Wenn sie lügt -  Linus Geschke

Wenn sie lügt (eBook)

Spiegel-Bestseller
Thriller
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
352 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60629-5 (ISBN)
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Wie tief sind die Abgründe der Vergangenheit? Sie waren die perfekte Clique, bis sich eine von ihnen in den falschen Mann verliebte. Die Beziehung der siebzehnjährigen Norah zu dem vier Jahre älteren David hielt nicht lange, und nach der Trennung wurde David zum Mörder. Er tötete ein Liebespaar auf einem abgelegenen Parkplatz und kam dann auf der Flucht ums Leben. Für die Bewohner des abgelegenen Ortes war Norah fortan nur »Die Freundin des Killers«. Knapp zwanzig Jahre später kehrt Goran, Norahs bester Freund aus Kindertagen, nach Waldesroda zurück, als er erfährt, dass Norah Drohbriefe erhält, die klingen, als würden sie vom verstorben geglaubten David stammen. Um herauszufinden, was dahintersteckt, muss Goran in die Vergangenheit abtauchen. In Norahs, aber auch in seine eigene.

Linus Geschke, 1970 geboren, lebt in Köln und hat für führende deutsche Magazine und Tageszeitungen, darunter Spiegel Online und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, gearbeitet. Für seine Reisereportagen wurde er mit mehreren Journalistenpreisen ausgezeichnet. Mit seinem Thrillerdebüt gelangte Geschke aus dem Stand auf die Bestsellerliste, seine Jan-Römer-Serie wurde aufwendig verfilmt. Der psychologische Thriller »Das Loft« stand wochenlang auf der Bestsellerliste.

Linus Geschke, 1970 geboren, lebt in Köln und hat für führende deutsche Magazine und Tageszeitungen, darunter Spiegel Online und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, gearbeitet. Für seine Reisereportagen wurde er mit mehreren Journalistenpreisen ausgezeichnet. Mit seinem Thrillerdebüt gelangte Geschke aus dem Stand auf die Bestsellerliste, seine Jan-Römer-Serie wurde aufwendig verfilmt. Der psychologische Thriller »Das Loft« stand wochenlang auf der Bestsellerliste.

Norah


Sein Anblick paralysierte sie. Im ersten Moment glaubte Norah noch an eine optische Täuschung, aber dann erkannte sie ihn wieder. Trotz der Tätowierungen, die auf seinen Unterarmen prangten, trotz des Fünftagebarts und trotz der harten Gesichtszüge, aus denen alles Jungenhafte verschwunden war.

Das war Goran, der da auf dem Sofa saß, kein Zweifel. Jener Goran, der früher mal ihr bester Freund gewesen und dann aus ihrem Leben verschwunden war, als sie ihn am dringendsten gebraucht hätte. Während sie ihm jetzt ins Gesicht sah, wusste sie nicht, was sie denken oder sagen sollte. Am liebsten hätte sie ihm einfach nur eine Ohrfeige verpasst und ihm ihre gesamte Verachtung entgegengeworfen.

»Norah«, begann ihre Mutter, um dann wieder zu verstummen.

Sie blickte wortlos in ihre Richtung.

»Das ist Goran«, fuhr Elisabeth dann fort, als sei sie nicht sicher, dass Norah ihn erkannt hatte. »Er ist extra aus Berlin gekommen, um uns zu besuchen.«

»Wie nett von ihm«, erwiderte Norah, die ihre Beherrschung allmählich wiederfand, sarkastisch. »Und warum hat er sich dazu herabgelassen, wenn ich fragen darf?«

Da Goran bislang noch keinen Ton gesagt hatte, musste er auch damit leben, dass sie über ihn redete, als ob er nicht da wäre.

Elisabeth seufzte. »Ich habe ihn angerufen und ihn gebeten, nach Waldesroda zu kommen. Ich weiß, dass ihr keinen Kontakt mehr habt, und dennoch ist er meinetwegen über seinen Schatten gesprungen. Kannst du das nicht auch versuchen?«

»Ich wüsste nicht, warum.« Ein kurzer Blick in seine Richtung. »Wir haben uns nichts mehr zu sagen.«

»Wir waren mal Freunde«, entgegnete er mit einer Stimme, die ungewohnt rau klang. »Vielleicht wäre das ja ein Anfang.«

»Du willst ernsthaft über Freundschaft reden? Dann kannst du ja damit anfangen, mir zu erzählen, wo du all die Jahre gewesen bist!«

»In Berlin«, erwiderte er trocken. »Aber jetzt bin ich ja hier.«

»Ja, jetzt.« Neunzehn Jahre zu spät. »Und wo wirst du morgen sein? Wieder in Berlin?«

»Das liegt ganz bei dir.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich will mich nicht aufdrängen, und wenn du nicht mehr mit mir reden willst, akzeptiere ich das und verschwinde wieder. Ich glaube nur …«

»O nein, so läuft das nicht«, giftete sie. »Versuch jetzt bloß nicht, mir die Verantwortung zuzuschieben! Du hast damals die Entscheidung getroffen, über Nacht zu verschwinden, und mit dieser Entscheidung musst du jetzt leben. Für mich bist du ein Fremder, und es gibt nichts, was uns noch auf irgendeine Art verbinden würde.«

»Hört doch bitte auf damit«, flehte ihre Mutter. »Ich kann ja verstehen, dass du wütend bist, aber einen Streit kann man auch beilegen. Habt ihr beide vergessen, wie wichtig ihr euch mal wart?«

Norah musste sich dazu zwingen, ruhig zu bleiben. Das Letzte, was sie wollte, war, vor ihm die Fassung zu verlieren.

»Warum ausgerechnet jetzt?«, fragte sie dann. »Wieso hast du ihn gerade jetzt angerufen?«

»Das weißt du.«

»Wenn dem so wäre, würde ich nicht fragen!«

»Ich bin wegen der Drohbriefe gekommen«, schaltete Goran sich wieder ein. »Elisabeth hat sich große Sorgen gemacht und mich dann angerufen. Vielleicht können wir zusammen ja herausfinden, wer …«

»Du hast was?« Sie fuhr zu ihrer Mutter herum. »Sag mir bitte nicht, dass du ihm hinter meinem Rücken von den Briefen erzählt hast!«

Ihrer Mutter traten Tränen in die Augen, aber sie sagte nichts. Was auch? Es gab nichts zu sagen. Und schon gar nichts zu entschuldigen. Was sie getan hatte, war in Norahs Augen unverzeihlich gewesen. Sie fühlte sich von ihrer Mutter betrogen und hintergangen. Ausgerechnet von dem einzigen Menschen, dem sie immer blind vertraut hatte. In diesem Moment wollte sie nur noch raus hier, ins Freie, wo sie mit ihren Gefühlen allein war und durchatmen konnte.

»Vielleicht hast du ja recht«, sagte sie abschließend, um dann auf Goran zu zeigen. »Vielleicht brauche ich wirklich Hilfe. Aber sicher nicht von dem da!«

Dann drehte sie sich um und ging. In den Flur und durch die Haustür auf die Straße. Niemand lief ihr nach, aber damit hatte sie auch nicht gerechnet. So wütend sie auf die beiden auch war, wusste sie doch, dass sie ebenfalls Verwundete waren. Verletzt durch das, was damals geschehen war.

Ein paar Monate nach den Morden war Norah in der Hoffnung nach Dresden gezogen, dies alles hinter sich lassen zu können. Aber das war ein Trugschluss gewesen. Manche Dinge verfolgten einen ein Leben lang. Egal, wohin man ging und wie schnell man sich dabei bewegte, man konnte die Vergangenheit einfach nicht abschütteln. Sie war hartnäckig. Blieb einem auf den Fersen und tauchte immer dann auf, wenn man am wenigsten mit ihr rechnete.

So wie die Briefe.

So wie Goran.

Auf einen Schlag war alles wieder da. Die offenen Fragen und die fett gedruckten Schlagzeilen, darunter ein meist nur schlecht verpixeltes Foto, das sie auf einem Schulausflug zeigte.

Die Freundin des Killers!

Das Mörder-Liebchen!

Die schlimmste Schlagzeile lautete jedoch: Unschuldiges Opfer oder Mittäterin?

*

Als sie zu Hause ankam, war Norah nicht nur auf Goran und ihre Mutter wütend, sondern mittlerweile auch auf sich selbst. Sie hatte bei dem Treffen mit ihm überreagiert und ihm gar keine Chance gegeben, seine Sicht der Dinge zu erklären. Ein Verhalten, das sie ihm in Gedanken ironischerweise selbst oft vorgeworfen hatte.

Als Goran Waldesroda verlassen hatte, waren die Morde an Anna und Sebastian gerade erst geschehen und David noch nicht als Täter ausgemacht. Dennoch hatte sie Gorans überstürzten Aufbruch immer persönlich genommen und dabei vergessen, dass er auch andere Gründe gehabt haben konnte. Seinen Vater zum Beispiel. Nach dem Tod von Gorans Mutter begann Herr Milardović zu trinken und verlor immer öfter die Kontrolle. Er wurde gemein, richtiggehend bösartig, und mehr als einmal war Norah Zeugin der cholerischen Wutanfälle gewesen, zu denen er auch in Gegenwart Fremder neigte. Meist war Goran dabei das Ziel gewesen, und schon Jahre vor jenem verhängnisvollen Tag hatte er ihr gesagt, dass er plante, möglichst weit wegzuziehen, sobald er volljährig war. Das nahm sie ihm auch nicht übel, sondern die Art, in der sein Abgang dann erfolgt war.

Still und heimlich. Über Nacht. Ohne vorher noch einmal mit ihr zu sprechen.

Sie hatte also allen Grund, sauer zu sein. Und dennoch bereute sie, was sie ihm vorhin an den Kopf geworfen hatte. Vor allem die Behauptung, dass er für sie nur noch ein Fremder war. Das stimmte nicht, und das würde er auch nie sein – völlig egal, was er getan hatte oder wie lange sie sich nicht mehr gesehen hatten.

Norah kannte Goran praktisch schon ihr ganzes Leben lang. Sie konnte sich noch daran erinnern, wie ihre Mutter an einem eiskalten Tag im Februar mit einem verheulten Kind an der Hand zu Hause aufgetaucht war, das nur gebrochen Deutsch sprach. Andere Kinder hatten ihn in der Schule gemobbt, und Elisabeth wollte ihn nicht nach Hause bringen, bevor er sich beruhigt und wenigstens eine Tasse heiße Schokolade getrunken hatte. Von dem Tag an war Goran dann immer öfter zu ihnen gekommen. Nach der Schule aßen sie häufig gemeinsam zu Mittag und machten anschließend die Hausaufgaben, während Gorans Vater sich um das Restaurant kümmern musste. Mit der Zeit begann ihre Mutter immer mehr, Goran wie einen eigenen Sohn zu behandeln.

Andere Kinder wären vielleicht eifersüchtig gewesen, Norah jedoch nicht. Stattdessen betrachtete sie den Jungen, obwohl er ein Jahr älter war, wie einen kleinen Bruder. Als er noch klein war, hatte Goran auf eine sonderbare Art schutzbedürftig gewirkt, und erst Jahre später war ihr klar geworden, woran das gelegen hatte. Nicht an seinen anfangs noch mangelnden Sprachkenntnissen oder an der Tatsache, dass er zu diesem Zeitpunkt keine anderen Freunde hatte. Goran war einfach ein Kind, das mit einem Bein in dieser Welt und mit dem anderen in einer anderen Welt stand, aber nie mit beiden Beinen in einer. Er war heimatlos. Hin- und hergerissen zwischen seinen Wurzeln und dem Ort, an dem er aufwuchs und in dem viele ihn trotzdem nur den Jugo nannten.

Wenn sie...

Erscheint lt. Verlag 31.5.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bestsellerautor • Deutscher Thriller • Heimkehr • Hochspannung • Jan Römer Krimis • psycho Thriller • spannende Bücher für Erwachsene • Vergangenheit
ISBN-10 3-492-60629-6 / 3492606296
ISBN-13 978-3-492-60629-5 / 9783492606295
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