Köbi Krokodil -  Stephan Pörtner

Köbi Krokodil (eBook)

Der dritte Fall für Köbi Robert
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
208 Seiten
Atlantis Literatur (Verlag)
978-3-7152-7541-3 (ISBN)
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Fünf Monate ist es her, dass Köbi Robert sich mithilfe des Arbeitsamts selbstständig gemacht hat. »J. K. Robert, Ermittlungen« steht auf dem dreckigen Messingschild neben seiner Haustür. Viel ermittelt hat er seitdem nicht (eigentlich nur vergeblich die Katze einer Nachbarin gesucht, sich aber nicht getraut, seine Dienste in Rechnung zu stellen), und von einem Büro kann auch keine Rede sein. Nicht nur wegen des gewaltigen Durcheinanders, sondern vor allem wegen des Terrariums mit dem Krokodil: Ein alter Freund hat es Köbi anvertraut und ist seither wie vom Erdboden verschluckt. Seinen zweiten potenziellen Kunden, der unangekündigt vor der Tür steht, lotst Köbi daher lieber ins Café nebenan, wo der freundliche Herr mit der Sprache herausrückt: Hellmut Strassner sucht eine Frau, die er von früher kennt, »eine alte Sentimentalität, nichts von großer Bedeutung«, wiegelt er ab. Ein erfahrener Ermittler wie Köbi wird da gleich stutzig.

Stephan Pörtner, geboren 1965, wuchs in einer Schriftstellerfamilie auf: Seine Mutter war U?bersetzerin, sein Vater Autor, seine Schwester ist die Schriftstellerin Milena Moser. Er lebt in Zu?rich, wo seine sechs Krimis mit Ko?bi Robert, dem Detektiv wider Willen, spielen. Der letzte Band Po?schwies wurde mit einem Werkbeitrag ausgezeichnet, fu?r Stirb, scho?ner Engel erhielt er den Zu?rcher Krimipreis. Po?rtner war bereits drei Mal fu?r den Glauser Kurzkrimi-Preis nominiert. Fu?r das Straßenmagazin Surprise schreibt er die Kolumne Tour de Suisse, fu?r das Schweizer Radio Ho?rspiele, ist Co-Autor der Theaterstu?cke Polizeiruf 117 und Die Bankra?uber. Sein ju?ngster Roman Heimatlos wurde von der Literaturkommission des Kantons Zu?rich mit einem Anerkennungsbeitrag ausgezeichnet.

Stephan Pörtner, geboren 1965, wuchs in einer Schriftstellerfamilie auf: Seine Mutter war Übersetzerin, sein Vater Autor, seine Schwester ist die Schriftstellerin Milena Moser. Er lebt in Zürich, wo seine sechs Krimis mit Köbi Robert, dem Detektiv wider Willen, spielen. Der letzte Band Pöschwies wurde mit einem Werkbeitrag ausgezeichnet, für Stirb, schöner Engel erhielt er den Zürcher Krimipreis. Pörtner war bereits drei Mal für den Glauser Kurzkrimi-Preis nominiert. Für das Straßenmagazin Surprise schreibt er die Kolumne Tour de Suisse, für das Schweizer Radio Hörspiele, ist Co-Autor der Theaterstücke Polizeiruf 117 und Die Bankräuber. Sein jüngster Roman Heimatlos wurde von der Literaturkommission des Kantons Zürich mit einem Anerkennungsbeitrag ausgezeichnet.

1


»Wen suchen Sie?«, fragte ich den alten Mann, der vor meiner Haustür stand.

»Das Ermittlungsbüro, ich kann den Namen Robert bei den Klingeln nicht finden.«

Fast hätte ich ihm geholfen zu suchen, als mir einfiel, dass ich selbst das Ermittlungsbüro war.

J.K. Robert, Ermittlungen, so stand es auf einem unterdessen recht dreckigen Messingschild, das neben der Haustür hing. Viel ermittelt hatte ich allerdings nicht, seitdem das Schild da hing, und von einem richtigen Büro konnte auch nicht die Rede sein.

»Das bin ich«, gab ich mich zu erkennen und stellte den Migros-Sack ab, um mich dem Mann ordentlich vorzustellen.

»Jakob Robert. Sie müssen entschuldigen, ich komme gerade vom Einkaufen.«

»Hellmut Strassner, freut mich.«

Der alte Mann hielt mir die Hand hin, und nach kurzem Zögern schüttelte ich sie. Sein Händedruck war kräftig. Lächelnd musterte er mich, offenbar war er sich seiner Sache nicht ganz sicher. Ich sah wohl nicht allzu vertrauenswürdig aus, mit meiner alten Baseballjacke, den ausgebleichten Jeans und den abgelatschten, schwarzen Halbschuhen. Zum Einkaufen im Migros Limmatplatz brauchte man sich nicht schick zu machen. Um im Café El Greco nebenan Maulaffen feilzuhalten vielleicht schon, aber das hatte ich nicht vorgehabt.

»Ein Glück, dass Sie gekommen sind, ich hätte gerade aufgegeben«, meinte der alte Mann.

Ob es ein Glück war, wusste ich noch nicht, aber ich wusste, dass ich ihn unmöglich mit hinauf in meine Wohnung nehmen konnte. Dort herrschte ein gewaltiges Durcheinander, und das Zimmer, das als Büro dienen sollte, war in besonders beklagenswertem Zustand. Außerdem stand dort das Terrarium mit dem Krokodil.

Vor fünf Monaten hatte ich mich mithilfe des Arbeitsamtes selbstständig gemacht und war seither nicht gerade von Kundschaft überrannt worden. Ich hatte den lauen Geschäftsgang auf die ungünstigen Wintermonate geschoben. Im Oktober des letzten Jahres hatte ich mein kleines Büro eröffnet. Erst kam der hässliche November, dann kamen die Feiertage, später das Januarloch und jetzt, Ende Februar, regnete es ständig. Wer brauchte in solchen Zeiten hier in Zürich schon einen Ermittler?

Die Leute wurden in dieser Jahreszeit immer mürrischer, und es herrschte eine spürbare, unterschwellige Aggressivität und Gewaltbereitschaft. Es wurde geflucht, gerempelt, gewettert. Autos wurden als Kriegsspielzeug benutzt, junge Männer aus schlecht beleumundeten Regionen gaben sich alle Mühe, ihrem schlechtesten Ruf gerecht zu werden. Die Stadtregierung hatte sich auf den Zürichberg zurückgezogen und versuchte, bei Champagner und Theaterbesuchen das Elend ihrer Untertanen zu vergessen. Aber kein Mensch brauchte einen Ermittler.

An diesem Morgen allerdings ließ sich, völlig unpassend, der Frühling erahnen. Der erste Sonnenstrahl nach langer Finsternis war ein Zeichen für mein winterschlafendes Unternehmen. Seit der im engsten Freundeskreis, zu dritt, mit Dosenbier gefeierten Geschäftseröffnung war genau ein Auftrag hereingekommen. Zwei Tage lang hatte ich eine kleine Katze gesucht, aber es nicht übers Herz gebracht, der alten Dame, die im gleichen Haus wohnte, eine Rechnung zu stellen. Sie vermutete gebrochenen Herzens, die Türken hätten die Mieze gefressen.

»Man weiß es ja«, klagte sie, und ich wollte nicht widersprechen, sondern rasch wieder aus ihrer stickigen Wohnung raus. Seither lauerte sie mir hin und wieder im Treppenhaus auf, um mich mit wirren Geschichten über dunkle Machenschaften aufzuhalten.

»Gehen wir in ein Café, mein Büro wird gerade renoviert«, schlug ich vor, um meinen ersten Klienten nicht kampflos aufzugeben.

»Wie Sie meinen.« Der alte Mann sah mich stirnrunzelnd an.

Ich schloss nur rasch die Haustür auf und versteckte meine Einkäufe auf der Kellertreppe. Es passte wohl nicht zum Bild eines Schnüfflers, mit vollen Migros-Säcken herumzulaufen. Im Gegensatz zu all den Krimihelden hatte ich keine Sekretärin. Auch konnte ich mich nicht ausschließlich von Schnaps ernähren, nur um dem Schnüffler-Klischee zu entsprechen. Vielleicht hatte der alte Mann erwartet, mich im zerknitterten Regenmantel, unrasiert, eine Kippe im Mundwinkel und eine Pulle Schnaps auf dem Schreibtisch anzutreffen, eine zweifelhafte Blondine im Vorzimmer oder auf dem Schoß. Nicht, dass ich etwas dagegen gehabt hätte, aber die Realität sah einfach anders aus.

Der einzige Versuch, den ich unternommen hatte, dem Bild eines Schnüfflers zu entsprechen, war kläglich gescheitert. Nachdem ich einen Nestor-Burma-Krimi gelesen hatte, wollte ich auch Pfeife rauchen. Irgendetwas machte ich aber falsch, denn nach zwei Tagen heftigen Paffens und Puffens bekam ich eine regelrechte Tabakvergiftung, die mich für zwei Tage niederstreckte. Ich kotzte wie ein Profi und verzichtete seither darauf, Klischees zu entsprechen.

Ohne die kompromittierenden Tüten verließ ich das Haus und führte den alten Mann ins nahe gelegene Café Memphis, wo es um diese Zeit ruhig war und man auf die Langstraße hinausblicken konnte, die sich ganz zivilisiert gab um halb elf Uhr morgens. Ich bestellte einen Café crème, Strassner einen Kaffee Hag mit Milch. Wir warteten schweigend auf unsere Getränke. Wenn wir uns nicht gegenseitig zulächelten, schaute der alte Mann, er mochte etwa siebzig sein, dem Treiben um die Telefonzentrale auf der anderen Straßenseite zu.

Junge Männer und Frauen aus der Dominikanischen Republik in bunten Daunenjacken, blendend weißen Hosen und tief in die Stirn gezogenen Wollkappen standen auf der Treppe, gingen in den Laden hinein, kamen heraus, verschwanden und tauchten erneut auf. Unsere Getränke kamen.

»Ich suche eine Frau«, sagte Strassner, als die Bedienung verschwunden war.

Ich nahm einen Schluck Kaffee. Bedächtig nippte der alte Mann an seiner Tasse, seine Haltung war aufrecht, ohne steif zu wirken. Seine Hände waren gepflegt. Sie wirkten fast zu jung für einen Mann seines Alters. Man sah ihnen an, dass sie gearbeitet hatten, aber sie hatten eine gewisse Feinheit behalten. Am linken Ringfinger trug er einen goldenen Siegelring, einen von der edlen, aber nicht protzigen Art.

»Ich habe sie vor vielen Jahren gekannt«, sagte er, nachdem er die Tasse wieder abgesetzt hatte.

Ich stellte meine ebenfalls zurück, verfehlte den Unterteller und der Kaffee schwappte über, sodass danach die Tasse millimeterhoch in der hellbraunen Brühe stand. Ich schaute den Mann aufmunternd an.

»Ich weiß nicht einmal, ob sie überhaupt noch lebt«, sagte er nachdenklich und lächelte. »Es ist so eine alte Sentimentalität, nichts von großer Bedeutung.«

»Aha«, sagte ich und hob nachdenklich meine Tasse. Es tropfte mir auf die Hosen, die ich heute erst frisch aus dem Schrank genommen hatte, vor nicht einmal drei Stunden. Ohne mir meinen Ärger oder meine Verlegenheit anmerken zu lassen, stellte ich die Tasse neben den überschwemmten Unterteller auf den Tisch.

»Ich weiß leider gar nichts von ihr, keine Ahnung, wo sie wohnt.«

Ich sah den alten Mann an, der wieder gekonnt an seinem koffeinfreien Kaffee nippte.

»Vielleicht lebt sie hier in Zürich, vielleicht auf dem Land oder auch sonst irgendwo in der Schweiz. Möglich ist sogar, dass sie ausgewandert ist.« Er hob entschuldigend die Schultern. Ich lächelte ihm zu und drehte meine Tasse auf dem Tischtuch hin und her. Es bildete sich ein ausgefranster, brauner Kreis auf dem hellgelben Stoff. Ich trank den Kaffee aus, stellte die Tasse zurück und schob den Unterteller über den Fleck. Es wurde Zeit, mich dem Geschäft zu widmen, statt hier am Kaffeetrinken zu scheitern. Der alte Mann zog eine Blechschachtel Villiger No. 6 aus der Jackentasche und legte sie vor sich auf den Tisch.

»Stört es Sie?«, fragte er. Ich schüttelte den Kopf.

»Was wissen Sie denn von der Frau, die Sie suchen?«, fragte ich und hätte mir gerne eine Zigarette angesteckt, obwohl ich eigentlich nicht mehr rauchte.

Mein Klient zündete sich mit einem Streichholz eine kurze Kiel an. Irgendwie wehmütig schaute er hinüber zu den jungen Leuten auf der anderen Straßenseite. Der Wirt hinter dem Tresen schickte einen missmutigen Blick herüber, er fürchtete wohl, der Stumpen würde ihm das Lokal verpesten.

»Sie hieß Anna Oberholzer und hat Anfang der fünfziger Jahre bei der Firma Hubag in Kloten gearbeitet.« Der Alte drehte sein Zigarillo zwischen den Fingern. »Sie dürfte etwa fünfundsechzig sein. Wenn ich mich nicht täusche, ist sie 1935 geboren.«

»Haben Sie schon etwas unternommen, um sie zu finden?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, es war mehr ein spontaner Einfall. Ich bin durch die Gegend spaziert, habe mich an alte Zeiten erinnert und dann ihr Schild gesehen. Warum nicht einen Versuch starten, dachte ich mir, und deswegen bin ich hier.«

Ich runzelte die Stirn, lächelte aber sofort wieder. Wenn das so weiterging, würde ich mir noch einen Grinskrampf holen. Lächeln war nicht meine Paradedisziplin. Es konnte mir ja auch egal sein, dass mein erster Kunde mir nicht ganz die Wahrheit sagte. Mein Schild war nicht gerade von Weitem her sichtbar, und es war nicht gerade die Gegend, wo man einfach so spazieren ging, so zwischen Dealern, Junkies und Prostituierten. Der alte Mann sah allerdings nicht wie ein verirrter, ängstlicher Senior aus. Er war nicht sehr groß, aber sicher mal ein kompaktes Mannsbild gewesen. Seine Schultern waren immer noch recht breit. Gut möglich, dass er temporär auf Freiersfüßen war. Es war manchmal geradezu beängstigend zu sehen, bis in welch hohes Alter der Sexualtrieb die Männer auf die Straße scheuchte.

»Was kostet es...

Erscheint lt. Verlag 20.3.2024
Reihe/Serie Ein Fall für Köbi Robert
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Detektiv • Ermittlung • Kreis 4 • Krimi • Langstrasse • Privatermittler • Zürich
ISBN-10 3-7152-7541-3 / 3715275413
ISBN-13 978-3-7152-7541-3 / 9783715275413
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