Kalte Flut (eBook)

Kriminalroman – Bestsellerspannung aus Finnland: Helsinkis schönste Insel zeigt ihr dunkelstes Gesicht

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
400 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-29934-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kalte Flut - Eeva Louko
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Helsinkis schönste Insel zeigt ihr dunkelstes Gesicht: Der erste Fall für Reporterin Ronja Vaara
An einem grauen Oktobertag wird am Strand der Insel Lauttasaari, im Stadtgebiet von Helsinki, ein lebloser Mann am Strand gefunden. Wenig später erhält Journalistin Ronja Vaara in London einen Anruf: Ihr Vater ist der Tote am Strand, und er wurde allem Anschein nach ermordet. Sofort fliegt sie in ihre Heimat, doch die Ermittlungen der Polizei bleiben zunächst ergebnislos, und Ronjas eigene Nachforschungen werfen nur weitere Fragen auf: Warum erhielt ihr Vater über dreißig Jahre lang jedes Jahr eine Postkarte mit einem Bild von genau dem Strand, an dem man ihn gefunden hat? Was wissen die anderen Bewohner der Insel, die auch 'die Insel der Glückseligen' genannt wird? Und warum wird Ronja das Gefühl nicht los, dass sie beobachtet wird?

Eeva Louko wurde 1982 geboren und lebt in Espoo. Sie ist Reporterin und liest am liebsten Krimis. In ihrer Freizeit ist sie gern am Meer, und beim Schreiben lässt sie sich oft von ungelösten Kriminalfällen inspirieren. Ihr Debüt, der erste Fall für Ronja Vaara, schaffte es in ihrer Heimat Finnland auf Anhieb auf die Bestsellerliste.

KAPITEL 2

Um sechs Uhr morgens klingelte der Wecker. Draußen war es noch stockdunkel.

Ronja krabbelte an die Bettkante und gähnte. In ihrem Hinterkopf machte sich herbe Enttäuschung bemerkbar. Das Gefühl hatte sie bereits vergangene Nacht beschlichen, in ihrem Magen spürte sie ein unbestimmtes Kribbeln, und durch ihren Körper lief ein Schauer – als wäre sie kurz davor, eine Grippe zu bekommen.

Sie seufzte. Woher sollte sie bloß die Energie für die jährliche Finnlandreise nehmen?

Max hatte Mitleid mit ihr gehabt und einen Kurztrip nach Stockholm vorgeschlagen, bevor Ronja anschließend nach Finnland weiterreisen würde. Die beiden planten, in Stockholm so viel Spaß wie möglich zu haben. Danach würde Ronja ihre Reise fortsetzen, und für Max ginge es wieder zurück nach London. Max kannte seine Mitbewohnerin ziemlich gut: So ein Städtetrip war genau das, was Ronja vor ihrer Rückkehr in das windige und kalte Lauttasaari gebrauchen konnte. Und vor der Begegnung – oder vielmehr: Zwangssozialisierung – mit ihrem Vater und den anderen.

Ronja schnappte sich die auf dem Boden herumliegenden Wollsocken und zog sie sich an, weil der Fußboden in ihrer WG eiskalt war. Durch die Wand hörte man das leise Piepen von Max’ Wecker, wahrscheinlich war die Schlummerfunktion bereits angegangen. Ronja tapste in das kleine Badezimmer und betrachtete sich im Spiegel. Wie konnte es denn nur schon wieder so weit sein? Der Besuch in Finnland – es war jedes Jahr das Gleiche.

Der Badezimmerspiegel war zerkratzt, und das Licht der darüber summenden Glühbirne ließ Ronjas Gesicht blass aussehen. Nach einer Nacht mit unruhigen Träumen standen ihr die Haare wirr vom Kopf ab, und die dunklen Schatten unter ihren Augen ließen sie krank aussehen. Die Lampe knackte. Die Londoner Wohnung war wirklich eine Bruchbude. Ronja musste unbedingt eine neue Arbeitsstelle finden und Geld sparen, auch wenn Londons Preise für eine Einzelperson horrend waren. Man musste einiges ertragen: Wände mit abblätternder Farbe, einen Wasserhahn, aus dem nur kaltes Wasser kam, und eine Kochnische, in der man sich kaum umdrehen konnte. Aber vielleicht würde sich ja Max darauf einlassen, mit ihr zusammen eine neue Wohnung zu suchen, schließlich kamen die beiden gut miteinander klar, sie gaben einander Raum.

Die Zeit verging wie im Flug, und schließlich rannten Ronja und Max hinaus in den dunklen Morgen mit ihren Reisetaschen, die hinter ihnen herrumpelten. Keiner von beiden war schon in der Lage zu sprechen. Ronja fühlte sich schlecht. Sie konnte doch nichts dafür, dass die Finnlandreisen bei ihr nicht mehr als ein bekümmertes Schulterzucken hervorriefen. In Finnland fühlte sie sich immer wie eine Außenseiterin, wie eine Fremde. Es ärgerte sie, dass sich nichts wirklich geändert hatte; andererseits war das Leben zu Hause während ihrer Abwesenheit trotzdem weitergegangen. Sie wohnte bereits seit fünfzehn Jahren im Ausland – das war eine verdammt lange Zeit.

Als sie im Taxi saßen, schaute Ronja aus dem Fenster auf die Lichter der erwachenden Stadt. Die Finnlandreise jetzt zu absolvieren, war im Grunde eine gute Idee, weil sie sowieso gerade arbeitslos war. Oder in between jobs, wie sie es lieber ausdrückte. Früher war sie fest davon überzeugt gewesen, dass sie irgendwann die Welt erobern würde, aber das Leben und ihre eigene Mittelmäßigkeit waren ihr dabei in die Quere gekommen. Eine zusammengeschusterte Abschlussarbeit, eine Handvoll unbestimmter Praktika und danach nur befristete Jobs. Sie war eine sich in Zeitverträgen abmühende Onlinejournalistin. Die Vision von einem Einsatz als Auslandsreporterin in einem aktuellen Krisengebiet – bewaffnet mit Notizblock und Stift – war inzwischen bescheideneren Träumen gewichen: geregelte Arbeitszeiten, eine unbefristete Arbeitsstelle. Und natürlich gern eine Beschäftigung in einem Bereich, der sie interessierte. Zumindest irgendetwas anderes als das hirnlose und monotone Kürzen von Onlinetexten am Newsdesk und das tagtägliche Drücken der Entertaste. Glücklicherweise war gerade der letzte befristete Job vorbei, den sie auch nicht vermissen würde. Sie hatte ihren Arbeitsplatz verlassen, ohne sich vorher von den Kollegen zu verabschieden.

In Heathrow pulsierte das Leben, als das Taxi vor den Eingangstüren hielt. Ronja und Max gingen in die Check-in-Halle. Überall ertönten laute Durchsagen, geduldig trieben diese die Leute, die sich verspätet oder verlaufen hatten, in die richtigen Flugzeuge. Glückliche Menschen, beunruhigte Menschen, müde und erwartungsvolle Menschen – alle zusammen in einem sauerstoffarmen Raum.

Langsam gingen Ronja und Max zum Check-in-Automaten, um einzuchecken. Vor ihnen stand eine Gruppe von Frauen, die sich aufgeregt miteinander unterhielten und erfolglos an dem Gerät herumfummelten. Bereitwillig blieb Ronja ein paar Meter von der gackernden Gruppe entfernt stehen, um zu warten. Die Frauen gestikulierten, zappelten herum und lachten laut. Offensichtlich waren sie gedanklich bereits bei ihrem lange geplanten und heiß ersehnten Mädelsausflug. Vielleicht waren sie auf dem Weg in irgendeine schöne Stadt, wo der Wein billig war und die Kellner gerne flirteten. Ronja beobachtete die Frauen und seufzte. In Wirklichkeit war Stockholm nichts weiter als eine nette Ablenkung, eine Art Täuschungsmanöver. Eigentlich konnte sie es kaum erwarten, wieder nach London zurückzukehren, auch wenn sich ihr die Stadt bestimmt noch nicht von ihrer besten Seite gezeigt hatte – das Arbeitsleben war beschissen, und ihre Wohnsituation war auch nicht besonders toll. Aber immerhin hatte Jacob sie inzwischen auch ganz offiziell um ein Date gebeten. Sie trafen sich schon seit ein paar Wochen, hauptsächlich nachts in Jacobs schicker Dienstwohnung, weil er nicht über Nacht in Ronjas ungemütliche WG kommen wollte. Bis jetzt hatte er auch keine große Sache aus ihren Dates gemacht oder ihre Treffen überhaupt als Dates bezeichnet. Natürlich hatte er viel um die Ohren, weil er erst vor Kurzem eine Stelle in einer renommierten Anwaltskanzlei angenommen hatte. Jacob war bestimmt nicht der Mann fürs Leben, allerdings war sich Ronja auch nicht sicher, ob sie überhaupt in ihn verliebt war. Aber eigentlich interessierte sie das auch nicht wirklich. Sie wollte nur ein bisschen Spaß haben, ihre Langeweile und ihre unklaren Lebensverhältnisse vergessen. Oder vielleicht wollte sie sich auch nur selbst beweisen, dass man auch mit über dreißig noch interessant sein konnte und der Zug für sie noch nicht abgefahren war.

Max ging los, um sich für sie beide in den endlosen Labyrinthen des Flughafens auf die Suche nach Kaffee zu machen. Ronja blieb zurück und wartete unter den großen Leuchttafeln auf ihn. Aber einfach nur untätig rumzustehen, fühlte sich nicht gut an, weshalb sie ihr Telefon aus der Tasche kramte. Im selben Moment fing es an zu klingeln, und sie schreckte zusammen. Auf dem Display blinkte eine Ziffernfolge mit finnischer Vorwahl, aber ansonsten war ihr die Nummer völlig fremd.

»Hallo?«

»Spreche ich mit Ronja Vaara?«, hörte sie eine ausdruckslos klingende männliche Stimme fragen. Ronja hielt inne. Es hörte sich offiziell an.

»Natürlich, das bin ich.«

Es gab doch nicht etwa ein Problem mit ihrem Flugticket?

»Hier spricht Kriminalhauptkommissar Koivu, Polizei Helsinki. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Vater Harri Vaara unter bislang ungeklärten Umständen tot aufgefunden wurde. Die Ermittlungen zur Todesursache sind noch nicht abgeschlossen. Mein Beileid.«

Papa … tot?

Die Stimme des Mannes verhallte in Ronjas Ohren. Plötzlich waren die Farben im Flughafen verzerrt und das Neonlicht schmerzte in ihren Augen. Die widerhallenden Geräusche des Flughafens vermischten sich in ihren Ohren zu einer zähflüssigen Kakofonie. Die knallpinke Farbe des Reisekoffers, der am gegenüberliegenden Check-in-Schalter lehnte, brannte in ihren Augen. Eine große, hartschalige und abgenutzte, ganz offensichtlich billige Kopie einer Markentasche. Daran baumelte ein zerfleddertes Namensschild, das aufgrund der Luftzüge, die durch die herumwimmelnden Menschen erzeugt wurden, erschöpft nach links und nach rechts schwang.

»Entschuldigung, ich verstehe nicht«, stammelte sie ins Telefon. Ein Vorbeigehender stieß mit seinem Koffer gegen Ronjas Unterschenkel, aber sie spürte es noch nicht mal.

»Also … was ist mit meinem Vater passiert?«

Stille.

»Wie ich bereits sagte, wurde Ihr Vater bedauerlicherweise am Sonntag tot am Kasinoranta aufgefunden.« Die Männerstimme klang ungeduldig. »Entschuldigen Sie, dass wir Sie nicht früher angerufen haben. Es war schwierig, Ihre Kontaktdaten herauszubekommen.«

Papa … tot.

Alles, was Ronja in diesem Moment spürte, war eine grenzenlose, alles umfassende Leere. Jegliches Blut schien aus ihrem Körper zu verschwinden und hinterließ nichts als eine hohle Hülle.

»Sind Sie noch dran? Mit den Ermittlungen wegen der Todesursache wurde bereits begonnen. Wir werden eine Durchsuchung der Wohnung Ihres Vaters in der Straße Särkiniementie vornehmen müssen, die im Zusammenhang mit den Entdeckungen steht, die wir am Sterbeort gemacht haben. Ich hoffe, das ist für Sie in Ordnung. Wir werden noch heute die Wohnung aufsuchen. Außerdem möchten wir Sie darum bitten, dass Sie so schnell wie möglich aufs Revier kommen, damit wir uns noch genauer über die Umstände unterhalten können, die zum Tod Ihres Vaters geführt haben. Hallo?«

Ronja starrte geradeaus, ohne etwas zu sehen. Irgendwie begriff sie schon, dass der Mann immer noch...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2024
Reihe/Serie Die Ronja-Vaara-Serie
Die Ronja-Vaara-Serie
Übersetzer Anu Katariina Lindemann
Sprache deutsch
Original-Titel Onnellisten saari
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • eBooks • finnische Krimis • Finnland • Helsinki • Insel • Johanna Mo • Journalistin • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Kristina Ohlsson • lauttasaari • Neuerscheinung • Postkarte • Schwedenkrimi • Skandinavische Krimis • Strand • Viveca Sten
ISBN-10 3-641-29934-9 / 3641299349
ISBN-13 978-3-641-29934-7 / 9783641299347
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