Gott bewahre (eBook)

Roman.Der SPIEGEL-Bestseller von John Niven zum Thema Nächstenliebe

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
400 Seiten
btb Verlag
978-3-641-32048-5 (ISBN)

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Gott bewahre - John Niven
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»Da kommt Gott - tut so, als wärt ihr beschäftigt« - der SPIEGEL-Bestseller von John Niven zum Thema Nächstenliebe
Kaum hat Gott sich im Himmel eine kleine Auszeit gegönnt und Seinem Sohn Jesus Christus die Geschäftsführung überlassen, schon herrscht auf Erden das nackte Chaos. Bürgerkriege, Umweltsünden, Armut, Hassprediger, tödliche Krankheiten, moralischer Verfall und gnadenloser Kommerz, so weit das Auge reicht. Was wurde aus der Menschenliebe und dem einzig wahren Gebot: SEID LIEB? Gott denkt nach und findet nur eine Lösung - Sein Sohn Jesus muss erneut auf die Erde zurückkehren, um Gutes zu tun. Doch werden die Menschen auf JC hören?

John Niven, geboren 1966 in Schottland, spielte in den 80er-Jahren Gitarre bei der Indieband »The Wishing Stones« und arbeitete nach dem Studium der Literatur als A&R-Manager einer Plattenfirma, bevor er sich 2002 dem Schreiben zuwandte. 2006 erschien sein erstes Buch »Music from Big Pink«. 2008 landete er mit dem Roman »Kill Your Friends« einen internationalen Bestseller, der auch fürs Kino verfilmt wurde. Es folgten zahlreiche weitere Romane, darunter Kultklassiker wie »Coma« oder »Gott bewahre«. Neben Romanen schreibt John Niven Drehbücher. Er wohnt in der Nähe von London.

1


»DA KOMMT GOTT - TUT SO, ALS WÄRT IHR BESCHÄFTIGT!«

DAS STEHT AUF DEM ZERFLEDDERTEN AUFKLEBER, DER an dem Metallschrank neben dem Wasserspender klebt. Aber heute ist es kein Witz: Gott kommt wirklich, und die Leute geben sich auch alle Mühe, beschäftigt zu wirken. Raphael und Michael lungern vor der blubbernden Glaskuppel herum. Indem sie geschäftig mit Papieren hantieren, bedienen sie sich eines uralten Büro-Tricks, der in grauer Vorzeit konzipiert wurde, um dem unterbeschäftigten Angestellten einen Anstrich von Zielstrebigkeit zu geben. Im Unterschied zum zwanglosen Geplauder, das die beiden Engel noch letzte Woche hier am Wasserspender so genossen haben, ist ihre Unterhaltung abgehackt und hastig, ihr Ton klingt gedämpft, begleitet von nervösen Blicken den Flur hinab.

»Wann kommt der Alte zurück?«, fragt Raphael.

»Muss jeden Moment so weit sein. Jeannie sagte was von ›später Morgen‹«, erwidert Michael, ohne seinen Freund anzusehen. Er konzentriert sich auf den Spender, betätigt den Hebel fürs Wasser, woraufhin eine große Blase gluckernd in dem Behälter aufsteigt.

»Mist. Glaubst du, dass Er angepisst sein wird?«

»Angepisst?« Michael denkt darüber nach und nippt an seinem Wasser, während er seinen Blick durch das Zentralbüro schweifen lässt.

Das Zentralbüro im Himmel sieht aus wie jedes andere Großraumbüro auch: hüfthohe Trennwände, Schreibtische mit Ablagekörben darauf, Telefone, Papierkörbe, Fotokopierer und Regale voller Akten. Doch es gibt auch Unterschiede: Im Himmel finden sich natürlich keine Neonröhren. Vielmehr ist alles von reinstem himmlischem Licht überzogen, durchflutet, durchdrungen - wie immer man es nennen will. Dem jungfräulichen Licht eines perfekten Morgens im Mai. Auch wenn heute aus naheliegenden Gründen eine gewisse unterschwellige Unruhe zu verspüren ist, herrscht dort gewöhnlich eine freudige, konzentrierte, enthusiastische Arbeitsatmosphäre, denn im Zentralbüro des Himmels ist es – wie könnte es anders sein – immer Freitagnachmittag. Noch so ein kleiner Unterschied: Die Bienenwaben aus Trennwänden und Schreibtischen reichen, so weit das Auge sieht; umgeben von watteartigen Wolkenfetzen erstrecken sie sich bis zum Horizont. Manch einen mag es vielleicht überraschen, zu erfahren, dass im Himmel gearbeitet wird, aber das war eine von Gottes genialsten Direktiven – und geniale Direktiven sind Gott alles andere als fremd. »Die Leute wollen arbeiten«, hatte Er zu Petrus gesagt. »Scheiße, die Leute müssen sogar arbeiten. Schau dir die Langzeitarbeitslosen an. Oder diese steinreichen Nichtstuer. Sehen die für dich vielleicht glücklich aus?« Weshalb jeder im Himmel, der einen Job will – und das sind die meisten –, auch einen bekommt.

Michael trinkt den Becher leer und schließt verzückt die Augen, als die letzten Tropfen seine Kehle hinunterrinnen. Das Wasser im Himmel ... nun, Sie können es sich ja vorstellen.

»Angepisst?«, wiederholt Michael. »Scheiße, Er wird ausrasten

 

Selbst Jeannie, Gottes persönliche Assistentin, die sonst durch nichts zu erschüttern ist und normalerweise wie ein Schachgroßmeister fünfzehn oder zwanzig Züge vorausplant, selbst Jeannie ist heute Morgen ein klein wenig gereizt. Sie ist Anfang vierzig, war früher wahnsinnig attraktiv, jetzt nur noch sehr. »Nein, Seb«, herrscht sie einen ihrer beiden Assistenten an, »Er will es chronologisch. Stell diese Kisten da vorn hin.« Jeannie bereitet in Gottes Vorzimmer eine Rückschau der letzten gut vierhundert Jahre auf Erden vor. Da kommt eine Menge Zeug zusammen: Kartons mit Akten, Papieren und DVDs stapeln sich auf einer endlos langen Trolley-Schlange. Allein die Wagen voller CDs reihen sich meilenweit aneinander: Aufnahmen des gesamten irdischen Musik-Outputs aus vier Jahrhunderten.

Sebastian zankt sich mit Lance, Jeannies anderem Assistenten. »Nein, du dumme Kuh! Die da gehören zu denen da drüben, wenn ...«

»Ach du meine Güte, jetzt hör sich mal einer die an!«, erwidert Lance, eine Hand auf die Brust gepresst. Es ist schwer zu sagen, wer von beiden tuntiger ist.

Als es darum ging, Personal fürs Allerheiligste zu rekrutieren, hatte Jeannie eines sehr schnell begriffen. Etwas, das sie auf Erden anscheinend falsch verstanden haben: Gott liebt Schwuchteln.

»Weil, Dummerchen, Jeannie nämlich gesagt hat, es soll chronologisch sein!« «

»Ach komm, sei lieb!«, sagt Lance und bedeutet ihm mit einem affektierten Winken, sich zu trollen. »Ich hab bloß versucht, das hier zu verstecken.« Er hält eine mit KATHOLISCHE KIRCHE: NEUZEIT gekennzeichnete Akte in die Höhe. »Glaubst du, Er will so was lesen? Also, ich bitte dich.«

»Kommt schon, ihr zwei, vertragt euch«, geht Jeannie dazwischen, als ihr Telefon klingelt. »Seht einfach zu, dass ihr vorwärtskommt. Und es hat gar keinen Zweck, irgendwas zu verstecken. Er wird das alles lesen.« Dann sagt sie ins Telefon: »Jep?« Jeannie hört einen Augenblick zu. »Ah-ha. Jep. Okay.« Sie legt den Hörer zurück. Seb und Lance blicken sie erwartungsvoll an.

»Er ist auf dem Weg«, sagt Jeannie.

 

Gott schreitet den Mittelgang des Hauptbüros entlang, strahlend, Schultern klopfend, Hände abklatschend, hier ein Hallo, da ein Hallo, bleibt stehen, um mit den Leuten in ihren Bürowaben zu reden. Auf Erden würde man Ihn wohl für Mitte Fünfzig halten, und Er ist ... attraktiv erfasst es nicht einmal annähernd. Ein gottverdammter Herzensbrecher mit Filmstarqualitäten ist Er. Sein Haar, früher schwarz wie Motoröl, ist jetzt von silbernen Strähnen durchzogen. Silberne Stoppeln auch in Seinem Siebentagebart. Und diese Augen: so hell, strahlend blau, das Blau des seichten Wassers in einer tropischen Lagune an einem Sommertag zur Mittagsstunde. Nach einem kurzen Plausch nimmt Gott Seine Angelrute und geht weiter den Korridor entlang.

Er trägt Freizeitkleidung: kariertes Hemd, eine Baumwollweste, in deren Taschen Er allerlei Krimskrams gestopft hat, auf dem Kopf einen abgenutzten Schlapphut, an dem leuchtend bunte Anglerfliegen und Köder stecken. In der einen Hand hält Er Angel und Angelkasten, in der anderen baumeln drei fette, perfekt gesprenkelte Forellen an einer durch die Kiemen gezogenen Schnur.

»Hi, Markus!«, ruft Gott dem schwarzen Jungen aus dem Postraum zu. »Wie steht’s, mein Sohn?«

»Steht wie ’ne Eins, Boss!«, erwidert Markus und greift sich zwischen die Beine. Gott lacht. Gott liebt die Schwarzen.

Er schwingt die Tür zu seinem Vorzimmer auf. »Schätzchen, ich bin zu Hause!«, sagt Er und knuddelt Jeannie, mit der Er für sein Leben gern flirtet.

»Willkommen zurück, Herr!«, begrüßt ihn Jeannie.

»Habt ihr mich vermisst?«

»Und ob wir das haben.«

»Hi, Leute«, begrüßt Gott Seb und Lance. »Wie läuft’s?«

»Bestens!«, strahlt Seb, nervös.

»Hey«, sagt Lance und fährt mit der Hand über Gottes schäbige Baumwollweste, »todschickes Outfit. Eigentlich steh ich ja nicht auf John Deere, aber das hier ...«

Gott lacht. »Was du nicht sagst.«

»Und wie war Euer Urlaub?«, fragt Jeannie.

»Oh, fantastisch. Einfach fantastisch. Du hattest völlig Recht. Bis zu meinem nächsten Urlaub werd ich nicht wieder so lang warten.«

»Mmmm.« Beim Gedanken daran, wie schnell sich Seine Ansicht vermutlich ändern wird, lächelt Jeannie gequält. Es tut ihr weh, Ihn in so guter Stimmung zu sehen, wo sie doch weiß, dass Ihm die bald gründlich verhagelt wird.

»Oh, hier ...« Gott hält die Forellen hoch und reicht sie ihr. »Für dich. Pinsel sie einfach mit ein wenig Butter ein und würz sie mit Salz und Pfeffer. Danke, Seb«, sagt Gott und nimmt den dampfenden Kaffeebecher mit der Aufschrift ICH BIN DER Boss entgegen. »Schieb sie bei 180 Grad für fünfzehn Minuten in den Ofen. Wenn sie fertig sind, gib etwas Zitronensaft darüber. Mmmm!« Gott küsst sich die Fingerspitzen. »Ich hab sie die ganze letzte Woche frisch aus dem Fluss zubereitet. Na schön, was hab ich verpasst?«

»Nun ja«, sagt Jeannie, während sie in Gottes Büro vorausgeht. Sie öffnet die Schwingtüren: Das Büro hat die Größe eines Fußballfeldes und ist zugebaut mit Kartons, die sich zu regelrechten Skylines stapeln.

»Ach du Scheiße«, sagt Gott und pustet in seinen Kaffee. »Die da unten sind aber ganz schön fleißig gewesen, was?«

»Mmm-hmmm«, nickt Jeannie, Seinem Blick ausweichend. »Also, ein Großteil des älteren Zeugs befindet sich in diesen Akten, die aktuelleren Daten auf Disketten, CDs, Videobändern und auf Eurer Festplatte.«

»Bitte was

Gott lernt schnell. Schneller als jeder andere. Unter Jeannies Anleitung braucht Er vielleicht anderthalb Tassen Kaffee, bis Er all diese Technologien im Griff hat, die aufgekommen sind, seit Er sich Urlaub genommen hat: Telefone, E-Mail, Computer, CDs, DVDs, Fernsehen und Ähnliches. Kurz beschäftigt Er sich sogar mit dem Faxgerät, einer inzwischen überflüssigen Technologie des 20. Jahrhunderts. All das coole Zeug, das es bei Seinem Aufbruch noch nicht gab. Emsige kleine Kreaturen. Als Er sich über Videospiele informiert, genießt Er die Daddelei als willkommene Abwechslung: Fassungslos darüber, dass sie nach Donkey Kong ein Vierteljahrhundert gebraucht haben, um Halo 3 zu entwickeln, spielt Er Letzteres in sieben Minuten durch.

Gott steht auf, streckt sich und begutachtet mit einem kritischen Blick die haushohen Kartontürme sowie die auf dem Bildschirm Seines...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2024
Übersetzer Stephan Glietsch, Jörn Ingwersen
Sprache deutsch
Original-Titel The Second Coming
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • Castingshow • eBooks • Gesellschaftssatire • Jesus • Jünger • Kommerz • Menschenliebe • Nächstenliebe • Neuerscheinung • Religion • Rockstar • Roman • Romane • Schottland • Wiederkunft Christi
ISBN-10 3-641-32048-8 / 3641320488
ISBN-13 978-3-641-32048-5 / 9783641320485
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