Sehnsucht nach der fernen Heimat (eBook)

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2024 | 1. Aufl. 2024
427 Seiten
beHEARTBEAT (Verlag)
978-3-7517-5481-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sehnsucht nach der fernen Heimat - Elisabeth Büchle
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Bessarabien, 1939: Elisa Steiger kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, ihre geliebte Heimat jemals zu verlassen. Doch die politischen Entwicklungen in der russischen Provinz und der Kriegsbeginn lassen ihr schließlich keine Wahl. Sie muss gemeinsam mit ihrer Familie Bessarabien verlassen. Die Flucht und die darauffolgenden Schicksalsschläge bringen Elisa an das Ende ihrer Kräfte. Und dann scheint sie noch ihre heimliche Liebe, den jungen Arzt Samuel Bader, für immer verloren zu haben ...

Eine mitreißende Geschichte über Flucht und die Frage, wie viele Entbehrungen und Schicksalsschläge eine junge Liebe aushalten kann.

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<p class="MsoNormal"><strong>Elisabeth Büchle</strong> hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und wurde für ihre Arbeit schon mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem 2. Platz des renommierten DELIA-Literaturpreises. Ihr Markenzeichen ist die Mischung aus gründlich recherchiertem historischen Hintergrund, abwechslungsreicher Handlung und einem guten Schuss Romantik und Humor. Sie ist verheiratet, Mutter von fünf Kindern und lebt im süddeutschen Raum.</p> <p class="MsoNormal"><span style="mso-bookmark: _Hlk146027999;">Als Noa C. Walker hat sie bereits mehrmals die Top 10 der BILD-Bestsellerliste gestürmt.</span></p>

Eins


Die Frühlingssonne löste die letzten Schneefelder an den Nordseiten der Hügel auf. Obwohl es noch kalt war, sprangen die Jungen in ihren kurzen Hosen durch die matschige Straße des Dorfes, als Elisa Steiger die Stufe vor dem Kolonistenhaus verließ. Ein paar Hühner flatterten laut gackernd davon. Elisa ging an den angebauten Ställen und dem Wagenschuppen vorbei und hastete über den Dreschplatz hinüber zum Gemüsegarten, wo ihre Mutter, ihre jüngere Schwester Friederike und ihr kleiner Bruder Anton damit beschäftigt waren, den nach dem Winter brachliegenden, kalten Boden umzugraben.

Hanna Steiger hob den Kopf und strich sich mit dem Handrücken eine Strähne ihres schwarzen Haares aus dem rundlichen Gesicht. »Bist du fertig?«, fragte sie ihre sechzehnjährige Tochter.

Elisa bejahte und fügte hinzu: »Alles abgestaubt, die Bilder und Stickereien hängen wieder an den Wänden, die Tischdecke ist ausgewechselt und die Häkeldecke auf der Kommode ebenfalls.«

»Gut. Dann kannst du die Wäsche plätten.«

Elisa nickte und eilte zurück ins Haus. Sie zog, zumindest zu dieser Jahreszeit, das Plätten mit dem schweren, durch Kohlen geheizten Bügeleisen der Gartenarbeit vor.

Von der Wohnstube trat sie in die angrenzende Küche und füllte die heiße Kohle in das Eisen. Aus einer Kommode holte sie ein Baumwolltuch, das sie als Unterlage auf dem Tisch ausbreitete, und zog den Weidenkorb mit der Bügelwäsche zu sich.

Gerade als sie das Kleid ihrer Schwester ergriff, vernahm sie von der Eingangstür her die fröhlichen Stimmen ihrer Freundinnen. »Lisa? Bist du da?«, rief ihre selbstbewusste Cousine Vera.

»In der Küche!«, antwortete Elisa. Sie hörte die Mädchen durch das Wohnzimmer gehen. Kurz darauf standen sie alle bei ihr in der inzwischen gut aufgewärmten Küche.

»Musst du noch lange arbeiten?«, wollte Anne wissen und ließ sich auf einem der dunklen Holzstühle nieder.

»Der ganze Korb Wäsche muss geplättet werden«, erklärte Elisa und setzte das Bügeleisen auf das Kinderkleid.

»Ich verstehe einfach nicht, warum du nicht nach Sarata auf die Werner-Schule zur Lehrerinnerausbildung oder aufs Mädchenlyzeum nach Tarutino gegangen bist.« Vera schüttelte ihren hübschen Kopf mit den blonden Locken, die heute jedoch brav in zwei geflochtene Zöpfe eingebunden waren. »Dann müsstest du hier nicht versauern und Kinderkleider plätten.«

»Das können wir alle nicht verstehen, Vera«, lachte die bereits achtzehnjährige Christina Weber.

Elisa hob nicht einmal den Kopf. »Was soll ich denn da?«, fragte sie leise.

»Du hattest nur die allerbesten Noten – in allen Fächern. Du könntest studieren«, schlug Vera vor. »Vielleicht im Deutschen Reich.«

Allein bei dem Gedanken daran, ihre Heimat zu verlassen, wurde es Elisa mulmig im Bauch. Sie fühlte sich hier, in ihrer eigenen kleinen Welt, umgeben von den Menschen, die sie von Kindesbeinen an kannte, sicher und geborgen. Niemals würde sie in eine fremde Stadt gehen können – vor allem nicht allein. Und schon gar nicht nach Deutschland. Das war viel zu weit weg. Elisa presste bei dieser Vorstellung das Plätteisen noch ein wenig fester auf den Stoff.

Sie sprach zwar, wie alle anderen deutschstämmigen Bessarabier, noch Schwäbisch, wenngleich sich in ihren Dialekt auch verschiedene russische und rumänische Begriffe eingeschlichen hatten, doch ansonsten hatte sie keinen Bezug zu dem Land ihrer Vorfahren. Elisa kannte nichts anderes als diesen Landstrich, der mittlerweile – anders als zu der Zeit, als ihre Ururgroßmutter Elisa hergekommen war – zu Rumänien gehörte.

»Sag jetzt bitte nicht schon wieder: ›Was soll ich denn da?‹«, spottete Vera und nahm das Kinderkleid vom Bügelbrett, um es ordentlich zusammenzulegen.

Anne reichte Elisa ein Hemd von Anton. Während diese sich daran zu schaffen machte, herrschte für einige Zeit nachdenkliche Stille. Schließlich meinte Vera: »Also, wenn ich deine Noten hätte, wäre ich schon längst auf dem Weg ins Reich. Stellt euch das einmal vor: allein in der Fremde. Vielleicht in Berlin. An einer Universität und –«

Anne unterbrach Vera, indem sie ihr das inzwischen glatte Hemd zum Zusammenlegen reichte. »Elisa ist nicht du, Vera.«

»Ich weiß. Unser stilles, schüchternes, kleines Mäuschen.« Vera legte das Hemd auf das Kleid und neigte den Kopf lächelnd zur Seite.

»Vor allem hattest du nicht ihre Noten, nicht wahr?«, meinte Christina.

Das aufgeweckte Mädchen zog eine Grimasse und lachte dann unbekümmert auf. »So ist das leider. Aber, wie ich schon mal sagte, sobald der nächste junge Mann –«

» … durch unsere kleine Stadt reist, wirst du ihn davon überzeugen, dass er dich heiraten und mit sich mitnehmen muss«, vervollständigten Elisa, Christina und Anne gemeinsam Veras Satz und brachen dann in Gelächter aus.

»Woher wisst ihr das?«, fragte Vera mit gespielter Empörung.

»Wir haben diesen Satz in den letzten Monaten mindestens hundert Mal aus deinem Mund gehört«, kicherte Anne und reichte der Freundin das nächste Kleidungsstück.

Gemeinsam erledigten sie die Wäsche, und als sie endlich fertig waren, lief Vera nach hinten und erklärte ihrer Tante Hanna, dass sie Elisa mit sich nehmen würden, ohne überhaupt in Erwägung zu ziehen, dass diese vielleicht einen Einwand erheben könnte.

So liefen die vier Mädchen durch die letzten, abendlichen Sonnenstrahlen über die brachliegenden Felder davon. Auf der Kuppe eines Hügels setzten sie sich auf eine Holzbank unter einem jungen, schlanken Baum. Dort redeten sie wie so oft in den vergangenen Jahren über ihre Familien, über ihre Träume, Hoffnungen und Wünsche und vergaßen dabei ganz die Zeit. Vor allem, als Christina ihnen von Carol Alexandru zu erzählen begann. Der Rumäne aus einem der Nachbardörfer machte schon länger Geschäfte mit ihrem Vater. Für die Freundinnen war es offensichtlich, dass Christina ihn überaus nett fand.

Irgendwann stellte Christina erschrocken fest: »Mädchen, es ist fast dunkel!« Sie stand hastig auf. »Wir müssen nach Hause.«

Elisa, Vera und Anne erhoben sich ebenfalls. Neben- und hintereinander liefen sie, die Röcke weit hochgerafft, den Hügel hinunter und auf die Weidewiesen zu, da der direkte Weg über die Weiden kürzer und der Trampelpfad ohnehin ganz matschig war. Sie kletterten zwischen den Holzverstrebungen der Zäune hindurch und eilten über das alte, braune Steppengras auf die Lichter ihres Heimatstädtchens zu.

Plötzlich hörten die Mädchen vor sich ein tiefes Brüllen. Laut und unheimlich drang es durch die Dunkelheit. Es folgte ein wütendes Schnauben. Erschrocken blieben die Freundinnen stehen.

Elisa meinte, die Umrisse einer massigen schwarzen Gestalt zu erkennen. »Ist das die Weide von den Kerlers?«, fragte sie die anderen flüsternd. Sie spürte ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend. Die Kerlers besaßen einen Zuchtbullen, der den ganzen Winter über im Stall gestanden hatte. Vermutlich war er erst seit heute wieder auf der Weide. Wenn dem so war, war das Tier mit Sicherheit leicht reizbar.

»Wir müssen hier weg!«, hauchte Christina, klammerte sich jedoch an Elisa fest, sodass diese keinen Schritt vorwärtsgehen konnte.

Der Bulle schnaubte erneut und setzte sich dann langsam in Bewegung.

»Was sollen wir denn jetzt tun?«, stieß Vera verzweifelt hervor.

Das massige Tier kam auf sie zu und wurde dabei immer schneller.

»Wir trennen uns. Jeder läuft in eine andere Richtung«, schlug Anne vor.

Sofort stoben die vier auseinander und versuchten – jede an einer anderen Stelle –, den rettenden Zaun zu erreichen.

Elisa sah sich nicht einmal um. Ihre Beine bewegten sich schnell und ihr Herz klopfte heftig. Panische Angst trieb sie vorwärts. Endlich konnte sie im Dämmerlicht die quer verlaufenden Balken des Holzzaunes erkennen. Mit der Kraft der Verzweiflung warf sie sich nach vorne und rollte sich unter den Stangen hindurch in Sicherheit.

Keuchend blieb sie einen Augenblick im nassen Gras liegen. Erleichterung machte sich in ihr breit. Sie hatte es geschafft!

Langsam zog sie sich an den Balken in die Höhe. Gerade als sie aufrecht stand, konnte sie Annes lauten, lang gezogenen Schmerzensschrei hören.

~~~

Nächtliche Dunkelheit lag über der Landschaft. Unzählige Sterne blinkten vom Himmel, doch ihr spärliches Licht reichte nur aus, um die zwar befestigte, aber mit Löchern und Fahrrillen übersäte Straße erkennen zu können. Samuel Bader nahm sein Bündel in die andere Hand und schwang es auf den Rücken. Seine Füße schmerzten von dem langen Marsch, den er, seit er den Zug in Beresina verlassen hatte, bereits hinter sich gebracht hatte. Mit weit ausholenden Schritten versuchte er, sich halbwegs warm zu halten. Obwohl jetzt, Mitte März, der Schnee auch aus den Nordhängen verschwunden war, war es nachts noch immer unangenehm kalt.

Der junge Mann wagte es, den Blick von der Straße zu nehmen, um zum Himmel hinaufzublicken. Es war schon spät und demnach Zeit, für die Familie Steiger zu beten, wie die Baders es seit mehreren Generationen täglich taten.

Seit seine Urahnin Emma Bader und eine Vorfahrin der Steigers sich auf ihrer Reise nach Bessarabien kennengelernt hatten, waren beide Familien miteinander verbunden. Allerdings waren die unregelmäßigen Besuche der wechselnden Generationen immer von der Seite der unternehmungslustigeren Baders ausgegangen. Er selbst hatte die Steigers zuletzt vor vier Jahren besucht, als er auf dem Weg nach Deutschland, wo er sein Studium angetreten hatte, durch ihr Dorf gekommen war. Morgen wollte er wieder einmal den Steigers einen Besuch...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Familiensaga • Fluchtgeschichte • Flucht:Ukraine • Flucht vor den Nazis • Flucht vor den Russen • Historische Romane • Liebe auf der Flucht • liebesroman 2. weltkrieg • Moladwie • Polen • Rumänien • Tragische Familiengeschichte
ISBN-10 3-7517-5481-4 / 3751754814
ISBN-13 978-3-7517-5481-1 / 9783751754811
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