Das Mädchen hinter dem Vorhang (eBook)

Ein Fall für Peter Falcon: Kriminalroman | Origineller und historischer Kunstkrimi | Über holländischen Maler des Barock Jan Vermeer

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
288 Seiten
HarperCollins eBook (Verlag)
978-3-7499-0675-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Mädchen hinter dem Vorhang - Leif Karpe
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Rasant, historisch akkurat, cineastisch erzählt: Leif Karpe schreibt über die dunkle Seite der Kunst

Als Peter Falcon ins Büro der Chefin des Auktionshauses Chrosebys bestellt wird, ahnt er schon, dass sein neuer Auftrag ihm noch mehr abverlangen wird als alles zuvor: Giovanna ist ein Brief in die Hände gefallen, der die Macht besitzt, unser Verständnis der Kunstwelt zu revolutionieren. Um 1600 schreibt ein junger Linsenschleifer, der sich selbst Grinderman nennt, von der Kunst seines Handwerks, von seinen großen Ambitionen - und seinen Kunden, darunter Jan Vermeer. Hat der Meister der Malerei wirklich mit einer Camera Obscura gearbeitet, um seine Gemälde so realistisch werden zu lassen? Und was macht diese Vermutung mit der Trennschärfe zwischen bloßem Handwerk und »wahrer« Schöpfung? Peter Falcon fliegt nach Amsterdam, um den Spuren des mysteriösen Grindermans zu folgen. Doch was so lange versteckt war, möchte nicht gefunden werden ...



Leif Karpe, geboren 1968, wuchs im Schwarzwald, in Brasilien und dem Ruhrgebiet auf. Seit über dreißig Jahren arbeitet er als Regisseur und Kameramann für Dokumentar- und Spielfilme mit dem Schwerpunkt Kunst. Daneben betätigt er sich als Autor. Seine Romane sind vom Magischen Realismus geprägt.

DER BRIEF


Der Flieger war riesig und einschüchternd. Einem Rat aus dem Internet folgend hatte sich Peter vor dem Abflug intensiv mit dem Fluggerät auseinandergesetzt. Das, so hieß es in dem Artikel, könne die Flugangst nehmen oder wenigstens lindern. Er erinnerte sich an seine Bekannte Martha, wie sie es damals verstanden hatte, ihn auf ihrer gemeinsamen Flugreise über den Ärmelkanal mit Fakten zu beruhigen. Er spähte aus dem Panoramafenster am Gate. Da stand es, fest verbunden mit dem Rüssel der Gangway. Das war kein Flugzeug, das war ein Leviathan, dachte Peter. Sollte er da wirklich einsteigen? Die Boeing 777-300, auch Triple Seven genannt, ist das größte zweistrahlige Verkehrsflugzeug der Welt, repetierte er im Geiste. Sie ist 74 Meter lang, hat eine Spannweite von 64 Metern und ist 18,60 Meter hoch. Sie bietet bis zu 550 Passagieren Platz. Die Reisegeschwindigkeit beträgt ca. 900 Stundenkilometer in einer Höhe von rund 13.100 Metern. Nichts, aber auch gar nichts von alldem, was er mühsam auswendig gelernt hatte, half ihm jetzt weiter. Dagegen riet ihm sein Fluchtinstinkt, kehrtzumachen und so schnell er konnte zu laufen. Die Boeing 777 ist eines der ersten Verkehrsflugzeuge mit einer ETOPS-Zulassung von 330 Minuten. Das bedeutet, die Maschine muss im Falle eines Triebwerksausfalles innerhalb von 330 Minuten auf einem Flughafen landen. Vordergründig klang das gut. Der Flieger konnte also mit einem Triebwerk noch fünfeinhalb Stunden weiterfliegen. Er sollte also zumindest nicht ins Wasser fallen. Aber was bedeutete das in Wahrheit? Wieso sollte überhaupt ein Triebwerk ausfallen? Alleine, dass es dieses ETOPS-Dings gab, war doch schon Beweis genug, dass die Triebwerke ausfallen könnten. Die Ingenieure sollten, verdammt nochmal, ihren Job tun. Und was passierte, wenn beide Triebwerke gleichzeitig ausfallen sollten? Alles schon vorgekommen. Immerhin musste Peter zugeben, dass erst zwei B 777 wirklich vom Himmel gefallen waren. Die eine war über der Ukraine abgeschossen worden und die andere einfach vom Radar verschwunden. Aber das machte nun alles nicht besser. In seinem Drang, sich endlich von seiner Flugangst zu lösen, war er auch dem Rat gefolgt, ganz offensiv einen Fensterplatz zu buchen. Nun verfluchte er sich dafür. Wenigstens wurde es langsam dunkel. Die Maschine nach Amsterdam sollte um 19 Uhr starten und um 11.15 Uhr Ortszeit in Schiphol landen. Wenn er es richtig timte, dann schlief er vielleicht, wenn es in drei, vier Stunden schon wieder hell wurde, und er musste nicht in den Abgrund schauen.

Die Maschine rollte zur Startbahn, und je lauter die Motoren röhrten, desto schneller schlug Peters Herz. Als die Boeing zum Start beschleunigte, klammerte er sich an den Armlehnen fest und presste die Augenlider fest aufeinander. Die Maschine stieg unerbittlich, aber das Dröhnen ließ nach. Ganz langsam öffnete Peter seine Augen, aber vorsichthalber nur einen winzigen Spalt. Er sah durch das Fenster eine schmale, bleiche Mondsichel, halb auf dem Rücken liegend. Ihr gegenüber funkelte ein heller Stern: die Venus. Und plötzlich fielen bei Peter Angst und Beklemmungen ab und er sah sich wieder in der Provence, konnte den Lavendel riechen, fühlte den warmen Wind auf der Haut, sah die Sternennacht über sich und hörte eine Melodie, die sich zu den Worten formte: »Now I understand what you try to say to me …« Don McLeans unvergleichliche Ballade über Vincent van Gogh. Gemessen an dem unfassbaren Leiden des Meisters schien ihm seine eigene Flugangst nun nachgerade peinlich klein.

Die Maschine stieg weiter, drehte in Richtung Osten, und die strahlende Venus verschwand alsbald aus Peters Blickfeld. Er rief sich zur Ordnung und erinnerte sich daran, dass eine Aufgabe auf ihn wartete, auf die er sich noch während des Fluges gründlich vorzubereiten gedachte. So kramte er die Papiere heraus, die ihm Giovanna mitgegeben hatte. Im Grunde handelte es sich bisher nur um zwei Briefe. Der eine, handgeschrieben, bot mehrere Briefe aus dem 17. Jahrhundert an, verfasst von einer mysteriösen Person, die sich Grinderman nannte. Merkwürdiger Name. Der andere war eine Kopie des ersten angebotenen Briefs. Peters von Giovanna so gelobte Intuition schwieg beharrlich. Er hatte nicht das geringste Gefühl dafür, ob die Person, die diesen Brief verfasst hatte, es ehrlich meinte oder einen Betrug vorbereitete. Er zuckte mit den Schultern und begann zu lesen:

13. September 1652

An die Mitglieder der Royal Society.

Mein Name ist in dieser Angelegenheit nebensächlich, da es uns nur um die Wissenschaft geht. Hier in Delft nennt man mich den Grinderman, weil das, was ich tue, ihnen unheimlich ist.

Ich schleife Linsen.

Doch was ist ein Linsenschleifer? Damit könnte ich meinen: einen Maler, einen Musiker und vor allem einen jungen Menschen oder einen Bildhauer, einen oder irgendjemanden.

Das Schleifen einer Linse ist eine Art überlegene Mathematik, und wir dürfen nicht vergessen, dass es fast immer prophetisch ist. Es gibt im Linsenschleifer einen Propheten.

Und ich entschuldige mich dafür, dass ich aus heiterem Himmel mit Ihnen spreche, weil ich vielleicht wie die Leute klinge, die, wenn sie aufwachen, klug sein wollen und nur Dummheit zeigen.

Sie mögen mich dumm finden, aber ich möchte absolut wahr sein. Nun, der Linsenschleifer ist in gewisser Weise die Belegschaft eines Selbst, das tiefer ist als er selbst.

Er ist Vermittler zwischen dem Inneren und der Außenwelt und versucht, die Verbindung lebensfähig zu machen.

Dieser innere Charakter, der in mir lebt, ist ein völlig zeitloser Charakter. Ich wiederhole mich extrem schlecht, deshalb bin ich nicht verantwortlich für das, was ich nun erzähle. Ich bin nicht verantwortlich für meine Beobachtungen.

Ich bin nur ein Vermittler als Medium und eine Belegschaft, und alle sind Medien und Sucher dieser mysteriösen Kräfte, die die Welt bewohnen. Daher fällt es mir schwer, Ihnen davon zu erzählen.

Und da es nicht notwendig war, in den Himmel zu steigen und dort nicht den guten Herrn und die Engel zu treffen, stoppt die Religion diese Entdeckungen. Diese Inspiration kommt nicht vom Himmel zu uns. Es ist etwas, das aus uns herauskommt, aus den Tiefen unserer Nacht. Kurz gesagt, ein Linsenschleifer versucht, seine nächtlichen Erkenntnisse auf den Tisch zu legen.

Ich bin, ohne zu sein. Das heißt, dass wir von unserer Geburt bis zu unserem Tod eine Prozession sind, andere, wir sind alle anderen. Deshalb schäme ich mich nicht, mit Ihnen zu sprechen.

Genial, da wir das Wort Genie falsch verstanden haben. Wir glauben immer noch, dass das Wort Genie ein Wort ist, das nicht verwendet werden sollte.

Es ist: kollektives Genie. Wissenschaft besteht aus kollektivem Genie. Männer, die eine außerordentliche Sache tun. Genius hat nicht so etwas von einer schändlichen und ansteckenden Krankheit, die geheilt werden muss, das heißt, dass das Individuum und individuelles Genie nicht mehr zählen und der Weg frei ist für eine Art von großen kollektiven und wissenschaftlichen Genies.

Es gibt diese großartige Technik. Das habe ich schon gesagt: Das Linsenschleifen ist eine Art höhere Mathematik, von höchster Sprache, aber wir sind im Strom von etwas Gefährlichem. Denn die Linse erlaubt uns den Blick in die Erkenntnis, vielleicht sogar in die Schöpfung.

Da sind zunächst die Sterne über uns. Ich war noch nie dort, doch meine neue Linse erlaubte es mir, ihnen trotzdem einen Besuch abzustatten.

Nach dem Mond ist die Venus das hellste Gestirn am nächtlichen Himmel. Weil sie als einer der unteren Planeten nur am Morgen- oder Abendhimmel sichtbar ist und nie gegen Mitternacht, richtete ich mein neues Fernrohr auf den Planeten in den frühen Morgenstunden. Dann wieder in den Abendstunden. Noch nie hatte ich den Planeten näher und klarer gesehen, und meine Entzückung wurde zu Staunen: Genau wie der Mond nimmt die Venus verschiedene Lichtgestalten an! Ich beobachtete die Venus über einen längeren Zeitraum mit meinem Fernrohr und konnte sehen: Venus wird von der Sonne unterschiedlich beleuchtet und zeigt sich manchmal als Sichel, manchmal als Halbvenus, und auch als nahezu runde Vollvenus.

Und noch eine Entdeckung machte ich durch die neuartige Linse, ein Meisterstück der Schleifkunst: Die Venus besitzt einen Schweif. Woraus dieser besteht, könnte ich bald vermelden.

Der bemerkenswerteste Mann muss sich immer unsichtbar machen. Ich bin nicht Teil einer wissenschaftlichen Gesellschaft. Ich habe keine Ehrendoktorwürde.

Ziehen Sie bitte trotzdem in Erwägung, mich in die Royal Society aufzunehmen.

Grinderman

Peter schaute durch das Fenster und hoffte, noch einen Blick auf die Venus werfen zu können, die jedoch von dem dunklen Nachthimmel inzwischen längst verschluckt worden war. Während ihn der erste Brief etwas ratlos zurückgelassen hatte, ließ ihn dieser nicht kalt. Irgendetwas hatte in ihm zu klingen begonnen. Er fühlte sich fast wie der Resonanzkörper eines uralten Instruments. War das ein Zeichen der Intuition? Er vermochte es nicht zu sagen, was er aber genau wusste, war: Dieser Grinderman rührte ihn an, bis tief ins...

Erscheint lt. Verlag 25.6.2024
Reihe/Serie Peter Falcon ermittelt
Peter Falcon ermittelt
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agent • bücher krimi thriller • Camera obscura • Europa • Fälschung • Gabe • Kriminalität • Kunst • Kunstfälschung • Kunstkrimi • Linsenschleifer • Niederlande • Vermeer
ISBN-10 3-7499-0675-0 / 3749906750
ISBN-13 978-3-7499-0675-8 / 9783749906758
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