1943 – Das Projekt (eBook)
400 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3485-8 (ISBN)
Eine Forscherin - und der Kampf um die Atombombe.
Juni 1943: In der Hitze New Mexicos setzen Wissenschaftler wie Robert Oppenheimer alles daran, eine Atombombe zu entwickeln, um die Deutschen und Japaner zu besiegen. Margarete von Brühl, eine junge deutsche Forscherin, wird, ohne dass sie es durchschaut, in das Projekt in Los Alamos eingeschleust. Sie soll Informationen über den Bau der Bombe sammeln - und dann an die Nazis weitergeben. Als sie sich weigert, geraten sie und ihr Kind in größte Gefahr ...
Packend erzählt und auf wahren Begebenheiten beruhend.
Paul Schüler, Jahrgang 1986, studierte in Hannover erst Architektur, später Physik und Mathematik. Nach einigen Jahren als Songschreiber, Sänger und Gitarrist der Band »Ich Kann Fliegen« und diversen journalistischen Tätigkeiten begann er als Lehrer zu arbeiten. Zurzeit lebt er in Mexiko. Im Aufbau Taschenbuch ist bisher sein Thriller »1942 - Das Labor« erschienen.
Erster Teil
Taucha bei Leipzig, 4. Juni 1943
Turmhoch ragte die weiße Felswand vor ihr in den Nachthimmel.
Nein, es war kein Fels, es war Muschelkalk. Noch strahlte er weiß wie Schnee, doch schon bald würde rotes Blut den Stein besudeln.
Margarete kannte diesen Ort, auch wenn sie ihn in diesem Moment nicht benennen konnte. Sie war dort gewesen, in jener Nacht. Wie auf Schienen glitt sie auf die fahle Wand zu, ihre Hände tasteten in der Dunkelheit, ohne etwas greifen zu können. Vor ihr erschien ein Rechteck im Fels, schwarz und alles verschlingend. Margarete stemmte sich gegen den Sog, der wie ein starker Magnet an ihr zerrte. Vergebens. Obwohl sie mit den Armen ruderte, zog der Berg sie weiter in Richtung der gähnenden Öffnung.
Dahinter lag Leid, das wusste sie. Eine Erinnerung, die sie verdrängen wollte. Doch sie musste sich ihr stellen. Schon wieder.
Nur noch wenige Meter trennten sie von der Finsternis. Margarete öffnete den Mund, ein Schrei hätte ihr entfahren müssen. Doch sie war keines Lautes fähig. Stumm glitt sie über die Schwelle, und die Dunkelheit umfing sie. Das Mondlicht war hinter ihr zurückgeblieben und mit ihm die Hoffnung, dem Schlimmsten entgehen zu können. Margarete keuchte vor Angst. Kälte biss ihr in die nackten Arme und Beine. Um sie herum war nichts als Schwärze. Oder lauerte dort etwas? Jemand? Margarete biss sich auf die Unterlippe, hielt den Atem an und lauschte.
Nichts.
Sie war allein.
Zitternd öffnete sie den Mund und sog die feuchtkalte Luft ein. Ihr Atem schallte seltsam laut in der Dunkelheit.
Plötzlich packte sie jemand von hinten. Raue Hände griffen nach ihren Hüften, zogen sie zurück. Schweißgeruch drang an ihre Nase. Heißer, feuchter Atem streifte ihren Nacken. Margarete erstarrte. Dann fuhr eine der Hände an ihrem Körper hinauf und legte sich über ihren Mund.
In diesem Moment erinnerte sie sich an alles. Er war es! Er war wieder da. Und er wollte ihr wehtun.
Mit einem Schrei schreckte Margarete hoch und öffnete die Augen. Mildes Licht fiel in ihr Zimmer. Ihr Herz pochte wie wild, ihre Arme waren verkrampft und schmerzten. Am Fuße ihres Bettes stand Wilhelm und sah sie mit gerunzelter Stirn an.
»Wieder dieser Traum?«, fragte er.
Margarete blinzelte. »Wie spät ist es?«
»Noch nicht mal halb sieben.«
»Ich komme zu spät«, rief sie und sprang auf.
»Es sind nur zehn Minuten bis zur Schule, du wirst rechtzeitig da sein.« Wilhelm setzte ein schiefes Lächeln auf. »Ida macht dir Frühstück, und ich habe schon Wasser aufgesetzt, damit du dich waschen kannst.« Er legte seine Hand auf Margaretes Schulter und zwinkerte ihr zu. »Wir schaffen das.«
Margarete schreckte vor der Berührung zurück und registrierte Wilhelms überraschten Blick. »Ich muss los.« Sie hastete quer durch das Zimmer. Die Dielen knarrten unter ihren eiskalten Füßen. Sie erreichte die Wiege und erblickte ihre Tochter. Sofort zuckten ihre Mundwinkel nach oben. Marie war bereits wach, sah sie aus neugierigen Augen an und steckte sich eine kleine Faust in den Mund. Als sie im Februar zur Welt gekommen war, hatte draußen Schnee gelegen. Margarete hob ihre Tochter aus der Wiege und drückte sie an sich. »Mein liebes Kind«, sagte sie und küsste sie auf die Stirn. »Weißt du, wer dich jetzt wickeln wird, obwohl er mir immer weismachen will, er könne das nicht?« Sie nickte ihrer Tochter zu. »Ganz genau, dein Onkel Willi!« Margarete drehte sich um und drückte Wilhelm das Baby in die Arme.
Wilhelm stupste Marie auf die Nase. »Ob du das wohl bald selbst kannst, kleine Maus?«
Margarete verließ kopfschüttelnd das Zimmer. »Sie ist drei Monate alt.«
Wenig später ließ sie sich am Frühstückstisch nieder. Wilhelm blickte von seiner Zeitung auf und pfiff anerkennend durch die Zähne. »Ich hatte gedacht, du wolltest den Rektor von deinen Qualitäten als Lehrerin überzeugen. Aber offenbar möchtest du ihn verführen.«
Margarete verzog das Gesicht, blickte an sich hinab und strich mit den Händen ihren modern geschnittenen Hosenanzug glatt. »Ich sehe doch ganz normal aus.«
»Normal für Leipzig vielleicht«, meinte Ida. Wilhelms Frau goss Margarete eine Tasse Kamillentee ein. »Hier auf dem Land wirst du mit deinem Aufzug einige Aufmerksamkeit erregen.«
Aufmerksamkeit, das war es, was Margarete unter allen Umständen vermeiden wollte. Nach den Ereignissen des letzten Jahres musste sie für eine Weile vom Radar verschwinden. Vermutlich würde sie sich hier mit Wilhelm und Ida verstecken müssen, bis der Krieg vorbei war. Aber deswegen würde sie sich noch lange nicht gehen lassen. »Der Herr Direktor wird schon mit meinem Anblick zurechtkommen.«
»Gewiss, Kind.« Ida trat auf sie zu und legte ihr eine Hand an die Wange. »Ich bin sehr stolz auf dich. Wir werden gut auf Marie achtgeben, bis du zurück bist.«
»Danke.« Margarete blickte in Idas faltiges Gesicht und musste schlucken, als Emotionen in ihr aufwallten. Sie wandte sich ab und griff nach der Teetasse. »Jetzt muss ich aber los.«
Wilhelm riss einen Arm in die Luft und begann zu schnipsen. »Fräulein von Brühl, hier bin ich, nehmen Sie mich dran«, rief er mit einer schrillen Kinderstimme.
»Leitner, Leitner, Leitner …« Margarete schüttelte den Kopf. »Was habe ich Ihnen über das Reinrufen gesagt?«
Wilhelm grinste. »Dass es ganz ungehörig ist, Fräulein von Brühl. Aber, sehen Sie, ich wollte doch nur wissen, was die Quadratwurzel von zwei ist. Können Sie mir das wohl sagen?«
Margarete verzog keine Miene. »1,4142. Oder brauchen Sie noch mehr Stellen?« Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Außerdem heiße ich jetzt Fräulein Müller, schon vergessen?«
»Schon gut.« Wilhelm hob abwehrend die Hände, dann erhob er sich ächzend. »Komm, ich begleite dich nach draußen.«
Margarete beobachtete, wie der massige Mann seine Jacke anzog, die speckig glänzte. Alt war er geworden, die Stirn faltig und die Haare noch schütterer als zuvor. Sie kannte ihn erst seit einem Jahr, und doch fiel ihr die Veränderung auf. Wahrscheinlich fehlte ihm seine Arbeit. Die Verantwortung und die körperliche Anstrengung bei der Feuerschutzpolizei in Leipzig hatten ihn jung gehalten. Nun führte er gezwungenermaßen das Leben eines Pensionisten, und das bekam ihm nicht gut.
Margarete nahm Ida zum Abschied in die Arme, dann trat sie durch die Haustür in den Vorgarten. Sie musste die Augen zusammenkneifen, so hell schien die Sonne bereits. Es war ein warmer Frühsommermorgen. Im hohen Gras, das rund um das Fachwerkhaus stand, in dem sie mit Wilhelm und Ida untergekommen war, dampfte der Tau, der von der Nacht übrig geblieben war. Es war ein Paradies.
Wilhelm trat neben sie. »Hast du deinen Pass?«
Margarete griff in die Innentasche ihrer Jacke, zog das Dokument hervor und klappte es auf. Wie schon so oft musste sie schlucken, als sie ihr Gesicht auf dem Passbild erblickte. Das war zweifellos sie, mit der schmalen Nase und dem Leberfleck auf der Wange. Doch die blondierten Haare, die sie nun trug, machten einen anderen Menschen aus ihr. Wie sie ihr natürliches Braun vermisste! Und dieser Name. Klara Müller! Wie einfallslos!
»Karl wäre sehr stolz auf dich«, sagte Wilhelm.
Margarete schluckte. »Danke.«
Wilhelm nahm ihr den Pass ab, klappte ihn zu und steckte ihn zurück in ihre Tasche. »Das ist gute Arbeit. Trotzdem solltest du ihn so wenigen Menschen zeigen wie möglich. Ein Polizist könnte die Fälschung erkennen.«
Margarete nickte. »Ich passe auf mich auf. Und ihr passt bitte gut auf Marie auf.«
»Keine Sorge.«
»Heute Mittag bin ich zurück, mit einer Festanstellung in der Tasche.«
Wilhelm lächelte. »Da bin ich mir sicher....
Erscheint lt. Verlag | 15.7.2024 |
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Reihe/Serie | Margarete von Brühl | Margarete von Brühl |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror | |
Schlagworte | Agententhriller • Atombombe • Historischer Thriller • Manhattan Projekt • oppenheimer • Spionagethriller • Thriller • Zweiter Weltkrieg |
ISBN-10 | 3-8412-3485-2 / 3841234852 |
ISBN-13 | 978-3-8412-3485-8 / 9783841234858 |
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