Ave Maria (eBook)

Ein Toskana-Krimi mit Gabbiano und Carlucci
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
352 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-31512-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ave Maria -  Andrea Tozzio
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Maria Rossi aus dem verschlafenen toskanischen Nest Fiesole hat Angst: Ein Mörder treibt sein Unwesen in der Region. Bereits drei Frauen, alle im selben Alter wie sie, fanden durch seine Hand einen langsamen Tod. Und mehr noch: Sie alle heißen Maria. Commissario Vito Carlucci und Laura Gabbiano von der Kriminalpolizei übernehmen den kniffligen Fall, als die erste tote Maria in einem Mehlsilo gefunden wird. Doch sie stehen vor einem Rätsel: Was steckt hinter den Taten des grausamen Mörders und was hat das Pasta-Imperium Mamma Marelli mit der Sache zu tun?

Andrea Tozzio ist ein Pseudonym. Als großen Italienliebhaber und -kenner zieht es ihn regelmäßig in den Süden um Land, Leute und kulinarische Köstlichkeiten zu genießen. Er schreibt erfolgreich Kriminalromane und Thriller und kennt sich dank seines beruflichen Hintergrunds bestens mit der Polizeiarbeit und kniffligen Fällen aus.

KAPITEL 1


Das Café 12oz an der Piazza della Stazione lag gegenüber dem Park Giardino del Valfonda und ganz in der Nähe der Questura. Es war kein schönes Café, hatte nur wenige Sitzplätze mit abgewetzten roten Kunstlederbezügen und war in erster Linie auf Kunden ausgerichtet, die vom Bahnhof kamen und einen Coffee-to-Go oder einen Snack im Vorübergehen wollten. Dennoch brühten sie den besten Doppio, den man hier im Westen der Altstadt bekommen konnte. Dazu reichten sie hervorragendes Gebäck, Biscotti oder Cantuccini, und auch die obligatorischen Panini mit fruchtigen Tomaten und herzhaftem Mozzarella di Bufala Campana.

Vito hatte beschlossen, es nach seinem Urlaub erst einmal ruhig angehen zu lassen und Laura, die bereits vor einer Woche den Dienst wiederaufgenommen hatte, an seinem ersten Arbeitstag zu einem Frühstück im Freien einzuladen. Die muffige Questura konnte warten. Es blieb noch genug Zeit, den heißen Julitag im stickigen Büro mit Schreibtischarbeit zu verbringen.

Laura verspätete sich, und Vito bestellte bereits seinen zweiten Doppio, als sich seine junge Kollegin, zwei Taschen in der Hand, durch den Strom der Menschen kämpfte, die gerade mit dem Zug angekommen waren und vom Bahnhof aus zu ihren Arbeitsplätzen in der Stadt strebten.

Sie trug eine blaue Leinenhose, Riemensandalen, eine weiße Bluse, dazu einen weiß-blau geblümten Sommerschal. Ihre Haare hatte sie hochgesteckt. Sie sah atemberaubend aus. Vito hatte sie seit drei Wochen nicht mehr gesehen. Zielstrebig kam sie auf ihn zu, an diesem Montagmorgen war er der bislang einzige Gast im Café.

»Du bist spät dran«, sagte er und erhob sich. Er rückte ihr einen Stuhl zurecht und wartete, bis sie mit einem lauten Seufzer Platz genommen hatte.

»Der Verkehr ist heute wieder unmöglich«, erklärte sie etwas außer Atem. »An der Ponte Giovanni da Verrazzano gab es einen Unfall, und ich musste über eine halbe Stunde warten.«

Vito lächelte. »Ich sagte dir schon einmal, fahr über die Via Aretina, da kommst du schneller durch die Stadt.«

Sie schüttelte den Kopf. »Wenn die Gemüsehändler nicht wieder in zweiter Reihe parken. Außerdem hat es ewig gedauert, einen Parkplatz zu finden.«

Vito wies auf die beiden Taschen, die Laura neben sich abgestellt hatte. »Hast du Arbeit mit nach Hause genommen?«

Laura schüttelte den Kopf und fasste an die schwarze Ledertasche zu ihrer Linken. »Das ist unser neuer Laptop. Ich wollte ihn nicht im Auto lassen. Jede Abteilung hat einen bekommen. Er ist mit einem Modem ausgestattet, damit kannst du draußen auf der Straße arbeiten, aber auch jederzeit im Homeoffice, falls du dir mal den Weg in die Questura sparen willst.«

Vito winkte dem Kellner. »So weit kommt es noch, dass ich die Arbeit mit nach Hause nehme.«

Die Bedienung eilte herbei. Laura bestellte einen Caffè Latte und dazu zwei Cornetti al Cioccolato.

Sie hob die Tasche hoch, platzierte sie auf dem Tisch und öffnete sie. »Schau, der gehört uns. Modernste Technik, hat Conte gesagt. Und das Beste daran ist, dass du damit auch von außerhalb Zugriff auf all unsere Systeme hast. Ich helfe dir später beim Einrichten. Du musst einen eigenen Account eröffnen, damit du Zugriff hast.«

Vito winkte ab. »Das hat Zeit, ich brauche das nicht.«

»Na ja, wir werden sehen«, entgegnete sie, schloss die Tasche und stellte sie wieder neben ihrem Stuhl auf den Boden.

»Was hast du in der anderen Tasche?«

»Abendgarderobe«, entgegnete Laura. »Ein Kleid, das ich von der Reinigung abgeholt habe. Ich habe später noch eine Verabredung.«

Vito wiegte den Kopf hin und her. »So? Wohin soll’s denn gehen?«

»Ich will heute Abend noch zu einer Ausstellung in den Palazzo Strozzi, Gemälde von Francesco Madena und Susanna Borg.«

Vito zuckte mit den Schultern. »Klingt interessant.«

Der Kellner erschien und servierte die Hörnchen und den Caffè Latte.

Vito fragte sich insgeheim, mit wem sie wohl zur Ausstellung ging, doch als der Kellner verschwand, wechselte sie auch schon das Thema.

»Jetzt sag, wie war dein Urlaub?«

Vito griff nach seinem Doppio. »Marina Grande war toll, da solltest du auch mal hin. Sonnenschein den ganzen Tag, und eine frische Brise weht vom Meer über den Strand. Das Wasser ist kristallklar und hat beinahe an die dreißig Grad.«

Sie schüttelte den Kopf. »Nicht jeder hat das Glück, einen Onkel zu haben, dem eine Villa mit Meerblick auf Capri gehört.«

»Wenn ich ein gutes Wort für dich einlege, dann überlässt er sie sicherlich auch dir für ein paar Wochen. Und wie war dein Urlaub?«

»Ich habe mit meinem Bruder Antonio in den Weinbergen meiner Eltern geschuftet und bin jeden Abend todmüde ins Bett gefallen«, entgegnete sie. »Ich wusste gar nicht mehr, wie viel Arbeit so ein Weinberg machen kann. Auch mein Bruder war platt und meinte, dass er lieber tausend Knochen schient, als sich den Weinbau anzutun. Als wir Kinder waren, hat es uns überhaupt nichts ausgemacht, wenn wir den ganzen lieben langen Tag auf dem Weinberg verbracht und Blätter gezupft oder Reben zurückgeschnitten haben.«

»Dann musst du dich im Dienst erholen«, scherzte Vito. »War denn was los, als ich weg war?«

»Fraccinelli hat seinen ersten Totschlag selbst bearbeitet und abgeschlossen«, erklärte Laura. »Eine Kneipenschlägerei unter betrunkenen Kumpels in Rifredi ist aus dem Ruder gelaufen. Einer zog sein Messer, und plötzlich lag der andere in seinem Blut auf den Dielen. Ihm war nicht mehr zu helfen. Fünf Zeugen, Täter und Tatwaffe vor Ort, ich dachte, das ist ein guter Einstieg für Fraccinelli. Ich musste ihm nur sehr wenig helfen.«

Vito hob den ausgestreckten Zeigefinger in die Höhe. »Mach ihn nur nicht zu schnell zum Ispettore, sonst müssen wir uns bald einen neuen Primo Assistente suchen, und die sind rar, wie du weißt.«

»Was war in Rom, hat mein Tipp dich weitergebracht?«

Vito seufzte. »Es war genau so, wie du es mir erzählt hast. Eine üble Spelunke an der Ponte Flaminio und Pico mittendrin. Ich habe ihn sofort erkannt, er mich aber wohl auch und ist durch die Hintertür verschwunden. Die riechen einen Polizisten schon einen halben Kilometer gegen den Wind.«

»Sagte ich dir doch.«

»Ja, und genau deshalb habe ich mir zuvor den Hintereingang genau angeschaut. Er also durch die Hintertür, ich vorne raus und durch den kleinen Schlupf runter zum Tiber. Und genau da habe ich ihn in der dunklen Gasse abgepasst …«

Gianna Nannini meldete sich auf Vitos Handy lautstark zu Wort. Auch Lauras Telefon klingelte, und zusätzlich gab die schwarze Tasche, die neben ihr am Boden stand, einen hellen Dreiklang von sich.

»Was ist denn jetzt los?«, fragte Vito überrascht und griff zum Telefon. Laura warf lediglich einen Blick auf ihr Display und wartete, bis Vito das Gespräch angenommen hatte. Maria, die Sekretärin des Morddezernats, war am Apparat.

»Hallo, Vito«, sagte sie. »Conte braucht euch. Dein erster Arbeitstag beginnt schon mit einer Leiche. Ihr müsst sofort kommen. Ich versuche noch, Laura zu erreichen.«

»Alles klar«, entgegnete Vito. »Laura ist bei mir und hört mit. Wo geht es denn hin?«

»Nach Camaioni in die dortige Nudelfabrik.«

»Mamma Marelli?«

»Richtig, zu Mamma Marelli«, bestätigte Maria.

*

Ihr Weg führte sie mit dem Dienstwagen am Arno entlang über die Staatsstraße in die westlichen Außenbezirke der Stadt. Camaioni lag knapp fünfzehn Kilometer von der Questura entfernt direkt an einer sanften Schleife des Arno.

Die Pastificio Mamma Marelli war über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt und exportierte Nudelspezialitäten in viele europäische Nachbarländer. Eine besondere Spezialität der Nudelmanufaktur waren Raviolacci aus Kastanienmehl mit einer feinen Füllung aus polpa di granchio, erlesene Nudeln mit einer delikaten Krebsfüllung, die in einigen ausgewählten Restaurants der Stadt und der Region auf der Speisekarte standen. Knapp achtzig Mitarbeiter beschäftigte der Betrieb, der sich noch immer im Familienbesitz befand. Maria hatte in der Kürze der Zeit das Internet bemüht, um möglichst viel über die Firma herauszufinden, in der es den mysteriösen Todesfall gegeben hatte. Sie hatte Vito kurz eingewiesen, während sie in der Questura den Dienstwagen geholt hatten.

»Was ist so sonderbar an dieser Leiche?«, fragte Laura, als sie sich in den Wagen setzten und losfuhren.

»Conte erwartet uns in der Firma«, entgegnete Vito. »Ich weiß nur, dass es wohl wie ein Unfall aussehen sollte, aber vor Ort werden wir mehr erfahren.«

Eine halbe Stunde später bog der rote Alfa auf das Gelände der Nudelfabrik ab. Nachdem Vito dem Beamten an der Zufahrt seinen Dienstausweis gezeigt hatte, tastete er sich an einem quer stehenden Streifenwagen der Carabinieri vorbei.

Noch während der Alfa hinter Contes weißem Bus langsam ausrollte, kam der Spurensicherungsexperte der Florentiner Polizei auf die beiden Kommissare zu. Sie waren kaum ausgestiegen, da winkte er sie schon zu sich. »Kommt mal mit!«

Sie überquerten den Parkplatz, auf dem sich mittlerweile die Mitarbeiter der Firma hinter einer mit blau-weißem Flatterband notdürftig eingerichteten Absperrung versammelt hatten. Ihr Weg führte sie in den hinteren Teil der Fabrik, wo ein mächtiger Silozug mit der Aufschrift Farina del Mulino Porponi parkte. Ein Rettungswagen mit blinkenden Blaulichtern stand direkt neben dem großen Lastwagen.

»Die Tote lag dort hinten in einem der...

Erscheint lt. Verlag 13.3.2024
Reihe/Serie Ein Toskana-Krimi mit Gabbiano und Carlucci
Ein Toskana-Krimi mit Gabbiano und Carlucci
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • eBooks • Fiesole • Florenz • Jean-Luc Bannalec • Krimi • Kriminalromane • Krimis • neue krimis 2024 • Neuerscheinung • neuerscheinung 2024 • Pasta • Regionalkrimi • Remy Eyssen • Strandlektüre • Toskana • ungewöhnliches Ermittlerpaar • urlaubskrimi 2024 • Urlaubslektüre
ISBN-10 3-641-31512-3 / 3641315123
ISBN-13 978-3-641-31512-2 / 9783641315122
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