Das Puzzle -  Daniel Dietzfelbinger

Das Puzzle (eBook)

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2023 | 1. Auflage
172 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-9295-5 (ISBN)
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Der Publizist Dr. Traugott Stern, Ende Fünfzig, ist Damen wie Rotweinen nicht abgeneigt. Er lebt am Starnberger See in einer Villa, die eine Einliegerwohnung hat. In diese war vor vier Wochen eine junge Frau, Silvana Salvani, eingezogen. Plötzlich ist Silvana Salvani tot. Sie verunglückte auf einer Bergstraße mit dem Auto - wenn es denn wirklich ein Unfall war. Die Polizei ermittelt: Kommissar Zumstadl hat keinerlei Zweifel, dass es sich bei der Geschichte um ein als Selbstmord getarntes Verbrechen handelt. Traugott Stern durchsucht die Wohnung von Silvana Salvani und findet dort eine an ihn adressierte Schachtel, in der sich sechs kleine Kistchen in Form eines Sterns finden, ein Puzzle aus sechs Teilen. Stern lässt sich auf das Puzzle-Spiel Silvanas ein ...

Daniel Dietzfelbinger, Jahrgang 1968, ist promovierter Theologie, Geschäftsführer des Instituts persönlichkeit+ethik in Augsburg, ist Autor zahlreicher Fachpublikationen. Er lebt in München.

2. Kapitel


Der Flug nach New York verlief problemlos. Die Nacht davor war kurz gewesen. Ich hatte schlecht geschlafen, eine Mischung aus zu viel Alkohol, Zigaretten, Tabletten und Gedanken an den Tag zuvor, der mir so viel Unruhe gebracht hatte. Meine Gedanken waren ungeordnet. Sie kreisten um tausend Dinge, um den Tod Silvanas, um die aufgeräumte Wohnung, um die Schachtel und das Puzzle, um meine geschäftlichen Termine in USA, um diesen Corrento, den ich treffen sollte, und um die Frage, ob es richtig war, zu diesem Zeitpunkt in die USA zu fahren, ein Tag nach dem Tod Silvanas.

Wie im Autoskooter stieß mein Hirn mal auf diesen, mal auf jenen Gedanken, einmal, zweimal, vorwärts, rückwärts, ein Durcheinander, ohne dass ich dabei etwas klären konnte oder wollte. Dazu der Rotwein, der die rasende Fahrt meiner Gedanken nicht steuern half.

Ich hatte geplant, nur zwei Tage in New York zu bleiben, allerhöchstens drei, vielleicht wollte ich noch einen Abstecher nach Atlanta unternehmen, je nachdem, was mein Verlagsagent mir anbot. Ich hatte es Zumstadl gegenüber bewusst offen gelassen, wann ich zurückkomme. Ich wollte mich nicht mit ihm herumschlagen, in der Hoffnung, dass sich die Sache bald aufklären würde. Es war mein Bedürfnis, mich nicht tiefer in die Geschichte zu verstricken, ein Schutzmechanismus. Ich war nicht unglücklich darüber, dass ich für Zumstadl nun die nächste Zeit nicht greifbar war. Er musste sich, wenn ich nicht da war, nach einem anderen Täter umschauen, zumindest war das meine Hoffnung.

Ich landete um 15.00 Uhr Ortszeit in New York, Freitag, 18. Juli 1997. Es war stickig heiß, New Yorker Sommerschwüle, 30 Grad, eine Luftfeuchtigkeit, die wohl nahe bei 100 Prozent lag. Jede falsche Bewegung wurde mit einem Schweißausbruch bestraft. Aber immerhin war es Sommer, nicht wie in Deutschland schon Herbst mitten im Juli, damals 1997.

Zwei Termine waren fest vereinbart. Am Abend der Empfang des Verlages, nichts Großes, kein wirklich fester Termin, ich hatte mich als „vielleicht“ angekündigt. Der wirklich wichtige Termin, die Präsentation meines Buches bei dem amerikanischen Verlag, war für den nächsten Tag, 19. Juli, ein Samstag, um 11.00 Uhr verabredet. Zeit genug also, am Spätnachmittag, trotz vollkommener Übermüdung, noch die von Silvana angegebene Adresse aufzusuchen, die ich in Form der Visitenkarte in meiner Innentasche aufbewahrte. Ich war neugierig, in welche Geschichte mich Silvana gebracht hatte. In der Tat: Ich wollte sie näher kennen lernen, auch wenn es nun zu spät war, oder vielleicht gerade deswegen?

Jonathan, der Hotelboy, der mich am Flughafen abholte, war mir kein Unbekannter. Mag es Zufall gewesen sein, dass sie von Seiten des Hotels immer Jonathan schickten oder nicht, ich verband schon seit einigen Jahren New York mit Jonathan, den überaus sympathischen Hotelfahrer.

Er hatte die Aufgabe, im Auftrag des Hotels wichtige Leute, und so jemand war ich wohl, vom Flughafen abzuholen. Ich mochte seine dunklen Augen und sein freundlichen Lächeln mit den strahlend weißen Zähnen. Jonathan war ein Stück Heimat in dieser fremden Welt New York.

„Jonathan, können Sie mir einen Gefallen tun?“

„Was Sie wünschen, Traugott.“

„Könnten Sie mich vielleicht an der Sixth Avenue absetzen und mein Gepäck schon in mein Zimmer bringen lassen?“

„Selbstverständlich“, antwortete Jonathan. „Wo wollen Sie genau hin?“

Ich nannte ihm die Adresse, die nicht weit von meinem Hotel entfernt lag.

Ich stieg aus dem Wagen – ein Buick. Zumstadl kam mir in den Kopf. Ich hatte keine Erklärung, warum er mich nach dem Buick gefragt hatte.

Jonathan fuhr fröhlich winkend weiter.

Mittlerweile war es 16.30 Uhr geworden, ich war müde, erschöpft.

Vielleicht war Corrento nicht da. Wenn er doch da war, was sollte ich ihm sagen? ‘Hallo, ich bin Traugott Stern, ein Freund von Silvana Salvani, sie ist gestern tödlich verunglückt, die Polizei spricht von Mord, gleichwohl: Sie hat mir kurz vor ihrem Tod Ihre Adresse gegeben, damit ich Sie aufsuche, wenn ich in New York bin. Also los, erzählen Sie.’ Mein Puls begann, heftig zu schlagen.

Ich schaute auf das Portal des Wolkenkratzers, an dessen rechte Seite eine Tapete aus goldenen und silbernen Schildern hing, übergroße Visitenkarten all derer, die in diesem Haus eine Dienstleistung anzubieten hatten.

Schließlich fand ich, was ich suchte: „Mr. Correntos Büro, Rechtsanwälte für alle Fälle“, welch humorvolle Beschreibung, dachte ich, bevor ich realisiert hatte, dass es sich bei Corrento um einen Juristen handelte.

Um Himmels Willen, ein Jurist!

Ich stand mit akribischen Juristen auf Kriegsfuß, weil sie mir in ihrer Denkweise zu unkreativ waren. Sie wollten immer alles genau wissen, um daraufhin in schlauen roten Büchern nachzusehen, ob es Finten gäbe, um ihre Mandanten aus dieser oder jener prekären Rechtslage herauszuboxen. Ich hatte zwar auch die eine oder andere positive Erfahrung mit Juristen gemacht, aber mir war ihr Wesen suspekt, da ich den Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit genau nahm, auch wenn ich aus der unterschiedlichen Interpretation von Recht und Gerechtigkeit schon manchen Vorteil gezogen hatte. Gleichwohl: Juristen waren mir verdächtig. Juristen kannten immer einen Weg, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, nicht nur den Kopf anderer, sondern, wenn es darauf ankam, auch den eigenen.

Ich betrat die Halles des Wolkenkratzers. Der Portier, der oberhalb der in Marmor gefassten Treppe in einem kleinem Häuschen saß, begrüßte mich freundlich.

„Wohin wollen Sie?“

„Mr. Corrento“, sagte ich. „Welches Stockwerk?“

„Siebzehntes“, antwortete der Herr freundlich.

Dort angekommen, blickte ich nach links und rechts. Linker Hand lag ein etwa 50 Meter langer Gang mit einigen Türen links und rechts, an dessen Ende sich eine große, milchige Verglasung befand, hinter der Neonlicht brannte. Zu meiner Rechten befand sich ein Fenster, aus dem man einen schönen Blick in die Häuserschluchten Manhattans hatte.

Ich wandte mich nach links. Schon bald waren die großen, in goldener Farbe gefassten Lettern zu erkennen: Corrento. Rechtsanwaltsbüro.

Nun, dachte ich, ein Büro hat meistens mindestens eine Sekretärin, da platze ich nicht direkt hinein. Ich kann ihr mein Anliegen erklären und sie verschafft mir einen Termin, wenn der Chef im Hause ist.

Rechtsanwälte haben den Vorteil, dass, wenn sie im Büro sind, gerne Klienten vorlassen, weil sie sofort einen neuen Fall – und damit Geld – wittern.

Aber was war mein Anliegen? Was sollte ich der Sekretärin sagen? Die Frage ließ mich nicht los: ‚Guten Tag, ich bin Traugott Stern, ich hatte ein Verhältnis mit Signora Salvani. Nun ist sie tot, aber ich habe die Adresse von Herrn Corrento von ihr bekommen. Also lassen Sie mich bitte zu ihm, es eilt! Ich habe noch einen wichtigen Termin. Überhaupt, wissen Sie eigentlich, wer ich bin?’

Ich beschloss, der Sekretärin zu sagen, ich wäre Publizist aus Deutschland und hätte ein amerikanisches Verlagsangebot, doch brauchte ich dazu noch Rechtsbeistand, es würde eilen. Gelogen wäre dies nicht, wenngleich ich die Verträge längst in der Tasche hatte, alles war bereits mit meinem deutschen und meinem amerikanischen Anwalt abgeklärt.

Ich drückte meine Zigarette, die ich mir zwischenzeitlich angezündet hatte, in den Wandaschenbecher und ging auf die verglaste Wand zu, hinter der sich Umrisse von Menschen bewegten.

Ich klingelte, die Tür sprang auf.

„Hallo“, sagte eine südländisch aussehende Dame, die im Eingangsbereich des Büros stand, „ich bin Debora, was kann ich für Sie tun?“

„Debora, was für ein schöner Name“, eröffnete ich den Small-Talk.

„Ja, ein jüdischer Namen“, sagte sie.

„Ich weiß, ich weiß, ich liebe jüdische Namen. Leider habe ich keinen abgekriegt, ich heiße Traugott, das ist ein richtig deutscher Name, Traugott Stern. Ich wollte ...“

Noch bevor ich mein Märchen von den Verlagsverträgen und der erwünschten Beratung loswerden konnte, wurde die junge Dame fast hysterisch: „Ach, Sie sind Mr. Stern? Wir haben Sie schon erwartet.“

Sie zog das Buch von mir, das gerade in USA erschienen war und wegen dessen Promotion ich die Reise nach USA machte, aus ihrer Schreibtischschublade.

„Sehen Sie, ich habe es mir schon gekauft.“

Wir haben sie schon erwartet! Warum erwartet? schoss es mir durch den Kopf.

Ich wollte gelassen bleiben, doch glaube ich, dass mir mein „Das ist wunderbar!“ nicht so überzeugend über die Lippen kam, wie ich es mir in dieser Situation gewünscht hätte.

Ich musste meine Unsicherheit unter Kontrolle bringen und erst einmal mitspielen. Ich wusste nicht, was Silvana mit mir vorhatte. Vielleicht hatte Silvana in meinen Terminkalender geschaut, vielleicht hatte ich ihr von der USA-Reise erzählt, vielleicht hatte Silvana etwas organisiert, was sich...

Erscheint lt. Verlag 20.12.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7583-9295-0 / 3758392950
ISBN-13 978-3-7583-9295-5 / 9783758392955
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