Robert Louis Stevenson, Gesammelte Werke -  Robert Louis Stevenson

Robert Louis Stevenson, Gesammelte Werke (eBook)

Gebunden in feingeprägter Leinenstruktur auf Naturpapier. Mit Goldprägung
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
608 Seiten
Anaconda Verlag
978-3-641-31429-3 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Stevensons Abenteuerroman »Die Schatzinsel« um den jungen Schatzsucher Jim Hawkins und die schillernde Figur des Piraten Long John Silver gehört zu den meistgelesenen Werken der Weltliteratur. Mit der meisterhaften Kriminalerzählung »Dr. Jekyll und Mr Hyde«, die von der Persönlichkeitsspaltung des angesehenen Arztes Dr. Henry Jekyll erzählt, legt der schottische Schriftsteller den Grundstein für die moderne Horrorliteratur. Makaber, wendungsreich und unterhaltsam geht es in acht weiteren Erzählungen zu, die dieser große Band enthält, darunter »Ein Nachtquartier«, »Der Selbstmordklub«, »Die krumme Janet« und »Der Leichenräuber«.
  • Einzige Ausgabe mit Stevensons Erzählungen
  • »Ich werde mich stets des Vergnügens erinnern, mit welchem ich seine frühen Geschichten im Cornhill Magazine las, längst noch, ehe mir der Name des Autors ein Begriff war.« Sir Arthur Conan Doyle
  • »Glaub mir, Stevensons Father Damien-Brief tut in jeder einzelnen Minute mehr Wirkung - und das wird mit Sicherheit auch in Zukunft so bleiben - als alles, was ich je geschrieben habe und jemals schreiben werde.« Jack London
  • »Eine Erfindung allerersten Ranges.« Bertolt Brecht über den »Junker von Ballantrae«


Robert Louis Stevenson (1850-1894), geboren in Edinburgh, wollte zunächst Ingenieur werden wie sein Vater, musste diesen Plan jedoch aufgeben, weil er schon früh an einem Lungenleiden erkrankte. Er studierte stattdessen Jura und arbeitete anschließend für verschiedene Zeitschriften. Seinen ersten großen literarischen Erfolg feierte er 1883 mit seiner Abenteuergeschichte «Die Schatzinsel», weitere mit unheimlichen Geschichten in der Nachfolge Poes. Seine Einkünfte erlaubten dem gebürtigen Schotten lebenslanges Reisen auf der Suche nach einem Klima, das bekömmlicher war als das heimische. Er fand es auf Samoa, wo er im Alter von 44 Jahren starb.

Eines Dichters Nachtquartier

Ein Erlebnis François Villons

Es war spät im November 1456. Der Schnee fiel mit strenger, unbarmherziger Ausdauer über Paris. Manchmal machte der Sturm einen Angriff und trieb den Schnee in kreisenden Wirbeln herum; manchmal war es windstill, und Flocke auf Flocke fiel vom schwarzen Nachthimmel herab – lautlos, lückenlos, endlos.

Arme Menschen, die unter nassen Augenbrauen emporblickten, dünkte es ein Wunder, woher all der Schnee käme. Meister François Villon hatte diesen Nachmittag an einem Schänkenfenster eine Streitfrage aufgeworfen: War es nur der Heidengott Jupiter, der auf dem Olympus Gänse rupfte? Oder mauserten die heiligen Engel sich? Er sei ja nur ein armer Magister der freien Künste, fuhr er fort; und da die Frage einigermaßen von theologischer Art sei, so dürfe er sich nicht erkühnen, sie zu entscheiden. Ein lustiger alter Priester von Montargis, der bei der Gesellschaft war, lud zum Dank für den Spaß und für die Fratzen, die ihn begleiteten, den jungen Schuft zu einer Flasche Wein ein und schwor bei seinem eigenen weißen Bart: In Villons Alter sei er gerade so ein ruchloser Bengel gewesen.

Die Luft war rau und scharf, aber es war eigentlich kein Frost, sondern die Schneeflocken waren groß, feucht und ballten sich zusammen. Die ganze Stadt lag wie unter einem Leintuch. Ein Heer hätte von einem Ende zum anderen hindurchmarschieren können, ohne dass man einen Schritt gehört hätte. Wenn noch einige verspätete Vögel hoch oben in der Luft gewesen wären, so hätten sie die ›Insel‹ wie einen großen weißen Fleck und die Brücken wie dünne weiße Sparren auf dem schwarzen Grund des Stroms gesehen. Hoch oben über den Häuptern der Menschen setzte der Schnee sich in das Fenstermaßwerk der Domtürme. Manche Nische war vollgeweht; manches Standbild trug eine hohe weiße Mütze auf seinem wunderlich verzerrten oder heiligen Haupt. Die Wasserspeier der Dachrinnen hatten sich in große falsche Nasen verwandelt, von deren Spitzen es herabtropfte. Die Kragsteine glichen aufrecht stehenden Kissen, die sich an der einen Seite herauswulsteten. In den Pausen zwischen den einzelnen Windstößen tröpfelte es mit dumpfem Klang rings um die Kirche herum.

Der Kirchhof von St. Johannes hatte seinen gebührenden Anteil vom Schnee erhalten. Alle Gräber waren säuberlich zugedeckt; hohe weiße Giebel standen feierlich in der Runde; ehrsame Bürger lagen längst in ihren Betten, ihre Köpfe weiß behaubt wie ihre Häuser. In der ganzen Nachbarschaft war kein Licht außer dem schwachen Schimmer der Lampe im Kirchenchor, die leise sich hin und her schwang und deren Schatten jede Schwingung begleitete. Kurz vor zehn ging die Nachtrunde mit Hellebarden und einer Laterne durch die Straßen; die Männer schlugen in der Kälte ihre Hände zusammen, und sie sahen nichts Verdächtiges am Johanneskirchhof.

Aber ein Häuschen, gegen die Friedhofmauer gelehnt, war noch wach in dem schnarchenden Viertel und war zu bösen Dingen wach. Von außen war ihm nicht viel anzusehen: Nur ein warmer Luftstrom, der aus dem Schornstein kam, hatte einen Fleck von dem Schnee auf dem Dach hinweggeschmolzen, und an der Haustür sah man ein paar halb verwehte Fußstapfen; aber drinnen, hinter den geschlossenen Fensterläden saßen Meister François Villon, der Poet, und einige von dem Diebsgesindel, mit dem er verkehrte, und hielten Nachtwache und ließen die Flasche kreisen.

Ein großer Haufen glühender Kohlen verbreitete einen starken, rötlichen Schein um den gewölbten Kamin. Vor ihm saß mit gespreizten Beinen Dom Nicolas, der picardische Mönch; er hatte seine Kutte hochgenommen und seine fetten Beine entblößt, um sie der behaglichen Wärme teilhaftig werden zu lassen. Der lange Schatten seiner Gestalt teilte den Raum in zwei Hälften, und der Schein des Kaminfeuers drang nur zu beiden Seiten seiner breiten Gestalt vorbei und bildete zwischen seinen gespreizten Füßen einen kleineren Fleck. Sein Gesicht war gerötet, geschwollen und verwittert – das Gesicht eines Gewohnheitstrinkers; es war von einem Netzwerk von Adern durchzogen, die für gewöhnlich purpurrot, jetzt aber blassviolett waren; denn wenn auch das Feuer seinen Rücken wärmte, so zwickte ihn auf der anderen Seite der Frost. Seine Kapuze war zurückgesunken und bildete seltsame Wülste zu beiden Seiten seines Stiernackens. So saß er, vor sich hin knurrend, in seiner ganzen Breite da und teilte mit dem Schatten seiner stattlichen Gestalt das Zimmer in zwei Hälften.

In der rechten Hälfte hockten Villon und Guy Tabary nebeneinander über einem Pergamentstreifen; Villon machte eine Ballade, die er »Die Ballade vom Bratfisch« nennen wollte, und Tabary begleitete, an seine Schulter gelehnt, die Verse mit Ausrufen der Bewunderung. Der Dichter war ein Fetzen von einem Mann – dunkel, klein und dürr, mit hohlen Wangen und dünnen schwarzen Locken. Er trug seine vierundzwanzig Jahre mit fieberiger Lebhaftigkeit. Gier hatte Falten um seine Augen gegraben; böses Lächeln hatte seine Lippen verzerrt. In seinem Gesicht stritten sich Wolf und Schwein. Es war ein beredtes, scharfes, hässliches, irdisches Gesicht. Seine Hände waren klein und griffig, mit Fingern wie geknoteten Stricken, und sie zuckten beständig in lebhaften und ausdrucksvollen Gebärden. Von Tabarys breiter Nase und schlabbrigen Lippen strömte eine breite, behagliche, den genialen Dichter bewundernde Dummheit aus; er war ein Dieb geworden und hätte geradeso gut der ehrsamste Bürger werden können. Der gebieterische Zufall hatte es so gefügt, der die Lebensläufe menschlicher Gänse und menschlicher Esel lenkt.

Zur Linken von dem Mönch würfelten Montigny und Theve­nin Pensete miteinander. Um Montigny schwebte noch ein Hauch von guter Geburt und Erziehung, wie um einen gefallenen Engel; etwas Edelmännisches war an seiner hohen, schlanken Gestalt, etwas Finsteres, Adlerhaftes an seinem Gesicht. ­Thevenin, die gute Seele, hatte einen großen Glückstag; er hatte am Nachmittag im Faubourg Saint-Jacques gute Beute gemacht und hatte den ganzen Abend von Montigny gewonnen. Sein Gesicht strahlte von einem dummen Lächeln; seine kahle Glatze schien rosig durch einen Kranz von roten Locken; sein vorstehendes Bäuchlein schepperte, als er mit einem stillen Kichern seinen Gewinn einstrich.

»Doppelt oder quitt?«, sagte Thevenin.

Montigny nickte mit einem grimmigen Gesicht.

»’s gibt Protzen, die lieber mit stolzem Rüssel«, schrieb Villon, »Brot und Käse essen von silberner Schüssel. Oder – oder – hilf mir doch, Guido!«

Tabary kicherte.

»Oder Rettich schneiden mit goldenem Messer«, kritzelte der Dichter.

Der Wind draußen frischte auf; er trieb den Schnee vor sich her und erhob zuweilen seine Stimme zu einem Siegesgeheul, und manchmal fuhr er mit Grabestönen durch den Schornstein. Die Kälte wurde schärfer, je weiter die Nacht vorschritt. Villon streckte seine Lippen vor und ahmte das Geheul des Sturms mit einem Geräusch nach, das halb ein Pfeifen, halb ein Stöhnen war. Es war ein ekliges, ungemütliches Kunststück des Dichters, das dem picardischen Mönch sehr verhasst war.

»Hört ihr’s nicht am Galgen klappern?«, sagte Villon. »Sie tanzen alle umsonst des Teufels Tanz da oben. Tanzt nur, meine Burschen, davon werdet ihr auch nicht wärmer! Puh! Was für eine Puste! Da hat’s jetzt einen hinuntergeweht! Eine Mispel weniger am dreibeinigen Mispelbaum! Was, Dom Nicolas? Heute Nacht wird’s kalt sein auf der Straße nach Saint-Denis?«

Dom Nicolas zwinkerte mit seinen beiden großen Augen und schien an einem Kloß in der Kehle zu würgen. Montfaucon, der grausige Pariser Galgenberg mit dem hohen Gerüst stand hart an der Straße nach Saint-Denis, und des Dichters Spaß traf den Mönch an einer wunden Stelle. Tabary lachte unmäßig über die Mispeln; etwas Eleganteres hatte er nie gehört, und er hielt sich die Seiten und krähte. Villon gab ihm einen Nasenstüber, worauf seine Lustigkeit sich in einen Hustenanfall verwandelte.

»Lass doch das Getöse«, sagte Villon, »und denke an Reime auf ›Messer‹.«

»Doppelt oder quitt!«, sagte Montigny verbissen.

»Von Herzen gern!«, sprach Thevenin.

»Ist noch was in der Flasche da?«, fragte der Mönch.

»Macht noch eine auf!«, sagte Villon. »Aber wie kannst du jemals hoffen, das große Stückfass, deinen Bauch, mit kleinen Dingelchen wie Flaschen zu füllen? Und wie kannst du erwarten, jemals in den Himmel zu kommen? Denkst du etwa, es könnten so viele Engel entbehrt werden, um einen einzelnen Mönch von der Picardie he­raufzuschleppen? Oder hältst du dich vielleicht für einen zweiten Elias und denkst, sie werden dir eine Kutsche schicken?«

»Hominibus impossibile«, antwortete der Mönch und füllte sein Glas.

Tabary war vor Entzücken außer sich.

Villon gab ihm wieder einen Nasenstüber und sagte:

»Lach über meine Witze, wenn ich bitten darf.«

»Er war sehr gut«, warf Tabary ein.

Villon schnitt ihm ein Gesicht und sagte:

»Denke du an Reime auf ›Messer‹! Was hast du mit Latein zu tun? Am großen Gerichtstag wirst du wünschen, du verständest kein Wort Latein – wenn der Teufel den Guido Tabary, Klerikus, aufruft – der Teufel mit dem Buckel und den rot glühenden Fingernägeln. Übrigens, da wir vom Teufel sprechen«, setzte er flüsternd hinzu: »Seht doch den Montigny!«

Alle drei spähten heimlich nach dem Spieler hinüber. Er schien mit seinem Glück nicht zufrieden zu sein. Sein Mund war etwas nach der Seite verzogen, das eine Nasenloch beinahe geschlossen, das andere weit aufgebläht. Der schwarze Hund saß ihm im Nacken, wie...

Erscheint lt. Verlag 12.6.2024
Reihe/Serie Anaconda Gesammelte Werke
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • Abenteuerliteratur • Abenteuerroman • der diamant des radschas • der flaschenkobold • Der Leichenräuber • der selbstmörderclub • Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde • Die Schatzinsel • eBooks • england krimi • englische Autoren • Englische Klassiker • Gelbe Reihe • Geschichte Englands • Historische Romane • Historischer Roman • jekyll and hyde • Klassiker • Klassiker der Weltliteratur • Literaturklassiker • Neuerscheinung • Piraten • Piratenbuch • Piraten-Roman • Reclam • Seefahrer Geschichten • stevenson die schatzinsel • Viktorianisches Zeitalter
ISBN-10 3-641-31429-1 / 3641314291
ISBN-13 978-3-641-31429-3 / 9783641314293
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,7 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Iris Wolff

eBook Download (2024)
Klett-Cotta (Verlag)
18,99