Mörderischer Sanddorn (eBook)
300 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3002-0 (ISBN)
Sven Trautwein wurde 1972 in Husum geboren. Mit elf Jahren faszinierte ihn das Schreiben, so dass er als jüngster Teilnehmer einen Schreibmaschinenkurs besuchte. Während des Studiums der Anglistik und Germanistik in Würzburg und Erlangen baute er in den frühen Jahren des Internets ein Literaturportal auf. Danach arbeitete er als leitender Online-Redakteur im Nürnberger Land und bei t-online.de im Bereich Audience Development. Derzeit konzipiert und füllt er ein Buchportal für Ippen.Digital mit Inhalten in Berlin.
Sven Trautwein wurde 1972 in Husum geboren. Mit elf Jahren faszinierte ihn das Schreiben, so dass er als jüngster Teilnehmer einen Schreibmaschinenkurs besuchte. Während des Studiums der Anglistik und Germanistik in Würzburg und Erlangen baute er in den frühen Jahren des Internets ein Literaturportal auf. Danach arbeitete er als leitender Online-Redakteur im Nürnberger Land und bei t-online.de im Bereich Audience Development. Derzeit konzipiert und füllt er ein Buchportal für Ippen.Digital mit Inhalten in Berlin.
Kapitel 3
»Wir brauchen ein Zimmer für heute Nacht«, sagte Stine und ging zum Wagen zurück. Sie nickte den beiden Polizisten zu, die noch am Flatterband standen. »Habt ihr sonst noch irgendwas für uns?«
»Nicht wirklich«, sagte der Kleinere von beiden. »Hier ist die Adresse von dem, der ihn gefunden hat. Es gibt hier zwei Überwachungskameras, die die Aufgänge zu den Anlagen überwachen. Vielleicht habt ihr da was drauf.« Er riss den Zettel vom Block und gab ihn Stine.
»Danke. Oh, Tingodden«, sagte Stine und hob ein wenig die Stimme. Es war mehr eine Frage als eine Feststellung.
»Die Ferienhaussiedlung bisschen südlich von hier«, sagte der Polizist.
Auch wenn Stine in der Nähe aufgewachsen war, kannte sie nicht alle Straßen, die zu dieser Ferienhaussiedlung gehörten. Der Polizist starrte sie an. Stine spürte, dass sie unwillkürlich die Augenbrauen gehoben hatte.
»Gegenüber vom Sønder Klitvej«, sagte er so, als müsste man das kennen.
Stine nickte. Sie würden es finden. Im Zweifel gab es ja das Smartphone oder das Navi im Dienstwagen. Beide setzten sich ins Auto.
»Und nun?«, fragte Niels.
»Nach Ringkøbing. Wir suchen uns was für die Nacht. Ist nicht weit, versprochen.«
Ringkøbing wirkte mit seinen kleinen Häusern, teils aus rotem Backstein und den niedrigen Dächern wie eine typische Kleinstadt in Dänemark. Wenn man sich Zeit nahm und genauer hinsah, fielen die rechtwinkeligen Gassen um den Marktplatz herum auf. Das gab es hier nicht so häufig. Anhand der Namensgebung, die der Himmelsrichtung entsprach, konnte man sich auch vor der Smartphone-Zeit gut zurechtfinden. Stine und Niels standen auf dem Marktplatz. An einem kleinen mobilen Eisstand hatte sich eine beachtliche Schlange gebildet und Stine merkte, wie Niels hinüberschielte.
»Ja, nun hol dir schon eins«, sagte Stine lachend. »Ich schaue hier, ob sie freie Zimmer für uns haben.« Sie zeigte auf ein Gebäude gegenüber dem Eisstand.
Das Ringkøbing Hotel war in einem wunderschön renovierten Gebäude aus dem siebzehnten Jahrhundert direkt am Marktplatz gelegen. Die geweißte Fassade mit dem Fachwerk ließen das zweigeschossige Gebäude stattlich wirken. Die weißen Sprossenfenster dominierten die beiden Gebäudeseiten, die vom Markt aus zu sehen waren. Den Eingang umrahmten zwei Fahnenstangen, an denen der Dannebrog schlaff herunterhing. Trotz Urlaubssaison hatten sie Glück. Stine ergatterte noch zwei Einzelzimmer.
Niels stand noch immer dort, wo ihn Stine zurückgelassen hatte. Sie drückte ihm eine Schlüsselkarte in die Hand. »Wir wohnen da drüben im Hotel«, sagte sie.
»Woher kennt dich denn der Bestatter? Und deine Mutter anscheinend auch?«
Stine antwortete nicht sofort, sondern schaute an Niels vorbei Richtung Kirche.
»Stine?«
»Was?« Der Ton in ihrer Stimme war jetzt fast barsch.
»Woher kennt ihr euch? Der Bestatter und du?«
»Ich komme von hier.«
»Du bist hier aufgewachsen? Das hast du nie erzählt.«
»Ergab sich einfach nicht.«
»Ja, und deine Mutter? Wenn du aus Hvide Sande kommst, wieso sind wir im Hotel?«
»Ich will da nicht wohnen.«
»Warum denn nicht?« Niels zog die Augenbrauen zusammen.
Stine spürte, wie er sie musterte.
»Ist 'ne lange Geschichte«, sagte Stine.
Sie war froh, dass die Schlange so weit vorgerückt war, dass jetzt Niels an der Reihe war. Heute hatten es die meisten Kunden anscheinend auf Schokolade und Pistazie abgesehen, denn in beiden Behältern war nur noch ein klitzekleiner Rest übrig. Niels' Zeigefinger wanderte von einem Behälter zum nächsten und wies schließlich auf das Sanddorneis.
»Oh, das schmeckt gut«, sagte Niels.
»Was hast du?«
»Joghurt mit Sanddorn. Kannte ich nicht. Das ist richtig lecker.«
Der August war gerade angebrochen und es war die Hochzeit der Zitrone des Nordens, wie der Sanddorn auch genannt wurde. Die eiförmigen orangefarbigen Früchte konnten ab dieser Zeit bis weit in den frühen Dezember geerntet und zu vielerlei Spezialitäten verarbeitet werden. Nichts, was es nicht mit Sanddorn gab. Ob Sanddorngebäck, Sanddornmarmelade, Sanddornlikör oder eben auch Sanddorneis.
»Lass uns mal eine Kleinigkeit essen gehen«, sagte Stine. »Mir knurrt ehrlich gesagt seit der Abfahrt in Kopenhagen der Magen. Und dein Eis macht es nicht einfacher.«
Die Ejvinds Bageri, die Stine im Kopf hatte, war jedoch schon geschlossen. So gingen sie die Nygade, die rechts und links von kleinen Geschäften gesäumt war, Richtung Hafen entlang. Kurz vor dem Marktplatz schielte Stine in den Buchladen, den sie aus ihrer Jugend noch kannte und wo sie Unmengen an Taschengeld gelassen hatte. Im Schaufenster war ein auffälliger Buchstapel mit gelben Covern von Julie Hastrup zu entdecken. Was hatte sie die Krimis von ihr verschlungen.
Im Havnegrillen fanden sie einen kleinen Tisch und bestellten etwas zu essen. Wenn auch kulinarisch nicht das Feinste, war es für einen kleinen Imbiss in der Nähe des Hafens völlig okay. Das Essen kam recht zügig, die Pommes machten einen guten Eindruck und Niels' Burger sah saftig aus. Stine hatte sich für einen Salat mit Hähnchenbruststreifen entschieden. Der Burger schien jedoch die weitaus bessere Wahl gewesen zu sein.
Immer wieder drängten sich vornehmlich junge Leute in den kleinen Essbereich. Die Cafés um den kleinen Hafen in Ringkøbing hatten schon vor Jahren immer viel zu früh geschlossen. Daran hatte sich nichts geändert, war Stine aufgefallen, bevor sie in der Karten-App ihres Smartphones nach einer Alternative für einen Snack gesucht hatte. Der Havnegrillen war mit durchschnittlichen Bewertungen in die engere Wahl gekommen. Dabei lag das kleine geduckte Backsteinhaus mit den weißen Fenstern nicht so weit entfernt von dort, wo Stine aufgewachsen war.
Als sie an ihr Elternhaus dachte, zog sich ihr Magen zusammen. Das musste warten. Sie musste sich ablenken. Auf andere Gedanken kommen. Viel zu oft ließ sie sich von plötzlichen Stimmungen und alten Gefühlen leiten.
Als sie das Lokal verließen, war die Sonne ganz untergegangen. Die kleinen altmodischen Straßenlaternen warfen gelbliches Licht auf das Kopfsteinpflaster, das sich am Hafen entlang in die alten Gassen Richtung Marktplatz zog.
»Noch ein Bier im Hotel?«, fragte Stine.
»Ja, warum nicht«, sagte Niels und versuchte, mit Stine Schritt zu halten. Sie ging rund zwei Schritte vor ihm und schien das Tempo immer weiter zu erhöhen. In den Schaufenstern sah man Stines Pferdeschwanz von einer zur anderen Seite schwingen. Gänsehaut zeichnete sich auf ihren Unterarmen ab. Trotz des lauen Sommerabends kam eine leichte Brise vom Hafen herauf, die einige Wolken vor sich herschob.
Stine drückte die schwere dunkle Holztür des Hotels auf und begab sich nach links in den Restaurant- und Barbereich. Es waren nur wenige Gäste zu sehen. Die fünf Barhocker mit grünen Sitzflächen standen unberührt nebeneinander an der Bar, die mit ihrem dunklen Holz an einen englischen Pub erinnerte. Sie schwang sich auf einen. Als sich Niels gesetzt hatte, bewegte sich der Barkeeper langsam auf sie zu.
»Guten Abend, was darf es sein?«
»Zwei Bier«, sagte Stine, ohne noch einmal bei Niels nachzufragen. Nach wenigen Augenblicken stellte der Barkeeper zwei Pilsgläser mit schöner Schaumkrone und den Worten »Lasst es euch gut schmecken« vor sie hin.
»Es ist kompliziert«, durchbrach Stine die entstandene Stille.
»Was genau?«
»Das Verhältnis zu meiner Mutter.« Stines Tonfall veränderte sich.
»Ja, sagtest du schon. Was ist denn vorgefallen?«
»So viel Bier kann ich gar nicht trinken, wie es dauern würde.«
»Wir können es aber versuchen«, sagte Niels und blickte Stine in die hellblauen Augen. Sie zog ihre Nase kraus, die hellen Sommersprossen auf dem Nasenrücken bewegten sich leicht aufeinander zu.
»Ich habe sie zu lange nicht mehr gesprochen.«
»Wie lange?«
»Mehr als sieben Jahre.«
»Wie bitte?«
»Seit mein Vater starb.« Stine schaute wieder an Niels vorbei ins Nichts.
»Wieso?«
Niels verstummte. Stine blickte ihn noch immer nicht an. Sie strich etwas nervös über den kleinen Leberfleck hinter ihrem rechten Ohr und schüttelte den Kopf.
»Es ist so viel passiert. Es geht nicht.« Sie trank das Bier in einem Zug aus und hob es als Zeichen für Nachschub in Richtung des Barkeepers. Dieser nahm ein neues und begann mit dem Zapfen. Das benutzte Glas stellte er in ein Waschbecken, das in die Arbeitsfläche eingelassen war. Hier zusammen mit Niels ein Bier zu trinken, in ihrer alten Heimat, ohne weitere Gäste, kam ihr etwas unwirklich vor. Der Barkeeper hatte bei ihrem Erscheinen auch nicht gerade erfreut gewirkt. Als er jetzt die zweite Runde zapfen durfte, hellte sich sein Gesicht ein wenig auf.
»Entschuldigen Sie bitte, aber Sie kommen mir irgendwie bekannt vor«, sagte er plötzlich. Überrascht...
Erscheint lt. Verlag | 5.8.2024 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Blut • Dänemark • Dänisch • Erholung • Ermittlerin • Hvide Sande • Kopenhagen • Meer • Mord • Nordsee • Polizistin • Strand • Tod • Urlaub • Urlaubskrimi • Urlaubsort • Windkraft |
ISBN-10 | 3-8437-3002-4 / 3843730024 |
ISBN-13 | 978-3-8437-3002-0 / 9783843730020 |
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