Muschelsommer (eBook)

Roman

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
496 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-31244-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Muschelsommer -  Karin König
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Wenn Landluft auf Meeresbrise trifft
Für einen Sponsor soll Köchin und Food-Bloggerin Isabella aus Berlin einen Monat auf einem Bauernhof an der Ostsee verbringen und ihren Followern zeigen, dass sie Lebensmittel nicht nur hübsch anrichten, sondern auch ernten kann. Dabei hat sie es bisher nicht mal geschafft, einen Kaktus am Leben zu erhalten. Angekommen auf dem Hof muss Isabella schnell feststellen, dass der junge Landwirt Tim nur wenig Lust auf eine Großstadtpflanze wie sie hat. Aber wenn er glaubt, das kann sie abschrecken, irrt er sich gewaltig. Mit einer Mistgabel in der Hand und Ostseeluft in den Haaren stürzt sich Isabella in die Arbeit auf dem Hof. Und je länger sie in Tims Nähe ist, desto mehr gerät ihr Herz ins Stolpern.

Karin König hat Journalistik studiert, für mehrere Lokalzeitungen geschrieben und ein Volontariat beim WDR absolviert. Aktuell arbeitet sie als Journalistin für den WDR. Wenn sie mal nicht hinter ihrem Laptop sitzt, hat sie meistens ein Buch vor der Nase. Außerdem engagiert sie sich ehrenamtlich als Rettungsschwimmerin. Den Sommer verbringt sie am liebsten an der Ostsee. Mehr über Karin König unter www.karin-koenig.com

Kapitel 1


»Was meinst du, brauchen wir mehr Licht, oder passt das so?«

Ich schaue mit zusammengekniffenen Augen auf den Teller mit der frisch gebackenen Focaccia, der vor mir auf dem Tisch steht. Die frühe Morgensonne scheint durchs Fenster und taucht den hellen Teig von der rechten Seite in goldenes Licht. Die Deckenlampe unserer WG-Küche gibt ihr Bestes, den Rest auszuleuchten, aber ich bin so müde, dass ich meinen Augen nicht mehr wirklich traue.

»Mach dir keine Sorgen«, antwortet Elif nach einem kritischen Blick auf mein Set-up. »Dieser Teig ist das Schönste, was ich seit Langem gesehen habe. Er ist umwerfend. Sexy. Er könnte mich um ein Date bitten und ich würde sofort Ja sagen.«

»Lass das nur nicht Marek hören.«

»Der würde das verstehen. Er ist der Erste, der für gutes Essen seine Seele verkaufen würde.« Sie nimmt einen weiteren großen Schluck Kaffee, bevor sie sich wieder ihrem Laptop zuwendet.

Ich schmunzele. »Wie viele Tassen hattest du heute Nacht schon?«

»Bei fünf habe ich aufgehört zu zählen.«

Als sie meinen missbilligenden Gesichtsausdruck sieht, deutet sie mit ihrem Kugelschreiber auf mich. »Für dieses Level an Teilchenphysik brauche ich Koffein. Außerdem bist du die Letzte, die mich dafür verurteilen kann, Isabella Köring. Soweit ich weiß, ist das hier auch deine dritte Nachtschicht diese Woche. Deine Augenringe haben bereits Augenringe.«

Dem kann ich nicht widersprechen. Also wende ich mich wieder meiner Focaccia zu. Nachdem ich den Teller ein letztes Mal um wenige Millimeter gedreht habe, positioniere ich mein Handy auf den kleinen Tripod, den Elif mir letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hat, und setze mich an den Tisch. Über das weiße T-Shirt, das ich bei der Arbeit tragen muss, habe ich meinen dunkelroten Lieblingspullover gezogen. Die Arbeitshose habe ich angelassen, aber weil man mich sowieso nur bis zum Bauchnabel sieht, spielt das keine Rolle. Nach einem kritischen Blick auf den Bildschirm drehe ich meine Haare in einen Dutt und trage noch eine Schicht Concealer unter meinen Augen auf. Dann drücke ich auf Aufnahme.

»So sieht das Ganze dann aus, wenn es aus dem Ofen kommt. Ein fluffiges Brot, das sich perfekt als Beilage zum Grillen oder für ein Picknick eignet. Oder als Snack zwischendurch.« Sobald die Kamera läuft, scheint alle Müdigkeit von mir abzufallen. Der Gedanke, dass es da draußen mittlerweile über 31 000 Menschen gibt, die meine Rezepte lieben und sie regelmäßig nachkochen, gibt mir immer wieder neue Energie.

»Wenn ihr die Focaccia statt mit Butter mit Margarine bestreicht, ist sie vegan. An einer guten glutenfreien Variante arbeite ich noch. Wenn ihr das Mehl einfach nur austauscht, wird eure Focaccia nicht fluffig, aber ich bin dran. Und was die Dekoration angeht, könnt ihr eurer Fantasie freien Lauf lassen.«

Das Brot vor mir habe ich mit gelben und roten Tomaten, Zwiebelringen und Thymianzweigen so dekoriert, dass es wie eine Blumenwiese aussieht. Es hat fast eine Stunde gedauert, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war, aber jetzt kann es sich sehen lassen.

»Wenn ihr das Rezept nachbackt, dann schickt mir gerne die Fotos von euren Kreationen. Ich freue mich wirklich über jedes einzelne Bild, das ich von euch kriege. Und jetzt kann ich nur noch sagen: Buon appetito.«

Ich greife nach dem Stückchen Teig, das ich extra vorher abgeschnitten habe, und beiße hinein. Die Kruste ist knusprig, aber der Teig darunter ist weich und immer noch warm. Perfekt. Der Geschmack von Knoblauch, Thymian, Olivenöl und Tomate füllt meinen Mund, und ich schließe für einen Moment genießerisch die Augen.

Als ich sie wieder öffne, grinst Elif mich an.

»Brauchst du einen Moment allein? Das sah fast schon unanständig aus.«

»Gutes Essen ist besser als Sex, wenn du mich fragst.«

Sie legt den Kopf schief. »Wann hattest du das letzte Mal welchen?«

Vor meinem inneren Auge tauchen gleich mehrere Bilder von Clubnächten der letzten Monate auf, die in verschiedenen Betten endeten. Jedes Mal dachte ich, jetzt hätte ich vielleicht mein Match gefunden. Jedes Mal lag ich falsch.

»Völlig unerheblich. Ich bleibe bei meiner Aussage.«

Ich beende die Aufnahme und nehme das Handy wieder in die Hand, um noch ein paar Nahaufnahmen zu filmen. Dann lehne ich mich mit einem tiefen Seufzen in meinem Stuhl zurück.

»Alles im Kasten.«

Elif klappt ihren Laptop zu und klatscht in die Hände. »Sehr gut. Heißt das, wir können das Ding jetzt essen?«

»Du hast es erfasst.«

Sie schiebt einen Stapel schwerer Lehrbücher zur Seite, während ich uns zwei Teller hole. Bevor sie das Messer ansetzt, zögert sie einen Moment. »Es ist eigentlich viel zu schön, um es zu essen.«

»Hat dich das jemals aufgehalten?«

»Gutes Argument.«

Für ein paar Minuten herrscht zufriedenes Schweigen, während wir erst eine, dann noch eine Scheibe der Focaccia genießen. Ich strecke die Beine unter dem Tisch aus und lasse den Blick schweifen. Das Chaos auf dem Tisch vor mir ist ein Sinnbild für unser Leben: Physikbücher, Kaffeetassen, Stifte, lose Blätter und Post-its, die Elif im Lauf der Nacht hinterlassen und vergessen hat, neben meinem Mini-stativ, dem kleinen Ringlicht, das ich letztes Jahr gekauft habe, und einem Brief von unserem Vermieter wegen der Erhöhung der Strompreise. Draußen vor dem Fenster erwacht Berlin langsam zum Leben. Autos brummen, Vögel zwitschern, Partygänger kehren mit dem Tageslicht nach Hause zurück. Irgendjemand entsorgt seinen Glasmüll, anderswo wird gelacht, Hunde bellen. Die typische Geräuschkulisse eines Montagmorgens. Manche mögen New York für die Stadt halten, die niemals schläft, aber für mich passt dieser Ausdruck auf keinen Ort so gut wie auf meine Heimatstadt. Ich liebe Momente wie diese, in denen ich mich einfach nur zurücklehnen und beobachten kann, wie das Leben um mich herum seinen Lauf nimmt.

Die Spätschicht im Restaurant ist vorbei und ich habe noch fünf gloriose Stunden, bis ich wieder losmuss, um eine kranke Kollegin zu vertreten. Mein aktuelles Rezept ist fertig, das Videomaterial im Kasten und bereit für den Schnitt. Die Küche sieht aus wie ein Schlachtfeld. Aber um all das kümmere ich mich später. Jetzt nicke ich nur, als Elif mit dem Messer auf die Focaccia deutet, und nehme dankbar meine dritte Scheibe entgegen. Die Strahlen der Sonne kriechen langsam weiter über das dunkle Holz des Küchentischs, den mein Vater mir zum Einzug geschenkt hat. »Du bist die Tochter eines Zimmermanns, du wirst dir doch keinen IKEA-Tisch in die Küche stellen«, verkündete er im Brustton der Überzeugung, wobei er das Gesicht verzog, als hätte er in etwas Saures gebissen. Dummerweise standen wir in diesem Moment mitten in der Küchenabteilung von IKEA. Das hat uns einige verwirrte Blicke der Mitarbeiter eingebracht, aber ich habe ihm nicht widersprochen und das noch nie bereut. Denn selbst nach sechs Jahren ist der Tisch noch immer das absolute Herzstück des Raums. Er ist breit genug, dass Elif und ich hier gleichzeitig die Nächte durcharbeiten können, ohne dass wir uns in die Quere kommen, aber gleichzeitig auch perfekt geeignet für Spieleabende mit Freunden oder als Büfett-Tisch für eine Hausparty. Mittlerweile befinden sich ein paar dunkle Tassenränder auf der Oberfläche und an einer Ecke ist eine tiefe Kerbe im Holz, weil ich einmal bei einer nächtlichen Kochaktion mit meinem neuen Messer abgerutscht bin. Es war für einen meiner ersten Posts, als ich nicht mal 100 Follower hatte. Nachdenklich zeichne ich mit dem Finger die Einkerbung nach, bis Elif unser Schweigen bricht.

»Du hast dich mal wieder selbst übertroffen. Ganz im Ernst, dein Talent ist verschwendet an dieses Touri-Restaurant.«

Ich werfe ihr ein müdes Lächeln zu. »Sag das mal unserem Vermieter. Der lässt sich leider noch nicht in Backwaren bezahlen.«

»Was ist denn mit deiner Sponsoring-Anfrage bei diesem Gewürzehersteller? Spicy … Spices …«

»Spice up you life? Die haben abgesagt. Meine Community scheint ihnen nicht geeignet für ihre Produkte.«

»Mit anderen Worten: zu klein«, schlussfolgert sie.

»Genau.«

»Du könntest immer noch die Sache mit dieser Fast-Food-Kette machen.«

Ich werfe ihr einen scharfen Blick zu. »Dann kann ich auch gleich meine Seele verkaufen.«

»Okay, okay. Du hast ja recht.« Sie greift über den Tisch nach meiner Hand und drückt sie kurz. »Du bist eine verdammt gute Köchin. Das sage ich jetzt nicht nur, weil ich als deine beste Freundin manchmal davon profitiere. Sondern weil es stimmt. Und irgendwann wird der Rest da draußen es auch merken.«

Damit steckt sie sich ein letztes Stück Focaccia in den Mund und steht auf, um die Teller zusammenzuräumen.

»Willst du zuerst unter die Dusche? Ich muss um neun an der Uni sein, aber ich lasse dir gerne den Vortritt.«

»Weil ich es mal wieder nötig habe?«

»Das hast du jetzt gesagt. Ich persönlich bin ja ein großer Fan von Eau de Knoblauch.«

So unauffällig wie möglich halte ich mir eine Haarsträhne vor die Nase und verziehe das Gesicht. »Das ist die Sache, wenn man in einem italienischen Restaurant arbeitet. Es ist einfach überall Knoblauch drin. Ich habe mich schon so daran gewöhnt, dass es mir gar nicht mehr auffällt. Aber vor dem Duschen muss ich hier noch aufräumen.«

Elif winkt ab. »Du hast schon für unser Frühstück gesorgt. Ich kann aufräumen.«

»Sicher?«

»Na los, geh schon.«

Ich...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • Bauernhof • Bio-Landwirtschaft • Buch für den Urlaub • Dorf • eBooks • enemies to lovers • Frauenromane • Frühling • Geschenk für Frauen • Grumpy meets Sunshine • influencerin • Kleinstadtleben • Kochbuch • Kochbücher • Kochen • Köchin • Küstenroman • Liebesroman • Liebesromane • liebesroman neuerscheinungen 2024 • Lübeck • Meike Werkmeister • Nachhaltigkeit • Neuerscheinung • Ostsee • Ostseeküste • Rezepte • Romane für Frauen • Schleswig-Holstein • söderby • Sommer • Sommerbuch • Strandkorb • strandversprechen • Svenja Lassen • Travemünde • Urlaub in Norddeutschland • Urlaubslektüre • Wohlfühlroman
ISBN-10 3-641-31244-2 / 3641312442
ISBN-13 978-3-641-31244-2 / 9783641312442
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