breitrunden Turm, worin nur noch Eulen und österreichische Invaliden hausen. Auch die Stadt selbst ist abenteuerlich gebaut, und wundersam wird einem zu Sinn beim ersten Anblick dieser uraltertümlichen Häuser mit ihren verblichenen Freskos, mit ihren zerbröckelten Heiligenbildern, mit ihren Türmchen, Erkern, Gitterfensterchen und jenen hervorstehenden Giebeln, die estradenartig auf grauen alterschwachen Pfeilern ruhen, welche selbst einer Stütze bedürften. Solcher Anblick wäre allzu wehmütig, wenn nicht die Natur diese abgestorbenen Steine mit neuem Leben erfrischte, wenn nicht süße Weinreben jene gebrechlichen Pfeiler, wie die Jugend das Alter, innig und zärtlich umrankten, und wenn nicht noch süßere Mädchengesichter aus jenen trüben Bogenfenstern hervorguckten und über den deutschen Fremdling lächelten, der, wie ein schlafwandelnder Träumer, durch die blühenden Ruinen einherschwankt.

Ich war wirklich wie im Traum, wie in einem Traume, wo man sich auf irgend etwas besinnen will, was man ebenfalls einmal geträumt hat. Ich betrachtete abwechselnd die Häuser und die Menschen, und ich meinte fast, diese Häuser hätte ich einst in ihren besseren Tagen gesehen, als ihre hübschen Malereien noch farbig glänzten, als die goldenen Zieraten an den Fensterfriesen noch nicht so geschwärzt waren, und als die marmorne Madonna, die das Kind auf dem Arme trägt, noch ihren wunderschönen Kopf aufhatte, den jetzt die bilderstürmende Zeit so pöbelhaft abgebrochen. Auch die Gesichter der alten Frauen schienen mir so bekannt, es kam mir vor, als wären sie herausgeschnitten aus jenen altitalienischen Gemälden, die ich einst als Knabe in der Düsseldorfer Galerie gesehen habe. Ebenfalls die alten Männer schienen mir so längst vergessen wohlbekannt, und sie schauten mich an mit ernsten Augen, wie aus der Tiefe eines Jahrtausends. […] Dann aber mußt’ ich wieder über mich selbst lächeln, und es wollte mich bedünken, als sei die ganze Stadt nichts anderes als eine hübsche Novelle, die ich einst einmal gelesen, ja, die ich selbst gedichtet, und ich sei jetzt in mein eigenes Gedicht hineingezaubert worden, und erschräke vor den Gebilden meiner eigenen Schöpfung. Vielleicht auch, dacht ich, ist das Ganze wirklich nur ein Traum, und ich hätte herzlich gern einen Taler für eine einzige Ohrfeige gegeben, bloß um dadurch zu erfahren, ob ich wachte oder schlief.

Wenig fehlte, und ich hätte diesen Artikel noch wohlfeiler eingehandelt, als ich an der Ecke des Marktes über die dicke Obstfrau hinstolperte. Sie begnügte sich aber damit, mir einige wirkliche Feigen an die Ohren zu werfen, und ich gewann dadurch die Überzeugung, daß ich mich in der wirklichsten Wirklichkeit befand, mitten auf dem Marktplatz von Trient, neben dem großen Brunnen, aus dessen kupfernen Tritonen und Delphinen die silberklaren Wasser gar lieblich ermunternd emporsprangen. Links stand ein alter Palazzo, dessen Wände mit buntallegorischen Figuren bemalt waren und auf dessen Terrasse einige grau österreichische Soldaten zum Heldentume abgerichtet wurden. Rechts stand ein gotisch-lombardisch kaprizioses Häuslein, in dessen Innerm eine süße, flatterhafte Mädchenstimme so keck und lustig trillerte, daß die verwitterten Mauern vor Vergnügen oder Baufälligkeit zitterten, während oben aus dem Spitzfenster eine schwarze, labyrinthisch gekräuselte, komödiantenhafte Frisur herausguckte, worunter ein scharfgezeichnetes, dünnes Gesicht hervortrat, das nur auf der linken Wange geschminkt war, und daher aussah wie ein Pfannkuchen, der erst auf einer Seite gebacken ist. Vor mir aber, in der Mitte, stand der uralte Dom, nicht groß, nicht düster, sondern wie ein heiterer Greis, recht bejahrt zutraulich und einladend.

Als ich den grünseidenen Vorhang, der den Eingang des Doms bedeckte, zurückschob und eintrat in das Gotteshaus, wurde mir Leib und Herz angenehm erfrischt von der lieblichen Luft, die dort wehte, und von dem besänftigend magischen Lichte, das durch die buntbemalten Fenster auf die betende Versammlung herabfloß. Es waren meistens Frauenzimmer, in lange Reihen hingestreckt auf den niedrigen Betbänken. Sie beteten bloß mit leiser Lippenbewegung und fächerten sich dabei beständig mit großen grünen Fächern, so daß man nichts hörte als ein unaufhörlich heimliches Wispern, und nichts sah als Fächerschlag und wehende Schleier. Der knarrende Tritt meiner Stiefeln störte manche schöne Andacht, und große katholische Augen sahen mich an, halb neugierig, halb liebwillig, und mochten mir wohl raten, mich ebenfalls hinzustrecken und Seelensieste zu halten.

Wahrlich, ein solcher Dom mit seinem gedämpften Lichte und seiner wehenden Kühle ist ein angenehmer Aufenthalt, wenn draußen greller Sonnenschein und drückende Hitze. Davon hat man gar keinen Begriff in unserem protestantischen Norddeutschland, wo die Kirchen nicht so komfortabel gebaut sind und das Licht so frech durch die unbemalten Vernunftscheiben hineinschießt und selbst die kühlen Predigten vor der Hitze nicht genug schützen. Man mag sagen, was man will, der Katholizismus ist eine gute Sommerreligion. Es läßt sich gut liegen auf den Bänken dieser alten Dome, man genießt dort die kühle Andacht, ein heiliges Dolce far niente, man betet und träumt und sündigt in Gedanken, die Madonnen nicken so verzeihend aus ihren Nischen, weiblich gesinnt verzeihen sie sogar, wenn man ihre eignen holden Züge in die sündigen Gedanken verflochten hat, und zum Überfluß steht noch in jeder Ecke ein brauner Notstuhl des Gewissens, wo man sich seiner Sünden entledigen kann.

Als ich wieder über den Marktplatz ging, grüßte mich an der Ecke die bereits erwähnte Obstfrau recht freundlich und recht zutraulich, als wären wir alte Bekannte. Gleichviel, dacht ich, wie man eine Bekanntschaft macht, wenn man nur mit einander bekannt wird. Ein Paar an die Ohren geworfene Feigen sind zwar nicht immer die beste Introduktion; aber ich und die Obstfrau sahen uns jetzt doch so freundlich an, als hätten wir uns wechselseitig die besten Empfehlungsschreiben...

Erscheint lt. Verlag 6.5.2024
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. Jahrhundert • Geschenkbuch • Gesellschaftsporträt • Heinrich Heine • Humor • Italien • Klassiker Reiseliteratur • Moderner Klassiker • Reisebericht • Satire • Wiederentdeckung
ISBN-10 3-455-01749-5 / 3455017495
ISBN-13 978-3-455-01749-6 / 9783455017496
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