Die unendliche Reise der Aubry Tourvel (eBook)

Roman | Magischer Realismus trifft Abenteuerroman | Für Fans von »Das unsichtbare Leben der Addie LaRue« und »Die Unbändigen« | Sommerroman 2024
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2024 | 1. Auflage
464 Seiten
HarperCollins eBook (Verlag)
978-3-7499-0716-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die unendliche Reise der Aubry Tourvel - Douglas Westerbeke
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Lassen Sie sich diese Chance nicht entgehen und erkunden Sie gemeinsam mit Aubrey die Welt und das Leben. Dieses Buch ist das beste Beispiel dafür, dass Bücher jede Reise ermöglichen.

Ende des 19. Jahrhunderts: Die 10-jährige Pariserin sucht plötzlich an einem mysteriösen Leiden heim. Sie kann nie länger als drei, in Ausnahmefällen fünf Tage, an einem Ort bleiben. Bis zu ihrem Tod mit 70 Jahren bereist sie die Erde jahrzehntelang zu Fuß. Dabei erlebt Sie unendlich viele Abenteuer und trifft Menschen, die ihr sehr viel bedeuten.

Unter anderem reist sie durch die Wüste und lernt ihre erste Liebe kennen. Sie bezwingt auf mysteriöse Weise das Himalaya Gebirge. Während Ihrer Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn trifft sie ihre große Liebe und verlieret sie, um sie Jahre später wiederzutreffen. Aubrey tanzt mit den Amerikanischen Ureinwohnern ums Feuer. Ihre Zeit mit dem indischen Prinzen Surasiva lehrt Aubry, dass es sich nicht lohnt über die kurze Zeit, die sie miteinander haben unglücklich zu sein, sondern die Zeit, die ihnen bleibt zu einer unvergesslichen Zeit zu machen. Marta, die Aubreys Freundin wird und sie lange auf ihrer unendlichen Reise begleitet kommt sehr nahe an Aubreys Lebensgeheimnis ran, dass schlussendlich aber doch allein von Aubrey entschlüsselt wird.
Dieses Buch ist eine einmalige Abenteuerlektüre, die Eskapismus vom Feinsten ist. Spannend bis zum Schluss mit einer sympathischen Protagonistin, deren Mut verbunden mit Klugheit zu tiefst bewegt und begeistert! Perfekte Sommerlektüre 2024!



Douglas Westerbeke ist ein amerikanischer Drehbuchautor. Er arbeitet in einer der größten Bibliotheken der USA und liebt es zu reisen. Die letzten zehn Jahre war er Mitglied der Jury des International Dublin Literary Award. Sein Debütroman »Die unendliche Reise der Aubry Tourvel« war auf der Shortlist mehrerer Wettbewerbe, unter anderem der Page Turner Awards.

1


Ein Marktplatz

Das Papier ist rein und weiß – sie hat noch keinen Strich gezeichnet –, und als der erste Tropfen Blut fällt und einen kleinen roten Fleck auf der Seite hinterlässt, erstarrt sie. Ihr Bleistift schwebt unschlüssig in der Luft. Ihr Herz versetzt der Brust einen zusätzlichen Schlag. Sie lässt den Bleistift fallen. Ihre Hand schnellt reflexhaft an die Nase. Sie spürt, wie ihr die Nässe in die Nebenhöhlen kriecht, schmeckt die salzige Flüssigkeit hinten in der Kehle. Noch ist es ein Tröpfeln, kaum mehr als normales Nasenbluten, doch in wenigen Momenten wird es ungleich schlimmer sein – und das ausgerechnet hier, nachdem sie sich gerade gesetzt hat.

Es ist zu früh. Es ist Pech. Sie hatte gehofft, heute in einem echten Bett zu schlafen, nicht in einer Hängematte oder auf dem harten Boden, und am Morgen ein Bad zu nehmen, ein anständiges Bad mit warmem Wasser und mit Seife. Sie hatte gehofft, noch mehr Dinge in ihr Buch zeichnen zu können, Zunder, Feuerstein oder Papier – aber wie soll das gehen? Ein Blatt Papier auf ein Blatt Papier zu zeichnen, sodass andere es sehen und sagen: »Aha, verstehe. Ein Blatt Papier.«

Sie hatte gehofft, etwas vom Essen kosten zu können. Schau dir diesen Markt an – eingelegter Taro, gedämpfte Krabbenscheren, Curry-Garnelen in einer Hülle aus Tofu. Nein, damit wird sie warten müssen, auf eine andere Gelegenheit, auf einen anderen Markt. Die Liste von Dingen, die sie nicht tun kann, ist noch viel länger – welche Liste ist das nicht? –, aber sie hat keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Das Bad kann warten. Ein Bett wird sich woanders finden. Die Liste ist verschwunden. Höchste Zeit, dass sie hier wegkommt.

Aber dieser Markt ist voller Leben, die Leute freundlich und der Fluss ganz nah, eine glänzende Tränenspur durchs Grün, es wimmelt nur so von bunten Skiffs und Fischerbooten, die sie rasch und völlig mühelos hier wegbefördern können. Schließlich ist sie in Siam, einem wasserreichen Teil der Welt, Dschungel überall, wo der Regenfall die Jahreszeiten vorgibt. Schon als sie zum ersten Mal einen Fuß in dieses Land gesetzt hatte, wusste sie, dass Flüsse ihre Fluchtwege sein würden.

Dieser alte Mann, der Fisch verkauft – ein so gütiges Gesicht, wettergegerbt, und doch noch Funkeln in den Augen. Er wird ihr helfen. Hastig schlingt sie ihre Tasche über die Schulter, klemmt sich ihr Buch in die Armbeuge. Schnappt sich ihren Gehstock, der so hoch ist wie sie selbst, und eilt durch die blauen Rauchfäden der Duftstäbchen und Holzkohle. Vorbei an Fischhändlern und Tuchverkäufern und Tischen aus Bambus. Der alte Mann raucht eine lange, dünne Opiumpfeife, und um ihn her sind Ständer voller Trockenfisch, luftgetrocknetem Kalmar und Tintenfisch – alles, was früher einmal nass war, hängt jetzt hier zum Trocknen, und der Alte hockt zwischen den Gestellen wie ein eingesperrter Vogel. Zwar spricht sie die Landessprache nicht, doch die Franzosen haben Kolonien im Norden und die Briten Einfluss weiter südlich.

»Bitte«, fragt sie in ihrem akzentschwangeren Englisch, »ein Boot? Wissen Sie, wo ich hier ein Boot finde? Ich brauche ein Boot.«

Der Alte versteht nichts. Er hatte sie zuvor gar nicht bemerkt, und als er aufblickt, steht sie plötzlich da, der größte Mensch auf diesem Markt, mit dunkelblondem Haar und blauen Augen, der nun jäh über ihm aufragt. Mit ihrem Gehstock in der Hand, lang und gerade, wirkt sie majestätisch, wie eine ehrwürdige buddhistische Nonne oder die Tochter eines Kaisers. Nichts an ihr deutet auf den Westen hin – kein Korsett, keine Schleifen, kein hoher Spitzenkragen, nur einheimische Stoffe und der Strohhut eines Arbeiters –, doch sie wird hier niemals in der Menge aufgehen, nicht auf diesem Markt und nicht in diesem Land, wo sie mindestens einen Kopf größer ist als alle anderen.

Sie sieht den verdutzten Ausdruck im Gesicht des Alten. Lächelt, um ihn aus der Deckung zu locken. Sie fügt sich nur selten irgendwo ein. Versucht es kaum noch. Ihr Äußeres zieht neugierige Blicke auf sich und Unmengen von Fragen. Das ist ihre beste Strategie, Leute kennenzulernen, doch bei diesem Alten funktioniert sie nicht.

Er fängt an, in einer Sprache, die sie nicht versteht, wild auf sie einzureden. Etwas an ihm ist plötzlich anders. Das passiert andauernd. Er hält sie für eine reiche Ausländerin statt für eine arme, erst recht nicht für jemanden, der in den letzten drei Wochen in den Baumkronen des Dschungels übernachtet und in abgelegenen Flüssen gebadet hat. Er will ihr einen Stock mit getrockneter Seebrasse verkaufen. So wie er herumfuchtelt, probiert er wohl, ihr seinen ganzen Stand anzudrehen. Beunruhigt zieht sie eine Braue in die Höhe. Sie hat sich in diesem Mann getäuscht. Ihr Instinkt hat sie im Stich gelassen. Das geschieht nur selten, aber wenn es passiert, dann ist es regelrecht verstörend. Ihrem Instinkt, ihrer Fähigkeit, einen Fremden mit einem oder zwei beiläufigen Blicken abschätzen zu können, verdankt sie, dass sie so lange überlebt hat.

Und dann bricht der Schmerz über sie herein – ein furchtbarer, bösartiger Schmerz, ein heulender Schmerz, wie wenn einem ein Nagel durch einen faulen Zahn getrieben wird. Er fährt ihr jäh durchs Rückgrat, von der Schädelbasis bis hinunter in den Steiß. Sie erschaudert wie durch einen Stromstoß, spannt den Rücken an, presst sich alle Schlaffheit aus den Knochen. Der Alte hört jetzt auf zu plappern, sieht ihre Züge kalt und blass werden, sieht, wie ihre Lippen stumme Wörter formen. Er hat Angst, dass sie hier vor ihm zusammenbricht. Aber sie bricht nicht zusammen. Schreit nicht einmal vor Schmerzen auf. Sie beißt die Zähne aufeinander, strafft den ganzen Leib und humpelt rasch zum nächsten Stand, ein kantiges Hinken ist jetzt unverkennbar.

»Ein Boot!«, brüllt sie in die Menge. Viele drehen sich nach ihr um. Niemand versteht sie. »Ein Boot, ein Boot, ein Boot …« Fast singt sie die Worte, während sie vorbeihumpelt an Händlern und deren Ständen, als würde sie den an Land Gebliebenen von einem sinkenden Schiff aus Rettungsleinen zuwerfen. Wieder ein stechender Schmerz, und die ersten Funken Panik stieben ihr durchs Hirn.

Sie wendet sich an eine Frau an einer Feuerstelle, die in einem Eisenwok ein gelbes Curry rührt. Sie schlägt ihr Buch auf der frisch mit einem Blutstropfen verzierten Seite auf. Nicht einfach mit all den Muskelzuckungen.

Die Seiten wimmeln nur so von kleinen Zeichnungen, Hunderten davon, eine Sammlung nützlicher Dinge – Bananen, Betten, Sonnenschirme, Pferdekutschen, Nadel und Faden, Lokomotiven, Ziffernblätter und Kerzenleuchter. Mit bebenden Händen blättert sie die Seiten durch, bis sie eine kleine Bleistiftskizze eines Bootes findet, ja einer ganzen Reihe verschiedener Boote und Schiffe sogar – Segelboote, Dampfschiffe, Luxusliner und Kanus, damit ja keine Verwirrung aufkommt.

»Ein Boot? Bateau?«

Die Frau reagiert nicht. Spricht man hier womöglich Kantonesisch? China ist nicht weit entfernt. In China war sie erst vor einem Monat, jedenfalls kommt es ihr so vor, hat sich dort mit einer abgewetzten Machete durch den Dschungel geschlagen. Jetzt ist sie hier, im Süden, und bettelt am Ufer eines Flusses um ihr Leben.

»Chuan?«

Die Frau regt sich noch immer nicht, gafft sie nur an. Kennt sie das einheimische Wort? Sie hat schon ein paar Begriffe aufgeschnappt. So weit hat sie vorausgedacht. Touk? Oder etwa nicht?

»Touk?«

Doch statt zu antworten, statt irgendeine Art pantomimischer Unterhaltung mit ihr zu beginnen, wie die Leute es normalerweise tun, lässt die Frau ihren großen Holzlöffel ins Curry fallen und weicht schweigend zurück.

Jetzt weiß sie, dass sie wirklich übel aussehen muss. Schaut aufs Taschentuch in ihrer Hand. Es ist durch und durch rot. Die Marktgeräusche sind immer dumpfer geworden, nach und nach, wie unter Wasser, was nur heißen kann, dass sie nun auch aus den Ohren blutet, und natürlich ist ihr Mund schon voller Blut. Sie kann es schmecken, leckt sich über die Zähne, und es sammelt sich auf ihren Lippen. Dann, zu ihrer Schande, weiß sie, dass es ihr die ganze Zeit schon übers Kinn gelaufen ist. Sie muss einen grauenvollen Anblick bieten.

Der Schmerz wird heftiger, ihr ganzer Kopf ist jetzt ein frei liegender Nerv, eine schartige Klinge, die von innen ihre Schädeldecke ausschabt. Sie spürt einen furchtbaren Druck auf ihren Augäpfeln, und der lange Nagel, der sich durch ihr Kreuz bohrt, fährt ihr jäh ins linke Bein. Sie unterdrückt einen Schrei. Beim Gehen schleift sie ihr linkes Bein nun wie ein totes Tier hinter sich her.

Sie wischt sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Schmiert sich dabei nur noch mehr Blut über die Wangen. Sucht das Marktgetümmel nach Fischern oder Fährleuten ab, nach irgendwem, der sie hier fortbringen kann. Reckt ihr Bild von einem Boot empor, sodass alle es sehen können.

»Boot! Bateau! Chuan!«

Niemand hilft ihr, aber sie starren sie an, gefesselt und verängstigt. Sie sieht tollwütig aus, rasend. Wie jemand, der nicht mehr zu retten ist. Wozu braucht eine Todkranke überhaupt ein Boot? Um darin zu sterben? Als schwimmenden Sarg, in den sie ihren Leichnam betten kann? Würden sie ihr Boot denn je zurückbekommen? Und sie kann es ihnen nicht erklären, denn das ist eine Sprache zu viel. Sie hat doch schon so viele gelernt – Hindi, Spanisch, Mandarin und Kantonesisch, sogar noch mehr, sogar ein paar Brocken Tscherkessisch, Herrgott noch mal –, aber sie kann sie nicht alle lernen.

...

Erscheint lt. Verlag 25.6.2024
Übersetzer Alexander Weber
Sprache deutsch
Original-Titel A Short Walk Through a Wide World
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19. Jahrhundert • Abenteuerroman • Ankommen • Bibliothek • Bibliothekar • Bibliotheken • bücher für frauen • Buchliebhaber • coming of age buch • eintauchen • epische Fantasy • Frauenroman • Fremde Kulturen • für Fans von Das unsichtbare Leben der Addie LaRue • Krankheit • Magischer Realismus • Rätsel • Reisen im 19. Jahrhundert • Reiseroman • spannend • weibliche Heldin • weiterziehen • Weltreise
ISBN-10 3-7499-0716-1 / 3749907161
ISBN-13 978-3-7499-0716-8 / 9783749907168
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