Die gehorsame Tochter (eBook)

Thriller | »Ein starker, atemberaubender und berührender Thriller.« Chris Whitaker
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
384 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3190-4 (ISBN)

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Die gehorsame Tochter -  Laure Van Rensburg
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Du wirst geliebt. Du bist sicher. Doch kennst du die Wahrheit? Abigail ist ein Mitglied der New American Baptist Church. Da sie meilenweit von der nächsten Stadt in South Carolina entfernt lebt, ist sie vor der verderbten modernen Welt sicher. Sie ist eine gehorsame Tochter. Ein geschätztes Mitglied der Gemeinde.  Als sie die einzige Überlebende eines Feuers ist, bei dem das Haus ihrer Familie bis auf die Grundmauern niederbrennt, scheint es sich um einen tragischen Unfall zu handeln. Bis überraschend herauskommt, dass Abigail vor dem Brand eine fremde Person ins Haus ließ. Wer war es? Was hat das Feuer ausgelöst? Und kam die Gefahr wirklich von außen?  »Ein starker, atemberaubender und berührender Thriller.« Chris Whitaker

Laure van Rensburg ist gebürtige Französin und lebt in London. Ihr Debüt »Nur du und ich« wurde ein internationaler Erfolg. Mit »Die gehorsame Tochter« legt sie ihren zweiten Thriller vor.

Laure van Rensburg ist gebürtige Französin und lebt in London. Ihr Debüt »Nur du und ich« wurde ein internationaler Erfolg. Mit »Die gehorsame Tochter« legt sie ihren zweiten Thriller vor.

1.


Heutiger Tag

Der Tod hat Fliegen und Fremde ins Haus gelockt. Erstere umschwirren die verkohlten Überreste im Vorderzimmer. Letztere haben Stühle aus der Küche in den Hof geholt, aber ich sitze als Einzige und bin umringt von Männern in Uniform, denen ein fünfzackiger Stern an der Brusttasche oder am Ärmel Schutz und Autorität verleiht. Mir wurde gesagt, ein Einheimischer, der mit seinem Boot vor Hangman’s Creek dümpelte, hätte Rauch gesehen und es gemeldet. Vor dem Haus spricht Mr Abernathy mit einem weiteren Beamten. Daddy hätte sich geweigert, hier draußen Besucher zu empfangen. Bis jetzt hatten wir noch nie Besuch. Aber vermutlich sind es auch keine echten Besucher.

Daddy.  Im Vorderzimmer. Mit ihr. Rot. Rote und gelbe Flammen. Haut, die sich von der Hitze spannt.  Gekrümmte Gestalten auf verkohlten Bodendielen. Zwei schwarze Säcke, die fortgeschafft wurden. Dahin kommt man also nach dem Tod: in einen Leichensack.

So viele Menschen, die gemeinsam schweigen, bis das Dröhnen eines sich nähernden Schnellboots die Stille durchbricht. Während ich die Männer um mich herum anschaue, fühle ich mich wie das Wasser in den Gezeiten, das steigt und sinkt, zum Land strömt und sich wieder zurückzieht. Vom Hof zu den Trümmern des Vorderzimmers, vom Hier und Jetzt ein paar Stunden zurück, vom Wirklichen ins Unwirkliche. Ich schaue sie an und frage mich, ob sie erkennen, in welchen Momenten ich gerade nicht da bin.

Eine Polizistin schiebt sich durch die Reihe breiter Schultern und kräftiger Körper. Ihr Haar reicht ihr nur bis zum Nacken, und sie trägt einen Getränkehalter mit Bechern aus Joe’s Café. Ein schimmerndes Namensschild über der linken Brust weist sie als Deputy Pritchett aus. Die anderen – alles Männer – versammeln sich mit vor der Brust oder hinter dem Rücken verschränkten Armen um sie. Ihre Augen sind von Sonnenbrillen verdeckt. Sie sollte nicht bei ihnen sein, das ist gegen ihre Natur. Frauen gehören nicht in einen Beruf, sondern ins Haus, zu ihren Kindern. Ihr Ringfinger ist schamlos nackt. Daddy würde sie als weiteres Opfer der Umstände bezeichnen. Dampf entweicht aus den Bechern, obwohl das Wetter eigentlich einen Krug Eistee gebietet. Sie tut mir leid.

Neben Deputy Pritchett stehen zwei Officer rechts und links von einem der Tupelobäume. Davor hüpfen zwei Fischadler über das Gras und stochern mit ihren Schnäbeln im Boden. Ich konzentriere mich auf sie, auf den Baum, auf den hohen Zaun in der Ferne, auf alles, was meine Gedanken davon abhält, zurück ins Haus zu gehen, durch die Küche, an der geschlossenen Tür vorbei durch den Flur zu der Asche im Vorderzimmer.

Daddy  die schwarze, verdrehte Gestalt von ihm und ihr,  ich kann das Wort nicht sagen. Mir brennt die Brust allein vom Gedanken daran.  An sie.

Deputy Pritchett verteilt Getränke – auch mir drückt sie einen Becher in die verbundenen Hände –, man bedankt sich, man räuspert sich, man mustert mich erneut. Verstohlene Blicke in meine Richtung. Sehen sie ein Mädchen oder nur den Ruß und die Asche, mit dem es bedeckt ist? O Gott, ich habe den Rauch tief eingeatmet! Er ist in mir. Sie sind in mir und bedecken meine Kehle und meine Lunge. Mir dreht sich der Magen um, ich muss würgen, aber es kommt nichts heraus.

Diese Fremden haben sich nie für uns interessiert, warum also jetzt? Vielleicht sind sie nur neugierig auf diesen Ort, weil sie wissen, sonst hätten wir sie nicht hierhergelassen. Ich wünschte, sie würden einfach gehen. Wir brauchen sie nicht. Ihr Plastikabsperrband, ihre laut knackenden Funkgeräte und ihre blitzenden Taschenlampen schänden die verblasste Grandeur vom Newhaven Plantation House. Ihre Anwesenheit verrät, was hier vorgefallen ist, die Nachricht schleicht sich durch die Haustüren, huscht über die Flure von Newhaven, wird von vielen verschiedenen Stimmen verbreitet, geflüstert, ausgestoßen, gestammelt: Feuer. Tragödie. Pastor Heywood und seine Frau. Tot.

Der Deckel von meinem Becher ist abgenommen, obwohl ich mich nicht daran erinnere, es getan zu haben. Die Milch hat die dunkle Flüssigkeit beigefarben werden lassen. Daddy hasste schwachen Kaffee. Hasste jede Schwäche. Die Sünde dringt durch die Schwachstellen eines Charakters. Meine Knie schmerzen noch von dieser Wahrheit.

Plötzlich schrillt mein Name durch die Luft, reißt mich aus meinen Gedanken. Mrs Calhoun teilt mit Entschlossenheit und Ellbogen die Menge der Feuerwehrmänner und Polizisten wie einst Moses das Rote Meer.

»Dem Himmel sei Dank, du bist unversehrt! Trink das nicht!« Sie nimmt mir den Becher ab und stellt ihn auf den Boden. Mit beiden Händen umschließt sie meine und blickt mich mit geschwollenen, rot geweinten Augen an. Sie werden größer, als sie meine rußgeschwärzten Kleider, mein aschgraues Gesicht und die Verbände an Händen und Unterarmen sieht.

»Geht es dir gut?« Es ist, als würde ihre Frage in einen tiefen Brunnen aus Schweigen fallen. Als sie es nicht mehr aushält, überschüttet sie mich mit einem Redeschwall: »Bitte, Abigail, sag doch etwas! Bist du verletzt? Wir haben uns solche Sorgen gemacht. Du warst verschwunden; seit gestern haben wir dich alle gesucht. Und jetzt das! Gütiger Gott!«

»Sagten Sie gerade, sie war verschwunden?«, schaltet sich einer der Polizisten ein.

Ich öffne den Mund, doch anstatt etwas zu sagen, kann ich nur husten. Bei jedem Atemzug erwacht das Feuer in meiner Kehle erneut, und ich muss husten. Mrs Calhouns Gesicht löst sich in einer Flut aus Tränen auf. Jemand drückt mir so heftig eine Flasche an den Mund, dass der Rand in meine Lippen einschneidet. Wasser lindert den brennenden Schmerz.

»Sie ist nicht schwer verletzt. Nur oberflächliche Verbrennungen und eine leichte Rauchvergiftung. Dagegen haben wir ihr Sauerstoff gegeben«, erklärt der Sanitäter, der sich um mich gekümmert hat. »Aber seit wir hier sind, hat sie noch kein Wort gesagt. Wir werden sie mitnehmen …«

»Auf keinen Fall werden Sie sie mitnehmen«, unterbricht Mrs Calhoun ihn mit einem gebieterischen Blick, bevor sie sich mir zuwendet: »Deinen Geschwistern geht es gut, Abigail, verstehst du mich? Elijah, Matthew und Sarah sind sicher in Newhaven. Gott sei Dank haben sie die Nacht dort verbracht.« Dann dreht sie sich um und geht auf das vom Feuer zerstörte Haus zu.

»Was machen Sie da?« Ein großer Polizist stellt sich ihr in den Weg und schiebt sich wie eine Gewitterwolke vor die Sonne. Mrs Calhoun strafft die Schultern, genau wie immer, wenn sie einen Riesenberg Wäsche in Angriff nimmt.

»Ich muss ins Haus. Matthew braucht seinen Inhalator. Der ist im oberen Bad.« Aber der Mann rührt sich nicht. »Er hat Asthma. Wollen Sie etwa ernsthaft einem Waisenjungen seine Medizin verwehren? Welcher Christenmensch tut denn so was?«

»Haben Sie keinen Ersatzinhalator im Haupthaus?«

»Nein, haben wir nicht.«

»Sie können hier nicht durch, Ma’am. Der Tatort ist noch nicht freigegeben.«

»Wie soll ich denn dann ins Haus? Vielleicht das Abflussrohr hoch und dann durchs Badezimmerfenster?«

Der Polizist wirft einen raschen Blick zu dem, der das Sagen hat. Einer hat immer das Sagen. Ein Kopf mit einem dichten grauen Haarschopf und einem großen Schnäuzer nickt.

»Na gut, folgen Sie mir«, sagt der Officer und seufzt. Knarrend öffnet sich die Fliegengittertür. Ein überwältigender Gestank dringt aus dem Haus, und als er Mrs Calhoun erreicht, verzieht sie das Gesicht. Ein solcher Gestank ruft schlimme Bilder in einem hervor, ob man es will oder nicht. Dieser Gestank haftet auch an meinen Kleidern und Haaren. Mit Grauen im Blick wendet sie sich zu mir um, bevor sie sich zu einem gequälten Lächeln zwingt.

»Ich bin gleich wieder da, Abigail. Ich hole nur kurz die Medizin für deinen Bruder, dann gehen wir beide zurück ins Newhaven. Sag ihnen nichts.« Sie wirft dem Officer einen drohenden Blick zu.

Ich schaue auf den Boden, wo immer noch Dampf aus meinem Becher steigt. Wenn ich ihn doch nur berühren und meine Fingerspitzen gegen die heiße Pappe drücken könnte! Bis es mir nicht mehr möglich ist, die Wirklichkeit zu ignorieren. Aber meine Hände sind unter dicken Verbänden gefesselt.

Alle starren mich nur weiter an, warten darauf, dass ich etwas sage, aber ich habe keine Worte für sie und keine Antworten auf ihre Fragen. Das Feuer hat mir nur verkohlte, zu Asche zerfallene Erinnerungen gelassen. Es hat all meine Gefühle verbrannt und mich für meine eigenen Fragen taub gemacht.

War ich das? Sind sie wegen mir tot? Denn ich kann mich nicht erinnern. Nicht ans Feuer, nicht an ihren Tod, nicht an mein Verschwinden für einen ganzen Tag. Ich erinnere mich an gar nichts mehr.

Feuer in Newhaven Plantation kostet zwei Menschenleben


Von unserer ständigen Reporterin Marilynn Wasserman

Ein Brand in Newhaven Plantation hat Pastor John Heywood (45) und seine Ehefrau Genevieve (38) das Leben gekostet. Beau Travers war mit seinem Boot draußen vor Hangman’s Creek, als er Rauch bemerkte und den Notruf betätigte. Die Feuerwehr von...

Erscheint lt. Verlag 6.5.2024
Übersetzer Marie Rahn
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Geschenk für Frauen • Nervenkitzel • Opfer • psychologisch • Psychospannung • Sekte • spannender Thriller • Südstaaten
ISBN-10 3-8437-3190-X / 384373190X
ISBN-13 978-3-8437-3190-4 / 9783843731904
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